Die Marketing-Schnitzer von BMW - nicht nur in der Tourenwagen-Europa-Meisterschaft 2003

In "msa" ist der Bericht mit "Das Fast-Wunder von Monza" überschrieben. Es wäre auch tatsächlich fast eins geworden. Wenn BMW nämlich die Meisterschaft gewonnen hätte. Das wäre dann tatsächlich ein Wunder gewesen. Nach meiner Einschätzung musste BMW die Tourenwagen-EM verlieren. Das war mir eigentlich von Anfang an klar. Sicherlich auch den BMW-Technikern und denen von Schnitzer. Denn eine wesentliche Entscheidung vor der EM wurde vom BMW Marketing getroffen:

Der falsche Motor in einem sonst idealen Auto

03-10-25/06. - Eigentlich hätte BMW tatsächlich die Tourenwagen-EM 2003 gewinnen müssen. Bei den vorhandenen Gegnern - in der Hauptsache Alfa Romeo - hatte man selbst die idealen Voraussetzungen: den Hinterradantrieb, dadurch ein Plus in der Beschleunigungsphase und beim Handling. Es hätte nun - zur Abrundung dieses Vorteile-Pakets - noch eines idealen Motors bedurft: ein Zweiliter-Vierzylinder musste her.

Den zu bauen wäre für BMW kein  Problem gewesen, da es sehr gute Vierzylinder mit einem verwendbaren Hubraum im Programm gibt. Aber das BMW-Marketing bestimmte: Wir müssen den Sechszylinder verwenden, weil wir den auch im 3er propagieren, weil der den größten Teil unseres Geschäfts ausmacht, weil wir diesen Teil noch ausbauen müssen. - Weil hier die Gewinnmarge noch stimmiger ist?

Bei BMW bestimmt die Marketing-Abteilung schon seit Jahrzehnten wo es lang geht. In der Technik. Auch beim Sport. Aber leider ist nicht alles richtig, was man dort vorschlägt. Inzwischen mangelt es im BMW-Vorstand auch an Persönlichkeiten, die die Marketing-Argumentation aus dem Wege räumen könnte. Käme es hart auf hart, könnte das verantwortliche Vorstandsmitglied eigentlich sogar von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. - Aber dann müsste es auch die volle Verantwortung übernehmen. - Und wer will das schon?

Und so erhielt das Wettbewerbsfahrzeug für die Tourenwagen-EM den Sechszylinder-Motor verpasst. Und hatte - trotz aller sonst vorhandenen Vorteile - mit dem Leistungs-Plus der Alfa Romeo(Vierzylinder)-Motoren zu kämpfen. Das ist u.a. darin begründet, dass sich mit einem reibungsärmer laufenden Vierzylinder die größere Maximalleistung realisieren lässt, aber auch, dass man mit einem Vierzylinder die bessere Drehmomentkurve, einen Motor mit mehr "Fahrbarkeit" herrichten lässt. - Diese Chance hat Alfa genutzt. - Und BMW hat sie verpasst. Wegen der Marketing-Argumente.

Die eigentliche Überlegenheit von BMW wird deutlich, wenn diese Marke - trotz des Motorennachteils - in der Lage war, die Titelentscheidung bis zum letzten Rennen offen zu halten. Und man fuhr sogar für dieses letztes Rennen, entgegen allen Erwartungen, die Trainings-Bestzeiten.

Die von BMW für den Titelgewinn ausgesuchten Fahrer würden in einem von mir zusammen gestellten Team keine Chance haben. Der Verlauf der Saison, aber auch z.B. das 24-Stunden-Rennen, haben meine Grundeinstellung bestätigt. Jörg Müller ist zwar älter geworden, er wird aber niemals der "runde Rennfahrer" sein, den man für einen Titelgewinn braucht. Dirk Müller ist dazu die passende Ergänzung.

Mit den beiden war BMW z.B. nicht in der Lage, mit einem wirklich überlegenen Achtzylinder-BMW das 24-Stunden-Rennen zu gewinnen. Das war das beste Auto. Vielleicht gab es stärkere, aber keine so - fast vollkommenen - Einsatzfahrzeuge.

Natürlich könnte man sagen: Pech gehabt. Aber mit einer richtigen Fahrerbesetzung musste BMW das Rennen gewinnen. Wenn man z.B. den Achtzylindermotor des Scheidt-BMW gehört hat: wie ein Traktor. Der des Werk-BMW war ein reinrassiger Rennmotor. Der hatte nach meiner Einschätzung auch wenig mit jenen Achtzylinder-Aggregaten zu tun, wie sie in den USA von BMW eingesetzt werden. - Dieses 24-Stunden-Triebwerk war ein perfekter Rennmotor.

Soweit ich es im Nachhinein recherchieren konnte, kostet BMW jeder dieser Achtzylindermotoren den Preis von um 250.000 Euro. Nein, das wäre nicht der Verkaufspreis, wollte man ihn verkaufen, sondern dieser Preis sind die Selbstkosten der Münchner, ergeben sich aus den internen Verrechnungskosten. Die Kurbelwelle dieses Super-Triebwerks kostet alleine um 25.000 Euro.

