Ein scheinbar seltsamer Vergleich: Der deutsche Film "Keinohrhasen" gegen die deutsche Pressemappe "CLC- Das neue Sportcoupé"

Das neue Sportcoupé kommt von Mercedes. Der neue Film kommt von Warner Bros. Intertainment Inc. Bei Mercedes haben Markus Bolsinger, Kevin Callan, Norbert Giesen, Harry Ruckaberle, Heiko Simayer, Christof Vieweg und Jörg Weusthoff an der Umsetzung der Ideen zur Pressemappe gearbeitet. Beim Film war es Til Schweiger. Und ich nenne hier nur ihn, weil er der Produzent des Filmes war, das Drehbuch mit geschrieben hat, die Regie führte und einer der Darsteller war. - Man spürt das. Genauso wie man spürt, dass bei Mercedes die "Daimler AG, Globale Produktkommunikation Mercedes-Benz Cars" verantwortlich war. - Schön gemacht. - Aber man fragt sich: Was soll das? - Bei "Keinohrhasen" stellt man sich diese Frage nicht. Alles ist stimmig. Der Film ist eine Komödie. Und man lacht. - Die Mercedes-Broschüre ist eine Pressemappe, eine Informationsschrift. - Und man erfährt Wesentliches nicht. Und man ahnt den Einfluss des Marketing. Weil keiner etwas anderes machen durfte als dort beschlossen wurde. Denn im "Team" waren Leute, die besser sind (das sage ich), als sie sich hier darstellen durften. Nur: die, die Regie führten, hatten keine Ahnung vom Markt. - Beim Film war das anders. Til Schweiger hat Ahnung vom Leben. Und ein Gespür die richtigen Menschen, für die, die so zusammen passen, dass sie vom Publikum als Darsteller in ihrer Rolle akzeptiert werden, das normale Leben wider spiegeln. - In der Mercedes-Pressemappe passt nichts. - Aber es wird deutlich, dass sie teuer war. - Beim Film schauen denkt man nicht an Geld. Er ist beste Unterhaltung. - Die Mercedes-Pressemappe ist schlechte, unzureichende Information. Der Film setzt richtige Akzente, wird in allen Details als "passend" empfunden. Die Mercedes-Pressemappe ist dagegen "unpassend".

Über den Unwert von künstlich geschaffenen Werten

08-02-21/07. - Ich habe viele, viele Jahre keine "Schlange" mehr vor einer Kinokasse erlebt. Jetzt, als ich zusammen mit meiner Frau die neue deutsche Komödie erleben wollte, stand ich mit ihr in einer Schlange. Viel junge Leute. Aber nicht nur.

Erstaunlich, was junge Leute so an Popcorn mit in die Vorstellung nehmen. Und an Getränken. Sie empfinden es auch sicherlich als "cool", wenn sie mit ihren (nicht gerade sauberen) Tennisschuhen ihre Sitzhaltung an der mit Cord bespannten Lehne des Vordersitzes abstützen können. Man kommt auch meist in kleinen Gruppen. Mehr als Zwei, kaum mehr als Fünf. Und die Getränke-Pappbecher sind groß, riesengroß. Dafür gäbe es in keinem Automobil einen Getränkehalter. Und entsprechend der Gruppengröße, finden sich im Deckel der Getränkedose drei, vier oder auch fünf unterschiedlich farbige Plastikhalme. Jeder saugt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise. Und das Popcorn knistert.

Aber alles passt zum Film. Und die Jüngeren lachen an den gleichen Stellen wie die Älteren. Und als der Film herum ist, wundert man sich, dass der Film tatsächlich 115 Minuten gelaufen war. Es kam einem kürzer vor.

Natürlich (sage ich) ist so ein Film nicht für Kinder ab 6 Jahren geeignet. Weil für die die Sprache nicht taugt. Auch 12jährige Heranwachsende sind sicherlich mit manchem überfordert. Aber es soll ja - in diesem Alter - auch solche geben, die schon das Leben begriffen haben. Sagen sie. Denken sie. Glauben sie.

Aber wir Älteren wissen mehr. Weil wir früher auch mal glaubten... - Glauben heißt wirklich nicht wissen. Aber Til Schweiger kennt das Leben. Auch wenn manches überzeichnet ist, so ist es doch immer das "wahre Leben". Und wunderbar, wie die Typen "lebensecht" sind, in die Szenen passen. Nichts wirkt aufgesetzt (obwohl es - in dieser Komödie! - natürlich überzeichnet wird). Man spürt - auch wenn wohl nicht alle das bewusst empfindet - eine "durchgehende Linie". Sympathisch.

