BMW-Motorrad-ABS: der Versuch einer Erklärung und Darstellung der Schwachpunkte aus der Sicht eines Motorradfahrers

Natürlich hat es ein Leser-Echo auf meine ABS-Geschichte gegeben. Sie hat auch schnell die (Internet-) Runde gemacht, da es schon sehr früh eine Reihe von Hinweisen darauf in den unterschiedlichsten Internet-Foren gab. BMW wird das sicherlich verfolgt und festgehalten haben. Das Verhalten von BMW in dieser Sache ist leider ungeschickt und eigentlich ein weiterer Beweis dafür, dass sich Unternehmen dieser Branche nicht auf Krisen-Management - oder auch Krisen-PR - verstehen. Erfolgsmeldungen versteht man schon in den richtigen Kanälen zu platzieren. Man versteht sich auch darauf, auf unterschiedlichen Kanälen eine neue Innovation anzuschieben. Wobei bei der Mehrheit des beteiligten Mittel-Managements gar nicht mehr die Frage auftaucht: Was nutzt das dem Kunden? - Oder im Falle des Motorrad-ABS: Entspricht das eingesetzte System den Ansprüchen der Motorradfahrer? - Einmal angeschoben, versucht man die Richtung beizubehalten. Man peitscht die Zahlen u.a. zwangsweise nach oben, indem man z.B. die ABS-"Option" zwangsweise verordnet. Um dann z.B. mit den verkauften Stückzahlen zu operieren. (Darüber habe ich schon sehr früh geschrieben.) - Ich habe nichts gegen ein ABS das der Sicherheit dient. Aber nicht jedes ABS-System dient der Sicherheit, erst recht nicht, wenn es in einem Motorrad verbaut wird. Ich meine, es gibt in diesem Fall nur einen Weg:

Umsetzen der bisherigen Praxis-Erfahrungen
in ein einfacher strukturiertes System
ohne überzogene Software-Sicherheitslösungen

05-01-20/02. - Lassen Sie mich diese Geschichte damit beginnen, dass ich Ihnen von einem inzwischen lange zurück liegenden Anruf berichte. Ein Zulieferer der Automobilindustrie ist am Apparat. Wir kennen uns schon lange. Er geht zunächst im Gespräch "wie die Katze um den heißen Brei" herum. Er hat bei mir gelesen, dass ich von einer automobilen Neuentwicklung weiß und - kommt dann endlich zur Sache: "Wie schätzen Sie die Verkaufsmöglichkeiten ein? - Was meinen Sie, wie viel man davon pro Jahr weltweit absetzen kann?"

Nachtigall, ick hör dir trapsen! - Ich bitte also darum, doch die "Garnierungen" weg zu lassen. - Es geht diesem Mann um einen Abgleich von prognostizierten Stückzahlen, a) die des Hersteller, b) seinen. Ich gebe also "meinen Senf" dazu. Damit liege ich dann eher bei "b". Die "a"-Stückzahlen sollen aber die Basis für die Kalkulation der Preise für Zuliefererteile sein. Bis zu einer bestimmten Größenordnung lassen sich die Preise eben bei höheren Stückzahlen senken.

Der Zulieferer entscheidet sich dann - nach dem Gespräch mit mir - die "vernünftigeren", kleineren Stückzahlen zu seiner Kalkulationsbasis zu machen. Ich treffe ihn lange nach Serienanlauf des entsprechenden Objekts wieder: "Und? - Wie läuft die Serie?" - Der Zulieferer stöhnt: "Nach der Anlaufphase klappt es noch nicht einmal so, wie wir beide es gedacht hatten. Wenn ich Ihnen die derzeitigen Abrufzahlen nennen würde..."

Just in time. Da leidet der Zulieferer unter den kleinen Abrufen. Weil er aufgrund seines Vertrages größere Stückzahlen bevorratet. Und das kostet Geld.

