Automobilpreise: Wenn irgendetwas in den letzten Jahren eine geradezu stürmische Entwicklung hinter sich hat, dann sind das die Automobilpreise. Auch darüber habe ich vor 23 Jahren, also 1986 geschrieben. Es folgt also eine "alte Geschichte".

Die Beispiele die in der Motor-KRITIK-Geschichte von 1986 eine Rolle spielen, die gibt es längst nicht mehr. In dieser Preisklasse werden inzwischen ganz andere Zahlen geschrieben. Auch nicht mehr in DM, sondern in Euro. Nur haben sich die Preise für die Neuwagen unserer Zeit (in dieser Klasse) nicht halbiert (weil 1 Euro eigentlich heute für 2 DM steht - wie man sagt), sondern deutlich erhöht. Wenn man die Zahlen in Euro für moderne Automobile mit den DM-Zahlen der Automobile "von damals" misst. Nur waren die Automobile "von damals" eigentlich nicht "von damals", sondern wären heute immer noch gute Begleiter im Alltag. Ein BMW Coupé des Typs 635 CSi kostet vor gut 30 Jahren noch 49.000 DM, wie Sie gleich noch einmal lesen werden. Acht Jahre später kostete es dann... - Aber ich will der folgenden Geschichte nicht die Pointen vorweg nehmen. Lesen Sie bitte, was ich vor 23 Jahren schrieb. Übrigens unter dem gleichen Titel, unter dem die Geschichte dann hier noch einmal veröffentlicht wird. Für eine neue Generation von Autokäufern. Die die Automobilindustrie auch zu einem neuen Preisverständnis hin entwickelt hat. Durh ständige Beeinflussung. Auch durch die Medien. - Man hat eben nicht nur in die Technik der Automobile investiert. - Aber bieten die modernen überteuerten Automobile der Gegenwart den Käufern der Neuzeit wirklich einen nutzbaren Mehrwert?

Relativitäts-Theorie und -Praxis

09-08-25/03 -  Ich ordne meinen Schreibtisch. Das Gute ins Archiv, das Schlechte in den Papierkorb. "Das Auto ist seit seiner Geburt vor 100 Jahren immer billiger geworden!" - Ich lese es und muss schmunzeln. So kann man es schließlich auch sehen. Die Preisentwicklung bei Automobilen wird so von der Daimler-Benz AG, Der DAT (Deutsche Automobil-Treuhand GmbH) und dem Statistischen Bundesamt dargestellt.

Ich habe nicht die ganzen 100 Jahre der Automobilentwicklung miterlebt und man sollte mir nicht böse sein, wenn  mich die "aktuelle" Entwicklung - da ich davon betroffen bin -  mehr interessiert. Ich erinnere mich noch gut daran, vor weniger als 30 Jahren einen Fiat 500 für unter 3.000 Mark gekauft zu haben. So weit entfernt ist die Zeit auch noch nicht, als man einen Opel Rekord zu einem Preis kaufen konnte, der vorne mit einer Fünf begann.

Beim Aufräumen fällt mir jetzt auch die Presseinformation der BMW AG über die letzte aktuelle Preiserhöhung in die Hände. Und da ich auch noch "alte" Kataloge auf meinem Schreibtisch liegen habe, schaue ich schnell mal nach, was denn eigentlich so ein BMW 635 CSi-Coupé, das heute "in seiner schönsten M-Form" 101,100 Mark kostet, bei seinem Erscheinen kostete. Und ich werde nachdenklich, weil ich dann auch noch die Unterlagen über den neuen Toyota Supra 3.0i auf meinem Schreibtisch finde. (Ich lese tatsächlich alles, bevor ich es dem Archiv oder dem Papierkorb zuordne.)

Und ich greife zur Schreibmaschine, um festzuhalten - mir auch noch mal optisch deutlich zu machen - was ich gerade in den letzten fünf Minuten in mich aufgenommen habe:

BMW 635 CSi-Coupé kostet
im Juli 1978
      DM 49.000
Das gleiche Coupé kostet
ab August 1986
DM 75.000

Das entspricht einer Preissteigerung von rund 53 Prozent. Womit ist die zu argumentieren? Mit den Karosserie- und Fahrwerkretuschen von 1982? - Mit einer verbesserten Ausstattung? - Was erhält denn der Käufer von 1986 für einen höheren Gegenwert als im Jahre 1978?