Wenn man versucht zu ergründen, warum dieser Eindruck entsteht, so ist das in einer Person und vielen Funktionen begründet: Til Schweiger, der für Produktion, Drehbuch, Regie verantwortlich zeichnet und auch den Kollegen als Darsteller ein Vorbild ist. Jemand, der viel kann, weiß, begriffen hat, der wird auch als Vorbild akzeptiert.

Aber wo sind die Vorbilder bei Mercedes, bei der Daimler AG, der "Global Communikations Mercedes-Benz Cars"? - Findet man sie im Vorstand, im Vertrieb, im Marketing, in der Werbung, in der Presseabteilung, in der Produktion, in der Entwicklung?

Leider passt dort nichts mehr zueinander. Das Marketing dominiert den Vertrieb, die Werbung die Presseabteilung und die Produktion die Entwicklung. Und der Vorstand? - Der hat Pläne. Aber in jedem Falle ein ausreichendes Einkommen. Und alle meinen: Alles wird gut.

Leider tut jeder an seinem Platz zu wenig dafür. Auch die Schreiber, Konzeptionäre der Pressemappe für "Das neue Sportcoupé" von Mercedes ordnen sich unter. Eigentlich alle dem Marketing. Da hatte jemand die Idee zu einer "Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 2008". Toll! - Soll man ruhig machen. Aber was hat das mit dem neuen Mercedes CLC zu tun?

Sollte ich eine Frau passend zu dem neuen CLC-Coupé von Mercedes bestimmen, es wäre sicherlich nicht Eva Padberg. Und ich muss wirklich gequält lachen, wenn ich auf Seite 6 lese: "Mode trifft Design, Schönheit trifft Perfektion - ein faszinierendes Arrangement". Und man findet den Text: "Hier stimmt einfach alles: das Auto, die Mode und Eva Padberg als Mercedes-Markenbotschafterin."

Tatsache ist: Nichts stimmt.

Aber vielleicht stimmt auch meine Vorstellung nicht. Die Vorstellung von den Leuten, die eine solche Informationsschrift informieren soll. Und die dann diese Informationen weiter geben. An die Leute, die dann so den entscheidenden Anstoß zu einer Kaufentscheidung erfahren. - Was erfahren?

Wenn man den Markt, den Automobilmarkt beobachtet (ich tue das seit Jahrzehnten intensiv), dann weiß man, dass dieses neue Mercedes CLC-Coupé dann eine gewisse Bedeutung erlangen kann, wenn man es als Ausgleich für eine im Markt entstandene Lücke darstellt, die z.B. die Einstellung des BMW compact (3er-Schrägheck) hinterlassen hat.

Was war das Wesentliche, was den "Charakter" des 3er BMW "compact" bestimmte? - a) Der Hinterradantrieb. b) der erschwingliche Preis. c) die dem Fahrzeugtyp über das BMW-Image mitgegebene Sportlichkeit.

Und was liest man in dieser Daimler-Informationsschrift? - "Je höher der Wert für den Body-Index ist, desto sportlicher ist die Fahrwerkcharakteristik. Der neue CLC mit dem Sportfahrwerk - es gehört beim Sportpaket zur Serienausstattung - erreicht einen Body-Index von 1,89. Ein Wert, mit dem der CLC in bester sportlicher Gesellschaft ist."

Wahnsinn! - 1,89 Body-Index! (Sind Sie mir bitte ob meiner Unkenntnis nicht böse. - Aber was ist das?) Wäre ich mit dem gleichen Selbstverständnis ausgestattet, würde ich meinen Kopf-Index mit 2,91 angeben. Und sagen, dass damit ein Wert von einer Vielzahl typischer Denkoperationen bestimmt wird, die im Vergleich mit typischen Denkmanövern praktisch eine Summenformel für die Denkdynamik darstellt und damit einen Vergleich mit anderen Denkern gestattet. Mit Einstein zum Beispiel. - Oder mit Herrn Zetsche.

Wenn man heute auf junge Mädchen trifft, dann tragen viele eine Zahnspange. Zur Gebissregulierung. Damit alle Mädchen gleich aussehen. Gut natürlich. (Aber nicht natürlich gut. - Dann würden Sie sich ja unterscheiden.) Aber das macht das Mercedes CLC-Coupé. Es unterscheidet sich von anderen Automobilen durch seine Zahnstange. (Natürlich gegen Aufpreis.) Es ist eine Lenkung, an die sich der Fahrer gewöhnen muss. Und damit ist sie eigentlich blödsinnig. Aber für die Marketing-Strategen bietet sie "Vorteile auf der ganzen Linie".