Und damit sind wir dann beim ABS für BMW-Motorräder, dem "Integral-ABS III". Das System wird von:

FTE automotive GmbH & Co. KG
Andreas-Humann-Straße 2
96106 Ebern

gefertigt, wurde auch dort - natürlich in Zusammenarbeit mit BMW - entwickelt. Auch hier spielen die benötigten Stückzahlen eine Rolle bei der Kalkulation. BMW hatte sicherlich ein sogenanntes Lastenheft erstellt und einige Ansprüche an die Technik gestellt. Die wiederum stark vom Marketing beeinflusst worden sind. Denke ich. Man hat in diesem Ressort lange vergessen, dass es mal einen Werbespruch gab der da hieß: "Mit wenig Pril erreicht man viel". Bei den modernen Marketingleuten muss alles ausufern, überreichlich sein. Simple Technik genügt nicht, unverständliche Elektroniklösungen sind da beeindruckender. Und dann: die Software muss jede Art von Unsicherheit ausschließen. Mit Sicherheit.

Und so kommt es dann zu der "Fehlerhaftigkeit" in der Praxis, weil zwischen Theorie und Praxis ein überzogenes Sicherheitsdenken für Sicherheitslücken sorgt.

Wie z.B. in der Situation, wo bei einem Bremsmanöver das Hinterrad kurzzeitig "leicht" wird, vielleicht ein wenig den Bodenkontakt verliert. Das wird vom "Sicherheitssystem" als "Überschlagsneigung" interpretiert und der Bremsdruck am Vorderrad zurück genommen. Was den Bremsweg verlängert und den Fahrer in Angst versetzt. Obwohl der Eindruck von Unsicherheit, der so beim Fahrer entsteht "nur subjektiv" ist. - Sagt man bei BMW.

Tatsächlich wird hier ein überzogenes Sicherheitsdenken - mit einer entsprechenden Softwarelösung - deutlich. Es gibt dazu einen ähnlichen Fall auf dem Automobilsektor, bei Opel, beim Mittelmotor-Speedster. Hier wurde der hintere Bremskreis nicht mehr angesteuert, sobald an einem der Hinterräder auch nur eine Neigung zum Stehenbleiben durch die Sensoren auszumachen war, was sich dem Fahrer dann in der Praxis wie ein Bremsenausfall darstellte. Und der Bremsweg wurde gaaaaaaaaaanz lang.

Der gleiche Eindruck entsteht bei der Software-Lösung für das BMW-ABS. Und der Bremsweg wird länger. Das kann - das muss - geändert werden. Voraussetzung ist eine andere, vernünftigere, Sicherheits-Philosophie. Die damals bei Opel gepflegte ist genau so falsch, wie nun jene bei BMW. Bei Opel hat man das geändert. Da musste erst ein leitender Bremsentechniker mit so'nem Ding die Kurve nicht mehr kriegen, bis man den gedanklichen Schwachsinn erkannte. - Muss man bei BMW erst den Vorständen ein tägliches Motorradfahren verordnen, bis dann deren Erfahrungen in die notwendigen ABS-Verbesserungen einfließen?

Ich möchte nachstehend einmal ein paar Leserstimmen zu meiner ersten ABS-Geschichte ausschnittweise zitieren, weil die auch sehr gut die Gesamtstimmung "draußen im Markt" wieder geben:

...Wenn noch nie, in unserer Galixi, ein Nagel perfekt auf dem Kopf getroffen worden ist, mit diesem Artikel haben Sie es geschafft. Respekt. Ich habe beruflich viel mit BMW-Motorradfahrern zu tun. Das Verhalten von BMW ist mir nur allzu bekannt.
Problem aussitzen..., Ausreden..., beruhigen..., boxertypisch..., systembedingt..., natürliche Eigenart eines Motorrades..., entspricht der Gesetzgebung... -
Aber genauso gut ist die Beschreibung der Motorradfahrer ( fahre selbst seit .. Jahren Motorrad. Seit diesem Jahr, Besitzer einer BMW, die laut Gesetzgebung funktioniert oder funktionieren sollte ). Nochmals, Respekt. ...

...ich fahre eine (zwei) BMW R1100S mit Bremskraftverstärker von Spiegler,
aber was ist ABS ? 8-) ...

