Beispiel für eine SPIEGEL-Sicht der Dinge: "Schöner Wohnen", ab Seite 70, Heft Nr. 28, vom 9. Juli 2007

Ich kenne den SPIEGEL-Redakteur Dietmar Hawranek. Und ich weiß, wie er die Dinge angeht. Er hat Erfahrung als SPIEGEL-Mitarbeiter, weiß "was SPIEGEL-Leser wünschen" und ist schon in der Lage die Dinge so darzustellen, dass sie etwas für jedes Bildungsniveau bieten. Ich kenne auch Wolfgang Reitzle. Nicht nur als einen der besten Manager in der deutschen Automobilindustrie, sondern ich habe ihn auch danach - auf seinem Weg über Ford zu Linde - sehr aufmerksam beobachtet; und eigentlich einen bei mir schon durch die Beobachtung einiger Manager vorher gewonnenen Eindruck bestätigt bekommen: Solche Leute sind auch in neuen Firmen in ihrer Art - auch zu Denken und zu Handeln - unverändert. Das geht hin bis zu geradezu lächerlichen Kleinigkeiten, die sich von Firma zu Firma wiederholen. Was Reitzle von anderen Managern seiner Güteklasse abhebt: er polarisiert. Man findet ihn entweder toll oder unausstehlich. Besonders einfach strukturierte Menschen empfinden ihn als arrogant. Er ist vielleicht zu weit "von ihrer Welt" entfernt. Premium eben. Und so gibt es eigentlich mehr Menschen die ihn nicht mögen als solche, die ihn schätzen. Das hat nichts mit seinen Leistungen als Manager zu tun. Die sind erstaunlich gut. Was wieder viele Neider auf den Plan ruft, die dann durch das Verbreiten von "Plattheiten" (wird immer gerne genommen) versuchen, Wolfgang Reitzle auf ihr Niveau hinunter zu holen. - Dieses Wissen muss man haben, wenn man die o.g. SPIEGEL-Geschichte liest. Und vielleicht noch zusätzlich wissen, dass Reitzle gerade in München eine Menge (nennen wir sie einfach) "Feinde" hat. Und nun lebt Reitzle wieder in München. Er wurde - scheinbar, wenn man z.B. Wikipedia liest - aus München verstoßen, kommt nun - und das ist unbestreitbar - als einer der Besten seiner Gattung nach München zurück: das konnte kaum gut gehen. Und so betrachtet, ist die SPIEGEL-Geschichte keine Überraschung. Aber vielleicht die Aufbereitung. - Die Ausgangssituation für die SPIEGEL-Geschichte:

Wie Linde-Chef Reitzle keine Villa kauft

07-07-09/04. - Ach, Sie finden, dass das keinen Stoff für eine Geschichte bietet? - Der SPIEGEL macht zweiundeindrittel Seiten daraus. Mit beispielhaftem Ausriss aus einem Reitzle-Brief vom 9. August 2006. Und man muss über Reitzle lesen, "...er habe möglicherweise gegen Paragraf 299 des Strafgesetzbuches verstoßen, der die Bestechung im geschäftlichen Verkehr unter Strafe stellt." - Und die Staatsanwaltschaft prüft, erfährt man auf Seite 70 des SPIEGEL.

Es geht also um einen Hauskauf. Eine Villa im "feinen Stadtteil Bogenhausen" suchte einen Käufer. Ein großer Immobilienmakler war der Anbieter. Und die Linde AG suchte für ihren Mitarbeiter Reitzle passenden "Wohnraum". Die Villa hätte beiden gepasst, Linde und Reitzle. Sie gefiel. Aber sie war den Interessenten zu teuer.

Und nun gehen die Darstellungen auseinander: der Verkäufer, Christian Krawinkel, der  seine Firma selbst als 'McDonalds der Immobilienbranche'. empfindet, verlangte für seinen "Villa-BigMac" nach eigenen Angaben 11 Millionen Euro. Reitzle sagt, es waren 8,5 Millionen. Und er schrieb dann am oben schon erwähnten 9. August 2006 dem Makler einen Brief, in dem er ("unter dem Vorbehalt, dass eine eingehende Objektprüfung den aufgrund der vorliegenden Informationen gewonnenen Eindruck vom Zustand und den Nutzungsmöglichkeiten des Hauses bestätigt") seine Kaufpreisvorstellung, bzw. die der Firma Linde mit "maximal 7,8 Mio Euro" nennt.

