Paul Frère, Rennfahrer- & Journalisten-Legende:
ein ganz "normaler" Verkehrs-Unfall - und  in diesem Zusammenhang erwähnenswerte Details "vom Rande des Geschehens"

Die Meldung über diesen Unfall war in vielen wichtigen Publikationen zu lesen. Kurz und bündig, auf die wichtigsten Daten beschränkt. Es wurde leider versäumt das "Umfeld" zu beleuchten. Manche Art der Darstellung bot dem Leser sogar die Möglichkeit, etwas anderes zu verstehen, als der Redakteur vielleicht gemeint hatte. (Oder er war - aus Mangel an Informationen - unsicher und darum in der Darstellung unpräzise.) Anders formuliert: vielleicht hatte der Redakteur auch keine Zeit für Recherchen. - Nun war dieser Unfall auch nicht so wichtig. Es gab noch nicht einmal Tote. (Daran wird heute wirklich die Bedeutung eines Unfalls gemessen. Achten Sie mal darauf!) - In diesem (Un-) Fall bin ich wahrscheinlich der einzige Journalist, der sich den Unfallort angesehen, mit Zeugen gesprochen, sich wochenlang damit beschäftigt hat. Und ich bin der Meinung, dass man bei dieser Gelegenheit auch mal über Dinge sprechen sollte, die hier bei Unfällen im Umfeld des Nürburgrings - oder auch auf dem Nürburgring - eine Rolle spielen. So war dieser Unfall z.B.  "in Nürburgring-Kreisen" mal wieder ein Anlass, die Problematik von Polizei-Informationen an die Presse zu beleuchten. - Da ich also recherchiert habe, kann ich der Geschichte auch den Titel geben, den meine Leser - da zunächst unverständlich - wahrscheinlich für einen Gag halten würden. - Wenn in der folgenden Geschichte nicht auch die Auflösung zu finden wäre.

Crash bei "Rodeo 114"
 

07-01-18/02. - Ich möchte zunächst aus einer regionalen Tageszeitung den Unfallhergang und seine Folgen zitieren: "Die Testfahrten für einen japanischen Automobilkonzern auf dem Nürburgring hatte er gerade erfolgreich absolviert, da passierte der schwere Unfall. Mit Rippenfrakturen auf beiden Seiten, einer instabilen Beckenverletzung, einem komplexen Thoraxtrauma wurde Paul Frère ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht..." -

Wie man den Details entnehmen kann, erschien diese Geschichte auch erst viele Wochen nach dem Unfall. Jeder Leser musste aufgrund dieser detaillierten Darstellung den Eindruck gewinnen: So und nicht anders ist es gewesen. Was z.B. zuvor in "auto motor und sport" und "Auto-BILD" zu lesen war, muss dagegen als eine Art von Pflichterfüllung gegenüber dem Leser, als eine Art "Auch-Meldung", empfunden werden.

Tatsächlich war der reale Ablauf des Geschehens ein wenig anders. Und man muss ihn auch in das Umfeld stellen, um alles richtig zu verstehen. Ich habe mit Leuten gesprochen, die selbst am Unfallort waren und trotzdem - oder gerade deshalb - irreführende Informationen gaben.

Da wäre also zunächst die Rennfahrerlegende und der immer hervorragend informierte Journalisten-Kollege, Paul Frère. Der hat nicht nur in Le Mans, oder auch ein 1000-Kilometer-Rennen am Nürburgring gewonnen, sondern ist auch ein einfühlsamer Tester mit großem Verständnis für technische Zusammenhänge. So hat er immer schon bedeutende Automobilfirmen bei der Entwicklung ihrer neuen Modelle beraten. Rennen fuhr und gewann er in den 60ern. Danach war und ist er nur als Journalist tätig. Aktuell gehört zu seinen Beratungskunden die Firma Honda. Die hat er speziell bei der Entwicklung der neuen sportlichen Version des Honda Civic beraten und darum war es auch kein Zufall, dass Paul Frère zum Unfallzeitpunkt mit einem neuen VW Golf GTI (im Besitz von Honda) unterwegs war.

