Man muss nicht zu viel trennen,
nicht zu viel abstrahieren,
die großen Raffineurs haben, glaube ich,
die wenigsten Entdeckungen gemacht.
Das ist eben der Nutzen der menschlichen Maschine,
dass sie Summen ergibt.
(Georg Christoph Lichtenberg)

Betrifft: Reifen/Felge - ein wichtiges Konstruktionselement beim Automobil.
Darum hier die Geschichte über den Irrweg der modernen Reifenentwicklung hin in die Run-Flat-Sackgasse, die negativen Auswirkungen auf den Automobilbau und – der tröstende Blick auf einen möglichen Ausweg.


Im Jahre 1988 erschien Frederic Vester's Buch mit dem Titel: „Leitmotiv vernetztes Denken“. Darin gab es interessante Fragen, wie: „Hungersnöte in den Entwicklungsländern trotz oder wegen der grünen Revolution? - Überschwemmungen und Bergrutsche trotz oder wegen moderner Bachverbauung? - Reaktorunfälle und Serienunfälle auf den Straßen trotz oder wegen High Tech?“ Der Mensch muss begreifen:  Alles hängt mit Allem zusammen. Aber wir vergessen schnell. Tschernobyl? Längst vergessen. Wenn jetzt die Ereignisse in Japan nicht daran erinnern würden. - Bergrutsche und Überschwemmungen? An der Tagesordnung. Das regt alles keinen mehr auf. Eines aber ist geblieben oder hat sich gar noch verschlechtert - das Unverständnis für die Zusammenhänge zwischen Technik, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Gerade beim Thema Automobil erweist sich vieles, was eigentlich ein Fortschritt hätte sein sollen, im Nachhinein als überflüssig oder sogar gefährlich. - Beschäftigen wir uns doch einmal nur mit dem Thema Reifen, dass für viele Autofahrer rein nebensächlich ist. Dabei ist der Reifen in Verbindung mit der Felge ein wichtiges, bedeutendes Konstruktionselement beim Automobil. Nur wird es selten so empfunden. - Reifen? - Ist das nicht ein Zubehörteil, austauschbar, veränderbar in Größe und Breite? - Und Reifen sind optisch ähnlich, verwechselbar. Dabei hat jeder Reifen seinen Charakter. Haben wir nicht andere, größere Probleme? - Natürlich!  - Aber wir sollten uns auch mit den scheinbar kleinen Problemen beschäftigen. Vor allen Dingen dann, wenn wir sie selbst geschaffen haben - und die Problematik nicht erkannt. - Wenn man z.B. die Reifenentwicklung der letzten Jahrzehnte im Rückblick betrachtet, muss man kritisch feststellen:

Das irrationale Wachstum
der Reifen-Dimensionen bei unseren aktuellen
Auto-Modellen ist gefährlich!

11-03-18/01 – Sollten wir die Problematik von oben her beleuchten? Welche Auswirkungen hat der Bau neuer Straßen auf das Verkehrsaufkommen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Kilometerpauschale und der durchschnittlichen Entfernung Wohnung -Arbeitsplatz?

Nein! - Hier soll zur Abwechslung der umgekehrte Weg beschritten werden. An einem automobilen Einzelbauteil soll demonstriert werden, wie gut gemeinte Aktionen, Beschlüsse und Entwicklungen sich in ihr Gegenteil verkehren können. Das gewählte Beispiel-Objekt ist der Reifen.
Die Automobilgazetten werden nicht müde, von den Automobilherstellern immer das Beste zu verlangen. In aufwendigen Vergleichstests mit ausgeklügelten Bewertungsschemata beurteilen sie Sicherheit, Verbrauch, Komfort, Fahrleistungen, Transporteigenschaften, Handling und vieles andere mehr.

Den Einfluss dieser Testberichte auf die Automobilentwicklung sollte nicht unterschätzt werden. Der Gewinn eines solchen Tests gegen härteste Konkurrenz in auflagenstarken Gazetten ist werbewirksam. Also versuchen die Hersteller dort gut abzuschneiden.

Das hat Folgen. Die Autos wurden in allen wesentlichen Eigenschaften über die Jahre hinweg immer „besser“. Zumindest nach Test-Maßstäben. Leider wurden sie dabei aber auch immer größer, schwerer und teuerer.

Inzwischen hat der „Fortschritt“ einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Geringe Vorteile „hier“, werden oft mit erheblichen Nachteilen „da“ erkauft. Im Bestreben, die Autos nach den Testkriterien auszulegen und nicht nach den Kundenbedürfnissen, wurden sich die Autos in den letzten Jahren nicht nur optisch sondern auch technisch immer ähnlicher. Zum wichtigen Differenzierungsmerkmal ist inzwischen das Markenemblem geworden.Das stellt die Tester vor die schwierige Aufgabe, aus winzigen Unterschieden einen möglichst großen Abstand zwischen den Probanden zu generieren. Das geht nur über eine Verschärfung der Bewertungsmaßstäbe, die deshalb oft weit über das kundenwertige Maß hinausschießen. Der verzweifelte Versuch der Hersteller diesen Kriterien immer besser gerecht zu werden mündet in einem Teufelskreis, der schließlich dem Kunden mehr schadet als nützt.

