Urteil im Namen des Volkes: ein Automobilhersteller scheint nicht immer exakt den Stand der Technik zu kennen - und sein Händler verliert

Ich habe im Januar den Fall grob geschildert. Ein Audi-Fahrer war mit seinem Fahrzeug unzufrieden, in dessen Antriebsstrang ein ZMS, ein Zwei-Massen-Schwungrad werkelt. Hier lag der Hund begraben. Meinte er. Und Audi meinte, das wäre eben so wie es wäre, eben alles "Stand der Technik". Da hat der Audi-Fahrer geklagt. Er musste gegen den Händler klagen, da der sein Vertragspartner ist. Ich hatte schon geschrieben, dass der Händler - und damit auch Audi - vor Gericht verloren hat. Aber nun liegt das Urteil in Schriftform vor. Beim nachfolgenden Abschreiben des Urteils konzentriere ich mich nur auf die Passagen in der Urteilsbegründung, die speziell das ZMS betreffen. Und ich lasse die Namen von Kläger und Beklagten fehlen, weil - auch hier - Namen nur Schall und Rauch sind. Das Urteil betrifft in seiner Auswirkung sicherlich nicht nur den einen, hier geschilderten Fall. Und weil dann sofort die Frage auftaucht´, "Aber was sollen wir machen", gebe ich am Ende der auszugsweisen Urteilsabschrift einen kleinen Ausblick auf die Zukunft. Dazu muss man nicht unbedingt auf LuK blicken. - Darf es vielleicht ein wenig ZF sein? - Dachte ich. Aber Denken ist Glücksache. - Aber lassen Sie mich zunächst mit der Gerichtsentscheidung beginnen. - Und über ZF habe ich mich dann gewundert, weil deren "jüngste Innovation" auf diesem Gebiet dann fünf Jahre alt war. Entsprechend lange hat die Information gebraucht: drei Wochen.

Kann ein ZMS den Wert und die Tauglichkeit eines Automobils mindern?

08-02-21/02. -Ich schreibe jetzt einfach zum Thema ZMS (Zwei-Massen-Schwungrad) aus dem Urteil des Landgerichts ab, lasse spezielle Details fehlen, da sie für das grundsätzliche Urteil nach m.M. ohne Belang sind, komprimiere so das Urteil auf das Wesentliche:

Das ist die Argumentation des Audi-Fahrers (Käufers):

"Der Kläger trägt vor, die starken Klopfgeräusche aus dem Bereich des Getriebes einhergehend mit erheblichen Vibrationen bei warmem Fahrzeugmotor bei nicht getretener Kupplung, habe er einen oder zwei Tage vor dem XX.XX.XX erstmals festgestellt. Es handele sich dabei um einen erheblichen Mangewl des Fahrzeugs, der dessen Wert und Tauglichkeit beträchtlich mindere. Der Mangel sei auch nach dem allgemeinen Entwicklungsstand aller Autohersteller nach allgemeiner Zweckbestimmung bei mit dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Fahrzeuges vergleichbar. Er trete bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller und bei Serienfahrzeugen des gleichen Herstellers Audi nicht auf und könne verhindert bzw. abgestellt werden. Es bestehe der Verdacht, dass entweder die Kupplung oder das Zweimassenschwungrad nicht richtig konstruiert, nicht richtig eingebaut, nicht richtig gefertigt oder äußerst mangelanfällig sei. Der Mangel führe zu einem Risiko für die Verkehrssicherheit. Die Fahrsicherheit werde gefährdet und zudem werde der Fahrer durch die Klopfgeräusche und Vibrationen abgelenkt. Bei einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse, zu der das gekaufte Fahrzeug gehöre, sei dieser Mangel nicht hinzunehmen. Neben den starken Klopfgeräuschen seien auch Vibrationen am Lenkrad, der Pedalerie und am Schaltgestänge wahrnehmbar, die sich auf das Fahrzeug an sich übertragen." ......