Man hatte sich Vormittags um den Honda gekümmert, der - damals noch geheim - im neuen Fahrerlager des Nürburgrings abgestellt war. Und Paul Frère war nun wieder - nach einem Arbeitsessen bei einem guten Italiener in Zermüllen ("La Lanterna") - mit dem Golf GTI zurück auf dem Weg ins Fahrerlager. Dazu muss man, wenn man ein Stück der "alten Südschleife" genutzt hat, die B 258 überqueren. Das tat Paul Frère auch, aber ohne diese Hauptverkehrsstraße zu beachten. Er hat sie einfach übersehen. Was durchaus möglich ist, wenn man z.B. durch einen Beifahrer abgelenkt oder nach einem guten Essen ein wenig unaufmerksam ist. Paul Frère, das muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, ist inzwischen 89 Jahre alt.

Er hatte zum Essen keinen Alkohol getrunken. Und man hatte eigentlich auch nur "nebenbei" gegessen. Das Essen war eigentlich mehr ein Arbeitsessen gewesen, bei dem Paul Frère, von einer Reihe von Honda-Technikern (auch Japanern) umgeben, mit Hilfe einer Dolmetscherin seine Meinung und seine Feststellungen zum neuen Honda-Modell kund tat.

Als er die B 258 kreuzte, war er in Gedanken wohl schon wieder bei seinem nächsten Stück Arbeit. Und die Verkehrsführung an dieser Stelle, durch topographische Gegebenheiten beeinflusst, ist hier auch so, dass man als Fremder, ohne genaue Ortskenntnisse, nicht abgelenkt sein darf. Sein Fahrfehler ist menschlich erklärbar. - Natürlich gab es ein Vorfahrt-beachten-Schild, aber... -

Zum Zeitpunkt seines "Fehlers" befuhr eine Frau aus Balkhausen (das direkt an dieser Bundesstraße, keinen Kilometer entfernt liegt) die B 258 mit einem VW Passat älteren Baujahres mit einem Tempo von ungefähr 70 km/h. Der GTI des Paul Frère muss wie eine Fata Morgana vor ihr aufgetaucht sein. Sie hatte keine Chance, da sie die ungebremste Annäherung des GTI (von links) mit seinen zwei Insassen (Frère war von einem Honda-Mitarbeiter begleitet) nicht wahrnehmen konnte. Und so fuhr sie dem ungebremst die Kreuzung überquerenden GTI ebenfalls ungebremst in die Beifahrertür.

Der GTI wurde herumgeschleudert, räumte auf einer kleinen Insel noch ein Verkehrsschild ab und flog dann mit der Beifahrerseite in einen Zaun, wo ein Pfosten dann den Ausstieg des Beifahrers, bzw. seine Bergung, unmöglich machte. Die zuerst an der Unfallstelle erscheinenden Sanitäter des vom Nürburgring herbeigeeilten Krankenwagens, brauchten eine Rettungsschere. Und so wurde die Feuerwehr alarmiert.

Die Feuerwehr aus Nürburg war dann schon aufgrund der kurzen Entfernung die erste Wehr, die mit ihrem Einsatzfahrzeug am Unfallort eintraf. Aber leider verfügt die Feuerwehr in Nürburg nicht über eine Rettungsschere. Die musste aus Adenau kommen. (Auch die Feuerwehr aus Meuspath, die ebenfalls alarmiert worden war verfügt nicht über das in diesem Fall erforderliche Schneidegerät.) Aber es ging relativ schnell. Während der eine Krankenwagen die Fahrerin des Passat, nachdem ihr eine Halskrause angelegt worden war, hinunter ins Krankenhaus Adenau fuhr, begegnete ihr schon nach ungefähr 500 Meter Fahrt das Fahrzeug der Feuerwehr Adenau mit dem nicht überhörbaren Tatü-tata.

Nun wurde der Beifahrer geborgen und der dann zusammen mit Paul Frère, der - nun dürfen Sie sich wundern - einen vollkommen unverletzten Eindruck machte, nach Aussagen von Augenzeugen an der Unfallstelle sich verzweifelt die Haare raufend umherlief, ebenfalls ins Krankenhaus Adenau gebracht. Hier stellte sich heraus, dass es dem Beifahrer des Paul Frère, obwohl der Passat in seine Tür gefahren war, relativ gut ging.