Am Reifen soll dieser Sachverhalt hier einmal exemplarisch dargestellt werden.
Der Reifen eines Automobils soll durch seine Eigenschaften eine möglichst große Fahrsicherheit garantieren. Aber was bedeutet eigentlich Fahrsicherheit? Sind es eine möglichst hohe Querbeschleunigung und ein möglichst kurzer Bremsweg?

Das sind bestimmt wichtige Aspekte, aber die Liste ist damit noch lange nicht vollständig. Die Aufgaben eines Reifens sind umfassender. Er beeinflusst eine ganze Reihe von Fahrzeugkriterien. Nachfolgende Tabelle macht auf eine Fülle von Parametern aufmerksam, die vom Reifen beeinflusst werden:

- Fahrdynamik: Kurvengeschwindigkeit, Agilität, Lenkverhalten
- Bremsverhalten: Bremsweg, Bremsstabilität, Bremsleistung
- Fahrsicherheit,:Traktion, Aquaplaning, Geradeauslauf, Spurrillenempfindlichkeit, Nässeverhalten,
  Verhalten im Grenzbereich,Wintertauglichkeit
- Fahrkomfort: Federungskomfort, Abrollkomfort, Rollgeräusch
- Energiebedarf: Rollwiderstand, Luftwiderstand, Reifenherstellung
- Kosten: Verschleißverhalten, Lebensdauer

Neben den aus diesen Kriterien erwachsenden Anforderungen hat der Reifen noch weitere
Anforderungen zu erfüllen:

- Tragfähigkeit
- Höchstgeschwindigkeit
- Pannenresistenz
So ein Reifen ist in seinem mechanischen Aufbau, der chemischen Zusammensetzung und dem Fertigungsverfahren ein unerhört komplexes Gebilde. Schließlich am Automobil verbaut ist er die einzige "Feder" am Gesamtobjekt Auto mit vielen Kraftrichtungen. Alle anderen arbeiten in nur einer Kraftrichtung. Der Reifen jedoch tangential (Gürtel), vertikal (Radlast) und axial.

Um ein gleichmäßiges, reproduzierbares Ergebnis zu bekommen, dürfen die vielfältigen Ausgangsprodukte eines Reifens in ihrer Beschaffenheit keine Abweichungen aufweisen. Bereits geringste Streuungen führen zu nicht vorhersehbaren Schwankungen in den Eigenschaften. Ebenso werden höchste Anforderungen an den Fertigungsprozess selbst gestellt. Alle Parameter, wie Druck, Temperatur, Dauer der Verarbeitungsschritte müssen penibel eingehalten werden.

Trotz aufwendigster Rechenverfahren und Simulationstechniken ist man noch nicht in der Lage, die gewünschten Eigenschaften zu hundert Prozent im Voraus zu bestimmen. Für die letzten Feinheiten benötigt man immer noch Experten mit einer langjährigen Erfahrung im Umgang mit der „schwarzen Magie“.
Werfen wir einmalt einen Blick auf die Evolution des Reifens von den 60er Jahren bis heute. Die wohl größte Veränderung im Laufe von 40 Jahren betrifft das Breitenwachstum. Das Querschnittsverhältnis wandelte sich vom Ballonreifen zum extremen Niederquerschnittstyp.

Das Wachstum in die Breite wurde erst ermöglicht durch den Übergang vom Diagonal- zum Radial- oder Gürtelreifen. Bei letzterem - als Gürtelreifen für einen Personenkraftwagen -  besteht die Karkasse, das tragende Gerüst, aus einem
textilen Teil,  der aus mehreren Lagen besteht, die in einem Winkel von ca. 80° verlaufen, während der "Gürtel" aus mindestens zwei Lagen Stahlkord gefertigt, im Winkel von ca. 25° zueinander arbeitet. (Die Winkelangaben beziehen sich immer auf die Laufrichtung des Reifens, also auf  0°)

Dieser Hang zur Breite hat natürlich Gründe. So verkleinert sich der (so genannte) „Schwimmwinkel“, verbessern sich Lenkpräzision und Agilität und das Über- oder Untersteuern wird reduziert. Außerdem werden so weichere Gummimischungen möglich, über die sich auch Kurvengeschwindigkeiten und Bremswege verbessern.
Die Auswirkungen des Querschnittsverhältnisses auf die Fahrdynamik unterzog auto motor und sport einem ausführlichen Test in der Ausgabe 25/2009 an einem Audi TT. Der Vergleichstest liefert ein eindeutiges Ergebnis: Je größer das Querschnittsverhältnis, desto besser die Straßenlage.