Ach! - Unter a) habe ich weiter oben als eine wesentliche Charakterähnlichkeit zum nicht mehr erhältlichen BMW compact den Hinterradantrieb genannt. Will ich also diese Zielgruppe der von BMW verlassenen Käuferschicht erreichen, sollte ich auf den Hinterradantrieb des neuen CLC-Sportcoupés hinweisen. - Ich habe mir große Mühe gegeben, aber...: nirgendwo, auf keiner Seite, auf keiner CD (von Zweien) gibt es den Begriff Hinterradantrieb. (Wenn ich ihn überlesen haben sollte: Helfen Sie mir!) Und es wird  nirgendwo beschrieben (mit allen Vorteilen), dass dieser Mercedes ihn hat. Aber Sie lesen alles über den "markanten 'Lidstrich' der serienmäßigen Projektionsscheinwerfer" und die "Lamellenkühlermaske mit dem Mercedes-Stern in der Mitte".

Man möge mir verzeihen: Aber dieser Mercedes-Stern in dieser Größe in der Kühlermaske, das gab es "früher" nur bei "Tunern" (nicht "ab Werk") und wurde nur von "Proleten" gefahren, also von Arbeitern im Kontext des Klassenkampfes (das ist übrigens positiv!).

Weil ich mich - und ich kenne auch viele andere Menschen gleicher Art - nicht in einem Klassenkampf befinde (weil ich - ohne Zahnspange - das auch nicht nötig habe) würde ich niemals so einen Mercedes kaufen. Auch wenn er einen BMW compact ersetzen kann, den ich mochte. Auch, weil der ein preisgünstiger Einstieg in die "Weiß-blaue Welt" war.

Auch das neue Mercedes CLC-Coupé soll mit einem "Kampfpreis" in den Markt eingeführt werden. In der Nr. 6/2008 der "Auto-BILD" schreibt ein Leser zu diesem Thema: "Ein Kampfpreis von 26.000 Euro ist ja wohl ein schlechter Scherz, zumal das Auto in Brasilien gebaut wird. Was würde das Auto denn kosten, wenn es aus Sindelfingen oder Bremen käme?"

Nicht nur die Pressemappe, sondern auch das Auto, die Preisgestaltung, das Design - also eigentlich alles - ist ohne jedes Gefühl für Details und für die Summe dieser Einzelheiten gemacht. Dieses Automobil ist so zu einem Puzzlestück in einer großen Menge von weiteren Stücken der gleichen Art geworden, die jede Familienähnlichkeiten vermissen lassen. Es sei denn, man hält den "Stern" für ein wesentliches Verkaufselement. - Nie war er größer als heute! - In der Pressemappe spricht man von "jugendlichem, sportlichen Charme".

Denkt man an die erste Version des Mercedes-Coupés, bleibt einem nur die Feststellung: Nichts dazu gelernt.

Und wenn ich die Informationsmappe als Journalist betrachte: Wo finde ich die lückenlosen technischen Daten, die Basis aller technischen Produkte?

Ich habe mehr als eine Stunde eine CD abgehört, die der Mappe beiliegt, habe über lange Strecken keine Informationen erfahren, sondern Musik hören - müssen! - Wer kannte da wen? - Wer wollte da für wen etwas tun?

Sie können jetzt sagen: dieser Mann ist Motorjournalist, der versteht wenig vom Film und zuviel von Automobilen. - Kann sein. Aber der Film hat mir gefallen. Und ich habe eine Erklärung dafür, warum er mir gefallen hat. Und ich habe eine Erklärung dafür, warum das mit dem CLC-Coupé nichts ist, nichts wird.

Aber so lange der Herr Zetsche gut verdient... - Ich jedenfalls gehe lieber in "Keinohrhasen". Da habe ich was zu lachen. Weil  - ehrlich - über solche Produktionen wie das CLC-Coupé von Mercedes und die dazugehörige (so genannte) Pressemappe ärgere ich mich schon. Auch, weil ich weiß, was so etwas kostet. - Ich ärgere mich über den Unwert von künstlich geschaffenen Werten. - Die dann tatsächlich keine sind. Da ändert dann auch die Verwendung des Begriffs "Haute Couture" nichts dran.

Bezeichnend ist, wenn man auf Seite 7 der Informationsschrift lesen kann: "Hier stimmt einfach alles: das Auto, die Mode und Eva Padberg als Mercedes-Markenbotschafterin." -

Na, denn...!

MK/Wilhelm Hahne


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