Nürburg und das "Motorsport Village": Irgendwann wird es selbst dem ruhigsten Eifeler zu viel. Was der nicht verträgt sind unverträgliche Verträge, gleich ob schriftlich oder mündlich. Jeder sollte leben - aber auch leben lassen. Meint er.

Eigentlich sollte das Motorsportdorf (einige nennen es "Motorsport Village") direkt neben die "Grüne Hölle", das Vergnügungsdorf, gebaut werden. Aber dann war es wohl billiger - und vom Genehmigungsverfahren einfacher (dachte man), wenn man das Dorf in das Umfeld von Drees verlegen würde. Von dort ist es nicht zu weit bis zum Nürburgring und - ganz wichtig - eine andere Gemeindeverwaltung (Kelberg statt Adenau) ist zuständig und damit auch ein anderes Bauamt (Daun statt Ahrweiler). Damit alles schnell ging, hat man sich auch nicht so lange mit dem Handeln um Baulandpreise beschäftigt. Was so um einen Euro Wert war, wurde mit um vier Euro bezahlt.  Großzügig. Denn ein paar Kilometer weiter, in Welcherath hat man für das Gebiet des angedachten Golfplatzes nur um einen Euro geboten. - Mit der Verlegung des "Motorsport Village" nach Drees schaffte man es auch, dass die dort entstehende Bettenzahl  den Nürburger Bürgern nicht so direkt ins Auge fiel. Außerdem liefen dann die Genehmigungsverfahren zeitversetzt. - Und welcher Nürburger schaut schon so genau nach Drees hinüber. Erstaunlich für mich: der Bebauungsplan war noch nicht öffentlich ausgelegt, als in Drees auf dem vorgesehenen Baugrundstück mit Tiefbauarbeiten (Verlegen von Rohren und Leitung usw.) begonnen wurde. Am 15. Dezember 2008 habe ich die erste "Maschine" auf dem Gelände wahrgenommen, ab 16. Dezember waren dann wirkliche Erdbewegungen wahrnehmbar. - Erst ab 6. Januar 2009 war der Bebauungsplan auf dem Bauamt in Kelberg einzusehen. Die Einspruchsfrist lief also erst am 6. Februar 2009 ab. - Vorher habe ich die Pläne einmal eingesehen, Veränderungen gegenüber der ersten Version registriert. Es gab z.B. eine andere Zufahrt. Und... - Aber dann gab es an einem Abend - wenige Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist einen Anruf eines Herrn vom Verkehrsverein Nürburg, der mich zu einer Sitzung von Dorfbewohnern und anderen am neuen Projekt interessierten Bewohnern aus dem Umland, einladen wollte. Als Pressevertreter. - "Gibt es außer mir noch weitere Journalisten dort?", habe ich gefragt. - Ja, die "Eifel-Zeitung" wäre auch eingeladen und hätte zugesagt. - Sonst niemand? - Sonst niemand. - Es war das erste Mal, dass ich an einem solchen Treffen in Nürburg teilnahm und es war wohl auch das erste Mal, dass eine solche Sitzung in einer solchen "gemischten" Zusammensetzung erfolgte. - Mir war schon gleich zu Anfang der Gespräche klar:
Ein Dorf hat sich erhoben

09-02-18/11 - Der Tagungsraum in einem Lokal in Dorfmitte war gut gefüllt. Es gab keine Tischordnung. Jeder setzte sich dort, wo es ihm passte. Mir gegenüber saß der Nürburger Bürgermeister, der gleich zu Beginn erklärte, dass er zwar körperlich da wäre, aber nicht gedächte, in irgendeiner Form an einer Diskussion teilzunehmen. Denn was auch immer hier passieren würde: der Gemeinderat und er würden sich unabhängig von den Ideen die hier vorgetragen würden, um eine eigene Lösung bemühen.

Und dann begann eine Diskussion die zeigte, dass man hier in Nürburg - um es kurz und verständlich auszudrücken - "nun die Schnauze richtig voll hatte". Dabei waren nicht nur betroffenen Restaurant- oder Hotelbesitzer vor Ort. Auch ein Caterer (aus Adenau) hatte Platz genommen. Hier saß eine Mischung aus den unterschiedlichsten Berufen. Als ich den Bürgermeister fragte, ob die Zahlen, die ich mittags dem Internet entnommen hätte auch stimmen würden, da hat er widersprochen als ich ihm 168 Einwohner, davon 6 Arbeitslose nannte. "Es werden schon so um 190 in Nürburg gemeldete Einwohner sein", hat er gesagt und gemeint: "Auch die 6 Arbeitslosen stimmen nicht. Wir haben keine Arbeitslosen."

