Die IAA 2007 - durch den Verband der Deutschen Automobilindustrie organisiert - versprach: "Sehen, was morgen bewegt"

Und die Mitglieder des Verbandes übertrafen dieses Versprechen deutlich. Sie zeigten sogar, was die Öffentlichkeit erst übermorgen bewegen wird. Oder auch wohl niemals mehr. Sie deckten mit ihren Ausstellungsobjekten die ganz Breite zwischen den Extremen ab. Natürlich habe ich mir in Frankfurt einen persönlichen Eindruck von der Ausstellung verschafft. Es sollen aus der ganzen Welt um 14.000 Journalisten dort gewesen sein. Ich habe bei der Wegfahrt dann auch  - an einer Bushaltestelle wartend - eine junge Dame angesprochen (zufällig neben mir stehend): "Und was haben Sie auf der IAA gemacht?" - Sie hat an ihrem Halsband (SIEMENS VDO) gezogen, die Presse-Legitimation hochgehalten und gesagt: "Ich bin Journalistin." Meine Frage: "Und über was schreiben Sie?" - Sie, fast verständnislos: "Über Autos natürlich." - "Nur über Autos?" - "Nein, auch über Medizin, Psychologie, und - alles Mögliche eben. Ich bin Journalistin." - "Ach ja!", habe ich gesagt. Und dann kam der Bus. - Und mir ist dann beim Nachdenken über alles was ich in Frankfurt gesehen und erlebt habe eingefallen, dass aktuell gerade von Seiten der Industrie darüber geklagt wird, dass die Verkäufe an Privatkunden dramatisch eingebrochen sind. Angeblich soll das - auch - auf die Mehrwertsteuererhöhung zurück zu führen sein. Außerdem gäbe es eine allgemeine Verunsicherung. Und darum würden die Verkaufszahlen nicht stimmen. - Irgendwie kann ich das nachvollziehen, wenn ich meine Eindrücke von der IAA 2007 zusammen fasse. Und so bin ich dann auf die Idee gekommen, von mir aus der IAA 2007 ein neues Motto zu geben:

"Lieb mich ein letztes Mal"

07-10 - 10/06. - Mit diesem Slogan hätte man doch eigentlich die bisher ausgebliebenen Privatkäufer von Automobilen ein wenig anregen können. - Ich weiß, dass das eigentlich der Titel eines Songs von Roland Kaiser ist. Darum ist der auch so passend. Denn Roland Kaiser war mal Automobilverkäufer. Dachte ich. Aber er ist als Interpret des von mir so empfundenen Motto zur IAA noch besser geeignet als ich dachte: Roland Kaiser war nach eigener Darstellung nämlich Werbeleiter in einem Autohaus.

Und ohne Werbeleiter wäre es auf der IAA 2007 auch nicht gegangen. Ohne Marketingleiter-Einfluss aber auch nicht. Ich habe da eine total schizophrene Situation erlebt. Da passten die Ausstellungsobjekte nicht zur Stand-Darstellung und auch nicht zu den Aussagen der Herren Manager in ihren Reden. Und die eigentlich auch nicht zur Situation. Die Fahrzeuge wurden gerne in  weiß ausgestellt, das Standpersonal (so keimfrei wirkend) möglichst auch. Leuchtend blaue (wie der optimale Himmel) und grüne Hinweise, als Sinnbild für gute Absichten.

Ich habe eine Branche wie im Wachkoma erlebt. Und bin dann zu allem Überfluss auch noch auf Nürburgring-Mitarbeiter (z.B. Dr. Kafitz und Bruckner) gestoßen, die sich auf der IAA wohl um neue Kunden bemühten. Ihr Angebot bei einer Reifenfirma (das in diesem Fall von einem anderen Nürburgring-Mitarbeiter stammte, weil mehr als nur zwei Nürburgring GmbH-Mitarbeiter zur Aquisition unterwegs waren): "Alles aus einer Hand." - Was bitte? - Mir wurde erklärt, dass man nicht nur eine Strecke zum Mieten anbietet, sondern auch ein passendes Bettenkontingent und, und, und.- Also auch Speisen und Getränke. Und ich dachte immer, die Nürburgring GmbH... - aber dabei dachte ich immer an die Aufgaben dieser Firma, wie sie im Gründungsvertrag verankert sind. Und die - wie ich beobachten  kann - eigentlich niemanden mehr interessieren.

