Wie die "Wirtschaftskrise" entstehen konnte, wird
nachstehend von jemandem erklärt, der Geld und Gier für die
wesentlichsten Triebfedern hält. - Und er erinnert dann an Hebel und
- die Hebelgesetze: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
Der Kommentar der
folgt wurde z.T. schon am 8. Oktober 2008 geschrieben. Er ist durch die
Zwischenlagerung bei mir aber bestimmt nicht schlechter geworden. Es
besteht - so meine ich - immer noch Bedarf für Kommentare dieser Art,
die allgemeinverständlich die Dinge auf den Punkt bringen. Ich habe
zwar in dieser Serie von Veröffentlichungen - und auch davor - schon "meinen Senf" zu
diesem Thema dazu getan (oder dazu tun lassen), aber ich lasse hier noch einmal einen Mann zu
Wort kommen, der die Wirtschaft von innen kennt und darum auch die
Abläufe nicht nur be-, sondern auch ausleuchten kann. Er meint:
Zunächst mal Wundertüten...
08-11-14/06 - Wer kennt sie noch, die Wundertüten?
Geheimnisvolle Papiertüten mit immer gleichem Inhalt. Nämlich
nichts. Zumindest nichts Wertvolles. Wenn man sie öffnete, fand
man Plastikkrimskrams und Puffreis. Manchmal auch einen Ring aus
Trompetengold mit einem bunten Glasstein. Uns Kinder störte das
nicht. Denn schließlich hießen die Tüten ja
Wundertüten. Irgendwann würde auch mal ein echter Ring
dabei sein. Ganz sicher. Wir warteten geduldig auf das Wunder.
Mittlerweile gibt es die Wundertüten auch für
Erwachsene. Sogar für Banker. Und das kam so: Wer die USA ein
wenig kennt, weiß, dass die schon immer spekulative
Immobilienszene in den letzten Jahren noch einmal gewaltig angeheizt
wurde. An allen Ecken und Enden entstanden Wohnquartiere. Mit
Tausenden und Abertausenden neuer Häuser. Doch auch arrivierte
Wohnviertel erlebten vielerorts erstaunliche Aufschwünge. Fast
wie im Märchen. Alte, durchaus vorzeigbare Häuser wichen
neureichen Privatpalästen. Vielerorts entstanden Kopien
französischer Schlösser und englischer Burgen.
Zusammengenagelt aus Holz und Pappmasche, wie bei fast allen
US-Bauten. Geld war leicht zu bekommen. Es wurde den Bauwilligen
gleichsam hinterher geworfen. Ob sie die Kredite bedienen konnten
oder nicht, spielte keine Rolle. Denn eines war klar: Die Neubauburg
würde stets weit über den Baukosten wieder zu veräußern
sein. Man war auf Wachstum eingestellt. Wachstum ohne Ende. Dem einen
oder anderen Kreditgeber müssen trotzdem Bedenken gekommen sein.
Was würde passieren, wenn das Wachstum einmal endet? Ein
Großteil der Häusle- und Burgenbauer wäre dann wohl
nie in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen. Da war es allemal
besser, die Lasten zu verteilen und die Problemkredite an-deren
Banken weiter zu reichen. Natürlich nicht als Junk
(Kredit-Müll), der sie eigentlich waren.
Jetzt war Marketing gefragt. Eine geeignete
Verpackung musste her. Eine Wundertüte gewissermaßen, in
der man den Müll nicht als solchen erkannte. Zumindest nicht
sofort. Man nannte die Müllkredite daher Sub-Prime und verteilte
sie an zweit- und drittklassige Finanzjongleure weltweit. Denn eines
weiß jeder Bankier: Prime-Rib ist vom Rind und sehr
wohlschmeckend. In der Tüte mit den Sub-Prime-Krediten musste
demnach so etwas wie Rumpsteak sein. Etwas zäher als Prime-Rib,
aber durchaus genießbar. Dass sich in den Finanz-Wundertüten
tatsächlich Gammelfleisch befand, merkten die Banker erst, als
es anfing zu stinken. An den Neubauburgen nagte fortan nicht nur der
Holzwurm, sondern auch der Wertverfall. Die Kreditkrise begann.
