"Die Grausamkeit empört,
aber die Dummheit entmutigt."
(Albert Camus)

Im November 2009 ein 24-Stunden-Rennen am Nürburgring? Selbstverständlich! Getreu dem Versprechen von "365 Tagen Adrenalin" der Nürburgring GmbH.: Sechs Teams beim MINI 24h-Rennen in 1:24 auf einer sechsspurigen 40- Meter-Bahn in der DUNLOP-VIP-Lounge. - Klaro?

Die "große kleine Rennserie" startete zum 19. Mal insgesamt. Zum ersten Mal am Nürburgring. Ossi Kragl, mit einer Marketing-Firma hier ansässig, wollte "Nürburgring 2009" mit dieser Veranstaltung unterstützen. 18mal war man vorher im Hamburger Raum gestartet. Nun zum ersten Mal "am Ring". - Leider kam es schon im Vorfeld zum ersten Crash: Ossi Kragl wäre gerne mit seiner (!) sechsspurigen 40-Meter-Bahn, der größten in Europa, auf dem neuen "Boulevard" öffentlich geworden. Aber von der Anfrage bei der Nürburgring GmbH bis zu einer Antwort vergingen nicht nur rd. eine Woche, sonder es gab dann auch "Auflagen": die "Wachleute" seien kostenmäßig zu übernehmen und das Catering habe über die Nürburgring GmbH abgewickelt zu werden. - Da die Zeit drängte, hatte Ossi Kragl aber schon nach zwei Tagen des vergeblichen Wartens auf eine Antwort nach einer anderen Lösung - als eigentlich von ihm angestrebt - gesucht, suchen müssen. Und praktisch umgehend eine Lösung gefunden: DUNLOP stellte ihm die Lounge zur Verfügung. - Ruckzuck! - (Dort weiß man, worauf es ankommt!) Und so nahm dann die Veranstaltung ihren Lauf. Leider ein wenig unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wegen der späten Entscheidung zum Austragungsort, konnte leider keine entsprechende Werbung erfolgen. Und Journalisten, die ich - in Kenntnis aller Umstände - noch schnell persönlich eingeladen hatte, die "zuckten". - Oh, ein Wochenende? - Was sollte man auch mit so einer Veranstaltung mit "Spielzeugautos" anfangen? - Hatte die Chefredaktion nicht immer darauf bestanden, alle "Angebote" daraufhin zu überprüfen, ob man das Größte, das Kleinste, das Freundlichste, das Schrecklichste, das Absonderlichste, das... - Moderner Journalismus, der schon vorher wissen möchte, was denn Sensationelles passiert. - Wenn Sie mir eine Sensation garantieren bin ich dabei! - Keine Garantie? - Nun, sie waren nicht dabei. - Dafür aber ich. Auch in der kritischen Phase, zwischen zwei Tagen, sozusagen mitten in der Nacht. Ich weiß aus eigener Erfahrung (aus vielen selbst erlebten "richtigen" 24-Stunden-Rennen) dass es dann "zur Sache geht", weil man als Mensch dann konditionell Schwächen, Nerven zeigt. Die man nicht zeigen möchte. - Verdammt noch mal! - Und der Rennleiter ist auch ein Arschloch! - Und überhaupt... - Und es kam, wie's kommen musste. - Dieses 19. 24h-Rennen für Elektro-Rennwagen (!!!) wurde....

Das verrückteste Rennen der Welt

09-11-16/02 - Als ich Samstagnacht gegen 22 Uhr, auf der Rückfahrt von einem interessanten Termin, meinem Heimatdorf zufuhr, da ließ die Nacht die eigentlich schöne Landschaft grau in Grau verschwimmen. Ab und zu schaffte es der Mond, schön voll und rund, mit fahlem Licht für Stimmung zu sorgen. Ein trübe Stimmung. - Meine Frau würde schon auf meine Rückkehr warten, denn eigentlich... - Na ja, wer weiß schon alles vorher?