Hier stehen Dr. Kafitz und sein leitender Mitarbeiter Bruckner auf dem Stand einer neuen deutschen Sportwagenfirma:

Sie üben sich in Geduld, während ein paar Meter abseits, der Chef der Sportwagenfirma noch ein anderes Gespräch führt:

Der hier gezeigten Krawatte und der Anstecknadel am Revers bin ich dann später überraschend draußen auf dem Gelände wieder an einem Bratwurststand begegnet:

Sein Getränk: Apfelschorle. Und ich erfuhr so aus erster Hand, dass Gustav Büsing, den man auch als Pressechef des "Großen Preis von Europa" am Nürburgring kennt, seit 1. August 2007 der Pressechef der Sportwagenfirma Artega ist, jener Firma, auf deren Stand ich schon die zwei Herren der Nürburgring GmbH erlebt hatte. Zwischen diesen zwei Treffen - dort in der Halle, jetzt hier am Bratwurststand - war schon sicher eine Stunde vergangen. Ich habe dann ein paar Kontakte genutzt um zu erfahren, dass sich die Herren Dr. Kafitz und Bruckner aber immer noch auf dem Artega-Stand aufhielten. Zur Zeit meines "Kontrollanrufs" waren sie gerade mit dem Verzehr von Früchtespießen beschäftigt.

Auch in solchen Details gab man sich auf der IAA "grün". Die diesjährige IAA war zu einer Scheinwelt umfunktioniert. Schon auf der Fahrt mit dem Bus vom Parkhaus zum Ausstellungsgelände erhielt ich einen ersten Eindruck, den ich dann auch fotografisch festgehalten habe:

Hier ist mir natürlich der Zufall ein wenig zur Hilfe gekommen. Nicht nur das Grün auf dem Lieferwagen passt zum "ECOTRAINING" des Mercedes, sondern auch die Beschriftung auf dem Zaun im Hintergrund. Nichts gestellt, alles "live". - "Wie einfach". - Wobei auf der IAA Automobile gezeigt wurden, die eigentlich "noch grüner" waren: die sind erst gar nicht lieferbar, die waren noch nie mit einem Motor auf der Straße betrieben worden, die wurden für Film-Fahraufnahmen mit einem Strick hinter einem anderen Automobil gezogen. Grün, grün, grün. - Einfach lächerlich.

Auf dem Ausstellungsgelände musste ich dann nur noch auf den Auslöser drücken.

Jeder verdeutlichte auf seine Art, wie man um die sorgfältige Nutzung der "Resourcen" bemüht war. Ob Zündkerzen- oder Reifenhersteller: alles öko. Es wurden eine Menge von wichtigern (bedeutenden?) "Worthülsen" benutzt. Die Besucher nahmen sie überwiegend zur Kenntnis, ohne sie aber zu hinterfragen. "Das Volk" stellt scheinbar keine Ansprüche.

Ich bin dann mal zu dem Eingang gewandert, hinter dem dann Angela Merkel die IAA offiziell eröffnen sollte. Man drängte sich:

Aber bezeichnend war wohl das Schild, dass auf diese Veranstaltung hinwies, aber eigentlich nicht richtig von den Vorbeieilenden betrachtet und registriert wurde:

Wenn ich dann später nachgelesen habe, was dort gesprochen wurde, passte das nicht nur wunderbar zu Allem, was sonst zu sehen war, sondern auch zum Ort der Eröffnungsfeier: Ebene 1 (Was sonst?) - "Harmonie" (Ohne geht's in der Deutschen Automobilindustrie nicht.)

Eigentlich hätte ich es machen sollen wie dieser Besucher:

Aber ich war mir schnell darüber im Klaren, dass ich auf dieser IAA 2007 am Besten ziellos weiter kommen würde. Impression würde sich so an Impression reihen und ein Gesamtbild entstehen lassen.