...Der Artikel beschäftigt mich jetzt schon sehr, da ungeachtet der persönlichen Fertigkeiten eines Fahrers ein (wenn auch komplexes) System funktionieren muss. Plötzliche Ausfälle im Alltagsbetrieb, ob mit oder gar ohne Fehleranzeige, stellen auch geübte Fahrer sicherlich vor arge Probleme.
Ich habe kein Verständnis dafür, Kunden über Probleme im Unklaren zu lassen. Ich bin sicher, dass von Defekten betroffene Nutzer bei Serienfehlern sehr aufgeschlossen auf eine wahre Schilderung des Problems und möglicher Lösungen reagieren. In den Augen vieler an Konstruktion, Produktion und Vertrieb beteiligter Personen gilt dies leider als ein ein unentschuldbares Vorgehen; derartige Vorfälle werden generell nicht zum Anwender kommuniziert.
Schade eigentlich, gibt mir doch ein offenes Verhältnis zum Hersteller eines Produktes das Gefühl, auch nach dem Kauf ernstgenommen und gut betreut zu werden. Hier hätte ich von BMW wirklich mehr erwartet!
Vielen Dank für Ihre gelungene Darstellung...

...Sie überziehen grenzenlos! Es gibt auf dieser Welt sehr viel schlimmere, gefährlichere und folgenschwerere Umstände als ein ABS, das bei zig-tausenden von Bremsungen vielleicht bei einer einzigen Maschine ein einziges Mal ausfällt. Vorsichtiger Fahren und somit bereits ohne ABS sicher sein!
Ich selbst habe schon das erste ABS von BMW probiert und bei meiner neuen Maschine -1100 S - entschieden kein ABS zu wollen. ...

...nicht schlecht der bericht!!!!!!
ich fahre seit 30jahren motorrad im moment eine honda vfr mit abs. abs habe ich noch nie gebraucht. ich habe die vfr nur mit abs gekauft weil sie als gebrauchte sicher ohne nicht zu verkaufen ist.
ich fahre sehr viel und kaufe alle zwei jahre ein neues motorrad. im letzten jahr leider nicht. nach einem eigentlich leichten unfall drei monate gips. eine frau hat mich umgefahren. ich stand!!!! auf einem zebrastreifen.
die moral von der geschicht: abs hilft gegen frauen nicht. ...

Das ist so ein Querschnitt durch unterschiedliche Sichtweisen.

Aber nun weiter zum BMW-ABS und was (nicht nur mir) dabei nicht gefällt: der Bremskraftverstärker muss weg. Da mit BKV (so sprechen die Insider) jede Bremsung eigentlich gefühllos erfolgt, wird der Fahrer zu einem ABS-Abhängigen. Was übrigens den Bremsweg bei normalen Straßenverhältnissen nicht kürzer macht. Warum gibt es wohl im Motorrad-Rennsport kein ABS? - Und warum wurde das "Boxer-Cup"-Modell von BMW (auch das ganz neue, kommende!) nicht mit einem ABS ausgestattet? -  Da wäre keiner mit gefahren. - Versuchen Sie mal mit Bremskraftverstärker in eine Kurve hinein zu bremsen... - Andere Situation: Wenden - mit Vor- und Zurücksetzen - auf einer normalen Straße.

Und darum sollte das ABS-System auch nicht integral sein. Wenn man vorne am Bremshebel zieht, sollte auch nur die Bremse vorne betätigt werden. Und wenn man auf den Fußbremshebel tritt, sollte der hintere Bremskreis funktionieren. Das tat das System (z.B. bei der K1200LT + R1150RT) auch nicht immer. In den USA gab es deswegen schon eine Rückrufaktion. (NHTSA Campaign ID number: 04V304000, Recall Date: Jun 10, 2004.) - Haben Sie in Deutschland je von einer Rückrufaktion gehört?

Hier wird alles "unter der Decke gehalten". Es wird auch zu Reifenqualitäten nichts gesagt. Da gibt es eben Reifenprofile und -Mischungen die in Kombination mit ABS nicht so gut sind. Andere sind geeigneter. (Übrigens gibt es das auch bei Automobilen.) Und bestimmter Reifen wegen kann es dann beim BMW-ABS auch schon zu Bremsproblemen kommen, weil ein ABS-Einsatz über die Bremsdruckminderung auch den Bremsweg verlängert. Auch eine wellige Straße kann die Bremsleistung des aktuellen BMW-ABS-Systems herab setzen.