Der Röntgenarzt alarmierte dagegen sofort seine Kollegen, als er Paul Frère röntgen sollte und den Eindruck gewann, dass bei dem Einiges nicht stimmte. Was sich dann als richtig heraus stellte. Und so wurde Paul Frère, weil man bei der Schwere der Verletzungen dort keine umfassende Hilfe bieten konnte, mit dem Hubschrauber auf die Intensivstation eines Klinikums in Neuwied geflogen, die als unfallchirurgische Schwerpunktklinik einen guten Ruf genießt.

Dort hat Paul Frère dann die ersten 14 Tage auf der Intensivstation verbracht. Auch ich habe mir große Sorgen gemacht. Paul Frère ist eben nicht mehr der Jüngste. Aber die Ärzte in Neuwied und das dortige Pflegepersonal haben gute Arbeit geleistet, so das man den Patienten weitere vier Wochen später in ein Krankenhaus nach Nizza verlegen konnte. Inzwischen ist Paul Frère auch wieder in seinem eigentlichen  Wohnort Monte Carlo.

Und die Crash-Beteiligte hat gerade in den ersten Januartagen dieses Jahres die letzte Zahlung von der Versicherung erhalten und fährt jetzt einen (gebrauchten) VW Touran. Der Passat war "Schrott", zumal er älteren Baujahres war. Der neue GTI spätestens nach dem Aufschneiden übrigens auch.

Eigentlich wäre die Geschichte damit zu Ende. Aber den "Betroffenen" im Umfeld des Nürburgrings war der Trubel um diesen Unfall ein wenig zu groß gewesen. Zumal in einer Reihe von Berichten beim Lesen der Eindruck entstehen musste, dass der Unfall bei Testfahrten auf dem Nürburgring erfolgt sei. (s.o.) Dabei war es eigentlich "nur" ein normaler Verkehrsunfall. Aber (leider!) an einem Punkt, den man auch als Unfallschwerpunkt bezeichnen könnte.

Der Vorgänger des jetzigen Leiters der Polizeistation in Adenau hatte sich schon vor langer Zeit die Mühe gemacht, alle Verkehrs- und Unfallschwerpunkte zu katalogisieren, zu bewerten und mit Bezeichnungen zu belegen. Diese Kreuzung, an der der oben geschilderte Unfall geschah, erhielt dabei die Bezeichnung "Rodeo 114". Das ist eine Stelle im Umfeld des Nürburgrings, wo an Großveranstaltungstagen ein Polizeibeamter nicht gerne Dienst macht. Hier gibt es z.B. auch keinen markierten Fußgänger-Überweg. Die nächste Fußgängerbrücke ist so weit entfernt, dass sie von den Besucherströmen nicht genutzt wird. Beim Formel 1-Termin oder bei "Rock am Ring" ist bei "Rodeo 114" die Hölle los.

Irgend jemand hat Dr. Kafitz, Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH, in Verbindung mit o.g. Unfall gefragt, ob man da nicht besser einen Verkehrskreisel anlegen sollte. Und hat eine kurze Abfuhr erfahren: kein Platz dafür und zu teuer. (Wobei ich mich frage: Was hat ein Dr. Kafitz mit Baumaßnahmen an einer Bundesstraße zu tun?)  -   Aber es wurde jetzt durchaus diskutiert, ob man bei so einem Unfall im direkten Umfeld des Nürburgrings nicht mit Informationen an die Presse vorsichtiger umgehen sollte. - Sollte man überhaupt informieren?

