24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring Nordschleife:  Eine kleine Nachlese mit Anmerkungen, ein paar Fotos und auch Vorhersagen

Meine Vorhersage zum Endergebnis des diesjährigen 24-Stunden-Rennens war grundsätzlich nicht "daneben". Ein Porsche hat gewonnen. In der Realität war der Porsche-Erfolg noch deutlicher, weil gleich die ersten drei Plätze von Porsche 911 eingenommen wurden. - Das führte dann nach dem Rennen gleich zu Diskussionen, wie man denn wohl die Porsche im nächsten Jahr am besten Einbremsen könne. - Was dann bei mir die Fage aufkommen lässt: Sollen auch zweitklassige Automobile durch ein "unnatürliches" Reglement die Möglichkeit bekommen, erstklassige Siege zu feiern? - Was macht man mit erstklassigen Fahrern, wenn zweitklassige mit ihrem Geld den Einsatz der erstklssigen bezahlen? - Mit meiner Einschätzung zum möglichen Ergebnis des VW-Sciroccos in Verbindung mit dem Fahrer Hans-Joachim Stuck lag ich nur um Nuancen "daneben". Selbst diese kleine Differenz kann ich erklären: Ich habe mich tatsäch bei der Beschäftigung mit Zahlen, Eindrücken, Streckenlängen usw. ein wenig vertan, indem ich das alles auf die Langstreckenpokal-Strecke projeziert habe. Dabei wurde ja beim 24-Stunden-Rennen der GP-Kurs mit gefahren. Und da ist dann ein "Leistungsstück" enthalten, von der "Dunlop-Kehre" hinauf, wo dann ein Scirocco gegenüber einem Porsche (z.B.) leistungsmäßig im Nachteil ist. Die sich daraus ergebene Zeitdifferenz war dann eben in meinen gedanklichen Kalkulationen nicht enthalten. - Ich will mich auch nachfolgend nicht so sehr mit dem Ablauf der vergangenen Veranstaltung beschäftigen, sondern aufgrund auch dieser Erfahrung ein paar andere Gedanken notieren. Und ein paar passende Fotos zeigen. Ich möchte z.B. die oft - und leichtfertig - gemachte Klassifizierung "abklopfen":

Wann ist man ein "Materialfahrer"?

08-06-28/09 -   Kaum war die diesjährige Veranstaltung vorbei, da wurde schon diskutiert, was man denn dringend im Hinblick auf die Veranstaltung 2009 ändern müsse. Und jemand aus der Organisation hatte gleich die Lösung: Damit der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den Fahrzeugen von Hubraumgroß zu Hubraumklein nicht so deutlich ist, sollte man alle Klassen unter 2 Liter Hubraum wegfallen lassen. Damit das auch noch "fachlich" unterstrichen werden konnte, wurde gleich noch die Äußerung eines Rennfahrers, Christian Menzel, mit angeführt, der das für durchaus richtig hielt. - Damit ist dann eigentlich schon die Meinung vorgegeben, die man dann in nächster Zeit als "die richtige" verkaufen wird. - Und alles wird wieder still nicken.

Christian Menzel ist ein guter Rennfahrer. Im fehlt aber etwas, um auch hier wirklich noch besser zu sein: er hat keine eigene Meinung. Wenn er eine hat, so äußert er sie dann nicht, wenn sie im Gegensatz zur Meinung "von wichtigen Leuten" steht. Und "wichtige Leute" sind für Christian immer die, von denen er irgendeine Unterstützung erwarten könnte. Ich kenne Christian in dieser Hinsicht wirklich, habe ihn auch in zurück liegenden Situationen so - wie geschildert - beobachtet. Eigentlich kann er - wenn er um Ojektivität bemüht ist - gar nicht das denken, was er hier z.B. Herrn Peter Geishecker zum Gefallen, öffentlich (in der "msa") geäußert hat.

Tatsache ist, dass schon eine gewisse Gefahr von den Geschwindigkeitsunterschieden der einzelnen Fahrzeuge beim 24-Stunden-Rennen ausgeht, aber es ist nicht der Geschwindigkeitsunterschied der von den Hubraumunterschieden ausgeht, sondern der, der durch die unterschiedliche Qualität der Fahrer auf dem gleichen Fahrzeug (!) bedingt ist.