Das nur, damit meine Leser wissen, wie groß Nürburg wirklich ist, weil da - durch die Bedeutung des Nürburgrings beeinflusst - bei vielen Leuten falsche Vorstellungen bestehen. Auf 1.500 Einwohner wenigstens wird Nürburg meist geschätzt. Aber es gibt, wenn ich richtig gezählt habe 9 (in Worten: neun) Kneipen. Die Anzahl der Konzessionen wird sich, wenn erst man das "Dorf Grüne Hölle" eröffnet ist, auf sicherlich 20 - 25 erhöhen. Sicherlich ein Weltrekord.

Ein Weltrekord ist sicherlich auch die Gesamtbettenzahl, die eventuellen Besuchern in Nürburg zur Verfügung steht, wenn mal die Neubauten alle bewohnbar sind. Dabei liegt die Auslastung der normalen Zimmer im Dorf Nürburg jetzt schon im Jahresdurchschnitt bei nur 25 - 30 Prozent, während das 4-Sterne-Hotel "Dorint" eine Bettenbelegung im Jahresdurchschnitt schon seit Jahren um 53 Prozent in der Statistik ausweist. Normalerweise kann man bei Hotels erst bei einer durchschnittlichen Belegung von über 60 Prozent eine Rendite erwarten.

Darüber wurde an diesem Abend gesprochen und auch darüber, dass jetzt schon für das neue - noch nicht fertige - 4-Sterne-Haus, das später einmal von der Lindner-Hotel-Gruppe in Düsseldorf betrieben werden soll, Buchungen von 10 - 12.000 Zimmer in diesem Jahr vorliegen würden. - Die Grundstimmung war: Wer's glaubt wird selig. Denn eins wurde auch deutlich: Die Nürburger fühlen sich durch die Politiker "verraten und verkauft". Man hat ihnen Versprechungen gemacht, ihnen gedroht, sie gelockt. Mit Gutachten ruhig gestellt. Und nun... - Das eine Hotel  hatte gerade mehr als 20 Betten abgesagt bekommen. Von einem F1-Rennstall zum Termin des GP. Ein anderes exakt 7 von dem gleichen Bucher. - Auch die DTM verkürzt die Übernachtungszeiten. Auch vier werden drei, aus drei werden zwei Nächte. Schriftlich. Und man schreibt dazu: "Die DTM muss in diesem Jahr drastische Sparmaßnahmen ergreifen, um ein zukünftiges Bestehen zu gewährleisten. Das betrifft nicht nur uns als Organisator, sondern auch die Hersteller und Dinestleister der DTM." - Ab Ende Februar wird man übrigens die Eintrittskarten für die DTM-Veranstaltungen bei ALDI-Reisen kaufen können.

Und so wurde schnell jedem klar, dass das neue 4-Sterne-Hotel nicht zusätzliche Besucher anziehen wird, sondern für eine Umverteilung sorgt. Natürlich wird man im Dorf Nürburg davon weniger betroffen sein als in der weiteren Umgebung, wohin die Besucher dann wenn Nürburg ausgebucht war, bisher ausgewichen waren. Es würde also z.B. bei der Formel 1 nicht etwa zusätzliche Besucher geben, sondern nur eine Umverteilung stattfinden. Wo bisher - um es so zu erklären - ein voller Eimer stand, stehen in Zukunft zwei Eimer. Und aus dem vollen Eimer wird in den leeren Eimer umgefüllt. Wenn es gut geht, wird es dann zwei halb gefüllte Eimer geben. Auf dem einen Eimer steht dann "Privatwirtschaft", auf dem anderen "Staatswirtschaft".

Man war auch davon überzeugt, dass, wenn nun noch das "Motorsport Village" in Drees geschaffen würde, der Ort Nürburg weitere deutliche Einbußen erleiden würde.

Auf mein Befragen wurde deutlich, dass schon im letzten Jahr die Caterer erfahren mussten, dass die Nürburgring GmbH in Verbindung mit ihrem Vertragspartner Broich, denen bisherige Kunden abspenstig gemacht hatte. So sieht es das Hotelgewerbe auch: staalicher Eingriff in gewachsene private Strukturen.