Schauen wir doch mal nach den Fahrleistungen, die bei einem Automobil doch wirklich eine "Bewertungsgrundlage" sind, da das Automobil schließlich geschaffen wurde, damit sich der Mensch schneller und bequemer von A nach B bewegen kann. Vergleichen wir also die wesentlichsten Daten des BMW 635 CSi-Coupés von:

1978         und          1986
218 PS   Motorlstg. 218 PS
222 km/h   Spitze     229 km/h
7,6 sec 0 - 100 km/h  7,4 sec

Für diese Differenz zahlt also der  Käufer im Laufe von acht Jahren genau 26.300 DM mehr. Und BMW räumt ihm noch eine weitere Möglichkeit ein, sein Geld auf "unvernünftige Art und Weise" loszuwerden:

Das M 635 CSi-Coupé:
Motorleistung     286 PS
Spitze                255 km/h
0 - 100 km/h         6,4 sec

Das kostet gegenüber dem normalen 635 CSi-Coupé im Jahre 1986 noch einmal 25.400 DM mehr. Um 1,2 sec von Null auf 100 km/h schneller beschleunigen zu können als im Jahre 1978, zahlt der Käufer des Jahres 1986 also genau 51.700 Mark mehr. Das macht deutlich, wie sehr der Kauf dieser Art von Automobilen von Emotionen bestimmt ist.

Jetzt werfe ich einen Blick in die Toyota-Unterlagen und muss dann ausnahmsweise doch mal schnell einen Griff ins Archiv tun, um festzustellen, was denn ein 6er Coupé im Jahr seines Erscheinens - möglichst mit gleichem Hubraum wie der neue Toyota-Supra - kostete, was es leistete. Und ich schüttle still den Kopf und stelle gegenüber:

                                        1976        1986
Typ:                        BMW 630 CS   Toyota Supra 3.0i
Motor:                                6-Zyl,.     6-Zyl.
Hubraum:                      2985 ccm       2933 ccn
Ventilanzahl:                        12                24
Leistung:                            185 PS       204 PS   
Getriebe:                         4-Gang         5-Gang
Länge:                            4755 mm      4630 mm
Leergewicht:                    1475 kg        1590 kg
Verbrauch pro 100 km:        11,9 l            10,1 l
Spitze:                              211 km/h     220 km/h
0 - 100 km/h:                       9,0 sec        8,2 sec
Preis:                            DM 40.600     DM 49.200

Rechne ich jetzt einmal wie ein Statistisches Bundesamt, dann kostete das BMW-Coupé 1976 - also vor 10 Jahren - genau DM 27,53 pro Kilogramm Leergewicht. Das Toyota-Coupé kostet im Jahre 1986 DM 30,94. Das ist eine vertretbare Preissteigerung, die dazu noch durch bessere Ausstattung, mehr Komfort, modernere Technik argumentiert werden kann. Gemessen an den Daten eines neuen Toyota Supra 3.0i ist ein modernes BMW-Coupé nicht mehr konkurrenzfähig. Das "billigste" BMW-Coupé ist heute ein BMW 628 CSi, das heute genau 65.300 Mark ab Werk kostet. (Leistung 184 PS, Spitze 204, Beschleunigung 0 -  100 km/h 9,1 sec.) Bei einem Gewicht von 1410 Kilogramm kostet hier jedes Kilogramm Automobil genau DM 46,31 oder rund 50 Prozent mehr, als der Toyota pro Kilogramm kostet. Dabei ist der Praxis-Mehrwert des Toyota für die Käufer durch seine serienmäßige Mehr-Ausstattung gegenüber dem BMW-Coupé noch nicht berücksichtigt.

Und da wundert sich noch jemand, wenn die Japaner ihre Marktanteile auf dem europäischen Markt vergrößern? Dabei wird auch bei denen längst nichts mehr verschenkt. Und die Entwicklung der Wechselkurse bringt den Japanern auch keine Vorteile.

Die deutschen (und europäischen) Automobiulbauer müssen sich einfach einmal sagen lassen, dass sie ihre "Preiserhöhungspolitik" ein wenig übertrieben haben. Natürlich ist es sehr gut, wenn man alle Investitionen und Entwicklungskosten aus der eigenen Tasche bezahlen kann, weil man beim Griff in die Tasche des Käufers besonders tief gegriffen hat. - Und solange der das zulässt!

Aber irgendwann macht auch mal der beste Taschendieb einen Fehler. Und dann kennt man ihn und weicht ihm (bei einem Neukauf) aus.