Beispiel: da wird beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen ein schnelles - und fahrerisch sehr gut besetztes - Fahrzeug am "Flugplatz" von einem der Top-GT mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss überholt. Weiter gehts in Richtung "Schwedenkreuz". Da verschwindet der "Schnelle" hinter dem Buckel. Der "Langsame" kommt jetzt optimal um die "Schwedenkreuz"-Passage. Da "steht" dann praktisch der "Schnelle" vor ihm im Weg rum. Dieser "Schnelle" ist zufällig "langsam" besetzt und hat wohl am "Schwedenkreuz" mindestens zweimal zurück geschaltet. Das ist zwar nicht strafbar, bringt aber den "schnellen Langsamen" in eine "Teufels-Situation": auffahren will man nicht, bremsen kann man - noch in leichtem Drift befindlich - nicht, also gibts nur eins: rechts vorbei lenken und hoffen, dass man unten noch die "Aremberg"-Kurve packt. - Es ist in diesem Fall - den ich nicht erfunden habe - noch mal gut gegangen.

Es waren die "langsamen Fahrer" auf den schnellen Automobilen die wirkliche Gefahr beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen, weil man als Fahrer auf einem "langsamen Fahrzeug" unterwegs, die fahrerische Besetzung eines Automobil nicht einschätzen kann. Man kann auf einem schnellen Automobil aber immer ein "langsames" Auto nicht nur erkennen, sondern auch einschätzen. Ein wirklich schnelles Automobil war aber z.B. bei diesem Rennen einmal hervorragend, dann wieder "mit einer Flasche" besetzt, wie mir ein Fahrer drastisch den vorgefundenen Unterschied erklärte. Und je teurer die Einsatz-Automobile werden, desto öfter muss man mit diesem fahrerischen Unterschied bei vielen Spitzen-Fahrzeugen rechnen. Aber der ist nicht zu kalkulieren. Und wenn er "erfahren" wird, ist das mit einem großen Risiko verbunden..

Das nächste 24-Stunden-Rennen ab einer Hubraumklasse über 2 Liter (oder ähnlich) auszuschreiben, kann also nur eine "politische Lösung" ohne jeden praktischen Wert sein. Nach dem Motto - wenn es dann "geknallt hat": Aber wir haben doch alles getan!

Lieber Peter Geishecker, lieber Christian Menzel; eine Lösung des vorhandenen Problems ist viel schwieriger als mit so "plakativem Blabla", wie in der "msa" zum Ausdruck gebracht. Möchte man eine Besserung, so sollte man die teuren, wirklich schnellen Automobile nicht zulassen. Auf denen bewegen sich nämlich auch die fahrerisch zweitklassigen Fahrer dank großer Geldinvestitionen, die auf der anderen Seite aber gebraucht werden, um solche Fahrzeuge an den Start zu bringen.

Damit sind wir eigentlich bei dem Problem, was die 24-Stunden-Rennen nicht erst seit gestern quält: Geld. - Peter Geishecker hat vor Jahren die Marketingrechte an dieser Veranstaltung vom ADAC Gau Nordrhein gekauft und dann die Veranstaltung in der Folge so vermarktet und "verkauft", dass sich sein Einsatz auch gut verzinst hat. Das ist auch dem Veranstaltungs-Niveau zunächst gut bekommen. Aber irgendwann "kippt" dann auch mal das Niveau. Allzuviel ist ungesund, sagt der Volksmund.

Peter Geishecker war es vor Jahren gelungen, Audi als einen Generalsponsor mit ins Boot der 24-Stunden-Veranstaltung zu holen. Jetzt, im Jahre 2008, läuft der Vertrag aus. Und so war es kein Wunder, dass die Audi-Verantwortlichen umschwärmt wurden. Da hatte z.B. die Nürburgring GmbH "für kleines Geld" einen Audi R8-Prototypen (nicht zulassungsfähig, da ohne Kfz-Brief) gekauft, lackieren lassen und deutlich sichtbar im Fahrerlager platziert:

Das war es natürlich nicht alleine. Audi konnte für sich noch dieses und jenes kleine "Leckerli" registrieren. Ergebnis: Peter Geishecker konnte eine Vertragsverlängerung erreichen. So steht man jetzt wieder gemeinsam...