Beim Motorradfahrer-Training wird den BMW-Fahrern übrigens empfohlen, dann das ABS auszuschalten, wenn man sich im Gelände oder auf Feldwegen bewegt. Aber wie ausschalten? - Man muss dazu anhalten, den Motor abstellen, neu Starten und dann das "Prüfsystem" über sich ergehen lassen. Das dauert... - Jedenfalls kommt es einem so lange vor. Aber es sind schon - alles zusammen genommen (das Prüfsystem prüft vorweg zunächst mal sich selbst) - so knappe 10 Sekunden. Und manchmal stürzt das System beim Selbsttest ab. Ein BMW-Fahrer: "Es ist vorbei, wenn Du eine Hawker Batterie verwendest.“ - Er führt das "Abstürzen" auf Spannungsspitzen zurück.

Ich habe bisher keinen BMW-Motorradfahrer kennen gelernt, der bei jedem Abbiegen von einer Hauptstraße in einen Feldweg zunächst stehen bleibt, um das ABS abzuschalten. Das funktioniert so:

1) Sie halten an.
2) Sie schalten die Zündung aus.
3) Nun halten Sie den ABS-Knopf mindesten 3 Sekunden gedrückt,
4) und starten dann den Motor.
5) Die Eigendiagnose beim Start muss komplett durchlaufen werden.

- Ergebnis: Das ABS ist ausgeschaltet, das Bremssystem steht Ihnen mit voller Bremskraftunterstützung zur Verfügung.
- Die rote ABS Warnleuchte leuchtet permanent.

Ist eine solche Prozedur praxisgerecht? - Ohne ABS bremst sich nun mal auf Schotter - oder auch im Schnee - besser und es gibt kürzere Bremswege. Bei solchen Bremsungen stört natürlich auch das Integral-System. - Wie bremsen Sie denn im Winter, beim Fahren über eine Schneedecke? - Ach, Sie haben dann das Motorrad abgemeldet! - Dann macht das BMW-ABS Ihnen auch keine Schwierigkeiten.

Haben Sie beim Motorradfahren (ohne ABS) noch niemals die eigentlich immer vorhandene Aufstellneigung beim Bremsen genutzt, um das Motorrad zwischen zwei Kurven ein wenig zu stabilisieren, die richtige Ausgangsposition zum Einlenken in die nächste Kurve zu finden? - Na, dann machen Sie das mal mit dem BMW-ABS-System. - Ach, so etwas kennen Sie gar nicht?

Haben Sie denn vielleicht schon mal auf das "Scheißfahrwerk" Ihres Motorrades geschimpft, wenn Sie versuchten, es "mit Gewalt" z.B. von einer Links- in eine Rechtskurve zu zwingen? - Das liegt nicht am Fahrwerk. Sie haben zu stark gegen die Kreiselwirkung der Räder gearbeitet und dann kommt es automatisch zu einem Pendeln. - Ach, Sie haben das nicht gewusst? - Aber Sie finden das BMW-ABS-System Klasse?

Der Bremsweg eines Fahrzeugs - auch eines Motorrades - wird immer bestimmt sein von seinem Kontakt zur Straße. Ist der Reifen gut, die Straße griffig... - dann kann ein ABS nur den Bremsweg verschlechtern. Aber bei glatten Straßen... - Dann fährt man als Motorradfahrer langsamer, bremst vorsichtiger - alles mit viel Gefühl. Fehlende Sensoreigenschaften des Fahrers kann auch ein ABS nicht ersetzen. Weil ein vorhandenes ABS-System aber dem Fahrer subjektiv ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, ist ein solcher Fahrer in solchen Situationen oft dann in größerer Gefahr, wenn er ein Motorradfahrer-Lehrling ist, der noch an große technische Wunder glaubt. Routinierte Fahrer wissen: Wunder gibt es in der Realität nicht.

Aber das BMW-Marketing glaubt an große technische Lösungen. Gibt es etwas komplexeres als das BMW-ABS in einem Motorrad? Es gibt BMW tatsächlich eine Alleinstellung. Niemals zuvor war ein ABS-System mehr im Gespräch. Aus den verschiedensten Gründen. Auch BMW hat dafür gesorgt, in dem man versuchte, die sogenannte Fachpresse auf die eigene Seite zu bringen. Selbst wenn die hier und da - aufgrund eigener Erfahrungen - ein paar Bedenken hatte. Schließlich geht es um hunderte, tausende - egal wie viel - Tote, die man vermeiden kann. Jeder Tote, volkswirtschaftlich betrachtet... und menschlich gesehen... und auch nur wirtschaftlich... - was sind schließlich gut 1.000 Euro verglichen mit einem Menschenleben.

