Was muss man tun -
um "Ehrenbürger" einer Stadt zu werden?
08-02-21/06. - Am 11. Februar 2008 - exakt an seinem 65. Geburtstag - hat in der altehrwürdigen Dornse Gerhard Glogowski die Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweig empfangen. Vorgeschlagen wurde er vom derzeit amtierenden Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann persönlich. Als ich die Meldung las, glaubte ich zuerst an einen Druckfehler. Dann an einen Fastnachtsscherz. Aber Rosenmontag war in diesem Jahr bereits am 4. Februar.
Ließ der Oberbürgermeister nicht höchstpersönlich vor Jahren ganze Aktenordner mit internem Material in Sachen Mundstock/Glogowski politisch engagierten Bürgern zuspielen? Seine Absicht: Die Bürger sollten der Staatsanwaltschaft Beine machen. Die Genossen-Staatsanwälte sollten die schweren Betrugsvorgänge beim Erwerb der Mundstock-Gruppe endlich aufarbeiten und ahnden. Er selbst blieb im Hintergrund - ließ sich informieren. Was sich im Jahre 1997 abgespielt hatte, war Betrug, Untreue und vieles mehr. - So dachten viele.
Das Busunternehmen von Glogowski-Freund Mundstock war von den Braunschweiger Verkehrsbetrieben für 28 Mio. DM gekauft worden. Aufsichtsrat-Vorsitzender: Glogowski. Dabei stand der Betrieb in Teilen kurz vor der Pleite. Im Schnitt der letzten drei Jahre hatte man Verluste von ca. 1 Mio. DM eingefahren. Der Ertragswert der Firma lag also bestenfalls bei minus 10 Mio. DM. Das Gutachten zum Unternehmenswert wurde nachträglich angefertigt. Da war der Kaufpreis längst fixiert. Die Bewerter der Firma BSL hatten am 29. April 1997 beim Geschäftsführer der Stadtwerke Braunschweig sogar „vertraulich“ nachgefragt: „Für eine Durchsicht und eine Rücksprache bezüglich weiterer Änderungswünsche wäre ich Ihnen dankbar. Mit freundlichem Gruß Dr. Heiner Bente“. Alles frei nach dem Motto: Wie hätten Sie´s denn gern? Es dauerte folglich nicht lange, bis man aus diesem Schmieren-Deal 20 Mio. DM abschreiben musste. - Klassischer kann man eine Stadt und deren Bürger nicht betrügen.
Braunschweigs Staatsanwälte spielen nicht nur im Fall Mundstock/Glogowski die Schlüsselrolle. Auch eine Strafanzeige wegen Urkundenfälschung wurde von dieser Staatsanwaltschaft eingestellt. Glogowski hatte kurz vor seinem Rücktritt als Ministerpräsident ein TUI-Schreiben in seiner Wohnung gefunden. Rein zufällig. Das Schreiben sollte ihn entlasten. Es ging um die Bezahlung seiner Hochzeitsreise. Das Schreiben war aber gar nicht an ihn gerichtet. Adressat war die Staatskanzlei. Eingangsstempel der Staatskanzlei? - Fehlanzeige.
Die Preussag/TUI AG hat reichhaltige Erfahrung im Fälschen von Dokumenten. Die Anwälte des Staates übergingen jedoch den offensichtlichen Schmu. Bei dieser Staatsanwaltschaft konnte sich auch die Eiterblase VW zu voller Pracht entwickeln. Ebenso Anlegerschäden in mehrstelliger Millionenhöhe durch die Göttinger-Gruppe - trotz massiver Hinweise durch die Bankenaufsicht und andere Justizbehörden. Sogar die Schändung des KZ-Drütte in Salzgitter am 16. Februar 1999 harrt noch immer der Bearbeitung durch die Justiz. Ministerpräsident damals: Gerhard Glogowski. Braunschweiger Staatsanwälte mussten sich im Landgericht am 16. Januar 2008 bereits anhören, sie hätten sich im Fall VW „strafbar gemacht“. „Das ist Strafvereitelung im Amt.“, warf ihnen Rechtsanwalt Kubicki vor. Die Staatsanwälte bekamen rote Köpfe und schwiegen. Ein weiteres Novum in einem deutschen Gerichtssaal. „Braunschweiger Verhältnisse“ urteilte der Autor der "Süddeutschen Zeitung", Hans Leyendecker, vor Ort im Gericht.
Braunschweigs Überbürgermeister, Dr. Hoffmann, muss sich fragen lassen, welche Konsequenzen er aus seinem skandalösen, persönlichen Verhalten im Fall Glogowski zieht. In Braunschweigs Geschichte wird er trotzdem eingehen. Es fragt sich nur noch wie. Er hat sogar Chancen, Weltgeschichte zu schreiben. Zumindest ein Kapitelchen. Mit seinem „Hoffmann-Schloss“. Ganz anders, als sein weltbekanntes Vorbild Potemkin. Dessen Pappmaschee-Dörfer waren angeblich nur Ausgeburten hinterhältigen Hofklatsches. Hoffmann hat dagegen ganze Arbeit geleistet. Er hat ein veritables Schloss vortäuschen lassen. Hinter einer Fassade aus teilweise originalen Materialien wuchert indes krebsartig ein Gekröse, das an schlimmste Architektursünden der sechziger Jahre erinnert. Es steht damit im Dialog mit dem kongenialen Kaufhof-Bau gegenüber.
Wo waren unsere emsig-pedantischen Denkmalschützer, als man die Baugenehmigung für dies Monstrum erteilte? Beamte, die ansonsten sogar Farbe und Geschmacksrichtung von Fensterkitt vorschreiben. Hier wurden schließlich Originalteile des früheren Schlosses verwendet. Im neuen „Ehrenbürger Glogowski“ findet das „Hoffman-Schloss“ allerdings nun eine weitere kongeniale Entsprechung.
Armes Braunschweig? - Die Stadt steht hier nur für andere Beispiele. Solche die schon geschehen sind (oft still und leise) und solche, die in naher Zukunft nicht nur den Steuerzahler belasten.
MK/Prof. Dr.-Ing. H.-J. Selenz
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