...im Jahre 2009 an "Start/Ziel" des 24-Stunden-Rennens. Da wird dann auch wieder Hans-Joachim Stuck am Start stehen. Wie er nach dem diesjährigen 24-Stunden-Rennen verlauten ließ, auf einem Einsatzfahrzeug des VW-Konzerns, das gesamtsiegfähig ist. Da muss man eigentlich nicht lange raten: das wird wohl dann ein Audi R8 mit Zehnzylindermotor sein, wie ich schätzen würde. Das Fahrzeug ist eigentlich serienfertig, die letzten Vorserientests sind abgeschlossen. Da wird man dann - wie dieses Jahr mit dem Scirocco - dann beim 24-Stunden-Rennen 2009 mit (möglichst) einem Gesamtsieg den Serienstart in den Markt vorbereiten.

Dieses Audi-Fahrzeug allerdings...

  

...war in diesem Jahr nur zum Vergnügen der Zuschauer im "alten Fahrerlager" unterwegs. Ein von diesen Einsatzfahrzeugen wurde dann gerade aktuell zum 60. Geburtstag dem Herrn Winterkorn, aktuell VW-Vorstandsvorsitzender, geschenkt. Wert: schon ein paar tausend Euro. - Das ist eigentlich nur ein unwichtiges Detail, wird von mir aber genauso zur Kenntnis genommen wie ein anderes "unwichtiges" Detail, dessen nicht unwichtige Funktion...

...ixh auf einem Bildschirm in der Boxengasse fotografiert habe: Hier wird gerade eine Ölspur abgestreut. Nicht wie sonst mit Eimer, Streu und Besen, sondern auf die wirklich schnelle und funktionale Art: mit einem speziell dafür vorbereiteten Fahrzeug, das auch als Feuerwehrfahrzeug u.ä. eingesetzt werden kann. Die Idee dazu kam nicht von einer der großen Sportorganisationen, sondern von einem Ex-Langstreckenfahrer, der weiß worauf es in der Praxis - auch eines Veranstalters - ankommt.

Es wurde aber nicht nur die Straße, sondern auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Nürburgring GmbH...

..."gepflegt". Für ihn stand ein BMW bereit, während der Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH zur Zeit des 24-Stunden-Rennens dann...

...mit einem Aston Martin V8 unterwegs war. - Warum sollte man auch die Verbindung, durch einen Millionenverlust mit der "BikeWorld Nürburgring" entstanden, nicht nutzen?

Ich springe denn jetzt mal gleich zur Zieldurchfahrt:

...wo sich dann noch schnell ein BMW ins Bild gedrängt hat, der da eigentlich nichts zu suchen hat. Porsche, Porsche, Porsche, lautete die Zieldurchfahrt. (Wobei auf dem Foto der "dritte" Porsche eigentlich die falsche Start-Nummer trägt. Es müsste die 20 sein.)Was mich dabei interessierte war: mit welchen Getrieben waren die Fahrzeuge eigentlich unterwegs gewesen. Denn wenn man das Rennen aufmerksam beobachtet hatte, so war bei Porsche aufgefallen, dass da das Getriebe offensichtlich eine Schwachstelle war. Nun wurde ja nicht nur mit 3,8 Liter-, sondern mit 3,9 Liter- und sogar 4,0 Liter-Motoren gefahren. Und mit größer werdendem Hubraum, nimmt nun mal das Drehmoment nicht ab. Und damit auch die Getriebebelastung zu.

Nun kommt noch der Fahrer als Be- oder Entlastungsfaktor dazu, so dass wir bei dieser Gelegenheit gleich abhandeln können, was denn nun ein "Materialfahrer" ist.