Auf dem Stand eines Zulieferers bin ich auf eine Reihe von Motorenblöcken gestoßen, die er für Automobilhersteller fertigt. Darunter war auch ein Block, der mich besonders interessierte:

Ja, das ist der Block für einen Porsche 911. Und ich habe das Standpersonal bemüht, hätte gerne mit einem Spezialisten über Details gesprochen. Und über die Zukunft dieses Motorblocks. Nette Leute gaben mir gegenüber lächelnd zu, dass sie leider keine Ahnung haben würden, da sie eigentlich zur Kolbenfraktion der Firma gehören. Aber man würde sich bemühen, einen Fachmann für mich aufzutreiben. - Um mir dann nach Rückkehr zu meinem Standort erklären zu müssen: "Es ist leider heute keiner der Fachleute am Stand, der ihnen Fragen dazu beantworten könnte". - Meine Frage: "Warum stellen Sie denn hier Motorblöcke aus, wenn niemand vom vorhandenen Standpersonal etwas dazu sagen kann?", ließ sie ein wenig verlegen zurück.

Kein Einzelfall. Bei BOSCH habe ich z.B. die Reihe der Ausstellungs-Galerie abgeschritten, aber leider nicht gefunden, was ich gesucht habe. Am Ende der Reihe bin ich überlegend stehen geblieben und wurde dann auch gleich von einer netten Dame des Ausstellungspersonals, die mein Verhalten richtig eingeschätzt hatte, angesprochen, ob sie mir helfen könne. - Ich habe dann gesagt, dass ich in der Ausstellung Details zur Zylinderabschaltung vermisst hätte. Ob Sie mir dazu nicht einen Gesprächspartner vermitteln könne? - Sie hat sich erkundigt und mir dann bedauernd mitgeteilt, dass man dazu leider keine Informationen habe. Und es in der Firma wohl auch nichts zu diesem Thema gemacht würde, weil man es sonst ja wohl ausgestellt hätte. - Logisch. - Aber sicher nicht richtig.

Ich habe schon verstanden, dass man sich nach einiger Zeit der versuchten Recherche zu aktuellen Themen...

...schon nieder hocken muss, um per Handy und Computer doch noch zu Informationen zu kommen, die man in der Redaktion wie selbstverständlich erwartet. Da war ich schon froh, wenn ich dann zum Thema Zylinderabschaltung bei einer anderen Firma ein paar Auskünfte erhalten konnte:

Bei Valeo hat man eine neue Art der Ventilsteuerung angedacht. Es gibt keine Nockenwellen mehr, keine Ketten, Zahnriemen oder andere Verbindungsteile zwischen Kurbel- und Nockenwellen. Die Ventile werden per Software elektrisch im richtigen Moment geöffnet oder geschlossen. Beim Vierventiler erfolgt die Betätigung paarweise.

Natürlich ist das nur ein Ausstellungsmodell, wo ein paar große Ventile - wohl von einem Schiffsdiesel stammend - Verwendung fanden. Die Ventile werden über Federn durch die in Magneten aufgebaute Spannung bewegt. Eine Feder (rot) öffnet, die andere (blau) schließt. Ich fand das ganz interessant und bat meinen Gesprächspartner um die Informationen, welche Spannung im Bordnetz denn hier die Voraussetzung schaffen müsse. Er sah mich aufmerksam an und bestätigte dann zögernd meine Vermutung: 42, besser 48 Volt. - "Aber wer verwendet eine solche 'Hochspannung'?, war meine Frage. - "Zur Zeit niemand." - Aber die Vorzüge eines solchen Systems sind einleuchtend. Es macht den Motor insgesamt leichter, verringert den Materialeinsatz, spart damit Kosten, ermöglicht eine präzise Anpassung der Ventilzeiten an die jeweiligen Anforderungen, die an den Motor gestellt werden. Man kann nicht nur Öffnungszeiten, sondern auch die "Größe" der Öffnung bestimmen. Und damit nimmt man insgesamt auch Einfluss auf Drehmoment und Leistung eines Motors. So nähert man sich beim Ottomotor z.B. beim Drehmoment den Werten eines Dieselmotors an. Hier kann der Ottomotor einen bedeutenden Schritt nach vorne machen. Auch beim Verbrauch, der niedriger, günstiger ausfallen wird.