Wenn man jetzt - wie ich es getan habe - mal ein wenig zu diesem Thema recherchiert, dann stößt man auf interessante Details. So ist innerhalb der Polizeibehörden durchaus umstritten, ob man eigentlich verpflichtet ist, jeden kleinen Unfall auf der Nürburgring-Nordschleife aufzunehmen. Die Nürburgring GmbH mit ihrem "politischen Hintergrund" erwartet das aber einfach. Weil, so die Argumentation, die Privatfahrten auf der Strecke der Straßenverkehrsordnung unterliegen. Kenner der "polizeilichen Regeln" halten dagegen, dass die Polizei nur dort zu einer Unfallaufnahme verpflichtet ist, wo auch jedermann am Verkehr teilnehmen kann. Und das ist am Nürburgring nicht der Fall, da vor Fahrtantritt auf der Nordschleife eine Maut, inzwischen von 19 Euro pro Runde(!), zu bezahlen ist. Damit, so meint eine gewisse Gruppe, entfällt auch für die Ortspolizei die Verpflichtung, kleinere Vergehen (gemessen an den Paragraphen der StVO.) aufzunehmen und zu bestrafen.

(Auch die Kreisbehörde ist unsicher und hat einen interessanten Ausweg realisiert, den ich zwar kenne, aber hier nicht weiter beschreiben möchte, da er nicht zu einer wirklichen Lösung beiträgt.)

Abgesehen von dieser Diskussion gibt es schon seit den 60er Jahren eine (geheime/vertrauliche) Anweisung der Polizeidirektion in Koblenz für die Polizeistation in Adenau, wie mit Unfällen auf der Nürburgring-Nordschleife zu verfahren sein. Das ist natürlich ein Tabu-Thema. Aber es könnte schon mal passieren, dass ein Unfall auf der Brücke in Breidscheid dann als Unfall auf der L 92 notiert wird. Und so in die Statistik eingeht. - Das nur als (gedachtes) Beispiel.

Wobei selbst den ortsansässigen Journalisten der Lokalpresse entgangen zu sein scheint, dass die offizielle Unfallstatistik seit ungefähr zwei Jahren in der Form abgeändert wurde, als in diesen Zahlen nicht mehr die Zahl der Unfälle (und auch die der Toten und Verletzten!) erfasst werden, die auf der Nürburgring-Nordschleife gezählt werden. Und so weist diese offizielle Statistik natürlich dann - verglichen mit den Vorjahren - einen klaren Rückgang, also eine Verbesserung auf. - So will das die Politik. - Damit entschuldigt sich jeder, der die klaren Anweisungen erfüllt. - Und es weiß ja auch niemand... - Bis jetzt!

In Polizeikreisen ist nach meinen Recherchen inzwischen auch klar, dass es bei der schon heutigen Bedeutung von "Rodeo 114", bestimmt nach dem Bau von weiteren "Verkehrsanregungsbauten" im Zuge der geplanten "Erlebnisregion Nürburgring" zu einer Auflösung der Polizeistation Adenau  und einer Verlegung nach "Rodeo 114" kommen könnte. Was sicher nicht im Interesse der Bürger der Stadt Adenau sein würde.

In diesen Tagen soll es in Adenau eine Veranstaltung geben, in der über "kreatives Marketing" der Stadt Adenau in Verbindung mit dem Aufbau einer "Erlebnisregion Nürburgring" geplappert wird. Über die Versäumnisse der Politiker in der jüngeren Vergangenheit (ab Bau des GP-Kurses) und deren Auswirkungen auf eine normale, für eine Stadt wie Adenau, eigentlich selbstverständliche Infrastruktur wird nicht gesprochen werden. Ein kleines Blitzlicht auf die aktuelle Situation: kein Bahnhof mehr, damit kein Bundesbahnschluss; keine "richtige" Post, ein Krankenhaus "m.b.H." (z.B. inzwischen ohne Geburtsstation). Und wirkliche schwierige Unfallschäden müssen nun... - s.o. - Obwohl die Nürburgring-Nordschleife mit ihrem hohen Gefährdungspotential so nah ist. Dann wäre da noch die Parkplatzsituation und... - Wird das jetzt alles geregelt?

Diese Puzzle-Stücke "vom Rande des Geschehens" waren der Grund, warum ich für eine Paul Frère-Geschichte durch die notwendigen Recherchen, die sich immer mehr ausweiteten, viele Wochen gebraucht habe. Ohne diese Details  wäre es eine der üblichen 08/15-Geschichten geworden. Oder eine kurze Meldung. Wie in "auto motor und sport". Oder "Auto-Bild". -

Wie hätten Sie's denn gerne?

MK/Wilhelm Hahne


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