Die Seriengetriebe eines Porsche - ich meine hier die des normalen 911er - kann man für solche Einsätze eigentlich vergessen. Sie sind exakt auf das Drehmoment des Serienmotors abgestimmt und kommen - wenn meine Informationen hier stimmen - zumindest zu einem wichtigen Teil aus dem asiatischen Raum. Porsche liefert beim GT3 oder den RSR-.Typen aber andere Getriebe, die u.a. auch auf eine andere Porsche-Getriebekonstruktion (nach meinem Wissen die erste eigene für eigene Produkte seit Jahrzehnten) zurück gehen: die des Getriebe vom relativ erfolgreichen Porsche LMP2. - Was manchmal vergessen wird: beim LMP2 belasten z.B. 685 Kilogramm Eigengewicht beim Zurückschalten (und Bremsen mit dem Motor!) das Getriebe, beim Renn-RSR so um 1.300 Kilogramm.

Also gibt es auch unterschiedlich bemessene Innereien. Wobei das einigen Teams noch nicht genügt. Sie verbauen solche von Hollinger (Australien). Ein solches Getriebe ist zwar schwerer, aber - sagt und meint man - auch haltbarer. Es wurde beim 24-Stunden-Rennen z.B. von Sabine Schmitz und Klaus Abbelen, den Drittplatzierten, gefahren. Die Manthey-Porsche verwendeten die verstärkten Porsche-Getriebe, mit denen es auch keinen Ärger gab. Nur beim späteren Gesamtsieger gab es schon sehr früh Probleme mit der Kupplung, warum man dann auch vor Schluss des Rennens dem möglichen Siegerfahrzeug eine Pause in der Box verordnete, womit man dann ein paar Runden sparen konnten, die der angegriffenen Kupplung vielleicht "den Rest eben" hätte. So verlief alles perfekt.

Wobei Manthey nach meinem Empfinden zwei seiner Spitzenfahrzeuge und -Fahrer auch aus taktischer Sicht optimall vorbereitet und eingesetzt hatte: da war der siegreiche neue 4,0 Liter, dem die optimale Motorleistung für dieses Rennen mitgegeben wurd, dann noch der "alte" RSR, das Siegerfahrzeug aus dem Vorjahresrennen, das ebenfalls recht gut besetzt war. Dort war aber - nach meiner ganz persönlichen Einschätzung - etwas "der Dampf heraus genommen" worden, indem man bei der Motorbearbeitung die Ventiltaschen in den Kolben etwas tiefer fräste, damit die Verdichtung und die Gesamtbelastung des Motors herab setzte.

Beide Fahrzeuge waren mit einer Bremsanlage ausgestattet, die sicherlich nicht unbedingt die maximale Bremsleistung ermöglicht, die aber unter normalen Umständen für das gesamte 24-Stunden-Rennen ohne einen Belagwechsel gefahren werden kann. Es kommt eben dann nicht auf Zehntelsekunden pro Runden an, wenn man viele Sekunden - und insgesamt - Minuten über die gesamte Renndistanz gewinnen kann. Und jetzt kommt der Begriff des "Materialfahrers" ins Spiel.:

Will man trotzdem die Bremsleistung verbessern, so nutzt man beim Bremsen die Bremsleistung des Motors durch frühes Herunterschalten. Das verbessert den Bremsweg, entlastet die Bremse, ist aber eigentlich eine große Materialbelastung. Diesen Weg musste dann das spätere Siegerteam einschlagen, weil man schon nach der ersten Runde einen Boxenstopp von 17 Minuten einlegen musste, der dann über die weitere Distanz den maximalen Einsatz aller möglichen Ressourcen verlangte.

Das Gesamt-Zweite im Rennen hatte das nicht nötig. Fahrer mit Langstreckenerfahrung vermeiden nämlich möglichst auch den Einsatz der "Motorbremse". Der Motor dient nur der Beschleunigung, die Bremse nur dem Bremsen. Woraus sich dann ergibt, dass die Bremse bei so einem Fahrstil - aber möglichst optimalen Rundenzeiten - höher belastet ist, als die Bremse eines Fahrzeugs, bei dem auch der Motor zum Bremsen mit genutzt wird. Wirklich messbar ist aber eigentlich nur der Bremsenverschleiß. Und da sieht dann der Fahrer mit einer "schonenden, langstreckengerechten" Fahrweise eigentlich "ganz alt" aus. Der fährt nämlich eine Bremse mehr herunter, als der, der das Auto insgesamt mehr belastet. Aber da z.B. Monteure meist nur auf die Abnutzungserscheinungen der Bremse achten, ist der der "Materialfahrer", der den größten Bremsenverschleiß hat. - So einfach ist das.