Im Nachhinein habe ich jetzt recherchiert, dass dieses System erstmals bei einem (teueren) Premiumprodukt (Achtzylindermotor) in Serie gehen wird. Im Jahr 2009. Mit Zylinderabschaltung. Ich habe zum Fabrikat zwar einen bestimmten Verdacht, der mir aber bisher nicht bestätigt wurde. - Trotzdem: 2009 steht fest. Und 42 oder 48 Volt. - Was wieder andere "Innovations"-Erfinder auf den Plan rufen wird. Weil man so z.B. bei Bremsen eine Menge Kosten verursachendes Material einsparen kann und... und... - Aber mir ist schon schlecht.

Natürlich wurde ein solches Ventil-System dann auch als "grün" auf der IAA verkauft. Da auch der Verbrauch dadurch gesenkt werden kann, sinkt auch der Schadstoffausstoß. Und so konnte dann Valeo verkünden:

War dieses System aus meiner Sicht ein Lichtblick, so hat z.B. die Selbstdarstellung von BMW mit einer eigenen Halle auf mich depressiv gewirkt. Man betritt eine große Halle, die dann eigentlich unbegreiflich schlecht bestückt ist. Ich habe kein System erkennen können, obwohl ich mich eine Treppe hinauf begeben habe, um eine bessere Übersicht gewinnen zu können. - Trotzdem gab es Eindrücke. So habe ich z.B. für Sie folgendes fotografiert:

Da spricht man für die Zeit von 1966 bis 1977 von "Herzrasen" und nennt dann auch den Grund, "wirft ihn an die Wand":

Man hat es also in München begriffen. Und was ist mit der Jetzt-Zeit? - Bei welchem Modell gibt es da Herzrasen? - Man stellt also in dieser Ausstellungshalle das "Damals" als toll und aufregend dem aktuellen Output an Modellen, die ausdruckslos und nicht gerade Emotionen auslösend in dieser Halle geparkt sind, gegenüber. - Ich habe mich nach der IAA in meinem Bekanntenkreis erkundigt. Niemand hat mir die BMW-Halle als besonders ausdrucksstark und beeindruckend geschildert.

Und irgendwo stand dann ein alter Wasserstoffmotor. Und man schämte sich wohl des Formel 1-Projekts, versteckte ihn. Kein Rückgrat spürbar. Man passt sich der öffentlichen Meinung an. Zumindest in der Darstellung.

Und von draußen vermeldete man die firmeninterne Einstellung zu den aktuell ausgestellten Produkten so:

Worte, Worthülsen. Aber auf mich bezogen hatte man recht: Ich habe mich aufgeregt. Ist man "vernünftig", wenn man ein Automobil bei 250 km/h per Computer in der Höchstgeschwindigkeit begrenzt, das - elektronisch uneingebremst - auf dem Testgelände von Miramas mit mehr als 310 km/h gemessen wurde? (Das muss natürlich unter uns bleiben, weil "geheim".)

Zum BMW X6 habe ich vor Wochen schon meine Meinung gesagt, so dass ich hier auf eine Wiederholung verzichte. Obwohl man auf der IAA nun den BMW X6 auch in einer Hybridversion vorgestellt hat. Wurde hier der X6 Hybrid oder wurde hier das Publikum vorgeführt?

Das aus meiner Sicht erfreulichste Ausstellungsobjekt (als Automobil!) auf der IAA war dieses Mal der Fiat 500:

Vieles andere wirkte dagegen einfach lächerlich. Ich erinnere mich, schon vor mehr als 30 Jahren Elektro- bzw. Hybridautomobile (z.B. von Opel mit zwei Elektromotoren an der Vorderachse) gesehen zu haben. Schon vor Jahrzehnten hat die Industrie angekündigt, wenn schon nicht in einem Jahr, dann eben etwas später, würde man mit Elektro-, mit Hybrid-Automobilen fahren. Schon vor Jahrzehnten habe ich geschrieben, dass das (schon wegen der Batterie-Situation - und denken Sie bitte mal an die Entsorgung!) nicht passieren wurde. Schon damals hat mir z.B. das RWE in Essen erklärt, dass ich das alles nicht begriffen hätte. Ich habe es auch heute noch nicht begriffen. Aber das RWE weiß - das muss ich zugeben - wie man Geld verdient, Politiker beeinflusst - eben Politik macht.

