Geheimer Crashtest in Nardo: Audi auf der Suche nach neuen innovativen Lösungen

Vor zwei Jahren schrieb ich auch eine Geschichte, die in Italien spielte. Ganz geheim hatte VW einen Weltrekord-Versuch geplant. Nicht geheim genug, um Motor-KRITIK verborgen zu bleiben. Ich schrieb damals im Vorspann: "In seiner langsam ausklingenden Amtszeit rammt Ferdinand Piech, der VW-Oberste, noch einmal Meilensteine an den Rand seiner Erfolgsstraße; und das so, dass seinem Nachfolger keine andere Möglichkeit bleibt, als den 'Stab', den Piech am Ende seiner Rennstrecke trägt, im gleichen Tempo bis ins Ziel zu tragen." Leider ist Pichetsrieder dann aber ein wenig lahm aus den Startlöchern gekommen. - Heute möchte ich das aktuelle Ereignis in Nardo (es geschah am 8. September) darum so umschreiben: In seiner langsam anlaufenden Amtszeit rammt Audi-Boss Martin Winterkorn die ersten Meilensteine an den Rand seines italienischen "Schwarzlicht-Theaters"; und das so "crash",   dass mit einem Bums ein Millionenschaden entsteht. - Vor zwei Jahren war der Nardo-Termin das letzte Ereignis, das ich dem großen Kommunikations-Manager, Kocks, widmen konnte. Heute widme ich  meine erste Geschichte über den neuen Audi A 6 dem neuen Winterkorn (ich meine hier nicht die Wintergerste) und seiner genialen Erlkönig-Tarnung:

Molton 300 gr/qm, blickdicht, schwarz, Größe A6

03-09-16/01. - Eigentlich ist dieser Montag, der 8., ein ganz normaler Tag im September hier unten in Nardo. Das liegt ganz tief im südlichen Italien und ist mit dem Auto verkehrstechnisch nur mit großem Zeitaufwand von Deutschland aus zu erreichen. Aber es gibt hier eine für die Autoindustrie wichtige Teststrecke. Schnell und heiß, so könnte man es kurz zusammen fassen.

Audi hat drei seiner neuesten (neuer geht es nicht) A6-Prototypen herunter karren lassen. Per Transporter, versteht sich. Ganz geheim. Aber die Fahrzeuge müssen schließlich auch mal gefahren werden. Computer-Simulationen allein  genügen nicht. Aber da gibt es die bösen Erlkönig-Jäger. Da gilt es, das neue Produkt zu schützen. Aber wie macht man das sinnvollerweise?

Und da hatten wohl die Verantwortlichen eine geniale Idee. So denke ich. Auch Crashtests werden zunächst per Computer durchgespielt. Später gibt es dann solche mit Dummy's. Aber mit richtigen Menschen passiert manches anders. Weil Menschen ja irgendwie reagieren, sich strecken, abstützen, wenn sie begreifen, dass es Sekundenbruchteile später knallen wird. Aber kein Testfahrer wird zu Testzwecken - sozusagen mit Absicht - in ein Hindernis fahren um zu prüfen, ob denn nun alles so, wie im Computer angedacht, funktioniert.

Und so haben dieAudi-Verantwortlichen die Tester der neuen A6 "im Dunkeln gelassen". Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie haben sie - und die A6-Prototypen in eine schwarze Hülle gesteckt.

Es bedurfter umfassender Recherchen bis ich Klarheit über das Material hatte. Nach Ansicht von Analysten aus dem Backstage-Bereich handelt es sich um schwarzes Molton. Blickdicht natürlich. Und feuerhemmend ausgerüstet. Es wird in der von Audi verwendeten Qualität auf 300 Gramm pro Quadratmeter geschätzt und in Bahnen von drei Meter Breite geliefert, zum Preis von rund 15 Euro pro Quadratmeter verkauft.

Natürlich hätte  Audi hier sparen können. Denn die leichtere Qualität ist 50 Cent/qm billiger, kommt aber nur auf ein Gewicht von 160 gr/qm. Da aber auch der neue Audi A6 ein Premium-Produkt werden soll, hat man - auch hier - weder Kosten noch Mühe gescheut.

