Virneburg, den 1. Oktober 2003

Guten Tag!

Ich möchte mich bei Herrn Winterkorn entschuldigen.

Leider spreche ich nicht italienisch, und so konnte ich auch meine Audi/Nardo-Geschichte nur in Deutsch - hoffentlich in verständlichem - verfassen. Herr Winterkorn war so gezwungen - um sich gegenüber seinen italienischen Freunden zu verdeutlichen - meine Geschichte übersetzen zu lassen. Diese Übersetzung war begleitet von einem freundlichen Brief, den man nun dem Vermieter der Nardo-Teststrecke zustellte und in dem die Firma Audi sehr freundlich (aber bestimmt) darauf hingewiesen hat, dass man als Vermieter einer Teststrecke nicht nur die Pflicht hat, sogenannte "Erlkönig-Fotografen" durch entsprechende Maßnahmen vom erfolgreichen Einsetzen der Kamera in Nardo abzuhalten, sondern man habe auch gegenüber der Industrie (den Kunden) die Verpflichtung, alle Geschehnisse innerhalb des großen Zauns auch innerhalb dieser Abgrenzung zu halten. Und man möge nun doch die "undichte Stelle" ermitteln und verschließen.

Lieber Herr Winterkorn; diese Aufforderung haben Sie falsch zustellen lassen. Hätten Sie Ihre Bitte an mich gerichtet - na, ja, ganz ehrlich - wäre sie genauso abschlägig beschieden worden, wie auch Ihr Brief an Nardo ohne jede Wirkung sein wird. Meine Bequemlichkeit in den letzten Monaten hatte dazu geführt, dass sich in den Presseabteilungen der deutschen (aber auch der "restlichen") Automobilindustrie die Auffassung verfestigt hatte, die "Bemühungen" der letzten Jahre würde nun endlich Früchte tragen. Die Industrie bestimmt was und worüber berichtet wird. Und so geschieht es.

Vergessen wurde, dass es immer noch Journalisten "alten Schlages" gibt. Das sind solche "Gestrigen", wie Automobile ohne ESP. Aber darum funktionieren die auch. Autos wie Journalisten. Aber es gibt davon immer weniger.

Wenn im SPIEGEL aktuell über die elektronischen Schwächen moderner Automobile berichtet wird, so kann man diese Geschichte voll unterstreichen. Was darin - leider - nicht deutlich genug heraus gestellt wurde ist, dass die sogenannten elektronischen "Sicherheits-Innovationen" für den Käufer - und Autofahrer - auch Unsicherheit bedeuten. Elektronik kann vor Unfallfolgen schützen, aber auch Unfälle begründen. - Sie lesen darüber. (Allerdings nicht bei diesem Schwung von neuen Geschichten. Aber bestimmt beim nächsten.) Sozusagen als Ergänzung zu der - wie immer - sehr gut formulierten SPIEGEL-Geschichte. Das Lesen solcher Geschichten ist auch ein Lese-Spaß! - Danke, Herr Wüst!

Aber ich glaube auch, dass man einmal den Presseabteilungen verdeutlichen muss, dass es für ihre Abschottungs-Strategie Grenzen gibt. Presseabteilungen heute, sind aus der Sicht eines (echten) Journalisten mehr Abwehr-, als Informationsabteilungen. In Ihrer "Abwehr" sind sie z.T. so primitiv, dass ich das einmal mit Beispielen darstellen wollte. - Und bin da bei meinen Recherchen schon wieder auf "Abwege" geraten, da sich plötzlich neue "Handlungsstränge" auf tun. - Grundsätzlich gilt aber für die Presseabteilungen der Automobilindustrie:

Da wird "auf Zeit gespielt", wird evtl. gar nicht geantwortet. Da weiß man aber auch z.T. gar nicht, wovon man spricht, schreibt.

Ich werde in den nächsten Wochen  einmal aus meiner Sicht einigen Presseabteilungen (die es nötig haben) verdeutlichen, wie wenig sie ein Journalist braucht, der sein Handwerk zu verstehen glaubt. Wirkliche Informationen, solche, die für die Öffentlichkeit eine wirklich nützliche Information sind, erhält man nur an diesen Abteilungen vorbei. - Ich werde das am Beispiel einer Firma darzustellen versuchen, die - lassen wir mal Opel (als Sonderfall) außen vor - sich besonders intelligent zu verhalten glaubt. - Toller Laden, Herr Dr. Riecke. Kein Wunder, dass man sich dort wieder von 1.700 Beschäftigten (in Deutschland - weltweit sind es 7.700) zu trennen versucht. - Sind dort auch die Richtigen dabei?

