"Global Outlook For Diesel", eine aktuelle J.D.Power-Studie,
sagt für 2015 einen 15 prozentigen Anteil von Diesel- an den Gesamtzulassungen für Nordamerika voraus: Zauberformel BLUETEC

Und gemeinsam sind nun Mercedes-Benz, Audi, Volkswagen und Jeep davon überzeugt, dass man unter Nutzung der Marke BLUETEC zwar technisch und im Detail getrennt marschieren, aber gemeinsam in Amerika den Markt für Dieselautomobile beherrschen kann. In Zukunft. Alle Firmen glauben an die Zukunft des Diesel. In Amerika. - Die Idee zum gemeinsamen Handeln kommt aus Stuttgart. Dort war es Johannes Reifenrath, der - wie man hört - das Konzept entwickelte. Es hat die anderen Firmen überzeugt. - Und was ist mit Amerika? - Dort ist zumindest - verglichen mit Europa - einiges anders. Nach Motor-KRITIK-Ansicht haben das die Fachleute der deutschen Automobilindustrie übersehen. Aber alle - auch die Journalisten - sind begeistert. Die Firmen segeln mit unterschiedlicher Technik unter einer gemeinsamen Flagge, weil sie ein gemeinsames Ergebnis nachweisen können: Erfüllung der amerikanischen Emssionsvorgaben. Leider haben Sie - nach Ansicht von Motor-KRITIK - eine Kleinigkeit übersehen:

Raffinerie-"Ausbeuteschema" gegen BLUETEC

07-01-18/10. - Die Automobilhersteller machen sich selbst das Leben schwer. Sie bauen schwere Automobile. Die werden immer schwerer. Und je schwerer die werden, desto schwerer ist es, die Schadstofflimits zu erfüllen. Gerade für Diesel-Automobile, wenn man sie in den USA verkaufen will.

Darum kommen z.B. Lkw's, nicht ohne einen Harnstoff-Kat aus. Schwere Personenwagen auch nicht. Weil aber Harnstoff, schon wenn man das Wort auspricht, ein "G'schmäckle" hat, verwendet man für eine solche - aber auch andere Lösungen - die Bezeichnung BLUETEC.

Bei Audi meint man:

"...es (macht) durchaus Sinn wenn es eine Allianz von German High Tech Unternehmen, gerade im Premiumsegment, unter dem gleichen kommunikativen Dach von BLUETEC, als Synonym für hocheffiziente und gleichzeitig besonders emissionsarme Dieselmotoren, zusammenarbeiten und marktgerechte, leistungsfähige und kundennahe Produkte anbieten."

Bei Mercedes formuliert man:

"BLUETEC ist keine Marktetingaktion, sondern ein modulares Technologiepaket, das es dem Diesel erst ermöglicht, auch die stringenten Emissionsanfroderungen in den USA zu erfüllen. Wenn diese neue Bezeichnung hilft, die Vorurteile gegenüber dem Dieselantrieb in den USA zu verringern, ist das durchaus in unserem Sinn - letztlich setzen wir aber auf die überzeugende Performance unserer Produkte."

Und VW sagt zu dieser BLUETEC-Aktion:

"Bezüglich BLUETEC sind wir davon überzeugt, dass eine Zusammenarbeit der größten Dieselanbieter des US-PKW-Marktes und weltweit bekannten Vorreiter der Dieseltechnik der prognostizierten Marktentwicklung des Diesels noch weiteren Schwung geben wird. Durch die Einführung eines hochklassigen Dieselkraftstoffes in den USA ist es uns jetzt möglich, den zukünftigen Emissionsstandards aller Staaten gelassen und mit einem gemeinsamen Ziel gegenüberzutreten."