Nun kommt Spannung auf, weil dieser "BigMac"-Villen-Verkäufer durch seinen Anwalt in einer Aktennotiz festhalten lässt, dass Reitzle die Idee entwickelt habe, "Krawinkel für die bauliche Entwicklung der Hauptverwaltung namens der Linde AG einen Auftrag zu erteilen. Dessen Konditionen sollten so gestaltet werden, dass Krawinkel die Differenz zwischen dem Angebotspreis von Reitzle und seiner eigenen Preisvorstellung vereinnahmen könne."

Reitzle sagt zu diesem Vorwurf gegenüber dem SPIEGEL, dass es Krawinkel war, der eine solche Idee ins Spiel gebracht hätte; er, Reitzle, habe ein solches Ansinnen jedoch als unseriös empfunden. - Und Reitzle verwies Krawinkel zu weiteren Verhandlungen an die Immobilienabteilung von Linde.

Langer Rede, kurzer Sinn: Linde und Reitzle haben die Villa von Krawinkel nicht gekauft. Zwischen Linde und Krawinkel bestehen bis heute keinerlei Geschäftsbeziehungen. Reitzle wohnt mit seiner Frau in einem Haus in München, das ihm schon seit längerer Zeit gehörte, aber vorher vermietet war.

Und nun? - Wo tut sich da ein Fall für die Staatsanwaltschaft auf? - Wer hat da wohl die Staatsanwaltschaft informiert? (Und wer den SPIEGEL?)

Krawinkel hatte keine Villa verkauft. Krawinkel hat auch keinen Auftrag zur "baulichen Entwicklung" der Linde-Hauptverwaltung in München erhalten. Obwohl er doch - mit seiner Freundin - extra nach Italien gereist war, um dort Reitzle (in seinem Urlaub) seine Hauptverwaltungsvorschläge zu unterbreiten. "Aber Reitzle und Linde lehnten die Pläne Krawinkels ab", schreibt der SPIEGEL auf Seite 72.

Wenn man nun die SPIEGEL-Geschichte noch mal (und noch einmal) durchliest, kann man nicht verstehen, wie "Schöner Wohnen" ins Blatt kam. Denn der SPIEGEL hat einen Chefredakteur, hat eine Dokumentationsabteilung, eine juristische Abteilung - irgendwem hätte doch eigentlich auffallen müssen, dass... -

Meine Erklärung: es geht offensichtlich nicht um die Sache (wie oben geschildert), sondern dieser Vorgang (ohne Abschluss) soll ein paar andere Informationen zum Leser transportieren, damit der sich "als kleiner Mann" darüber aufregen kann. Da wären dann in der SPIEGEL-Geschichte folgende Details im Angebot:

Reitzle verdiente im Jahre 2006 insgesamt 7,35 Millionen Euro.
Reitzle steht lt. Vorstandsvertrag eine von seiner Firma zur Verfügung gestellte Wohnung zu.
Reitzle hat Firmen zugekauft und dadurch einen Personalüberhang im Mittelmanagement geschaffen, der nun abgebaut werden muss.
Reitzle leistet sich als Firmenwagen einen Maserati Quattroporte.

Nun, sind Sie auch richtig neidisch? - Empfinden Sie das auch alles als ungerecht? - Dieter Hawranek gestaltet zur o.g. Geschichte einen Schlusssatz, dem er vorherschickt, dass nun "die Hälfte der rund 500 Führungskräfte um ihren Job bangen" müssen und hofft wohl auf einen Aufschrei der Empörung wenn er ergänzt: "Was sollen sie erst davon halten, dass der Konzernchef sich von dem Unternehmen eine Villa für 7,8 Millionen kaufen lassen wollte?"

Reitzle hat keine Villa gekauft! Er hat wohl seit seinem Eintritt den Börsenwert von Linde mehr als verdreifacht. (Steht übrigens auch in einem Nebensatz im SPIEGEL.) Reitzle ist also - am Ergebnis seiner Arbeit im Linde-Konzern gemessen - jeden Cent wert, den er aufgrund seines Vorstandesvertrages erhält. Anders als z.B. Zetsche,der in seiner Bedeutung vom SPIEGEL noch vor Reitzle gewertet wird. Und Reitzle bescheidet sich mit einem Maserati für um 120.000 Euro als Dienstwagen, wo ihm sicherlich auch ein Maybach für ein mehrfaches des Maserati-Preises vom Aufsichtsrat genehmigt worden wäre. Reitzle hat eben Geschmack, orientiert sich nicht ausschließlich am Geldwert.

