"... jeder muss im job permanently seine intangible assets mit high risk neu
relaunchen und seine skills so posten, dass die benefits alle ratings sprengen,
damit der cash-flow stimmt. Wichtig ist corporate-identity,
die mit perfect customizing und eye catchern jedes Jahr geupgedatet wird!"


Hilmar Kopper, Ex-Vorstandsprecher der Deutschen Bank

lt.Süddeutsche Zeitung März 2007
(www.sueddeutsche.de/kultur/bildstrecke/847/106741/p0/?img=7.0)

 Die Volkswagen AG, Wolfsburg, empfindet sich als „Global Player“ - nicht nur beim After Sales Service - wie hier schon zu lesen war

Manche Informationen erreichen einen erst nach einem langen, langen Umweg. So kann Motor-KRITIK auch jetzt erst aus dem Redeprotokoll der Hauptversammlung der Volkswagen AG vom 3. Mai 2006 in Hamburg zitieren. Nachstehend ist der Redebeitrag des VW-Aktionärs Dr. Geert Teunis wiedergegeben. Dieser Mann war einmal VW-Mitarbeiter und hat sich auch in 2007 für die "Normalisierung" des Sprachen-Wirrwars - nicht nur bei VW - eingesetzt. Auffallend - nicht nur für Dr. Teunis - ist nämlich, dass Volkswagen sich in anderen Ländern durchaus der jeweiligen Landessprachen bedient. Farbbezeichnungen werden in Frankreich französisch, in Spanien spanisch, nur in Deutschland fast ausschließlich englisch benannt. (Darüber können Sie übrigens in einer weiteren Geschichte zum gleichen Thema lesen.) Die Rede des Herrn Dr. Reunis aus dem Jahr 2006 ist nachstehend so notiert – mit allen Einwürfen und Gefühlsregungen der Zuhörer – wie sie sich in der Realität auf der VW-Hauptversammlung tatsächlich darstellte. Das Thema des begründeten (!) Aktionärbeitrags:

Kulturverlust im Automobilbereich

08-02-21/01 – Dieser Beitrag, eine Rede vor dem großen Publikum der VW-Aktionärsversammlung des Jahres 2006, in Hamburg, startete so:

Prof. Dr. Piëch: Ich bitte Herrn Dr. Teunis, Braunschweig, ans Pult.

Dr. Teunis: Herr Vorsitzender! - Sehr geehrte Damen und Herren! - Ich vertrete eigene Aktien... etc. …Ich habe vor einigen Monaten einen Passat bestellt und dabei erfahren, dass man fundierte Englischkenntnisse braucht, um alles zu verstehen, was angeboten wird. Bei der Ausstattung kann man wählen zwischen Trendline, Highline, Sportline und Comfortline.

Bei den Motoren gibt es u. a. TDI und FSI. Was "FSI" bedeutet, weiß der Berater nicht genau; es heiße wohl "Full Selected Injection" oder so. In Wirklichkeit heißt es natürlich "Fuel Stratified Injection".

Es gibt weiterhin den FSI 4MOTION. Meine Nachfrage nach der Bedeutung von "4MOTION" lautet: "Das ist doch klar: unser Allradantrieb!" Der Berater weiß nicht, dass die korrekte Übersetzung für Allradantrieb "Four wheel drive" ist. "4MOTION" ist eine grammatikalische Unmöglichkeit und stellt eine böse Verstümmelung der englischen Sprache dar. Denn "Motion" für Bewegung kann morphosyntaktisch nicht mit einer Zahl kombiniert werden. Im Englischen ist das genau so unmöglich, wie es "4Bewegung" im Deutschen wäre.

Bei den Farben ist es so bunt, dass es mir wegen der vielen englischen Qualifizierungen einfach zu bunt wird, bei denen man sich offenbar nicht die Mühe gemacht hat, nach deutschen Äquivalenten zu suchen. Ich darf wählen aus Candy-Weiß, Granite Green, Arctic Blue Silver, Wheat Beige, Shadow Blue, United Silver usw.

Gibt es wirklich keine treffenden deutschen Namen für unser deutsches Produkt? Wo bleibt die Kreativität unserer Werbeabteilung?

(Beifall)

Darüber hinaus bietet die Volkswagen Individual GmbH ein individuelles Designpaket aus Sensitive-Leder, in Snow Beige und Türinserts in zeitlosem Design.

Und dann zum Entertainment: Ich darf bestellen: Multimedia-Kit, PhatBox und Rear-Seat Entertainment-Geräte.

Bei all den englischen Vokabeln, die ich höre und lese, frage ich mich: Ist das eine Beratung für einen deutschen Kunden oder einen englischen Kunden?

Nun fahre ich ihn, den Passat, und muss mich zurechtfinden mit Bezeichnungen wie TIM für Traffic Information System, TMC für Traffic Message Channel, EPC für Electronic Power Control, ACC für Adaptive Cruise Control, mit MUTE, DEST, NAV, MAP, Scan und Autostore, mit Autohold, Reset, SPEED, CANCEL,

(Heiterkeit und Beifall)

mit KESSY für Keyless Entry Start Exit System. -Es ist ein Graus, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Es gibt nicht nur die unverständlichen Abkürzungen, sondern unter dem Navigationssystem prangt ein Satz: PASSENGER AIR BAG OFF. - Zu Deutsch, frei übersetzt: Passagier Luft Sack aus.