Abnehmer für den Müll in Wundertüten
hatte man auch in der deutschen Provinz gefunden. Bei Bayern-,
Sachsen- und WestLB. Da kannte man sich mit den USA und ihren
Besonderheiten zwar nicht aus. Doch deutsche Landesbanken sind für
Finanzabenteuer jeglicher Art stets bestens gerüstet. Denn wenn
eine Wundertüte platzt, gibt es ja immer noch den Steuerzahler.
Der zahlt!
Inzwischen entwickelt sich die Immobilienszene in
den USA exakt so, wie von den heimischen Kreditgebern befürchtet.
Erstmals seit 1950 beginnen die Preise zu fallen.. Dabei handelt es
sich dem Vernehmen nach derzeit lediglich um kleinere Volumina. So
stehen z. B. in Stockton, der Stadt mit der höchsten Zahl an
Zwangsversteigerungen in den USA, lediglich 4 Prozent der Häuser
zum Verkauf. Kenner der US-Immobilienszene vermuten indes ein
Gesamtvolumen von bis zu 1000 Milliarden Dollar in den Wundertüten.
Das ist - mit anderen Zahlen ausgedrückt - eine Million mal eine
Million Dollar. Kein Wunder also, dass der Wert der Wundertüten
sank.
Derweil gibt es harsche Kritik aus den eigenen
Reihen. Deutsche Bank-Chef Ackermann bezichtigt seine Kollegen der
Unfähigkeit. Sie hätten zudem dem Urteil der
Ratingagenturen blind ver-traut. Im diskreten Bankgewerbe ein
veritabeler Tabubruch. Die Kritik ist überdies schillernd. In
mehrfacher Hinsicht. Bei der IKB spielte die Deutsche Bank, selbst
ein zweifelhaftes Spiel, so Insider in der FAZ vom 20. 8. 2007. Als
Treuhänder habe man Kreditportefeuilles an die IKB verkauft und
verwaltet. Beim Heraufziehen der Krise sperrte man die Kreditlinie
der IKB und meldete dies der Finanzaufsicht. Später griff man
„an vorderster Front zu Ramschpreisen“ zu. „Treiber
des schmutzigen Spiels“ seien Ackermanns Investmentbanker in
London gewesen. Für die sei „Skrupel“ ein Fremdwort.
- Kein Wunder, wenn man mit solchen Wundertüten handelt.
...und die "BaFin" versagte - wie immer
Die
Börsen-Zuckungen weltweit erinnern mittlerweile an Fieberkurven eines
Todkranken. Tagesverluste im zweistelligen Prozentbereich sind keine
Seltenheit. In kurzer Zeit lösten sich Milliardenwerte in Wohlgefallen
auf. Zunehmend ist Panik im Spiel. Dabei geht es längst nicht mehr nur
um die geplatzte US-Immobilienblase. Die Finanzkrise kriecht über
Grenzen und Ozeane und greift nun auch auf die Realwirtschaft über.
Gründe sind unkontrollierte Gier sowie Struktur-Defizite des globalen
Finanzgebäudes. Erste Not-Reparaturen zeigten bis dato noch keine
erkennbare Wirkung. Das wird verständlich, wenn man die fragile Statik
des Gebäudes betrachtet. Die Finanzprodukte, aus denen es erbaut ist,
sind selbst vielen so genannten Finanzexperten nicht bekannt.
Klaus-Peter Müller, Ex-Commerzbank-Chef und aktueller Präsident des
Bundesverbandes Deutscher Banken, bekennt freimütig, es gäbe
Finanzprodukte, die selbst er nicht verstanden habe. Da geht es ihm wie
vielen seiner Kunden. Die bangen nun um ihre sauer ersparten Einlagen.
- Was war geschehen?