Meine Frau servierte mir das  Essen und fragte nett, ob ich denn nicht dazu einen Wein trinken wolle. - "Nein, ich möchte gleich noch zum Nürburgring." - "Was willst du denn mitten in der Nacht am Nürburgring?" - Nachdem ich es ihr erklärt hatte: "Dann können wir doch gleich auf dem Friedhof in Nürburg noch eine Kerze anzünden, oder?" - "Mitten in der Nacht auf dem Friedhof...?" - Wir mussten beide lachen.

Und so kam es dann, dass wir beide so um kurz nach 23 Uhr auf dem Friedhof von Nürburg standen. Der übrigens sehr gut beleuchtet ist. Und nur wenig später waren wir dann in der DUNLOP-Lounge im neuen Fahrerlager. - Lassen Sie mich zunächst einmal den Veranstaltungsort vorstellen. Das Foto zeigt allerdings die Lounge nicht bei Nacht...



...sondern bei Tageslicht. Unterhalb des DUNLOP-Schriftzuges sehen Sie... - Nein, die Radfahrer im Vordergrund sind nicht Mitglieder der Geschäftsleitung der Nürburgring GmbH. Aber sie könnten es natürlich sein. So ist z.B. Dr. Walter Kafitz, der Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH ein begnadeter Radfahrer, der auch - u.a. - mit dem Chef des Bund Deutscher Radfahrer, Rudolf Scharping, befreundet ist. Der war von 1991 bis 1994 auch mal Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, bevor da die Sache mit der Gräfin... - aber das gehört nicht hierhin. Jedenfalls hat Dr. Kafitz auch - wie Rudolf Scharping - ein SPD-Parteibuch in der Tasche. In Kombination mit der Freundschaft genügte damit Dr. Kafitz allen Ansprüchen, die man an einen Hauptgeschäftsführer einer landeseigenen GmbH stellen kann. Was die macht, ist eigentlich egal. Jedenfalls hatte - damals - Dr. Kafitz vom Motorsport, vom Nürburgring - und alles was damit zusammenhing - überhaupt keine Ahnung. Er war auch privat vorher noch niemals "am Ring" gewesen. - Warum auch?

Nun kam er, sah und siegte. Da hatte niemand anderes eine Chance. Zumal er auch am 2. April 1994 arbeitslos gewesen wäre. Und da holte dann gerne - bildlich gesprochen - die SPD mal wieder einen (möglichen) Arbeitslosen von der Straße. D.h. es war eaxkt so, dass Dr. Kafitz bis zum 31. März 1994 seine Bezüge von der alten Firma erhielt; am 1. April wäre er "frei" gewesen, aber Rudolf hatte für Walter noch ein Plätzchen frei. - Und unser Doktor nutzte es auch. Wie er gerne alle Möglichkeiten nutzt. Zum Training z.B.. Damit er ein immer besserer Radfahrer wurde. So ließ er manchmal den Nürburgring Grand-Prix-Kurs schon ab 17 Uhr für sich reservieren, damit er mit dem Rad trainieren konnte. - So lernte er auch gutes (guten) Rad (Rat) schätzen und beschäftigte später immer wieder gerne guter Beradler.  Entschuldigung: natürlich Berater. (Es sollte fröhlich klingen. - Wobei mir bei Fröhlich einfällt... - ach ja: Gut Ding will Weile haben.)

Heute ist Walter natürlich mit Kurt per Du. - Und wir alle in der Eifel machen - ich glaube man nennt das - drei Kreuze. - wenn wir das noch erleben dürfen, dass die dann - sozusagen - weg sind. - Was uns bleiben wird, sind die (Unterhaltungs-)Kosten für "Nürburgring 2009". - Na ja, Denkmäler sind zu keiner Zeit der Geschiche "umsonst" gewesen. - Hätten Sie gedacht, dass SPD-Denkmäler so teuer werden können? - Darauf ein "Becks".