Ein Vermieter von Privatzimmern sagte mir, dass durch die Neubauten am Ring sein Privatbesitz, den er einmal seinen Kindern vermachen würde, inzwischen im Wert um etwa 50.000 Euro gefallen sei, da die Zimmervermietungen nicht mehr laufen würden wie bisher. Nun würden diese Zimmer zu einer Belastung werden und nicht zu einer Einnahmequelle. Schon möglich, dass seine Erben das Erbe einmal ausschlagen würden. Nur Kosten, nur Belastung. - Warum?

Ab und zu hat dann der Bürgermeister dann doch in die Diskusssion eingegriffen. Eigentlich wollte er nur zuhören. Nun war er doch ein wenig betroffen von der Stimmung unter seinen Dorfbewohnern. Es ist sicherlich auch eindrucksvoll, wenn man sie in dieser kompromierten Form erleben kann. Muss.
 
Gesagt hat der Herr Bürgermeister nichts. Aber man hat gesehen, dass es in ihm arbeitete. Es waren auch andere Gemeinderatsmitglieder vor Ort, mit denen er schon mal "stille Blicke" wechselte. Nach dem Motto: da siehste mal, wie weit es gekommen ist. - Nicht nur mir wurde klar, dass hier eigentlich etwas getan werden musste. Vom Bürgermeister, vom Gemeinderat. Im Interesse der Bürger. Und der Privatwirtschaft. Denn klar wurde auch: die Nürburgring GmbH würde in Zukunft versuchen, mit allen Mitteln einen wirtschaftlichen Erfolg gegenüber ihren politischen Freunden (SPD) und der Öffentlichkeit darzustellen. Und man hörte eine Reihe von Beispielen, wie so etwas dann auch in der Vergangenheit schon abgelaufen war.

Sollte man so lange abwarten, bis sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigten und dann erst "nach Brüssel" gehen?

Als ich nachdenklich zu meinem Auto ging, hatte sich der Bürgermeister wahrscheinlich schon entschlossen. Denn als ich in der Woche drauf, kurz nach Ablauf der Einspruchsfrist bei der Gemeinde Kelberg anrief, um zu fragen, ob es irgendwelche Einsprüche gegeben habe, da sagte man nicht JA, sondern sprach davon, dass es "Verbesserungsvorschläge" gegeben hätte. Aber die Stimme am Telefon klang schon etwas nervös, denn man wusste wer anrief.

Es war dann keine Kunst festzustellen, dass der Bürgermeister eine Anwaltskanzlei beauftragt hatte, die Interessen der Gemeinde Nürburg wahrzunehmen. Die hatte einen Einspruch eingereicht. Das stoppte dann auch den Genehmigungsprozess. Eine Baugenehmigung konnte nicht erteilt werden. Da bereits vorab eine Teilgenehmigung - ohne Rücksicht auf das Bundesbaugesetz zu nehmen - vom Bauamt Daun erteilt worden war, musste die praktisch zurück genommen werden. Und so liegt die Baustelle nun seit dem 16. Februar 2009 still. Nun müssten sich die Gemeinden Kelberg und Nürburg einigen, bevor das Bauamt Daun (s. § 33 Bbaugesetz) eine Genehmigung erteilen darf. Dumm nur, dass die Fertighäuser unter der Voraussetzung bei zwei Herstellern  bestellt waren, dass eine Baugenehmigung bis zum 15. Februar 2009 erteilt ist.

Das ist nun nicht der Fall, so dass auch die Auskunft einer Firma korrekt ist, die zwar auf dem Bauschild als Lieferant angegeben ist, aber nun in einem Telefonat erklärte, dass sie keinen Auftrag vorliegen hat. (Den hatte sie wahrscheinlich vorliegen hat, der ist aber nun nicht mehr gültig.) Tatsache ist so aber auch, dass sich alle Termine nach hinten verschieben.

Klar ist mir aber auch - nach dem Treffen mit Nürburger Bürgern - dass es nun "von oben" Druck geben wird. Die Gemeinde Nürburg wird mit Schwierigkeiten rechnen müssen. Die "hohe Politik" ist es nicht gewohnt, auf Minderheiten Rücksicht zu nehmen. Dabei wirkt inzwischen das ganze Projekt "Nürburgring 2009" wie ein Kartenhaus, das jederzeit zusammenstürzen kann.

Zu befürchten ist aber, dass das was im aktuellen SPIEGEL "Investitionsruinen" genannt wird, zum Schaden der regionalen Bevölkerung fertig gestellt wird.  - Als Denkmal für eine verfehlte Wirtschaftspolitik.

MK/Wilhelm Hahne


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