Und so nimmt das Unglück seinen Lauf. Und "Mitläufer" möchten auch partizipieren. Tippen Sie doch mal www.besser-bremsen.de ein. Da wurde

Dr. Koch Consulting e.K.
Weseler Straße 23
D-46348 Raesfeld

tätig - und konnte FTE als einen der Hauptsponsoren gewinnen. Und FTE bittet die Fachpresse auf ein ausgesuchtes Versuchsgelände, um sie die Überlegenheit des BMW-ABS-Systems erleben zu lassen.

Aber FTE sagt keinen Ton, wenn man nun von "Betroffenen" des Systems nach möglichen Verbesserungen gefragt oder um Erklärung gebeten wird, warum dieses oder jenes denn - verdammt noch mal - nicht funktioniert hat. Man verweist - vertragsgemäß - auf seinen Kunden BMW. Und der weiß - wie ich bereits in meiner ersten Geschichte verdeutlichen konnte - dass das derzeit gelieferte ABS technisch einfach nicht perfekt ist. Aber gerade bei den Bremsen ist Perfektion gefragt. Und - verdammt noch mal - man muss schließlich die Abnahmeverpflichtung gegenüber FTE erfüllen.

Und das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ermittelt wieder neu. Es gibt schließlich auch viele Gründe dafür.

Ich möchte noch einmal einen BMW-Mitarbeiter zu Wort kommen lassen, der in einem Brief an einen Kunden folgende Erklärung für die "Auslegung" des BMW-ABS findet:

"Aus physikalischen Gründen unterliegt jede ABS-Auslegung auch einer gezielte Abstimmung auf spezifische Fahr- bzw. Bremszustände. Eines der wichtigsten Sicherheitskriterien ist die Beherrschung des sogenannten Reibwertsprunges. Nach unserer Meinung muss ein ABS den schlagartigen Übergang zwischen griffiger und extrem rutschiger Fahrbahn fehlerfrei und jederzeit sicher meistern (die reale Situation dazu ist z.B. rutschiges Laub auf der Fahrbahn, wie es im Herbst häufig anzutreffen ist). Für eine sichere Beherrschung bedarf es einer bestimmten Regelungsphilosophie. Die "Kunst" ist es, diese Regelung in Einklang mit anderen Fahrzuständen zu bringen und ein gesamthaftes Optimum einer sicheren Bremsung über alle denkbaren Fahrzustände zu erzeugen. Man könnte auch anderes vorgehen und die ABS-Regelung einseitig auf bestimmte Bremsmanöver hin zu optimieren, hätte dann aber Regelungsnachteile in anderen Situationen. Wir wissen, dass jeder Hersteller seine eigenen Priorisierungen und Sicherheitsphilosophien verfolgt. Daraus resultieren dann die (kleineren) Unterschieden im Regelverhalten und im Bremsweg, wenn die verschiedenen Systeme vergleichend getestet werden."

Dieser BMW-Mitarbeiter hätte auch einfach schreiben können: Eigentlich ist ein guter Fahrer durch nichts zu ersetzen.

Übrigens hat die Zeitschrift MOTORRAD beim Messen unter bestimmten Bedingungen mal 53, mal 65 Meter Bremsweg mit dem BMW-ABS gemessen. Aber bisher steht nirgendwo, wie man sich als Fahrer welchen Bremsweg aussuchen kann. - Sollte man vor dem BMW-Fahren zunächst einmal sein Horoskop lesen?

Ich höre aber gerade in der Rundfunkwerbung, dass sich derzeit das BMW-Interesse weg vom ABS hin zu EHB verlagert: Effektive Hochzins-Bremse. - Auch 'ne Bremse. - Vielleicht versteht BMW ja davon etwas. - Aber man müsste vielleicht auch hier zunächst einmal die Münchner Sicherheitsphilosophie kennen.

Die, die beim Motorrad-ABS-System zu einer entsprechenden Software-Entwicklung führte und als Basis für die Gesamtabstimmung diente, ist jedenfalls - nach meiner Meinung - die falsche, ist überzogen, nicht praxisgerecht.

Damit diese Geschichte nicht mit einem Gag endet (der sich nur - Danke der BMW-Werbung - zufällig ergab), will ich noch ein paar Fahrerstimmen (Auszüge) anhängen.