Und damit zurück zur DUNLOP-Lounge, die man auch so zeigen kann:



Sie sehen den großen Raum, in dem jetzt die große Sechsspur-Bahn aufgebaut war, erkennen den Aufgang vom Fahrerlager her, wo ich denn auch...



...mein Auto geparkt hatte. Nicht nur in der Nacht, sondern auch am nächsten Tag. Man will schließlich nicht die Zieldurchfahrt verpassen. Da standen auf der Terasse ein paar Leute und schauten auf die "echte" Strecke, wo Nürburgring-Fans unterwegs waren:



Es hatte aber schon am Freitag Programm gegeben. Da war die Ausgabe der Motoren und Reifen. Jedes Team musste z.B. beim 24-Stunden-Rennen mit fünf Satz Reifen auskommen. Einer der "Fahrer" (am "Drücker"): "Da werde ich wohl auf die letzten fünf Zehntel (Anmerkung: Sekunden) verzichten müssen. Sonst reicht das nicht." - Es kommt eben nicht auf die schnellste Runde an, sondern auf viele möglichst gleichschnelle Runden. Und möglichst wenig "Abflüge". - Denn der jeweilige Mann (oder Frau!) am "Drücker", der muss "sein Fahrzeug" wieder auf  über die richtige Stromschiene stellen, zurück eilen und - weiter geht's. - Machen Sie sich an dieser Stelle mal Gedanken, wieviel Zeit ein Team wohl bei einem 24-Stunden-Rennen an Zeit verliert. Durch Reifenwechsel, Abflüge und andere kleine Störungen. Oder anders herum: Wie lang ist eigentlich die effektive Fahrzeit bei einem 24-Stunden-Rennen? (Ich sage es Ihnen am Ende dieser Geschichte. - Denken Sie aber bitte jetzt mal darüber nach.)

Die Veranstaltung ist übrigens Teil des so genannten "rallye racing Carrera Cup". Das 24-Stunden-Rennen ist das jährliche Finale der großen "kleinen Rennserie". Am Freitag lebt da auch das berühmte BILSTEIN-Supersprint-Rennen wieder auf. Sozusagen als Rahmenprogramm. Dieses Mal ausgetragen mit kleinen Automobilen, die sich eigentlich nur durch die Karossen optisch unterscheiden. Die Fahrwerke, wie z.B. der Radstand, sind exakt gleich. Auch über die Motoren gibt es keine Vorteile. Und die vorgegebenen Positionen auf der Bahn werden alle zwei Stunden gewechselt. Übrigens in der Reihenfolge der Zündfolge eines Sechszylinder-Reihenmotors. Es gibt da drei Varianten, in diesem Falle hat man sich auf 1 - 5 - 3 - 6 - 2 - 4 geeinigt. Jedes Fahrzeug erhält also auch hier die gleiche Chancen. Denn was z.B. bei der Bahn 6 eine weite Kurve ist, kann für die Bahn 1 sehr eng sein. So sind dann alle Teilnehmer auf allen Bahnen, sowohl auf den inneren, als auch auf den äußeren unterwegs.

Am Samstagmittag, war Punkt 12 Uhr Start. Es gab also sechs werksunterstützte Teams mit je vier Fahrern. Und Sie werden es nicht glauben: Jedes Team hatte den Auftrag, das 24-Stunden-Rennen zu gewinnen. - Alles wie im richtigen Leben. Auf dem zweiten Platz landet so schon der erste Verlierer. Noch schlimmer: Einer wird Letzter werden. Aber keiner der Fahrer in keinem Team ging beim Start davon aus, zu den Verlierern zu gehören.