Soviel zur Bedeutung der Fahrer am Misserfolg bei den 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife. Da sind jene Fahrer, die mir auch in der Tourenwagen-EM nicht gefallen haben.

Und ich bekomme geradezu "einen Fön", wenn ich an die Situation beim Abschluss-Rennen zur EM in Monza denke, die von "msa" so beschrieben wird: "Die unfairen Methoden von Alfa befassen das FIA-Berufungsgericht". Der Alfa-Fahrer Colciago soll Dirk Müller gerammt haben, Schuld tragen am "Abflug" des jungen Mannes aus dem BMW-Kindergarten.

Wenn ich Jörg Müller z.B. gesehen habe, wie der im Bemühen schnell zu sein über die hohen Kerbs in Monza gefahren ist: da ist nicht ein Fitzen von Gefühl fürs wirkliche schnelle Fahrer vorhanden. Da prügelt man das Auto über die Kerbs, dass es weit abhebt. Auf den zwei Rädern der Seite, mit denen man die Kerbs überfährt. Und dann hört man den Motor hochdrehen, das Automobil hat in diesem Moment keinen Vortrieb - und man kommt entsprechend "zahm" aus der jeweiligen Kurve, Schikane, Biegung.

Aber das sieht toll aus. Damit kann man Eindruck machen. Bei dummen Zuschauern. Schließlich zeigt man Einsatz.

Und nun zur Situation, die zur Disqualifikation des Alfa-Fahrers Colciago führte: Dirk Müller hatte bewusst (!) Jörg Müller passieren lassen, um diesem Meisterschafts-Kandidaten die Möglichkeit zu bieten, sich vom Alfa-Fahrer Colciago abzusetzen - und versuchte nun Colciago bewusst (!) zu sperren, um Jörg Müller eine Flucht nach vorne zu ermöglichen. Eine Kurve später war Dirk Müller jenen Hauch zu schnell, der ihn nach außen trieb, ihn kurz langsamer werden ließ, was Colciago in die Höhe des Hecks - und dann sogar noch ein Stück weiter in Richtung Hinterachse kommen ließ. Aber man war noch durch um rund zwei Meter (seitlich) getrennt. Nun wollte Dirk Müller unbedingt seine Aufgabe erfüllen, jeden Alfa hinter sich zu halten. Und er versuchte den Alfa zu blockieren, in dem er - nach der Kurve - knallhart die Fahrbahn wechselte. Nur: da war schon der Alfa. Und Dirk Müller knallte mit seinem Heck brutal gegen den Vorderwagen des Alfa-Fahrers Colciago. Was den dann automatisch zu einer Lenkbewegung gegen  die "Druckrichtung" des BMW veranlassen musste, wenn er nicht selbst von der Straße fliegen wollte. Ergebnis: der BMW flog von der Straße. Zerschellte.

Etwas anderes hatte Dirk Müller mit seiner unsportlichen (!!!) Aktion auch nicht verdient. - Aber dann wird der "Betroffene" von den Offiziellen bestraft, disqualifiziert. Die in "eurosport" deutlich auszumachende Realität (aus der Sicht der Inboardcamera von Colciago) spricht eine klare Sprache. Die der Kommentaren in "eurosport" war dagegen nationalistisch, BMW-gefärbt. - Die EM wird - auch wegen anderer Vorfälle - vor Gericht enden. - Das war das Schlechteste, was dieser Tourenwagen-EM passieren konnte. Hätte BMW von Anfang an einen Vierzylinder-Motor genutzt... - Aber da war das BMW-Marketing vor.

Weil diese Abteilung nichts von BMW-Vierzylindermotoren hält, hat man in München der Marke Opel einen Gesamtsieg in der Langstreckenmeisterschaft, ausgetragen auf der Nordschleife des Nürburgrings, ermöglicht. Denn dort fuhr ein einziger Opel Corsa mit einem 1850er Motor die gesamte BMW-Konkurrenz (mit Vierzylindermotor) in Grund und Boden. - Man hat werksseitig diese Meisterschaft - und die eigenen Vierzylinder-Motoren - nicht ernst genommen. Opel-Tuner Kissling - und die Fritzsche-Zwillingen - haben das genutzt. - So kann Volker Strycek seinem Vorstand zumindest den Gewinn einer Meisterschaft melden. - Weil BMW geschlafen, den Wert dieser Meisterschaft nicht begriffen hat.

Aber das BMW-Marketing hält auch nichts von Vierzylindermotoren im 3er BMW. Weil die ja eigentlich nur im 1er... - BMW plant langfristig. Und verliert kurzfristig.

Was eigentlich bei dem vorhandenen Potential eine Kunst ist. Tourenwagen-EM verloren, Langstrecken-Meisterschaft verloren und den möglichen Erfolg beim bedeutenden 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife "in den Sand gesetzt". - Das ist eine Leistung, die in ihrer Gesamtheit nur dank eines toll an der Realität vorbei agierenden Marketing möglich war.

MK/Wilhelm Hahne


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