Aus Mai 2004:
"Heute Nachmittag im Erzgebirge: Beim Abbiegen nach links ganz leicht angebremst (wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen) als das ABS zwei-, dreimal auslöste, ohne allerdings dass ich ne Bremswirkung verspürte. Wir sind dann unverzögert um die Kurve gerollt. Hmmm - hatte ich das Bitumen oder den Splitt übersehen??
Vier, fünf Bremsversuche mit Sozius und vollem Gepäck ins ABS: Allet im grünen Bereich. War wohl doch Öl auf der Straße...
40 Kilometer später. Kurvenreiche Bergstraße in Richtung Tal. Dritter Gang, mäßige Drehzahl. Dann die Rechtskurve, links außen anfahren, zweiter Gang und bremsen ... ABS löst aus, keine Bremswirkung!!!
Eigentlich hatte ich das Fahren auf der letzten Rille und das Hanging Off der Rennstrecke vorbehalten, aber nicht mit Sozia und vollem Gepäck auf mit Leitplanken bewährten Landstraßen.
Puh, das war echt verdammt knapp!
Ausrollen, anhalten, Puls reduzieren ... jetzt erst kommt das rote Dreieck und die Buchstaben "ABS" blinken in Rot. Motor (Zündung) aus. Motor an. Es blinkt weiter."

Aus Mai 2004:
"Ich besitze eine R 1150 RS mit teilintegralem ABS, incl. Bremskraftverstärker. Dieses Teil wird nie mein Freund. Es bremst nie so wie ich es will, und wie ich es gewöhnt bin. Ich bilde mir ein kein Grobmotoriker zu sein, trotzdem nervt der Bremskraftverstärker. Die Dosierung ist schlecht. Ein Reinbremsen in Kurven mit feinem Lösen der Bremse zum Scheitelpunkt hin ist schlicht und ergreifend unmöglich. Kommt einem einer in die Quere, muss man denken beim Bremsen damit man nicht über den Lenker fliegt, und ohne Zündung zieht man sich einen ab, damit es überhaupt bremst. Für mich sehr lästig, weil ich rückwärts aus der Garage raus einen kleinen Abhang runter muss. Und wehe das Ding fällt mal aus! Dann ist Sterben angesagt. Bevor man dann ans Bremsen kommt, ist man schon beim Manitu. Das macht mir die meisten Sorgen. Ich halte diese Bremse für übertechnisiert."

Aus Mai 2004:
"Ich halte einen Bremskraftverstärker für ABSOLUT überflüssig, noch dazu wenn er die Dosierung erschwert. Hier sollte wohl einfach mal gezeigt werden was technisch möglich (nicht nötig) ist. Außerdem schadet es ja nix, wenn ein bischen der Einstandspreis in die Höhe getrieben wird. Umsatz nennt man das.
Ebenso kritisch stehe ich der teilintegralen Lösung gegenüber. Aber das ist Geschmackssache. Ich WILL selbst entscheiden wo und und vor allem wie fest ich bremse. das traue ich mir dann schon noch zu.
Ich bin absolut für ABS, aber wenn dann bitte in einer (Einfach-) Version, die schlicht und einfach das blockieren verhindert. nicht mehr und nicht weniger. und das ganze wie in der F 650 für 550 Euronen und abschaltbar."

Aus Mai 2004:
"Nachdem ich meine 12er letzte Woche zwecks Überprüfung 'Rückruf ABS-Sensor entgraten, O-Ring erneuern' in der Werkstatt hatte (war aber alles okay), habe ich am Samstag erneut eine Bitte um Werkstattbesuch erhalten.
Diesmal geht's darum, dass bei einigen R1200GS Bremsfittings offenbar Hohlschrauben mit geringfügig größerem Durchmesser verbaut wurden. Dies hat zunächst keine Auswirkung auf die Bremseigenschaften, kann aber langfristig zu Undichtigkeiten führen."
Mit dem Nachsatz:
"Ich finde es positiv, dass BMW bzw. mein mich proaktiv über dieses Problem informiert hat und ich bin in keinster Weise von der Qualität dieses Motorrads enttäuscht. Genauso war ich mir beim Kauf dessen bewusst, dass es sich bei diesem Fahrzeug um ein ganz neues Modell handelt und dass durchaus anfangs eine paar technische Probleme auftauchen können..."