Bei Daimler wusste dieses Öko-bereifte Dreirad zu gefallen:

Auf andere Art reizvoll war der Anblick der Hybrid-Antriebseinheit bei einem Lexus:

Vielleicht begreifen deutsche Firmen beim Anblick dieses Extrem, was sie beim Verkleiden ihrer Motoren - ganz gleich ob Otto- oder Diesel- - falsch machen. Warum erlebt man immer weniger, dass sich Leute um eine offene Motorhaube versammelt haben und sich am Anblick eines Motors begeistern? -

Neuheiten, neue Modelle? - Nun: im Wesentlichen alle bekannt. Und was so als sensationell den Medien als Aufmacher diente, das waren Fahrzeuge, die speziell für die IAA auf Räder gestellt wurden. Der neue kleine "billige" VW. Kommt irgendwann. Kostet irgendwas. Man sparte in der Vergangenheit wohl in der Entwicklung, aber nicht bei Studien. Immerhin kann man so nachweisen, das man mal gedacht hat. Wenn es notwendig war, die IAA z.B. vor der Tür stand.

Man hat das Feinstaub-Problem bei Direkteinspritzer-Ottomotoren noch nicht gelöst, nicht das Partikelfilterproblem beim Diesel, hat die Batterieentwicklung verschlafen, beschäftigt sich mehr mit dem Problem der Kapitalrendite aus der Sicht der Aktionäre.

Aber es gab ja auch noch einen neuen Audi A4. Nur: musste der wieder wachsen? - Die Premiumspitzen im VDA, Audi, BMW, Daimler, VW, neigen ein wenig zur Übertreibung. Besser, größer, teurer. Der neue Audi A4 ist um 12 Zentimeter länger geworden, natürlich auch breiter und höher, hat gut 125 Kilogramm an Gewicht zugenommen. Den Premiumpreis wird man ab 30.000 Euro marktgerecht gestalten. - Was nichts kostet ist auch nichts.

Inzwischen passen die Premiumprodukte kaum noch in eine Normgarage. Natürlich machen sie auch beim Einparken auf Normparkflächen in Großstadtparkhäusern Probleme. Dafür soll der Kunde dann sein Fahrzeug selber abstimmen. Es wird als Vorteil dargestellt. Es wird wohl bei einigen Firmen zur Angebotspflicht werden. Das "Drive Select". (Oder wie immer man es nennen wird.) Natürlich mit Dämpferabstimmung und Dynamiklenkung. Gut 2.000 Euro sollte einem so ein Angebot wert sein. - Meint man z.B. bei Audi.

Soll der Kunde inzwischen auch noch die Arbeit der Fahrwerkentwickler übernehmen? - Wenn Ihnen demnächst ein neues Modell auf welliger Fahrbahn Schlangenlinien fahrend entgegen kommt (natürlich mit Tagesfahrlicht), dann ist sein Fahrer wahrscheinlich gerade mit der Abstimmung seines Fahrwerks per "Selected Drive" beschäftigt. Was hier durch die Industrie angeboten wird, ist ein gefährlicher Unsinn. Den es z.B. auch bei BMW gibt (s. M5). Es kann beim ja sein, dass man sich in Zukunft auf ein "Marketing-System" beschränkt, bei dem man nur scheinbar viel verstellen kann, tatsächlich aber kaum etwas bewirkt. Bis auf das Abkassieren beim Kunden, der nicht begreift, dass man ihm einfach nur auf primitive Art - in Premium-Manier - in die Tasche greifen will.

Ich kenne die Entwicklung bei der durch seinen Besitzer korrigierbaren Fahrwerkeinstellung bei Motorrädern. Dort begann vor Jahrzehnten dieser Blödsinn. Es gab (und gibt) nur wenige Kunden, die wissen, was sie in welcher Situation wie verstellen müssen. Im Zweifelsfalle ist "hart" immer sportlich. Ein Autokäufer nimmt sich heute kaum noch Zeit, die serienmäßige (!), kostenlose (!) Betriebsanleitung zu lesen, Kann kaum die richtigen Schalter bedienen, soll aber die Fahrwerkabstimmung seines Automobils im Detail selber vornehmen. - Wer hat ihm das beigebracht?