Und so einfach werden auch andere Dinge im Motorsport beurteilt und eingeschätzt. Was ich dann mal am Schubert-BMW Z4 M-Coupé klar machen möchte. Dieses Sportgerät ist ein Automobil, das von BMW serienmäßig (und auschließlich) mit ESP, einem so genannten Fahrsicherheitssystem ausgestattet wird. Und alle klatschen Beifall. Es ist ja überall zu lesen, wie wichtig ein solches System für ein unfallfreies Fahren ist. Das sagt BMW, sagen die anderen Hersteller, das sagen die so genannten Fachjournalisten, das sagt der TÜV, der ADAC, also eigentlich alle, die oft wenig wissen, aber deren Meinung als bedeutend und wichtig eingeschätzt wird. - Ich sage: dieser BMW-Rennsportwagen ist eigentlich - auch bezogen auf seinen Komplettpreis - ein richtiger Flopp, wird niemals irgendwo eine Bedeutung erlangen. - Als was, für welche Rennen ist er eigentlich homologiert? - Damit kann man auf der Nürburgring-Nordschleife normale Langstrecken- und auch das 24-Stunden-Rennen fahren. - Und sonst? - Nichts!

Das ESP-System (BMW bezeichnet es anders) ist zwar bei diesem Fahrzeug wichtig, sagen mir Fahrwerk-Ingenieure, weil das Auto sonst unfahrbar wäre, aber Tatsache ist, dass es mit diesem System ausgestattet, eigentlich kein Rennauto mehr ist. 

Wenn der Schubert-Z4 im Rennen (oder Training) mal wirklich so schnell bewegt werden sollte, wie es seine Basis zulässt, dann müsste das ESP-System  (das BMW mit DSC = Dynamic Stability Control bezeichnet) dann abgeschaltet werden. Denn obwohl scheinbar perfekt einstellbar, regelt es auch dort ein wenig herunter, wo ein wirklicher Rennfahrer ohne das System nichts zu regeln hätte. Nun wollte aber BMW (via Schubert) sein Fahrsicherheitssystem im Falle des 24-Stunden-Rennens in jedem Falle verwendet sehen. Ohne jede Ausnahme. Per Saldo, so war die offizielle Meinung (weil man eigentlich auch keine Ahnung hat) würde das System gerade bei einem 24-Stunden-Rennen mit dazu beitragen, zuverlässig eine Ziel-Ankunft sicher zu stellen, weil es helfen würde, Konzentrationsfehler der Fahrer auszugleichen.

Ich habe mir vor dem Start aus dem Team versichern lassen, dass für alle Fahrer das absolute Verbot galt, das DSC auszuschalten. Absolut! - Und so ist man dann auch gefahren. Im Qualifying realisierte man praktisch 95 Prozent der Leistung, die das Porsche-Spitzenteam erbrachte. Ohne DSC wäre man auch nur einen Hauch besser gewesen. Sage ich.

Im Verlaufe des Rennen arbeitete man sich dann - auch durch viele Ausfälle von Spitzenteams - immer weiter nach vorne. Als es zu Beginn der Nacht erst leicht, dann deutlicher regnete, schien der BMW-Glaube an das DSC-System aufzugehen. Dann übernahm Stian Sorlie, ein norwegischer Rennfahrer, der aus meiner Sicht wohl schnellste (ohne DSC) in diesem Team, das Steuer. Und schon in der ersten wichtigen Kurvenkombination in der "Hatzenbach" flog er dann ab. Trotz DSC. Weil das ausbrechende Auto die Randeinfassung der Strecke streifte, stieg das Auto auf, fiel aufs Dach. Ein Besucher zu diesem Unfall: "Und so hat er aus dem Z4 blitzschnell einen Z1 gemacht."