Die Starterliste sah so aus:

MINI E: Lance David Arnold, Alex Müller, Martin Kummerow, Markus Lungstrass
Subaru Imprezza WRC: Eldert Hedden, Jan Hedden, Andreas Göhring, Philip Schwarz
Volkswagen Scirocco GT24: Daniel Bäumler, Kris Karathomas, Jörg Schumacher, Victor Smolski
Audi R8 LMS: Frank Biela, Mathias Parke, Christian "Phantom" Schön, Thomas Voigt
Alfa Romeo 8C: Ossi Kragl, Robert Müller, Mike Neschki, Gine Peters
Porsche Cayman: Marco Holzer, Klaus Kirchner, Bodo Kräling, Martin Ragginger

"Richtige" Rennfahrer, die Sie - meine Leser (vielleicht) - alle kennen, habe ich mal "fett" markiert. Die sind alle - auch - im "großen Motorsport" unterwegs. Victor Smolski ist aber wohl mehr Musiker und verbringt den größten Teil des Tages an der E-Gitarre.

In "kursiv" habe ich Gine Peters als einzige teilnehmende Dame optisch herausgehoben. Die hob sich bei meinem Nachtbesuch des 24-Stunden-Rennens noch anders heraus: Während alle Männer "am Drücker" praktisch steif und unbeweglich standen, nur Kopf und Augen bewegten, war Gine Peters mit dem ganzen Körper aktiv, "legte sich mit in die Kurve", half mit einer Verdrehung des Oberkörpers ihrem Alfa Romeo am Ausgang der Kurve nach, war voll in Aktion.

Ein anderer der Fahrer fiel dadurch auf, dass er an der "Fahrhand" (der am "Drücker")  einen weißen Stoffhandschuh trug, einer von der Art, die man auch von japanischen Rennmonteuren kennt. - Warum? - Um nicht vom Drücker mit schweißnassen Fingern abzugleiten. - Dieser Mann war z.B. den Start gefahren und war die ersten zwei Stunden - auf seinen Wunsch hin - ohne Ablösung unterwegs. Am Ende dieser zwei Stunden konnte man ihn "auswringen". Die Kleidung war vollkommen durchgeschwitzt. Aber nicht nur das: dieser Mann hatte sich in diesen zwei Stunden total verausgabt, war vollkommen fertig, wollte nur noch duschen und dann sofort ins Bett.

Andere entspannten anders:



Ein (noch) anderer Fahrer, zum ersten Mal dabei, erzählte mir, dass er gerne diesen "Spaß" mitmachen wollte, an ein großes Spiel unter erwachsenen Leuten dachte. "Aber", sagt er, "dann war das hier nicht anders als bei einem richtigen 24-Stunden-Rennen. - Jeder will gewinnen, arbeitet mit allen Tricks und intelligenter Taktik. - So hatte ich mir das wirklich nicht vorgestellt."

Und Nachtfahrten, jetzt kurz vor und dann nach Mitternacht, waren in der DUNLOP-Lounge, auf der 40 Meter-Bahn, nicht anders als auf der 20,832 Kilometer langen Nordschleife. Es war dunkel. Und manchmal sorgte hier eine Nebelmaschine dafür, das ein Teil der Strecke in dichtem Nebel lag. - Alles wie im richtigen Leben.







So sah es dann mit dem Ergebnis bei Halbzeit - um Mitternacht - aus. Es wurde dann wieder - wie man sieht, mit "Ampelstart" - neu gestartet. Die Software des Zeitnahme-Computers erfasst nur Rennen bis 12 Stunden Länge. Also begann die "zweite Halbzeit" mit einem Neustart. Aber das geschah ja auch alle zwei Stunden. Wegen der gleichen Chancen, die jedes Team haben sollte.

Ab 24 Uhr - bei Halbzeit - stand für die Teilnehmer und deren Begleitung, dem Rennleiter und den Funktionären eine leichte Gulaschsuppe oder eine Tomatensuppe mit Klößchen bereit. Eine Crew und Leute der Organisation mussten darauf zunächst noch verzichten. Ein Verstoß gegen das Reglement war bei einem Teilnehmer festgestellt worden und wurde jetzt (sozusagen) vor dem "Sportgericht" verhandelt. Aber leise und unauffällig. Die Beweise waren erdrückend, das Team gab den Verstoß zu und - erhielt einen Abzug von 300 Runden. In Worten: dreihundert Runden wurden vom bisher erzielten Resultat abgezogen.

