Freitag der 13. Februar 2009: Auf der A 5 kommt es zu einem Unfall mit Todesfolge, der nicht nur die Medien beschäftigt, sondern auch mich persönlich trifft, obwohl ich diesen Mann kaum kenne. Und doch gut. Und das ist kein Widerspruch.

Es ist selten, dass die Medien das Schicksal eines vorher praktisch unbekannten Menschen so beschäftigt, wie in dem Fall, den ich nachstehend - leider - schildern muss. Und Fachleute melden sich zu Wort. Und es werden Vergleiche hergestellt. Zu anderen Unfällen auf der gleichen Autobahn. Und dann war dieser Mann auch Testfahrer. Man diskutiert über Geschwindigkeiten und über Unfälle bei Fahrzeugtests. Dabei werden doch die wenigsten Unfälle bekannt. Selbst die tädlichen Unfalle von Testfahrern bleiben oft im Verborgenen. Dabei geht es hier gar nicht darum, ob das was Testfahrer in ihrem Beruf tun müssen, nun sinnvoll ist oder nicht. Denn es ist natürlich sinnvoll. Eigentlich gibt es nichts Gefährlicheres als neue Automobile zu fahren. (Das sage ich!) Trotz Computerberechnungen und langjährige Tests. Zumal Einkaufsabteilungen immer wieder - irgendwann - in Details eingreifen und damit Fehlerquellen neu schaffen. Man denke doch nur an die jährlich bekannt werdenden Rückrufaktionen. - Aber Testfahrer sind keine Roboter, keine Computer, keine Fabelwesen. Es sind Menschen wie du und ich. Die ihre Arbeit nach Jahren als genau so normal empfinden, wie etwa ein Kunstflieger oder auch ein Dachdecker. Gefährlich ist nur das, was man nicht kennt. - Aber wer denkt dabei an den Tod?
Werner

09-02-18/08 - Ich zählte ihn zu den ruhigen, Stillen. Wenn er mich sah, galt mir sein wacher, aufmerksamer Blick. So wie man vorbei laufende Hunde beobachtet. Sie könnten ja beißen. - Aber ich habe nicht gebissen.

Deswegen ist er nicht unaufmerksamer geworden. Er grüßte freundlich, aber zurückhaltend. Ich war für ihn wohl so eine Art Zirkuspferd. Er wird nicht verstanden haben was mich umtreibt. - Motor-Journalist. - Das waren für ihn und sind für seine Zunft Leute, die sich mit Dingen beschäftigen, von denen sie eigentlich nichts verstehen.

Vor Jahrzehnten gab es noch keine "Industriewochen", wo die Werks-Tester, abgetrennt durch hohe Zäune sich in einer eigenen Welt bewegten. Ich war da oft zur gleichen Zeit, auf der gleichen Strecke unterwegs. Der Nürburgring-Nordschleife. Mit Automobilen und Motorrädern. Manchmal sind wir zusammen gestanden, haben zusammen gelacht. - Ich kann mich nicht erinnern, dass Werner mal dabei war.

Aber natürlich kenne ich Werner. Ohne seinen Nachnamen zu kennen. Hier oben "am Ring" gilt nur der etwas, der etwas leistet. Da achtet man nicht auf Namen,

Werner ist hunderte Male an mir vorbei gefahren, wenn ich am Streckenrand stand. Werner fuhr gut, niemals für die Zuschauer oder für die Kollegen. Er löste eine Aufgabe. Wie ich beobachten konnte: immer mit hoher Präsizion.

Natürlich kenne ich auch seinen Freund, den Mann, den wir (und ich betrachte mich da schon als Insider) den "kleinen Herbert" nennen. Hätte mich jemand danach gefragt, ich hätte immer ihn, den "kleinen Herbert", für unfallgefährdeter gehalten. Er machte die (aus meiner Sicht) besonders kritischen Hochgeschwindigkeitstests z.B. in Nardo. Er machte alle die Dinge, deren Ausgang mit Risiko behaftet waren. Fuhr z.B. mit der Harley Motorenversuche auf dem Ford-Versuchsgelände in Lommel. - Werner machte mehr "die normale Testarbeit".

Als mich die Meldung vom Unfall auf der A 5 mit tödlichem Ausgang am Freitagabend erreichte, da kannte ich überhaupt keine Details, aber meine erster Gedanke war: der "kleine Herbert"?

Wie es der Zufall will, war der es, der für die Übernahme des von Werner gefahrenen Testfahrzeugs um 6 Uhr in der Frühe in der Firma bereit stand. Werner kam nicht mehr an. Und sein bester Freund musste erfahren, was Werner passiert war. Der "kleine Herbert" hat es irgendwie nicht begreifen können, ist nach Hause gefahren. Fasssungslos.

Fassungslos sind wir alle. Begreifen werden wir es alle nicht. Werner ist - ich muss leider schreiben: war - nicht der Typ, der bewusst irgendwelche Risiken eingegangen wäre.Natürlich war er sicherlich nicht langsam auf einer vierspurigen Autobahn ohne jede Geschwindigkeitsbegrenzung unterwegs. Aber sein Testfahrzeug war ein neuer 911, das Nachfolgemodell der jetzigen Version, das sicherlich noch nicht in jedem Detail gereift und erprobt war. Darum war Werner ja damit unterwegs. Was Werner passierte, kann nur - so meine ich - durch ein technisches Versagen ausgelöst worden sein. Werner hatte dann keine Chance mehr, da sich das Fahrzeug unter die Leitplanke schob, die sich dann auch so weit anhob, dass dann auch das Cabrioverdeck (das Testfahrzeug war ein Cabrio) abgerissen wurde. Da nutzte es auch nichts, dass in solchen Testfahrzeugen Überrollbügel verbaut sind, die bei einem Überschlag den Fahrer schützen sollen.

Werner hat dann wohl noch ein paar Minuten gelebt.  Ob er begriffen hat, dass er gleich tot sein wird?

Jetzt werden sich Sachverständige mit dem Unfall befassen. Selbst wenn sie die Wahrheit ergründen, wir werden sie nicht erfahren. Aber vielleicht hilft Werners Tod anderen Menschen, nicht ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Der Grund muss im Vorderwagen zu suchen sein. -  Radträger, Lenkung, das Sicherheitssystem ESP? - Kein Hersteller wird jemals veröffentlichen, was immer auch bei Testfahrten geschah. Ich weiß, dass sogar im Fall eines Falles kritische Anmerkungen aus "alten" Versuchsberichten verschwunden sind.

Und wenn jetzt bei der deutschen Automobilindustrie - wie ich höre - die Fahrversuche aus Kostengründen deutlich eingeschränkt werden, dann weiß ich, dass ich diese Produkte nicht mehr kaufen werde. Leute wie Werner werden weder durch Computer, noch andere Berechnungen zu ersetzen sein. Automobile brauchen Tests vor der Serienfreigabe, damit deren Käufer nicht Glück brauchen, wenn sie überleben wollen.

Werner hatte kein Glück. - Aber es wäre schade, wenn wir nach seinem Tod einfach so zur Tagesordnung übergehen würden. Werner war nicht nur ein Testfahrer, Werner war ein Mensch.

Der auch Menschen zurück lässt. Alleine in ihrer Trauer. - Sie haben mein Mitgefühl.

MK/Wilhelm Hahne


Jetzt sind Sie gefragt!

Ihre Meinung zu obigem  Beitrag
können Sie mit einem Klick
und ein paar Sätzen loswerden:
Senden Sie mir ein e-mail

Danke, für Ihre Mitarbeit!