Um Renditen von 20 Prozent und mehr
einzufahren – und zwar Jahr für Jahr – war konventionelles Handeln mit
Wertpapieren für einen modernen Banker schon lange nicht mehr
ausreichend. Zu einem der wichtigsten Werkzeuge innovativer
Finanzakrobaten entwickelte sich daher der Hebel. Mit seiner Hilfe kann
man mit geringen Kräften gewaltige Massen bewegen. Merke: „Gewaltig ist
des Werkers Kraft wenn er mit dem Hebel schafft.“ Mit dem Hebel
erschufen die alten Ägypter bereits die Pyramiden. Der Hebel hat die
Entwicklung der Menschheit entscheidend beeinflusst. Zum Positiven.
Doch schon der antike Mensch wusste, dass man mit dem Hebel vorsichtig
zu Werke gehen muss. Lässt man ihn zur Unzeit los, teilt er schwere
Schläge aus. Das kann sogar tödlich enden. An diesem Phänomen hat sich
nichts geändert. Daher ist es auch heute noch wichtig, einen Hebel erst
dann loszulassen, wenn sich die zu bewegende Masse in einer stabilen
Position befindet.
Moderne Finanzhebel wie Optionsgeschäfte
ermöglichen es beispielsweise, große Aktienmengen mit vergleichsweise
geringem Kapitaleinsatz zu bewegen. Der Kunde erwirbt dabei das Recht,
Aktien an einem definierten Termin zu einem bestimmten Wert zu kaufen
oder zu verkaufen. Der finanzielle Einsatz beträgt lediglich einen
Bruchteil des Aktienwertes. Je nach Kursverlauf kann ein solches
Geschäft zu hohen Gewinnen führen. Verläuft der Kurs jedoch anders als
vorgestellt, kann am Ende einer solchen Börsen-Wette auch der
Totalverlust stehen. Bei Turbo-Bankgeschäften mit Derivaten ist zudem
nicht nur für Laien die zu bewegende Finanzmasse bisweilen schwer
erkennbar. Ebenso derjenige, der den Finanzhebel final in der Hand
hält. Folge globaler „Risikostreuung“. Das globale Finanzgebäude steht
in der Folge auf einer Vielzahl derartiger Hebel, die sich gegenseitig
stützen und mit deren Hilfe sich einzelne Banker Milliarden in die
eigene Tasche geschoben haben. Kommen die Finanzmassen am anderen Ende
des Hebels allerdings in Bewegung, wie in den letzten Wochen geschehen,
so schlägt der Hebel zu, wird gleichsam zur Brechstange. Spätestens
hier wird klar, dass viele unserer Banker im Physik-Unterricht nicht
aufgepasst haben. Denn bereits der alte Grieche Archimedes wusste, dass
man mit einem Hebel und einem festen Punkt die Welt aus den Angeln
heben kann. Genau das proben nun die Banker. Weltweit. Zwischenzeitlich
sind so viele Finanzmassen in Bewegung, dass man den schlagenden Hebeln
gar nicht mehr ausweichen kann. Erste Opfer unter Bankern selbst sind
zu beklagen. Die beginnen derweil schon nach dem Staat zu rufen. Noch
vor Monaten ein schlechterdings undenkbares Szenario. Man fordert
Steuermilliarden, um das Finanzgebäude zu retten. Das zeigt bedenkliche
Schieflagen. Statt das Geld in Bildung, Infrastruktur und damit in
Zukunft zu investieren, soll die mutwillig außer Kontrolle geratene
Statik der Finanzbranche stabilisiert werden. - Der Bürger zahlt.
Die
deutsche Kontrollinstanz, die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, tat derweil das, was sie immer tat
- sie versagte. Das tat sie bereits beim Neuen Markt. Dort gab es Fälle
offener Organisierter Kriminalität, wie im Fall NordLB/Metabox. Die
BaFin schaute zu. Ohne Konsequenzen. Sie begleitete die mehr oder
weniger offene Kriminalität im Bereich der West LB. Der Einstieg von
Porsche bei VW harrt seiner juristischen Aufarbeitung und auch die
Krisen bei IKB, KfW und HRE sind Folgen systematisch ungenügender
Arbeit der BaFin. Sie ist trotz bestehender Gesetze nicht in der Lage,
das Geld, die Gier und die Finanzhebel zu
kontrollieren.
MK/Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
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