Einer der Beobachter: "Die wären doch besser Formel 1 gefahren. Dann wären sie mit nur einer Boxendurchfahrt bestraft worden." - Ja, ja - wir waren uns einig: So ein MINI-24-Stunden-Rennen auf einer Carrera-Bahn ist sportlicher, härter, gnadenloser - nur nicht teurer als die Formel 1.

Boxendurchfahrt - Boxengasse... - Ich will sie Ihnen gerne zeigen:







Hier war vor dem Start allerdings nicht die Nationalhymne gesungen worden. Aber der Nürburger Pastor hatte die '"Südschleife" - diesen Namen trägt diese 40-Meter-Bahn ab sofort - eingeweiht und nette Worte mit ansprechenden Vergleichen gefunden. Es gab niemanden, der sich darüber lustig gemacht hätte. Alle waren beeindruckt. Aber dieser Pastor spricht auch beim "richtigen" 24-Stunden-Rennen vor dem Start zu den Fahrern. Er weiß was wichtig ist. Im normalen Leben, im Sport und in der Kirche.

Weil im Leben nicht nur die Arbeit, nicht nur der Sport wichtig ist, sondern auch das Essen, sei an dieser Stelle davon gesprochen: Direkt nach dem Start gab es Putengeschnetzeltes in Rahmsauce, Reis, weiße Bandnudeln mit Basilikum-Tomatensauce, Spaghetti Bolognese, Vitello Tonnato vom Kalb (!) in pikanter Thunfischsauce, Galia Melone mit Parmaschinken, Carpaccio mit Kräuterdip, Artischockenherzen, marinierte Aubergine und Zuccinis, Mozzarella mit Tomaten, Thunfischsalat, Scampis in Knoblauchcreme, Fruchtspalten mit Mascaponecreme, Käsebrett, Ciabatta und Butter. - Also nichts anderes, als wir es auch sonst in der Eifel essen. Wir sind nämlich stinknormal international. An diesem Wochenende nun mal mit italienischem Touch.

Natürlich wurde kein Alkohol ausgeschenkt, dafür alle Arten von Erfrischungsgetränken.



Neu in diesem Jahr war als teilnehmendes Automodell der MINI E. Er wurde vom bekannten Slot-Racing-Werk in Hamburg aufgebaut. Speziell für dieses Rennen. Einer der Fahrer dieses Modells wollte mir dann erzählen, dass man mit diesem Fahrzeug Nachteile gegenüber anderen teilnehmenden "Sport"-Modellen habe. Das habe ich nicht nachvollziehen können, denn die Fahrzeuglängen waren alle gleich, der Radstand auch - aber vielleicht lag der Schwerpunkt ein wenig höher. Aber das soll doch wohl keine Entschuldigung für die Endplatzierung sein. Denn wenn man mehr "Ausrutscher" hat, verliert man auch mehr Zeit. Und Ausrutscher hat man besonders dann, wenn man besonders schnell sein will. Und schnell will man sein, weil es die Vorgabe gibt zu gewinnen. - Und oft haben die, die solche Vorgaben ausgeben keine Ahnung von dem, was da "vor Ort" so abgeht.

Da ist es "im richtigen Leben" manchmal einfacher. Ich denke deshalb daran, weil ich hier oben in der DUNLOP-Lounge dann auf einen Zuschauer treffe, den ich aus dem Langstreckenpokal kenne. Das übliche "Was machst du denn hier?" - und dann werden Fachthemen bewegt. Da im Motorsport jeder weiß, dass man mit mir über alles sprechen kann, kommt dann auch bald die Frage: "Und wer gewinnt das richtige 24-Stunden-Rennen 2010?" - Meine Antwort: "BMW."