Das ist die Argumentation des Audi-Händlers (Verkäufers):

"Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bestreitet, dass ein Mangel des Fahrzeugs vorliegt. Die beanstandeten Geräusche beeinträchtigen weder die Funktion noch die Handhabung des Fahrzeugs. Sie seien nicht Ausdruck eines schwerwiegenden Fehlers, sondern die Folge davon, dass sich die Materialien nach dem Anlassen des Motors an die Inbetriebnahme anpassen müssten, was für Fahrzeuge dieser Klasse typisch und üblich sei und dem Stand der Technik entspreche. Es liege auch keine erhöhtes Risiko für die Verkehrssicherheit vor. Sollte dennoch eine Abweichung der Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit festgestellt werden, so handele es sich zumindest um einen unerheblichen Mangel, da die Geräusche die Gebrauchs- und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigten."

Das meint der vom Gericht bestellte Sachverständige:

"Wie der Sachverständige Dipl. Ing. XXX XXXXX festgestellt hat, ist in etwa 50% bis 60% der Fälle im Stillstand bei warmem Motor und nicht getretener Kupplung ein leichtes Klopfen und Vibrieren des Fahrzeugs zu hören und zu spüren. Diese Geräusche sind nach Einschätzung des Sachverständigen auf das Zweimassenschwungrad des Fahrzeugs zurückzuführen, das zwischen Motor und Kupplung eingebaut ist. Obwohl diese Technik jahrzehntelang funktioniert hat, treten nach Feststellung des Sachverständigen seit geraumer Zeit verstärkt Probleme mit Zweimassenschwungrädern in der Regel bei Fahrzeugen mit hohem Drehmoment auf. Es handelt sich dabei um einen serientypischen Mangel verschiedener Fahrzeugtypen, der keinesfalls dem derzeitigen Stand der Technik entspricht. Die Geräusche und Vibrationen bedeuten nicht nur eine Komforteinbuße. Vielmehr ist nach Kenntnis des Sachverständigen eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen sich die Probleme verstärkt und bis zur Zerstörung der Kupplung oder gar zum Brand des Fahrzeugs geführt haben."

Und das Gericht entscheidet:

"Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger ist aufgrund eines nicht unerheblichen Mangels des gekauften Fahrzeuges zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt."

Gibt es bessere technische Lösungen als das ZWS?

Ich hätte meinen Lesern gerne darüber berichtet, einen (technischen) Ausweg aufgezeigt. Eigentlich müsste der über ZF (eine Firma, die Sie vielleicht als Getriebehersteller kennen) führen. Aber dann war dort die "jüngste Innovation" fünf Jahre alt und die Aufklärung hin zu dieser Entdeckung dauerte drei Wochen. - Da habe ich es aufgegeben. - Entschuldigung!

Da erzähle ich Ihnen dann lieber noch eine kleine Geschichte vom DSG-Getriebe, das heute überall so hoch gelobt wird. Man hört nur Gutes über die Schaltzeiten und andere Eigenschaften. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass gerade solche "Innovationen" nicht nur technisch aufwändig, sondern auch damit oft anfällig sind. Der Besitzer eines Automobils mit DSG-Getriebe berichtet gerade, dass er für einen Austausch 3.500 Euro zahlen durfte. - Da nimmt man doch lieber längere Schaltpausen in Kauf. - Oder?

Aber die Entwicklung geht zügig weiter. Auch beim Porsche Panamera wird es ein DSG-Getriebe geben (man nennt es dort vielleicht anders). Weil sich die neue Porsche-Limousine durch einige Besonderheiten auszeichnen soll, wird jetzt in der Entwicklung darauf geachtet, dass die Schaltzeiten wirklich kurz sind. Ein Chef hat vorgegeben: Schneller als bei der Formel 1. Und mein Informant sagt: "Wir haben das geschafft! - Das Ding haut die Gänge rein, das fällst du vom Stuhl." - Und ergänzt: "Jetzt im Versuch müssen wir aber noch alle 25 - 30.000 Kilometer die Getriebe austauschen."

Jedenfalls erwartet uns ein neuer innovativer Fortschritt in den Werbeaussagen: Schneller als die Formel 1. - Hoffentlich nicht schneller defekt, als die Bank einen neuen Kredit genehmigen kann.

Achten Sie darum - der Porsche Panamera wird ab 2009 lieferbar - auf die dann gültigen Garantiezeiten.

MK/Wilhelm Hahne


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