Man muss zur Situation an dieser Rennstrecke sagen, dass es hier ein Stück neue Fahrbahn - mit anderen Reibwerten als vorher - gibt und sich auch bei Regen hier der Wasserstand von wenig auf ein wenig mehr verändert. Nicht nur der Fahrer findet hier eine sich verändernde Situation vor, auf die er aber - zumal wenn er sie aus Erfahrung kennt - aber entsprechend reagiert. Das DSC-System ist "dumm". Da nutzt auch nicht eine Einstellmöglichkeit in 250 Feinheitsgraden. Nach meiner Ansicht hat sich hier der Fahrer auf das DSC-System verlassen (müssen!) und das System hat so reagiert, wie es nur reagieren kann: zu langsam. Was im Straßenverkehr evtl. noch reicht, reicht im Rennen nimmer mehr.

Ich möchte das erläutern: Das DSC, ebenso wie das ABS, orientiert seine Eingriffe am Reifenschlupf. Um zu wissen, wann der Schlupf zu groß ist, muss es erst einmal über den Punkt des maximalen Kraftschlusses gegangen sein, denn erst dann steigt der Schlupf ziemlich rasch an, und das System hat seinen Orientierungspunkt gefunden. Das funktioniert bei normalen Reifen ziemlich gut, bei Breitreifen schon etwas schlechter, und bei Rennreifen wird es heikel. Der Grund ist, dass der Bereich des Schlupfes, in dem die optimale Kraftübertragung stattfindet, von Haus aus schon sehr schmal ist, bei Rennreifen aber ganz extrem dünn.

Die Einstellmöglichkeiten an einem Rennsystem wirken auf den Schlupf, den man zulassen möchte. Der lässt sich also auch entsprechend den gefahrenen Reifen anpassen. Bei Trockenreifen anders, als bei Regenreifen, bei einem Dunlop anders als bei einem Michelin. Lässt man etwas zu viel Schlupf zu, fängt das Fahrzeug an über- oder unterzusteuern - oder über alle vier Räder zu schieben. Lässt man zu wenig Schlupf zu, ist man zwar auf der sicheren Seite, aber zu langsam. Dazu kommt noch, dass das System auch ein paar hunderstel Sekunden braucht, um zu reagieren. Denn wie gesagt, erst muss Schlupf vorhanden sein, damit das System eingreift. Außerdem vergeht eine gewisse Zeit, bis der Bremsdruck aufgebaut ist. Bei einem Rennfahrzeug mit Rennbremsen kommt noch erschwerend hinzu, dass der Reibwert der Bremsbeläge sich sehr stark ändern kann. Auch darauf kann sich das System nur sehr schlecht einstellen. 

Ein Fahrer, der meint, das ESP wird es bei seinem Serienfahrzeug schon richten, was es ja in den allermeisten Fällen auch tut, erlebt womöglich eine böse Überraschung, wenn die Umstände nicht denen entsprechen, mit der man die Software "schlau gemacht" hat. Und er hat umso mehr Mühe, das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen.

Wird das Ganze nun in einem Rennfahrzeug kritischer? Ja! - An der Dynamik, mit der das ESP zuschlägt, wird sich nichts ändern. Nur die Fahrzeugreaktionen laufen blitzartig ab. Höhere Eingriffsschwellen verschärfen die Problematik. Den Rest erledigen der äußerst schmale Grenzbereich und die schlecht dosierbaren Bremsen. Der Fahrer hat keine Chance, diesen Fall zu üben, denn er muss ja eigentlich immer so fahren, dass das System nicht überfordert ist.