Mein Gegenüber lacht, klopft mir auf die Schulter und sagt: "Ich merke, du bist immer noch gut im Bilde." - Er spielt da wohl auf mein Alter an und ich muss milde lächeln. Mein Frage zurück: "Und was fahrt Ihr in der nächsten Saison?" (Erklärung: das "Ihr" bezieht sich auf das Team, weil man im Goodyear-Langstreckenpokal als Fahrer, als eine Person alleine, eigentlich ein Nichts ist.) - Antwort: "Darum bin ich hier. Denn hier treffe ich ja wohl auch Leute vom RCN - hoffe ich. Denn eigentlich..." - Und er schaut mich nachdenklich an. "Willst du nicht mehr VLN fahren?" - "Nein, wahrscheinlich nicht. Die sind doch bekloppt. Hast du dir mal angesehen, was die aus dem Reglement gemacht haben und wie das gehandhabt wird?" - Ich nicke - und mein Gesprächspartner sagt: "Wir brauchen Planungssicherheit. Und die gibt es bei der VLN nicht mehr. Schau dir doch mal bestimmte Klassen an." (Und er nennt mir welche.) "Meinst du, dass dort in 2010 die Starterzahlen erhalten bleiben?" - Ich muss "Nein" sagen, weil ich das auch so denke. "Also denkst du auch", sucht mein Gegenüber nach einer Bestätigung, "dass die VLN durch die Dinge, die sich im Zusammenhang mit dem 24-Stunden-Renn entwickelt haben 'gegen die Wand gefahren' wird?" - Ja, leider!"

Wir schweigen uns an, schauen wieder konzentriert auf die Bahn, verfolgen das Geschehen beim 24-Stunden-Rennen der großen Kleinen.






- Achten Sie bitte auf den Reifenabrieb! -







 - Ich bin nicht überrascht, als mich mein Gesprächspartner dann wieder mit einer Frage anspricht: "Hast du mal gesehen, wo der Motor im neuen Werks-BMW für das kommende 24-Stunden-Rennen sitzt?" - Ich nicke. "Und?", fragt mein zufälliger Nachbar. - "Aus meiner Sicht ist das ein reiner Prototyp", sage ich. "Und ich verstehe eigentlich nicht, warum - obwohl garnicht homologationsfähig - das Fahrzeug bei der VLN und den 24-Stunden auf der Nordschleife mitfahren darf." - "Wir sind einer Meinung", meint mein Gesprächspartner und ergänzt: "Dann wirst du auch verstehen, wenn wir im nächsten Jahr nicht mehr in der VLN, sondern wahrscheinlich regelmäßig bei den RCN-Läufen starten." - Ich nicke. - Mir ist der Hals trocken geworden  und ich entschuldige mich, weil ich dieses "traurige Gespräch" jetzt nicht mehr fortsetzen, sondern mich auf die aktuellen Renngeschehnisse konzentrieren möchte.

Ich komme nicht weit, weil mich ein anderer Zuschauer - den ich aber kenne - anspricht. "Weißt du eigentlich, wie kalt das jetzt in den Läden auf dem 'Boulevard' ist?" - Ich schüttle den Kopf. "Da friert man sich den Ar... ab. - Keine richtige Heizung. Da kommt ein bisschen warme Luft über die  Lüftung und..." - Ich unterbreche ihn, weil ich nicht schon wieder in ein "unangenehmes Thema" eingebunden werden möchte: "Entschuldige bitte, ich muss mal..." - Oh je!

Als zurück komme, bin ich wieder allein. Und die E-Autos auf der Bahn summen, auf der Anzeigetafel kann ich den aktuellen Rennstand ablesen, die schnellsten Rennrunden ablesen und sehe, dass der Sieg wohl einem bestimmten Team nicht zu nehmen sein wird.