Weil aus diesen Antworten nichts über das Wissen um grundsätzliche Gegebenheiten in Amerika hervorgeht, habe ich mal mit Benzingesellschaften gesprochen, bzw. sie angeschrieben. Die eine Firma meldet sich sofort, um auch direkt zu fragen: "In welchem Auftrag recherchieren Sie?" - Das man sich als freier Journalist auch selbst beauftragen kann, ist für die Pressestelle eines großen Konzerns ungewöhnlich. Da man sich gerne ein Schlupfloch offen lässt - wer weiß wofür es gut ist - beantwortet man meine Fragen mündlich. Gerne natürlich.
 
Die andere Benzingesellschaft antwortet gar nicht. Und so erinnere ich nach angemessener Zeit daran. Und ich höre nichts. - Dann erscheint im SPIEGEL eine - wie ich finde - gute Geschichte zu dem Thema. Und da ich davon ausgehe, das man in der Branche - auf der anderen Seite des Schreibtisches - davon wusste und darum vielleicht... - erinnere ich erneut. Aber dieses Mal den Pressechef direkt. Und ich erhalte sofort von einem seiner Mitarbeiter eine Erklärung für die Verzögerung:

"Durch ein Missverständnis innerhalb unseres Hauses ist Ihre Anfrage vom 29.11.2006 zwar bearbeitet, doch leider nicht an Sie weitergeleitet worden. Ich bitte dieses Mißgeschick zu entschuldigen."

Dazu fällt mir dann nichts mehr ein. Höchstens, dass in diesem Hause Sicherheitshinweise für Besucher existieren, von denen man auf das - vorsichtige - Verhalten auch der Presseabteilung schließen kann. Da heißt es z.B. "Beachten Sie bitte unseren Treppen-Codex. Bitte benutzen Sie den Handlauf, gehen - nicht rennen, eine Stufe auf einmal, nicht telefonieren und nicht die Sicht versperren." - Ist das nicht perfekt?
 
Ich wollte von den Firmen gerne bestätigt haben, dass man nicht davon ausgehen kann, dass in den USA alles genauso ist wie bei uns. In Deutschland oder Europa. Wo lt. SPIEGEL praktisch eine "Sintflut aus Benzin" droht. Bei uns stört tatsächlich die Art der Raffinerieproduktion, wo Benzin praktisch ein Abfallprodukt (übertrieben dargestellt) der Heizölproduktion (Diesel) ist. Aber die der Amerikaner stört die Absichten der deutschen Automobilindustrie. Das hat auch der SPIEGEL übersehen.
 
Vereinfacht ausgedrückt: bei uns wird Wert auf die Produktion von Heizöl und Diesel gelegt, in Amerika auf die Herstellung von Benzin. Und daran wird die Durchsetzung des Diesel-Automobils in Amerika - gemessen an den Ansprüchen unserer Manager - scheitern.
 
Natürlich kann man das auch ausführlicher erklären. Ich versuche das mal mit Hilfe aller Informationen, die ich zu diesem Zweck eingeholt habe. Aber die ich nur einholen konnte, weil ich mir - so ganz nebenbei - bei meinen USA-Besuchen in der Vergangenheit schon ein Bild gemacht hatte. Nicht weil ich das musste, sondern weil ich nicht gerne dumm sterben möchte. - Andere müssen so leben.
 
Die Ausbeutestruktur der Raffinerien wird ganz wesentlich von der Nachfrage am Markt bestimmt. In Europa wird für den Verkehrssektor hauptsächlich Diesel nachgefragt, was zum einen durch die geringere Besteuerung für Diesel gegenüber Benzin bedingt ist und zum anderen durch den niedrigeren Verbrauch. Der Dieselanteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich gegenüber dem Benzinanteil angestiegen. Daneben gibt es in Deutschland wie schon gesagt auch einen hohen Bedarf an Heizöl. Zusätzlich wird in Deutschland Naphtha (entspricht der Siedelage von Benzin) als Einsatz in Anlagen zur Ethylenerzeugung genutzt.
 
