Gedanken zum "life cycle management" aus Anlass von Abriss und Neubau zu "Nürburgring 2009"

Der Autor folgender Geschichte wurde nicht in eine Wohlstandsgesellschaft hinein geboren. Er hat den Zweiten Weltkrieg in seiner gesamten Absurdheit bewusst erlebt; hatte also eigentlich schon "1000 Jahre" durchlebt, als andere, die heute darüber diskutieren, noch gar nicht geboren waren. Natürlich hat er auch die "megalomanen Architekturfantasien" nicht übersehen können, die z.B. heute noch in Nürnberg von der DTM gerne als imposante Kulisse genutzt werden. Immerhin waren dort auch viele Arbeiter aus der Eifel beschäftigt, weil die mit solchen Steinen, Quadern, umgehen konnten, die dort zum Bau verwendet wurden. In der Eifel baut man inzwischen anders. Aber Politiker - gleich welcher Couleur - scheinen auch aktuell einen Hang zu "megalomanen Architekturfantasien" zu haben. Sonst wäre ein Projekt, wie "Nürburgring 2009", schon in seiner Planungsphase als "Erlebnisregion Nürburgring" an seinem Gigantismus gescheitert. - Nachstehende Gedanken können vielleicht ein wenig zum Nachdenken anregen.

Über den Lebenszyklus eines Bauwerks

08-01-18/07. - Da wurde am Nürburgring vor rund einem Jahrzehnt die "Erlebniswelt" geschaffen. Und es wurde eine Halle gebaut, die als Nummer 3 zählte. Es gab eine Kartbahn unterhalb dieser Halle. Es wurde ein Pressezentrum geschaffen. Und es wurde ein neues gebaut. Das alte Gebäude wurde zu einer Motorsportbar. Die Bar wurde - nicht wegen Überfüllung - geschlossen. Die "Erlebniswelt" war immer ein Verlustgeschäft, aus dem  Teilhaber "der ersten Stunde" dann ausschieden, nachdem die Verluste vom Finanzamt nicht mehr als "absetzbar" anerkannt wurden. Da trug eben die Nürburgring GmbH die Verluste alleine. - Das heißt, eigentlich war es die Landesregierung in Mainz.

Und Politiker entschieden jetzt wieder darüber, was - und in welcher Größe - demnächst neu gebaut wird. Aber zunächst wird einmal alles das abgerissen, was erst vor gut einem Jahrzehnt (manches ist etwas älter) gebaut wurde. Auch eine Tribüne gehört zu den Abbruchobjekten. Alles wäre natürlich noch für Jahrzehnte voll funktionsfähig gewesen, aber die Herrn, die offensichtlich wenig von dem verstehen, was sie zu verantworten haben, möchten den Besuchern gerne "Premium" bieten. Natürlich zu Premium-Preisen. Sonst würden die Verluste gegenüber der Vergangenheit in Zukunft noch weiter anwachsen.

Und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft nicht mehr boomt, die Arbeiternehmer sich in vorsichtiger Zurückhaltung üben. Selbst die Autoindustrie, in der Vergangenheit mit dem Geld nicht kleinlich umgehend, übt sich jetzt beim Geldausgeben in Zurückhaltung. Und die Nürburgring GmbH war schon in der Vergangenheit immer vom "Wohlwollen" der Industrie abhängig. Durch die neuen Planungen wird sie das noch mehr. Man baut primär für die Formel 1 neu, die dann aber (zunächst noch) nur noch alle zwei Jahre den Weg in die Eifel findet. - So lange die Landesregierung Rheinland-Pfalz Millionen zuzahlt.

Nachfolgend ein paar Fotos. So sieht die Baustelle am Nürburgring heute aus. Es gibt zwar noch keine Neubau-Genehmigungen, aber es gibt eine Abbruchgenehmigung. Sie wurde von den verantwortlichen Politikern der Landesregierung mit abgenickt. Denn schließlich ist der Herr Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz gleichzeitig der Aufsichtsratsvorsitzende der Nürburgring GmbH.

Ich lasse meine Leser mal kurz einen Blick auf die derzeitige (Abbruch-)Baustelle werfen:

Ich möchte diesen Zustand solcher - vor dem Abriss eigentlich voll funktionierenden - Bauwerke eigentlich nicht kommentieren, sondern nur daran erinnern, dass hier eigentlich, wie auch vor dem Neubau von deutlich größeren Hallen (für die eigentlich kein Bedarf besteht - wie aber erst die Zukunft beweisen wird) der Lebenszyklus dieser Bauwerke kostenmäßig wie folgt kalkuliert werden müsste:

1) Planungskosten
2) Baukosten
3) Betreibungskosten (z.B. Energiekosten usw.)
4) Instandhaltungs- und Wartungskosten
5) Entsorgungskosten

Die so genannte "Entsorgung" sollte also schon in der "Designphase" geplant werden. Kaum vorstellbar, dass das auch bei den Hallen, Gebäuden und der Tribüne erfolgte, die jetzt ein Opfer von Sprengungen und Baggern werden. Hier wird ein Millionenvermögen zu Schrott gemacht. Von diesem vernichteten - in diesem Falle wohl - "Volksvermögen" spricht niemand. Alle träumen von kommenden Zeiten. So, wie "damals bei der "BikeWorld Nürburgring"? (Darüber ist in einer anderen aktuellen Geschichte zu lesen.)