Wobei sich manchmal heraus stellt, dass selbst Vorstände oft weniger wissen als ein guter Journalist. Weil gute Journalisten dort recherchieren, wo die Dinge passieren. Ich brauche darum nicht den Kontakt zu Vorständen. Aber manche Vorstände wären über die Abläufe in ihren Firmen besser informiert, wenn sie Kontakt zu mir hätten. (Darum gibt es übrigens "Motor-KRITIK" - auch.)

Wenn ich mich vor vielen Jahren mit "Bob" Lutz (er ist älter als ich) über diese oder jene Schwäche von Ford (er war damals bei Ford) unterhielt, dann hat der mir vorgehalten, dass ich bei meiner räumlichen  Nähe zu Ford wahrscheinlich zu viel von dort mit bekäme. Aber das wäre bei anderen Automobilfirmen auch nicht anders. Eigentlich müssten solche Konzerne wie Ford und GM (er kannte sich z.B. auch bei Opel aus), auf aufmerksame Beobachter "wie Papierfabriken" wirken. Aber solche Unternehmen würden sich nicht anders führen lassen.

Jahre später, nun bei Chrysler, berichtete er begeistert davon, dass er eigentlich immer einen freien Schreibtisch habe, von keinem Papier verunziert, dass sein Informations- und Leitungs-Instrument der Computer sei, und dass die Leitung eines modernen Automobilunternehmens eigentlich heute weitgehend papierfrei erfolgen  könne.

Nun ist Chrysler inzwischen in Daimler-Hand. Und dieser Konzern erinnert wieder an eine Papierfabrik. Es wird viel geschrieben (zur eigenen Absicherung), es erfolgen keine Entscheidungen (bzw. sehr spät); das Mitglied einer Unternehmensberatung berichtete mir fassungslos (direkt von der Front), dass man eigentlich nicht verstehen könne, dass sich in diesem Konzern überhaupt noch etwas bewegt. Überall zu lange Wege.

Weil es mir gerade einfällt: Wussten Sie, dass mein junger "Kollege"  (er ist jünger als ich), Hans-Wilhelm Gäb, zu den Beratern des DaimlerChrysler-Konzerns gehört? Er fährt auch (als "wissender" GM- und Opel-Manager) eine S-Klasse. Und DC macht nun aufs ZDF Druck. Beides hat natürlich nichts mit einander zu tun. - Was ich dazu recherchieren konnte, lesen Sie in der entsprechenden Geschichte.

Übrigens können Sie Gäb buchen. Für ein angemessenes Honorar. Über das FAZ-Institut. (Das wurde aber schon von "dossierB" verbreitet und deutet sich auch in den Anzeigen des Instituts in der FAZ an, wo es heißt: "Kommunikationsberatung durch ausgewählte Spitzenmanager". Und ergänzend heißt es: "Wir bieten Aufsichtsräten, Vorständen und PR-Chefs großer Unternehmen Unterstützung 'in Augenhöhe'".) Dieses Institut hat auch schon über meine Arbeiten herausragende Gutachten verfasst.  Von Opel veranlasst. Von wem wohl? Und wer "beratete" damals diesen, "in Augenhöhe"?

Ich erinnere mich, dass mich zu dieser Zeit der Redakteur eines in größerer Auflage erscheinenden Magazins anrief (!), um mich auf die unverständliche, sich widersprechende Argumentation in diesem Gutachten aufmerksam zu machen. - Aber es war ja für Opel bestimmt. Und die fanden das gut. Ich auch. Zu Lebzeiten ein Gutachten über meine Arbeiten! - Da darf man doch stolz sein. Wenn ich da an Goethe oder Schiller denke... -

Übrigens: wenn ich an "damals" denke, bin ich schon ein wenig traurig, dass diese "epochale" SPIEGEL-Geschichte, in der ich als "Eiferer aus der Eifel" bezeichnet wurde, seit Jahren im Archiv gelöscht ist. - Bin ich jemals besser beschrieben worden? - Aber in anderen Teilen war sie wohl nicht so gut.

Herzliche Grüße aus der Eifel

Wilhelm Hahne

PS: Um meine Informationen von der letzten Woche zum Formel 1-GP am "Ring" zu ergänzen: Dr. Kafitz ist wohl mit der Ecclestone-Idee nicht so recht weiter gekommen. Den spanischen Veranstaltern kam das wohl zu spanisch vor. Nun  versucht der HG (Hauptgeschäftsführer) der Nürburgring GmbH den "Schwarzen Peter" dem ADAC (exakt dem Gau Mittelrhein) in die Schuhe zu schieben. Wenn sich der nämlich sperrt, auf seinen Termin in 2004 mit dem Truck-Grand-Prix zu verzichten... - So kennen wir ihn. - Delegieren, delegieren. - Am liebsten die Verantwortung. - Sogar für die Einstellung von Lehrlingen.


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