In Amerika ist das anders: In den USA spielt Diesel im Transportsektor keine große Rolle, sogar LKW fahren in der Regel mit Ottomotoren. (Aber 96 Prozent aller in Amerika laufenden Automobil-Dieselmotoren laufen in Lkw's.) Daher ist hier die Ausbeutestruktur auf Benzinmaximierung ausgerichtet. Deswegen werden in USA in den Raffinerien fast ausschließlich katalytische Crackanlagen betrieben und da wo Hydrocracker betrieben werden ist die Ausbeutestruktur dieser Anlagen vom Diesel/Heizöl zu den leichteren Komponenten des Benzinpools verschoben. Außerdem werden Anlagen zur Ethylenerzeugung dort in der Regel mit Gaskondensat betrieben.
 
Dazu muss man auch noch die Situation bei der Beheizung von Häusern und Wohnungen in den USA und bei uns in Europa vergleichen: In allen Städten der USA oder da, wo eine größere Ansiedlung existiert, wird zum Heizen Fernwärme verwendet. Nur in abseits liegenden Farmen und weit außerhalb liegenden Siedlungen kommt es zur Verwendung von Heizöl. Dabei haben dann die Heizöltanks eine durchschnittliche Größe von 1000 - 1200  Liter.
 
Das größte durchschnittliche Fassungsvermögen von Heizöltanks findet man in man in Deutschland und der Schweiz. Das durchschnittliche Fassungsvermögen liegt hier bei 3.500 Liter.
 
Aus diesem Unterschied ergibt sich, dass in Amerika der Heizölbedarf in anderen Zyklen verläuft als in Europa, sehr stark von der Art des Wetters - und das kurzfristig - beeinflusst wird. Und so kommt es, das Heizöl-Import  in den USA sehr groß ist. Ein kurzfristig auftretender höherer Bedarf kann durch die technische Auslegung der Raffinerien nicht gedeckt werden.
 
Betrachtet man einmal die Raffinerie-Ausbeute, gemessen an der gleichen Menge Rohöl (man spricht hier auch von "Ausbeuteschema"), so ist in den USA die Benzinausbeute genauso groß, wie in Deutschland Benzin und Diesel zusammen!
 
Diesel ist also in den USA knapp. Und wenn dort der Dieselverbrauch - durch dramatisch steigende Verkaufszahlen von Diesel-Automobilen dank BLUETEC - beeinflusst würde, könnte dieser Bedarf nur durch Importe ausgeglichen werden. Die Raffinerie-Kapazität ist zu klein und - selbst wenn man die von Süd- und Zentral-Amerika hinzu rechnet - bei der der Produktion am Rand ihrer Möglichkeiten. Darum gehören die USA heute schon zu den wirklich bedeutenden Heizölimporteuren der Welt.
 
Wenn das aber so ist, wie die deutsche Autoindustrie hofft, vermutet - oder wenn es einmal so sein wird - dann werden dadurch die Preise beeinflusst werden. Der Bedarf in den USA kann dann nicht durch die dort vorhandene Raffineriekapazität abgedeckt werden, man wird importieren müssen,  d.h. anders ausgedrückt: die Preise für Dieseltreibstoff werden in Europa ansteigen. Dadurch würde es aber zu einem Rückgang der Verkäufe von Diesel-Automobilen in Europa kommen. Und der Verkaufserfolg in Amerika wäre eigentlich - wie man so schön sagt - "ein Schuss in den Ofen".
 
Das mag manchen Leuten als überzogen erscheinen. Aber so - global gedacht - ist es in jedem Falle verständlich und klar ausgedrückt. Und in der gedanklichen Ausrichtung richtig. - Einwände?
 