Es läuft die letzte Stunde. Dann läfut die letzte halbe Stunde. Die letzten Minuten. Man formatiert sich für eine geschlossene Zieldurchfahrt, denn es kommt nicht mehr auf eine Runde mehr oder weniger an. Sieger und Platzierte sind deutlich voneinander getrennt.  Jetzt wird also gemeinsam langsam gefahren. Und da passiert auch hier das, was bei einem richtigen Rennen - wenn Langsamfahren von der Box aus taktischen Gründen mal wieder "befohlen" wird - auch passiert: ein Teilnehmer setzt aus Konzentrationsmangel sein Fahrzeug neben die Bahn. (Sein Name sei hier verschwiegen, weil so ein Fehler gerade den Besten passieren kann.)

So fahren nicht alle sechs Fahrzeuge geschlossen am Ende dieses MINI-24-Stunden-Rennens über die Ziellinie, aber jemand strahlt so, als wenn er gerade zum 6. Mal "Le Mans" gewonnen hätte: Frank Biela. Nach vielen Anläufen ist es ihm zum ersten Mal gelungen, ein MINI-24-Stunden-Rennen zu gewinnen. Man drückt sich die Hände, klopft sich auf die Schulter und eigentlich strahlen alle.







Und dann die Siegerehrung:








-  Das ist übrigens Victor Smolski, der sich gerade bedankt.  Für das große Erlebnis. -



Sieger und Verlierer. Jeder hat sein Bestes gegeben. Das siegreiche Fahrzeug: ein Audi R8 LM, der mit dem großen Heckflügel. Zu den Verlierern zählt der MINI E. Obwohl BMW mit dem Verlauf des Rennens und der Leistung des hier eingesetzten MINI E trefflich Werbung machen könnte: das Rennfahrzeug war mehr fast 300 Kilometer mit elektrischem Antrieb "am Stück" unterwegs gewesen. Das hat das Original, das für die Produktion - irgendwann mal - vorgesehene Fahrzeug (auch im Versuch!) noch nie geschafft. - Auch wichtig: Man hat dieses Mal "ehrlich" verloren.

Wird der Sieg beim "richtigen" 24-Stunden-Rennen im nächsten Jahr auf der Nürburgring-Nordschleife auch "ehrlich" sein? - Ich fahre nachdenklich nach Hause. -

Ist der MINI-Sport heute ehrlicher als der "große Sport?

Zumindest kenne ich noch ehrliche, ganz normale Motorsportler und Rennfahrer. Wie z.B. Frank Biela, der nach der Siegerehrung schnell eine Zigarette aus der Packung zieht, um sich nach draußen zu verdrücken, damit er rauchen kann. Ich kenne Frank so seit Jahrzehnten. Im Vorbeigehen erkennt er mich, schüttelt mir mit einem "Hallo" die Hand und erkundigt sich nach meinem Bruder. - Welchen Bruder? - Ich habe vier davon. - Er habe Armin vermisst, sagt er. Und ich antworte, dass der für solche Rennen noch zu jung ist.

Frank kommt fast ins Stolpern. Ich sehe, dass er versucht sich zu erinnern, wie alt mein Bruder Armin nun ist. - Ganz ruhig Frank! - Armin ist jetzt 54. - Und immer noch richtig schnell. Mit richtigen Rennfahrzeugen auf der richtigen Nordschleife.

Aber Frank hat inzwischen nicht nur fünf Mal "Le Mans" gewonnen, sondern nun auch zum ersten Mal ein MINI-24-Stunden-Rennen am Nürburgring. Auf der "Südschleife". Die man sonst auch vergessen würde.

Ossi Kragl sei Dank!
MK/Wilhelm Hahne
Fast vergessen: Das Siegerteam mit dem Audi R8 LM war von den 24 Stunden "nur" 23 Stunden in Bewegung unterwegs. Rund 1 Stunde hat man gebaut, war "abgeflogen", hat gestanden. - Man kann diese "Standzeiten" noch optimieren. - Im nächsten Jahr?

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