Und macht auch mit "Geschmack" Geld, indem er z.B. Industriegase zu medizinischen Premium-Spezialgasen macht. Bei entsprechenden Preisaufschlägen, indem er eine Firma "bereinigt", sie auf ein bestimmtes Kerngeschäft konzentriert. Und er kauft als Chef der kleineren Linde AG den größeren Konkurrenten BOC auf, orientiert die Linde AG ganz neu.

In diesen Tagen, exakt da diese SPIEGEL-Geschichte erscheint, haben Reitzle gerade 1000 deutsche Führungskräfte zum zweiten Mal in Folge mit der Schulnote von 1,9 als den wichtigsten Konzernlenker in Deutschland auf Platz 1 gewählt. (Wiedeking wurde Zweiter. Was die o.g. SPIEGEL-Wertung relativiert.) Diese Meinung entstand durch die Leistungen von Reitzle, die u.a. - wie oben schon geschrieben - (hoffentlich) reiche Linde-Aktionäre noch reicher gemacht haben. Auch Reitzle selbst hat so gerade durch vertragsgemäße Wahrnehmung von Aktienoptionen ein Plus von 1,3 Mio (vor Steuer) gemacht.

Die Neuausrichtung der Linde AG brachte auch eine Veränderung in der Bedeutung der bisherigen Stützpunkte mit sich. Daraus entstand auch die Idee zu einer Verlegung der Hauptverwaltung von Wiesbaden nach München. Diese Verlegung ist also auch im Firmeninteresse und damit auch im Interesse der Aktionäre.

Bei Linde gibt es nun die Sparte Kältetechnik nicht mehr; auch von der Sparte Gabelstapler hat man sich getrennt. In der SPIEGEL-Geschichte wird der Eindruck erweckt, als habe Reitzle das Produkt Gabelstapler nicht gemocht und man schreibt: "Dass er einstige Automanager die Gabelstapler oft als 'Biester' bezeichnete, wurde ihm verziehen." Dabei hatte Reitzle als Techniker durchaus eine Beziehung zu diesem Produkt. Er ließ das Design der "Biester" z.B. von Porsche gestalten und als ich vor Jahren einen seiner Gabelstapler am Großglockner entdeckte, da bestätigte mir die Presseabteilung auf meine Anfrage im Juli 2003 gerne: "Die von Ihnen angesprochenen Staplerversuche auf dem Großglockner dienen der Höhenerprobung zur Abstimmung von Motoren und Steuerung der neuen Linde-Diesel- und Treibgaststaplerbaureihe 394 mit 4 und 4,5 Tonnen Tragfähigkeit, die im nächsten Jahr in den Markt eingeführt wird." - Reitzle hat sich also sehr wohl um das Produkt Gabelstapler bemüht. Darum gab es später dann auch keine Probleme, als Reitzle es für richtig erachtete, sich von dieser Sparte (auch) im Interesse seiner Aktionäre zu trennen. Er konnte eine perfekte, konkurrenzfähige Gabelstapler-Modellpalette mit den entsprechenden Fertigungsstätten anbieten.

Und sicherlich hätten es sowohl Linde als auch Reitzle als richtig - und für den Konzern nicht belastend - empfunden, wenn es nun in München wieder eine "Linde-Villa" gegeben hätte. Aber nicht zu jedem Preis.

In München, exakt in Pullach (Höllriegelskreuth), steht auch die Villa, die einmal  Carl von Linde (1842-1934), Physiker und Gründer der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen AG, der heutigen Linde AG, gehörte. Sie wurde vor sieben Jahren - "leider", wie man bei Linde heute sagt - an einen Privatmann verkauft.

Und eine neue "Linde-Villa" gibt's nun nicht. Reitzle wird es verschmerzen. Zumal, wenn sie gekauft worden wäre, Reitzle dafür auch eine entsprechende Miete gezahlt hätte. Nun wohnt er sicherlich kostengünstiger im eigenen Haus.

Dass sich das im SPIEGEL alles ein wenig anders liest, anders akzentuiert wird als oben dargestellt, ist verständlich. Schließlich weiß jedes Kind, dass - im Spiegel betrachtet - sich alles seitenverkehrt darstellt.

MK/Wilhelm Hahne


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