Aber das alles wird bei unseren Automobilkonzernen mit seinen vielen Fachleuten nicht beachtet. Audi argumentiert z.B. den zukünftigen Verkaufserfolg von Diesel-Automobilen in Amerika mit folgenden Fakten so:
 
"Die stark gestiegenen Kraftstoffpreise.
Die Qualität des Dieselkraftstoffes, besonders der Schwefelgehalt ist erheblich verbessert.
Die Infrastruktur der Tankstellen bessert sich zügig.
Das Image von Dieseln in allen Bereichen der öffentlichen Wahrnehmung verbessert sich seit der Ära der Direkteinspritzer (ab 1989) immer weiter auch in USA.
12-Zylinder-Diesel gewinnen jetzt sogar Rennen. R10!! (nicht nur in Le Mans, sondern auch in 6 Staaten der USA)
Das breite Angebot auch von 6- und 8-Zylinder-Motoren (Diesel).
Die Technik zur Emissionsreduzierung.
Die mpg dieser Fahrzeuge.
Die Kommunikation staatlicher Institutionen und anderer Behörden.
Die Meinung von namhaften Fachjounalisten in USA.
usw......usw......."
Wunderbar. Nur, wo soll der Diesel herkommen, den man dann braucht, wenn man den Erfolg hat, für den man alle vorhandenen Argumente nennt?
 
Bei Mercedes meint man:

"Wir sehen für den Diesel in den USA grosse Chancen, weil er eine Möglichkeit bietet, gerade die für den amerikanischen Markt typischen Fahrzeuge und die Wünsche der amerikanischen Kunden optimal bedient. Er ermöglicht, auch grosse Fahrzeuge kraftvoll zu betreiben und das bei einem Kraftstoffverbrauch, der 20 - 40 % unter dem vergleichbarer Benzinmotoren liegt."

Auch hier macht man die Rechnung ohne den Wirt. Oder anders formuliert: ohne auf die "Basis" zu schauen. Wer macht das auch schon, wenn man davon überzeugt ist, dass man zu denen "ganz oben" gehört?

Und bei VW sagt man voller Überzeugung:

"Wir sind allerdings überzeugt davon, dass sich in den Vereinigten Staaten eine Ausrichtung zum Diesel ergeben wird. Dies wird vor allem unterstützt durch die in Europa bestens bekannte und beliebte Fahrcharakteristik des Diesels, gepaart mit einer Emissionsfreiheit, die der des Otto-Motors zukünftig kaum noch nachstehen wird. Zusätzlich erfüllt der Diesel jedoch den auch in den USA immer stärker werdenden Wunsch nach sehr hoher Kraftstoffeffizienz und hohem miles-per-gallon-Verhältnis.
In den letztgenannten Punkten treffen sich amerikanische und europäische Wünsche letztlich doch wieder. Daher wird sich nach unserer Meinung der Dieselmarkt in den USA positiv entwickeln."

Ich sage dazu nur: Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald. Kann passieren. Und unsere Automobilhersteller verfingen sich in den eigenen Wunschvorstellungen.

Alle deren Mitarbeiter sind kluge, gebildete und - oft - studierte Leute, z.T. wirkliche Fachleute, deren Wissen aber nicht über das eigentliche Fachgebiet hinaus zu gehen scheint. Kann wirklich sein dass dort übersehen wurde, was mir eigentlich sofort klar war? - Und was sich durch meine Recherchen bestätigte. - Wer macht da - und warum - einen Denkfehler? - Zumal alle "großen Leute" die bisherige Argumentation übernehmen. - Ungeprüft?

Bleibt uns nur, das Ergebnis meiner Überlegungen an den später sich darstellenden Realitäten zu messen.

BLUETEC hat meinen Segen. - Aber das genügt einfach nicht, wenn sich die Fakten so darstellen, wie ich sie auch recherchieren konnte.

MK/Wilhelm Hahne

PS: damit kein falscher Eindruck entsteht: Diesel und leichtes Heizöl sind - raffinerietechnisch betrachtet - vergleichbar. Tatsächlich kann man auch jederzeit mit Diesel eine Heizung betreiben aber heute - aufgrund der "Verfeinerungen" (Nachbearbeitung) beim Diesel - nicht mehr mit leichtem Heizöl einen modernen Dieselmotor.


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