(Heiterkeit)

Ohne Englischkenntnisse und intensives Studium des Bordbuches kommt man nicht mehr zurecht! Warum steht auf dem Zündschloss der Schriftzug "ENGINE Start/Stop"? Es ging doch Jahrzehnte ohne diesen völlig überflüssigen und unverständlichen Hinweis!

Nach der Übergabe des Fahrzeugs war früher der Kundendienst für mich zuständig. Nun ist er umbenannt worden in After Sales Service.

(Heiterkeit)

Das ist absolut nicht einzusehen. Das ist nicht nur rücksichtslos, sondern es erscheint mir auch verkaufsstrategisch gesehen als dumm, so mit deutscher Kundschaft umzugehen.

(Beifall)

Ich empfehle, sich ein Beispiel an McDonald's zu nehmen. McDonald's hat in Deutschland bis vor gut einem Jahr mit "Every time a good time" geworben. Eine Marktanalyse ergab, dass dieser Werbespruch von der Bevölkerung nicht verstanden wurde. McDonald's hat seinen Werbespruch geändert in "Ich liebe es!".

(Heiterkeit und Beifall)

Aus demselben Grund hat auch unsere Konzerntochter Audi umgeschwenkt von "Driven by Instinct" auf "Pur und faszinierend".

Herr Dr. Bernhard, auch Ihre Mitarbeiter in der Produktion verstehen nur unzulänglich Englisch. Sie haben trotzdem vier "Product Units" - abgekürzt PUs -  für vier selbständig wirtschaftende Einheiten eingeführt. Es sind dies die PU A-Klasse, die PU Presswerk, die PU Trim und die PU Fahrsysteme - ein schönes Mischmasch aus Deutsch und Englisch!

Gemeint sind aber offensichtlich gar nicht "Product Units", sondern "Production Units". Abgesehen von diesem Fehler empfehle ich, die jetzt von Ihnen eingeführte Bezeichnung "Product Unit" wieder zurückzunehmen. Die bisher gebräuchliche "Fertigung" kann genau so wirtschaftlich arbeiten wie eine "Product Unit".

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wenn der Kunde nachhaltig an Volkswagen gebunden werden soll, muss die Sprache stimmen. Die ist für deutsch Sprechende nun mal Deutsch und kein deutsch-englisches Mischmasch.

(Beifall)

Außerdem hat jeder das Recht, nicht Englisch zu können.

(Beifall)

Herr Dr. Pischetsrieder, ich habe abschließend zwei Fragen und einen Vorschlag.

Meine erste Frage: Beabsichtigen Sie, im deutschen Volkswagen Konzern, der bereits seit Jahrzehnten global agiert, jetzt zunehmend englische Bezeichnungen einzuführen, insbesondere auch dann, wenn es gute deutsche Wörter gibt?

Meine zweite Frage: Ist schon einmal geprüft worden, welche Haftungsrisiken bestehen, falls ein des Englischen nicht mächtiger Kunde den im Zweifel lebenswichtigen Warnhinweis "PASSENGER AIR BAG OFF" nicht berücksichtigen konnte?

Und nun mein Vorschlag: Herr Dr. Pischetsrieder, Sie haben vor gut einem Jahr einen neuen Namen für unseren deutschen Volkswagen Konzern gesucht, um eine Abgrenzung zu Volkswagen Aktiengesellschaft zu erreichen. Ich habe auf der letzten Hauptversammlung "People's Wagon Group" vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.

(Beifall)

Dr. Pischetsrieder, Vorsitzender des Vorstands: Das müsste doch ganz in Ihrem Sinn gewesen sein, Herr Teunis!

(Heiterkeit)

Dr. Teunis: Ich versuche es heute mit einem anderen Vorschlag. Falls Sie eine englische Bezeichnung für unseren Betriebsrat suchen sollten, ich habe ein Angebot: "Work Council" mit der Abkürzung "WC".

(Große Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Ihnen mein Vorschlag so gut gefällt. Dann dürfen wir zusammen auf die Antwort von Herrn Dr. Pischetsrieder gespannt sein.

Falls der Vorschlag angenommen wird, kann der Worker an der Finishline künftig während oder nach seiner Shift zu seinem vertrauten WC gehen.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen Volkswagen-Fahrern eine gute Zusammenarbeit mit ihrem After Sales Service.

(Heiterkeit und Beifall)

Dr. Pischetsrieder, Vorsitzender des Vorstands: Herr Teunis, Ihre Anregungen zur Verwendung der deutschen Sprache finde ich so unterhaltsam, wie auch Sie, verehrte Aktionäre, sie fanden. Es ist so, dass manche der Bezeichnungen, die Sie im Fahrzeug finden, tatsächlich international genormt sind. Ihre spezielle Frage: Was passiert denn mit dem Hinweis "Airbag off" für den Fall, dass jemand nicht englisch lesen kann? -In der Betriebsanleitung ist genau beschrieben, was das auf Deutsch heißt. Ich glaube trotzdem - das sage ich durchaus aus Überzeugung - dass die allzu intensive Verwendung der englischen Sprache im Deutschen nicht nur im Automobilbereich ein gewisser Kulturverlust ist.

(Beifall)

MK/ ***
(Mit freundlicher Genehmigung
von  Herrn Dr. Geert Teunis)

Anmerkung – von Friedrich von Schiller: „Die Sprache ist der Spiegel einer Nation. Wenn wir in diesen Spiegel schauen, so kommt uns ein großes treffliches Bild von uns selbst daraus entgegen.“


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