Die schwarze Hülle, die also - gemacht aus (wahrscheinlich) diesem Material - die geheimen Prototypen verdeckt, reicht fast bis zum Boden, verdeckt also auch den größten Teil der Radausschnitte. Vorne - dort wo die Windschutzscheibe zu sein scheint - hat man einen Sehschlitz von ca. 15 - 20 Zentimeter vorgesehen. Rechts und links, dort wo sich die Seitenscheiben verbergen, hat man runde Ausschnitte eingearbeitet, die aber so klein sind, dass man die Fahrer von außen nicht identifizieren kann. Auf der Rückscheibe gibt es einen Sehschlitz, der einen Blick in den Rückspiegel nicht überflüssig machen soll. Und auch die Heck- und Bremsleuchten wurden so freigelegt, dass sie in dem nun vorhandenen schwarzen Umfeld so sexy wirken, wie entsprechende "Löcher" an der richtigen Stelle im T-Shirt einer flotten Dame. Ja, ja - Automobile sollen Emotionen wecken. Auch getarnte. Und der neue Audi A6 "macht an".

Nun galt es für die Audi-Verantwortlichen, die idealen Fahrer für so verkleidete Prototypen zu finden. Sie sollten relativ jung sein, keine Weltkriegserfahrung und keinen Panzerführerschein haben. Denn mit solcher Erfahrung kommt man auch vielleicht mit Sehschlitzen zurecht. Aber schließlich wollte man auch - es musste alles ganz zufällig wirken - ein Testergebnis über das Crashverhalten des neuen A6 erhalten.

Die sorgfältige Planung der Audi-Entwickler hat sich gelohnt. Alles verlief entsprechend den (wahrscheinlich) vorausgegangenen Computer-Simulationen. A6/1, A6/2 und A6/3 waren in Nardo - in  der oben geschilderten Verkleidung - auf der sogenannten Lkw-Spur unterwegs. Die Fahrer sitzen praktisch in einem vollkommen abgedunkelten Raum und blicken durch Sehschlitze nach draußen. Nun gibt es - auch in Nardo - Richtungsänderungen, was bedeutet: mal hat man die Sonne im Rücken, manchmal fährt man direkt ins Licht. Der Wechsel geschieht schnell und das Auge muss nun den (krassen) Unterschied adaptieren.

So kam es, dass in einer solchen (oder ähnlichen) Situation zwei Audi A6-Prototypen mit hohem Geschwindigkeitsunterschied eng zu einander fanden. Da nutzen weder ABS noch ESP (natürlich auch beim neuen Modell serienmäßig) um ein Auffahren zu verhindern. Geschickt von den Planern eingefädelt, verformten sich zwei der Millionen teuren Prototypen so krass, dass an eine Reparatur vor Ort nicht zu denken war.

Und so sind zwei der geheimen Prototypen wieder zu Hause. Und man konnte ihnen auch wieder die Molton-Umhänge abnehmen. Die übrigens - dem Vernehmen nach - diesen Crash so gut überstanden haben, dass nur relativ preisgünstige Flickarbeiten genügen, um den Idealzustand (dem Fahrer einen Teil der Sicht zu nehmen) wieder herzustellen.

Wahrscheinlich wird aufgrund dieser positiven Erfahrung die "quattro GmbH" demnächst wohl eine solche (oder ähnliche Hülle) zur Verwendung in Carports anbieten. TÜV-geprüft und crashgetestet. Wobei ein solcher Umhang auch bei Standzeiten eines A6 auf Waldwegen eine gewisse Bedeutung erlangen könnte. Denn - wie gesagt: Mit dem neuen Audi A6 will man Emotionen wecken.

Der kleine Schaden in Millionenhöhe wird da gerne in Kauf genommen. Der Stand auf der IAA war teurer.

Übrigens: das Standpersonal war am Dienstag noch nicht über die Ereignisse von Montag in Nardo informiert. - Herr Winterkorn, da tun sich interne Kommunikationsschwächen auf!

Als ergänzender Nachtrag: natürlich kannte ich den neuen A6 schon von der Nürburgring-Nordschleife. Aber hier war er - auch in letzter Zeit - immer noch in altem Outfit, mit der alten Karosse, unterwegs. Er machte hier fahrwerktechnisch einen guten Eindruck. Ich bin mal gespannt, ob die A6-"Schwarzfahrer" auch auf der Nordschleife erscheinen. Mercedes hat das schon hinter sich. Ich glaube, die nutzten aber die billige 160 Gramm-Version. 

MK/Wilhelm Hahne

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