Aber vielleicht ist es wirklich nur Geldschneiderei. Dann wäre es - aus der Sicht der Hersteller - kein Blödsinn. Und auch nicht gefährlich. Höchstens für's Bankkonto. Doch die meisten der "elektronischen Helferlein" sind nicht nur blödsinnig, sondern auch noch gefährlich, weil sie vom eigentlichen Autofahren ablenken. Unsere "Innovations"-Konstrukteure würden gut daran tun, erst mal die ganz normalen elektronischen Probleme eines Automobils in den Griff zu bekommen.

Aber zurück zum normalen Audi A4: er ist sonst schön geworden. Der zu große vordere Überhang ist weg. Die Limousine könnte jetzt auch - von der Optik her - ein Hecktriebler sein. Und wäre es besser auch. Denn wenn ich an die dynamische Gewichtsverlagerung beim Beschleunigen... und dann noch am Berg... und dann noch aus nassen Spitzkehren heraus denke... -

Aber Audi bietet ja den Allradantrieb an. Zwei Zentner mehr Gewicht, größere Reibungsverluste, höherer Verbrauch - und ein wenig lahmer. Da nimmt man dann den größeren Motor, der dann - auch dank Allrad - natürlich deutlich mehr Treibstoff verbraucht. Aber bald wird es dann ja all' diese Automobile auch mit Hybridantrieb geben. Da kann man dann wieder einen halben Liter sparen. Und noch tiefer in die Tasche greifen.

Nein, der Kunde sagt nichts. Aber die Industrie kann ihm das Denken nicht verbieten. So sagt er nichts, sondern handelt. Das heißt: er handelt nicht, sondern behält seinen Gebrauchtwagen, schon 4 -5 Jahre alt. - Ist der wirklich um so viel schlechter? - Darum kauft er vielleicht auch ein solches gebrauchtes Fahrzeug. - Das hat dann zwar keine Garantie mehr, man ist aber auch nicht gezwungen, sich bei den "Original"-Ersatzteilpreisen der Industrie neppen zu lassen. Und Werkstattpreise zu zahlen, deren Stundenstäze die Kosten für die Selbstdarstellung der Premiumhersteller beinhalten. Die Persönlichkeit des Werkstattinhabers entscheidet über die Qualität der Arbeit, nicht die Optik einer Fassade.

Und die Industrie jammert über einen Rückgang bei den Privatkäufen, dem Rückgang der Neuwagenkäufe von Privatpersonen. Besonders ausgeprägt bei Premiumprodukten. - Warum wohl?

Aber die lieben Kollegen der Fachpresse (z.B. "ams") werden den neuen Audi A4 sicherlich wieder gegen 3er BMW und Mercedes C-Klasse gewinnen lassen. Weil er der Größte ist. Und auch ESP serienmäßig hat.

Und die Privatpersonen werden trotzdem weder den 3er BMW, die Mercedes C-Klasse, auch nicht den Audi A4 kaufen. Weil die so blöd nicht sind, wie sie von den Marketingabteilungen der Premiumhersteller eingeschätzt werden.

Wenn die Entwicklung so weiter geht, wenn die Theorie (im Denken bei den Herstellern) soweit von der Praxis (bei den Privatkunden) entfernt ist, dann ist eine Internationale Automobil-Ausstellung bald überflüssig geworden. Schon weil sie keine Realsituation mehr darstellen kann. Wie das Beispiel in diesem Jahr zeigte und bewiesen hat.

Lassen Sie mich meine IAA-Geschichte, die ich mit einer Vision begonnen habe, mit anderen anderen Vision beenden, die aber auch den Titel zu dieser Geschichte, den Roland Kaiser-Titel, zum Thema hat. Stellen Sie sich die Vorstandsvorsitzenden der im VDA zusammen geschlossenen Automobilfirmen (überwiegend Premium-orientiert) vor, wie sie in der Auf- und Zusammenstellung einer Gesangsgruppe ("gemischter" Chor), zusammen folgende Originalzeilen aus dem Roland Kaiser-Titel (mehrstimmig) singen:

"Nie war Zeit für dich,
ich lebte nur in meiner eigenen Welt,
ich weiß du wirst gehen,
ich muss dich verstehen."

Das würde doch exakt passen. So hätte man dann die Privatkäufer auch wirklich direkt - und emotional anregend - angesprochen. Und die würden dann wissen: Singen können die auch nicht.

MK/Wilhelm Hahne


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