Hinzu kommt, dass die Japaner sinnvollerweise "von unten" in den Markt eingestiegen sind. Mit den inzwischen angebotenen "hochpreisigen" Mittelklasse- und Sportwagen erfassen sie die "aufsteiger" aus den eigenen Käuferreihen. Aber nicht nur.  - Weil sich schließlich eine gute Preis/Gegenwert-Relation herumspricht.

Die deutschen Automobilwerke vernachlässigen dagegen die "Einsteiger", kümmern sich lieber um die "mittelalten" Käufer, die mit dem höheren Einkommen und den Wünschen nach noch mehr Komfort und Ausstattung. Das funktioniert auch eine ganze Weile. Aber diese Käuferschicht, die die deutschen Automobilwerke verstärkt umwerben, wird eines Tages ausgestorben sein. Schaut man sich einmal die Entwicklung des Durchschnittsalters der Käufer bei Firmen wie BMW oder Porsche an, dort, wo man die  der jungen dynamischen Leute vermutet, so ist man erstaunt, wie alt die sind. Geworden sind, in den letzten 20 Jahren. Man rührt praktisch nur noch im eigenen Topf um, sorgt nicht für die Zuführung "frischer"Käufergruppen, die dann im eigenen Programm aufsteigen könnten.

Wenn man sich erst später um die Kunden bemüht, wenn sie praktisch schon dem "kaufkräftigen Mittelalter" angehören, dann wird das meistens sehr teuer. (Überhöhte Eintauschpreise - vom Werk subventioniert - für "Fremdfabrikate", Direkt-Mailing oder andere Aquirierungs-Sonderkosten, usw.)

Und die deutsche Automobilindustrie ist nun schon in dieser Phase. Und es gibt sogar Leute, die dann über eine Firma wie Opel lachen, weil die (im Moment) mit dem neuen Opel Kadett immer noch nicht den Erfolg hat, den man allgemein erwartet hatte. Schaut man sich aber einmal die Käufer für diesen "frischen" Wagentyp an, so sind es mehrheitlich junge Leute, die Käufer der Mittelklassewagen von morgen. Opel ist hier - sozusagen im letzten Moment - noch den richtigen Weg gegangen und erfasst die "alten" Opel-Käufer für einen Kadett nach "alten Vorstellungen" über den Stufenheck-Kadett. Aber ganz reibungslos kann das natürlich nicht gehen, zumal ein solcher Kadett schon Ascona-Größe hat.

Aber wie geht es bei Ford, bei VW, bei Mercedes, bei BMW, bei Porsche, bei Audi? Am (scheinbar) besten geht das Geschäft natürlich immer bei den Firmen, die eine breite Basis von "Stammkäufern" haben. VW hat es hier einfacher als z.B. Audi und BMW schwerer als Mercedes.

Die deutsche Automobilindustrie hat in den letzten Jahren (wenn nicht schon länger) zu sehr die Akzente auf das "aktuelle Geldverdienen" gesetzt. Was ohne Zweifel (im Moment) sehr erfolgreich war. Doch man hat nicht weit genug voraus gedacht, hat das Geschäft der Zukunft vernachlässigt- Wo sind denn die Einstiegsautomobile von der Art, die den Japanern den Erfolg gebracht haben? Man kann heute doch nicht die "Schuld" für große japanische Verkaufserfolge den "Standortnachteilen" der deutschen Automobilindustrie geben. Auch in Japan wird nicht (wurde auch niemals!) nur für "eine Hand voll Reis" gearbeitet. Die Japaner sind nicht nur durch die eigene Leistung in Europa groß geworden, sondern auch durch die Fehlleistungen der Europäer. Die Japaner wurden eben
so gut, wie es die europäische Industrie zuließ. Während die Japaner ihre Verkaufs-Strategien langfristig anlegten, wasr die der europäischen Automobilindustrie mehr auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgelegt. Japaner wie Europäer haben damit Erfolg gehabt. Nun sollte der Eine nicht klagen, weil der Andere der bessere Taktiker war.

Ist schon toll, was einem beim Schreibtischaufräumen so per Zufall auf- und dann dazu einfällt.

Übrigens: Weil ich nicht alles archivieren kann, habe ich mich dazu entschlossen die Darstellung der "deutschen Gruppe" vom "Weg zum Auto für Jedermann" in den Papierkorb zu werfen. Es ist zwar interessant, dass ein Mercedes "Nürburg" im Jahre 1928 (umgerechnet!) 55.000 DM kostete, aber mich interessiert doch mehr, was die Automobile kosten, die man heute kaufen kann.

MK/Wilhelm Hahne


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