Nun wird der Schubert-Z4 zum Sonderfall, da es am Unfallort Reibwertunterschiede in der Fahrbahn und noch einen durch unterschiedliche Wasserhöhen gibt. Das System kann diesen Sprung nicht erahnen, weil es erst dann reagiert, wenn man schon ein Stück weit auf dem niedrigeren Reibwert unterwegs ist. Wenn man davon ausgeht, dass ein Rennfahrzeug sich am Limit befindet, ist es jetzt natürlich über dem Limit, und zwar nicht nur ein paar Millisekunden, sondern einige Zehntel Sekunden. Zu lang jedenfalls, um auf dem niedrigeren Reibwert das Fahrzeug wieder stabilisieren zu können. Wenn der Fahrer in seiner Einstellung (und entsprechenden Vorbereitung) auf diese Situation vorbereitet gewesen wäre, hätte er eine Chance gehabt, entsprechend zu reagieren. Aber ohne Training und selbstständiges Ertasten des Grenzbereiches hatte er diese Chance nicht.

Dummerweise erwischt es exakt den schnellsten Fahrer, denn der versteht es so sauber zu fahren, dass das System möglichst wenig eingreifen muss. Der Langsame hat kein Problem, weil bei ihm das System sowieso die meiste Zeit hektisch arbeitet und eine größere Stabilitätsreserve herstellt. Ein Stabilitätssystem für ein Rennfahrzeug kann man nicht durch das Verändern von ein paar Eingriffsschwellen hintrimmen. Eigentlich braucht ein solches System auch einen völlig neuen Ansatz. Meine ich.

Ich bin ein Gegner von automatischen oder adaptiven Systemen, weil sie nie das tun, was man möchte - und weil der Fahrer zum Systemüberwacher degradiert wird. Das ist mindestens so anstrengend wie selber richtig gut und aufmerksam Fahren. Außerdem verfügt man im Ernstfall nicht mehr über die geeigneten und ständig trainierten Reflexe. Deshalb unterscheide ich zwischen sinnvollen, überflüssigen und gefährlichen automatischen Systemen. 

Viele Systeme die heute angeboten werden, dienen einfach nur der Gewinnmaximierung. Und viele Schalter sind einfach nur Marketingschalter. - Das Thema ist also eigentlich endlos.

Ich wollte am Beispiel dieses Rennunfalls nur einmal aufzeigen, was heute alles möglich ist. Und welcher Blödsinn nicht nur gedacht, sondern auch geschrieben wird. Nicht Stian Sorlie hat aus meiner Sicht diesen Z4-Unfall in der "Hatzenbach" zu verantworten, sondern die Theoretiker, die DSC (oder ESP) zu einer Glaubenssache erklärt haben. - Meine Herren, Sie glauben, aber Sie wissen nicht. Auch nicht was Sie tun. Ich denke, dass mit ESP und DSC schon viele Unfälle verursacht wurden, was aber niemand begreifen will. Wenn man dann mal nachhakt, denn gibt es schon Fälle, wo selbst die Industrie zugeben muss, dass beim ESP... -

Aber lassen Sie mich dieses Thema hier beenden, weil es über die Grenzen des 24-Stunden-Rennens hinaus geht. Und weil ich weiß, dass gegen Dummheit selbst Götter vergebens kämpfen. 

Auch ich sicherlich gegen die Volksverdummung, die auf vielen Gebieten unseres Lebens von "falschenGöttern" betrieben wird. So kenne ich z.B. einen Chefredakteur, der mit seiner Kappe, die er samt entsprechender Werbeaufschrift trägt, auch seine Meinung ändert. Das sind dann die Leute, mit deren Hilfe die Industrie "ihren Glauben" durchsetzen kann.

Vielleicht als nächstes die Meinung der Herren des Sport-Marketing von BMW, die ein Einbremsen der Porsche fordern werden, damit man auch mal gewinnen kann. Schließlich hat man doch eine sportliche Vergangenheit.

Und das stimmt wirklich. - Aber derzeit verspielt man sie. Und damit verliert die Marke auch das sportliche Image, das man vielleicht dann nur noch über die hohe Stückzahl der BMW-Teilnehmer am 24-Stunden-Rennen versuchen kann darzustellen. Es ist die Größe der Zahl, die heute Bedeutung gibt.

So hat denn auch ein 24-Stunden-Rennen eine größere Bedeutung als ein 4-Stunden-Rennen. - Zumindest das stimmt!

 

MK/Wilhelm Hahne


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