Aus Mai 2004:
"Habe diesen Dienstag meine GS nach dem 1000er Service abgeholt, bin ca. 300 Meter gefahren, musste wegen einer roten Ampel bremsen - UND NICHTS PASSIERT!!!
Aus der Bremse (konnte ich nicht genau lokalisieren) spritzte in rauen Mengen Bremsflüssigkeit, der Bremshebel ließ sich bis zum Gasgriff ohne Bremswirkung ziehen, konnte nur mit der Fussbremse zum Stehen kommen.
Sofort zurück zum Händler - das Fitting war festgezogen!!! War's die Hohlschraube????"

Aus Mai 2004:
"Ich hatte bei meiner neuen GS bei Kilometerstand 172(!!!!) bis auf die von BMW so bezeichnete Restbremsfunktion(keine Servounterstützung mehr) einen Ausfall der Bremsanlage. Grund war eine nicht ,nicht mehr oder nie(?) vorhandene Sicherungsmutter auf der vorgenannten Schraube wodurch sich die Schraube (durch Vibration) ganz nach unten gedreht hat und der Bremslichtschalter ständig offen war.
Dies wurde vom System als "Bremslichtschalter defekt" bzw. unplausible Stellung des Bremslichtschalters interpretiert und das gesamte Bremssystem während der Fahrt in die Notfunktion (Restbremsfunktion) geschaltet.
Laut BMW Austria hätte dies zwar nur passieren dürfen wenn ich während der Fahrt die Zündung abgedreht und dann neu gestartet hätte.Habe ich natürlich nicht gemacht und war trotzdem damit konfrontiert dass sofort die gesamte Bremsanlage und nicht nur der hintere Bremskreis betroffen war.
Es gab auch keine Möglichkeit sich auf diese vorwarnungslos eintretende Situation einzustellen. Der Bremsweg hat sich enorm verlängert und der Kraftaufwand ist, vor allem wenn man sie Superbremsen der GS gewohnt ist ,enorm. Das war die schlimmste Situation die ich in 25 Jahren Motorraderfahrung gemacht habe.
Mein Vertrauen zu meiner funkelnagelneuen R1200GS ist dahin."

Ich möchte meine Leser nicht mit einer endlosen Auflistung von Fahrerstimmen langweilen, darf aber vielleicht gegen Schluss das kurze e-mail zitieren, das mich nach meiner ersten BMW-ABS-Geschichte erreichte:

"Das ist ein toller Beitrag, danke! Ich selbst habe diese Probleme kennen gelernt. Sieben gefährliche Ausfälle hatte ich mit meiner BMW K-1200 LT, Bj.xx/200x. - Jetzt betreibe ich eine Wandlung."

Hoffentlich wandelt sich auch bald die Einstellung von BMW zu einem Motorrad-ABS.

Aber BMW wird das kaum tun. Wahrscheinlich eher auf eine EMNID-Untersuchung verweisen, in der die Fachleute dieses Meinungsforschungsinstituts (oder so was ähnliches) zu folgender Feststellung kommen:

„BMW schafft es auch im Produktbereich Motorrad, Emotionen und Träume zu kreieren – die zukunftsorientierte Basis für Markenattraktivität, Kundenbegeisterung und Preis-Premium“, kommentiert Stoyan Kamburow, Leiter der Automobilmarktforschung von TNS Emnid, die Ergebnisse. „Die Stärke dieser Markenpositionierung liegt in ihrer Glaubwürdigkeit, die sich aus den typischen BMW-Produktstärken ergibt – technische Innovation, Qualität, Sportlichkeit, Design.“

Ist das nicht ein wunderbarer, versöhnlicher Schluss? - Vor allen Dingen das mit dem "Preis-Premium" ... - wie richtig! So eine Beurteilung erträumt sich das BMW-Marketing. - Im wirklichen Leben muss man aber dafür zunächst einmal die Voraussetzungen schaffen.

MK/Wilhelm Hahne


Jetzt sind Sie gefragt!

Ihre Meinung zu obigem  Beitrag
können Sie mit einem Klick
und ein paar Sätzen loswerden:
Senden Sie mir ein e-mail

Danke, für Ihre Mitarbeit!