Was von den geplanten neuen Bauwerken als Computer-Animation an die Medien geht, lässt wirklich Gigantismus vermuten. Bei wem? - Wie schon im Vorspann zu dieser Geschichte erwähnt, gibt es da große Vorbilder, über die man aber nicht gerne spricht.

So ist z.B. auch das Parteitagsgelände in Nürnberg entstanden und 1938 - in Nürburgring-verdächtigem Rekordtempo errichtet - die Reichskanzlei in Berlin. Der große Baumeister war hier in beiden Fällen Albert Speer. Man plante damals aus Berlin "Germania" zu machen, so wie man heute aus der Eifel eine "Erlebnisregion Nürburgring" zu machen versucht. - Was aus der Berliner Planung wurde ist bekannt.

Berlin sollte zur Welthauptstadt werden und man plante das größte Gebäude der Erde für 180.000 Volksgenossen. Die neu geplanten Hallen am Nürburgring sind eben dem Niveau der Region entsprechend, die einmal als das "Sibirien Deutschlands" bewertet wurde, auch "Gigantismus". Den Inhalt der Gutachten, deren Ergebnis gerne zitiert wird, ändert aber nichts an ihrem Alibiwert. Denn niemand aus den Medien, die die Erbauer der künftigen Bauwerke heute schon feiern, kennt die "Zahlenbasis", auf der die Gutachten entstanden.

Albert Speer hatte auch keine "Zahlenbasis", konzipierte seine "kolossalen" Bauten aber so, dass auch noch spätere Generationen von den zerfallenen Ruinen beeindruckt gewesen wären - und sind (s. Nürnberg). Er entwickelte praktisch die *"Theorie vom Ruinenwert" weiter. In seinen "Erinnerungen" schreibt Albert Speer: "Die Verwendung besonderer Materialien sowie die Berücksichtigung besonderer statischer Überlegungen sollte Bauten ermöglichen, die im Verfallszustand, nach Hunderten oder (so rechneten wir) Tausenden von Jahren etwa den römischen Vorbildern gleichen würden."

Vielleicht sollten die "Planer der Neuzeit" von ihren Vorgängern ein wenig lernen und zumindest die Neubauten - dann aus heimischem Gestein - so anlegen, dass sie zumindest als Ruinen in späterer Zeit eine "Erlebniswelt" darstellen.

Während nun gerade durch Abriss am Nürburgring die (ungewisse) Zukunft vorbereitet wird, die insgesamt deutlich mehr als 200 Millionen Euro verschlingen soll, entstehen auf dem unweit von Nürburg gelegenen (inzwischen vom Militär verlassenen) Flugplatz von Mendig neue Testmöglichkeiten für Automobilhersteller und Rennteams, deren aktuellen Ansprüche vom Management des Nürburgrings einfach nicht wahrgenommen wurden. Weil man vom eigentlichen Kerngeschäft der Nürburgring GmbH zu wenig versteht?

Wie wenig, das beweist auch die Feststellung des Geschäftsführers der Nürburgring GmbH zum Termin des "ersten Spatenstichs" zum neuen Projekt "Nürburgring 2009" (nun mit Erlebnisdorf und Achterbahn), wo Dr. Kafitz in seiner Rede den TÜV Rheinland als den "wichtigsten Partner" der Nürburgring GmbH bezeichnete, so klassifizierte und - auszeichnete.

Dieser "wichtigste Partner" realisiert nun z.B. auf dem Flughafen Mendig das "VTM" (Vehicle-Testing Mendig) und schreibt zur Aquisitation neuer Kunden nun auch bisherige Kunden der Nürburgring GmbH an und schildert, nach dem Eingangsatz "lernen Sie jetzt das neue Testgelände des TÜV Rheinland kennen", das eigene neue Testzentrum so:

"Die Nähe zum Nürburgring, eine sehr gute Infrastruktur und die ideale Verkehrsanbindung machen VTM Vehicle-Testing-Mendig zum vielseitigen Testgelände für die Durchführung von Fahrprogrammen. Die 1,8 km lange Gerade und die bis zu 5 km langen Rundkurse ermöglichen individuelle Fahrprogramme wie Fahrtrainings und Lehrgängen auf unserem Testgelände.

