Eine Liebeserklärung an den Citroen 2 CV

Nein, diese Geschichte ist nicht von mir. Sie wurde von einem jungen Künstler in der zweiten Hälfte des Jahres 1979 geschrieben. Der Künstler lebt, weiß aber nichts von dieser Veröffentlichung. Er wird böse sein? - Vielleicht. - Aber ich mache seinen Namen ja nicht öffentlich. Aber diese Geschichte ist zu schade, um unveröffentlicht in einer dunklen Schublade langsam zu vergilben. (Weil die Schublade ja auch ab und an offen steht.) Und dieses Automobil, gerade der Citroen 2 CV, hat es wirklich verdient, noch einmal auf besondere Weise Erwähnung zu finden. Eigentlich auch der Liebhaber dieser "Ente", der exakt die richtige Einstellung zu diesem Automobil gefunden hat. So sollte eigentlich jeder Käufer von "seinem Automobil" berichten können. Damit auch andere begreifen, was das Auto kann - und was es nicht kann. Insofern ist die nachstehende "Liebeserklärung" eigentlich ein Testbericht, der gleichzeitig schonungslos die Schwächen der aktuellen Testberichte unserer heutigen Fachpresse offen legt: sie sagen wenig über den Charakter des getesteten Gegenstandes aus. Ich liebe meine Frau nicht nur, weil sie gut kochen kann. - Wie dem auch sei: der eine kann Autos messen, aber nicht begreifen; der andere versteht sie und - kann sogar schreiben. - Dabei fällt mir Karl Kraus ein: "Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken." - Hier folgt das Gegenbeispiel:

"Ich bin von Kopf bis Fuß auf Ente eingestellt"

03-10-01/02. - Sicherlich gibt es viele Arten von Verrückten und Spinnern. Manche versuchen in weniger als fünfzig Sekunden mehr als vierzehn Kartoffelknödel zu verschlingen, andere stehen länger als zwanzig Stunden auf einem Bein. Um mich steht es laut Aussage meiner ;Mitmenschen noch schlimmer: - Ich habe mir einen Citroen 2 CV gekauft. Und - als ob der vorgenannte Tatbestand das Maß, mit dem ein jeder Spinner oder Verrückte gemessen wird, nicht schon fast zum Überlaufen brächte -: Ich lege mit ihm auch noch mehr als fünfzigtausend Kilometer im Jahr auf bundesdeutschen Autostraßen zurück.

Auch auf die Gefahr hin, bald von überhaupt niemandem mehr ernst genommen zu werden, werde ich Ihnen erzählen, wie es zu oben angedeuteter Verbindung kam.

Es muss wohl Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Schon zu Zeiten, in denen es mir nicht vergönnt war, den Rausch des Selber-Fahrens genießen zu dürfen, liebäugelte ich mit diesen kleinen schutzbedürftig wirkenden Automobilen. Ich konnte Enten beobachten, die von langhaarigen Unholden steile Berge hinauf gequält wurden oder die von älteren Herrschaften - ob der Sprüche, mit denen sie meist verziert sind - entrüstet und voller Verachtung betrachtet wurden. Mir blieben damals nur einige verliebte Seitenblicke, vielleicht ein angedeuteter Gruß und manchmal, wenn ich mich unbeobachtet fühlte, wagte ich es sogar, eine von ihnen zärtlich zu berühren und einen schüchternen Blick in ihr Inneres zu werfen.

Meine Liebe wurde mit der Zeit immer tiefer, doch als der Tag kam, an dem man mir bescheinigte, von nun an selber als Lenker eines mit vier Rädern behafteten Fahrzeuges fungieren zu dürfen, wurde ich ihr untreu. Nicht, dass meine Liebe plötzlich erloschen wäre - ich bin nicht der Typ, der eine so lange andauernde und schöne Beziehung aus heiterem Himmel abbrechen könnte -, nein, ich hatte mir wohl zu viele Gedanken gemacht. Würde sie meinen täglichen Anforderungen genügen, wäre das, was ich ihr abverlangen müsste, nicht einfach zu hart für solch ein zierliches Etwas?

Von meinen ersten Vernunftehen wurde ich bitter enttäuscht. Mir als robust und anspruchslos empfohlene Partner machten meist schon bei der geringsten Anstrengungen schlapp und konnten mir auch nicht annähernd das an Gefühl des der Masse Entrückten vermitteln, welches ich mir in einer Ente immer ausgemalt hatte.

Eines Tages war es dann endlich so weit. Mit großem Verlust - aber ohne Reue - trennte ich mich von meinem damaligen Altfahrzeug. Nun war der Weg frei, meinen Traum zu realisieren. Ohne einen Tag länger verstreichen zu lassen, machte ich mich auf die Suche. Doch was ich nun an bereits durch eine oder mehrere Hände gegangenen Exemplaren besichtigte, war mehr als erschütternd. Meist waren es offensichtlich schwer misshandelte und lieblos gehaltene "Döschwos", die zwar mein Mitleid erregten, deren Verarztung ich aber nicht zu übernehmen bereit war.

Schwer enttäuscht entschloss ich mich, die Suche aufzugeben.

Wollte ich meinen Traum erfüllen, musste ich mir - zum Leidwesen meines hartgeprüften Bankkontos - eine taufrische und noch jungfräuliche Ente zulegen.

Ohne Rücksicht auf finanzielle Nebensächlichkeiten begab ich mich zu dem zuständigen Händler. Noch bevor ich sein Büro betreten hatte, wurde ich kokett von einer im Hof stehenden knallroten Ente angeblinzelt.

Das Geschäft war schnell abgeschlossen. Auf keinen Fall wollte ich "sie" an einen anderen verlieren und möglichst bald mit "ihr" alleine sein.

Kurz darauf machten wir unseren ersten gemeinsamen Ausflug... - Wir fuhren nicht, wir schwebten. Wir waren überglücklich. "Sie", weil sie froh war endlich den Duft der großen weiten Welt schnuppern zu dürfen und ich, weil ich meine Wunsch-Träume in die Realität umgesetzt sah.

Das ist nun alles schon ein Jahr her. An unserem Verhältnis hat sich nichts geändert; obwohl wir schon extreme Schwierigkeiten zu bewältigen hatten, wurde ich von "ihr" noch nie im Stich gelassen. An jedem Wochenende geht es auf die Autobahn, auf der wir uns dann gemeinsam einige Stunden vom nervenden Stadtverkehr erholen. Mancher Luxuswagenfahrer grüßt uns freundlich mit der Lichthupe, wenn wir uns bemühen, einen Lastwagen zu überholen und überhaupt ist unser Verhältnis zur Umwelt sehr innig. Der Wind spielt mit ihrem besonders im Sommer so wundervollen Oberteil und auch so mancher Regentropfen sucht Schutz im Inneren der Ente.

Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, vermag zu ermessen, wie schön es ist, sich nicht einzig auf das Fahren konzentrieren zu müssen, sondern - ohne das Steuer aus der Hand zu geben - gefahren zu werden und die Umwelt mit wachen Augen beobachten zu können.

Und wenn kein Unfall unser Glück zerstört, kann uns sicherlich auch während der kommenden Jahre nichts entzweien.

MK/X.-Y.Z.

 


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