Als optimalen Rahmen für Ihre Veranstaltung finden Sie im VTM weiterhin unsere großzügige Eventhalle, sowie Büro-, Besprechungs- und Seminarräume mit ansprechender Ausstattung."

In der diesem Schreiben beigefügten Informations-Broschüre findet man die exakte Darstellung der Möglichkeiten in Mendig und das Leistungsangebot des "wichtigsten Partner" der Nürburgring GmbH (lt. Dr. Kafitz) wie folgt dargestellt:

Unser Leistungsangebot vor Ort:
Gesamtmanagement von Test- und Erprobungsläufen für PKW, LKW und Motorrad.

Objektive Beurteilung
Aktive Sicherheits- und Fahrdynamik-Tests
Bremsen-, Räder-, Reifen-Tests
Fahrleistungs- und Komfortmessungen
Wettbewerbsanalysen/Benchmarking
Datenerfassung und Messtechnik

Subjektive Beurteilung
Entwicklungsversuche - Fahrerassistenzsysteme
Produktwahrnehmungs- und Akzeptanzanalysen
Fahrverhalten

Der TÜV Rheinland empfiehlt sich in der Broschüre "als Partner für Fahrzeughersteller, Importeure, Zulieferer, Händler, Motorpresse, Tuner und Clubs."

Der "wichtigste Partner" der Nürburgring GmbH jagt also seinem Partner die Kunden ab. Oder doch nicht? Weil nämlich die Nürburgring GmbH die Weiterentwicklung ihres eigentlichen Kerngeschäfts verschlafen hat. Eigentlich nicht erstaunlich, denn: wer in der Geschäftsleitung der Nürburgring GmbH hatte vor seiner Tätigkeit in der Eifel Erfahrungen im eigentlichen Kerngeschäft dieser GmbH gemacht?

Und den Politikern der Landesregierung Rheinland-Pfalz kann man viel erzählen. - Tatsache ist aber, dass in Nürburg die Weiterentwicklung des Basisgeschäfts wohl verschlafen wurde. Was sich auch damit beweisen lässt, dass eine Reihe von Rennteams in Zukunft ihre Funktionsprüfungen, ihr Teamtraining (Reifenwechsel, Anfahren, Abfahren) nun in Mendig durchführen werden. Auch das Toyota F1-Team wird dort ihre Fahrer z.B. das Anfahren ohne Traktionskontrolle (die ist ab diesem Jahr verboten) in Mendig trainieren lassen. Und das Bremsen. Weil sich in der Vergangenheit über das Motormanagement schon fast ein ABS beim Formel 1 realisieren ließ, was nun - mit einer Standard-Elektronik ab 2008 - nicht mehr möglich ist.

Um sich abzusichern, hat der TÜV schon mehrfach Lärmmessungen auf dem Flugplatz Mendig dann vornehmen lassen, wenn dort Rennfahrzeuge unterwegs waren. Zúletzt am 16. Januar 2008, als der "Lärm" einer Renn-Viper die Basis für die Messungen schuf. Man will aber auch noch ein Lärmgutachten erstellen lassen, um spätere "Störungen" auszuschließen, wenn "Kunden" - wie oben dargestellt - auf dem Flugplatz in Mendig ihre Versuche fahren werden.

Aber das konnte man in Nürburg alles nicht ahnen. Weil man keine Ahnung hat. Und wer jetzt die Abläufe bei der so genannten "Winter-Action" beobachtet hat (Verzicht auf das Sylvestergeschäft, Unzuverlässigkeit der verwendeten Technik, usw.), der muss daran zweifeln, dass man sich auf die Ansprüche und Wünsche von Privatbesuchern in Zukunft einstellen kann. Und die sollen pro Jahr millionenfach anreisen. - ??? -

Zur Sicherheit sollte man sich also schon mal mit der *"Theorie vom Ruinenwert" beschäftigen.

MK/Wilhelm Hahne

*Es gibt übrigens auch die "Erratische Architekturkritik", die versucht, die "Ruinenwert-Theorie" auf jegliche Architektur anzuwenden. Als sehr hilfreich erweist sich dabei die Beschäftigung mit realen Fall-Beispielen, also echten Ruinen. So geht die erratische Architekturkritik - meint sie - beispielhaft voran auf dem Weg hin zu einer wahrhaften Kritik von Architektur. Man sieht das so: die Sprache der Architektur ist nun mal nicht nur die Sprache der Geometrie, sondern auch gleichzeitig die einer von Zufälligkeit und Zerstörung; praktisch einer Ordnung des Zerfalls. - Sagen die Jünger der "Erratische Architekturkritik". - Ordnung muss nun mal sein. - Auch beim Zerfall. (s. Fotos oben)

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