So könnte man die reinen Zahlenwerte interpretieren. Aber bitte nicht vergessen: Je größer Felgendurchmesser und Querschnittsverhältnis sind, desto kompromissloser sind die Reifen auf Sportlichkeit getrimmt – unter Vernachlässigung vieler anderer Kriterien. Das betrifft Steifigkeit, Gummimischung und Profil. Es liegt also nicht nur an der Geometrie allein.

Für einen relativ kleinen Gewinn an Fahrdynamik verschlechtert sich signifikant der Komfort, und - lt. Aussage von ams - verstärkt der größere Reifen auch noch die ohnehin schon deutlich vorhandenen Lastwechselreaktionen. Unter den negativen Eindrücken des 19“-Rades und in Anbetracht der immensen Mehrkosten (!) rät sogar „ams“ von dieser Bereifung ab.

Ein guter Rat, denn der Normalfahrer kann sehr wohl den Komfortunterschied wahrnehmen, und zwar tagtäglich und bei jeder Gelegenheit. Ein auf der Rennstrecke erzeugter fahrdynamischer Gewinn von 0,7 s bzw. 1 % lässt sich auf öffentlichen Straßen nicht realisieren – zumindest nicht ohne Inkaufnahme von hohen Sicherheitsrisiken und Übertretung der Straßenverkehrsordnung.

Sogar der vermeintliche Sicherheitsgewinn relativiert sich in Anbetracht des immer schmaler werdenden Grenzbereichs und der schlechteren Fahrzeugbeherrschbarkeit aufgrund der heftigeren Fahrzeugreaktionen.

Dazu kommen noch die exorbitant hohen Kosten. Auf den ohnehin schon hohen Preis von 2.300 Euro für die 17“ Räder sind noch einmal 1.200 Euro für die 19-Zöller draufzulegen.
Sportliche Automobile orientieren sich gerne am Rennsport. Und welches Fahrzeug möchte nicht als „sportlich“ angesehen werden. Sogar Geländefahrzeuge und Familienlimousinen sind ohne einen kleineren oder größeren Schuss Sportlichkeit scheinbar unverkäuflich. Mit dem Blick auf die Rennsportszene gewinnt man einen guten Eindruck von der Reifenentwicklung auch bei Serienfahrzeugen. Insbesondere der Tourenwagensport übte einen unwiderstehlichen Einfluss auf die Gestaltung der Reifen aus. Die Tendenz zu den extremen Niederquerschnitten nahm dort seinen Anfang. Das Erkennungsmerkmal der „sportlichen“ Tourenwagen in den 60ern und 70ern waren die an die Karosserie angeschraubten, genieteten oder geschweißten Kotflügelverbreiterungen. Sie mussten die breiten (zu breiten?) Reifen abdecken.
Die Formel 1 war einmal nicht nur richtungweisend für den Rennsport allgemein, sondern befruchtete auch die Entwicklung der Serienfahrzeuge. Die Zeiten haben sich geändert. Schuld an der Misere ist das Streben nach Show. Man spricht inzwischen vom „Formel 1 Zirkus“. Bernie Ecclestone und seine technischen „Berater“ verstehen es meisterhaft, die Formel 1 und ihre Beteiligten zu disziplinieren. Penibel wird darauf geachtet, dass kein Team sich einen technologischen Vorsprung erarbeiten kann. Das Reglement erstickt jeden technischen Fortschritt im Keim. Die technischen Vorschriften erstrecken sich vom Motor über das Fahrwerk und die Karosserie bis hin zu den Reifen. Dieses Vorgehen reduziert die Formel 1 praktisch zu einem Markenpokal.

Besonders krass betreiben es die Tugendwächter der Formel 1 auf dem Reifensektor. Die krankhafte Gängelei schlägt hier um ins Lächerliche. Nicht nur, dass mittlerweile Einheitsreifen vorgeschrieben sind, die alle vom selben Hersteller kommen. Den Gipfel der Absurdität stellt der Zwang zum Reifenwechsel dar. Ein Satz Reifen darf nicht mehr einen ganzen Grand Prix lang am Fahrzeug verbleiben, sondern muss zwangsweise gegen einen anderen Typ ausgetauscht werden – ein Satz harte Reifen gegen weiche und umgekehrt. Wie diese idiotische Vorschrift die Kosten senken und die Spannung erhöhen soll bleibt ein Rätsel. Die Teams müssen ihre Fahrzeuge auf zwei unterschiedliche Reifentypen abstimmen, was den Aufwand beträchtlich erhöht, und Glück und Zufall Tür und Tor öffnet. Der Fachausdruck für diesen Unsinn heißt „Reifenpoker“, der natürlich die Unfallgefahr erhöht.

Für 2011 wurde der „Irrsinn“ noch einmal getoppt: Die in der Saison 2011 verwendeten Pirelli-Reifen halten nicht einmal die halbe Distanz. Mindestens zwei Reifenwechsel pro Rennen sind damit zu erwarten. Das heißt: Über eine Grand Prix Distanz verbraucht ein Formel 1 Fahrzeug zusätzlich zu um 240 Litern Kraftstoff auch noch 12 Reifen. Auf 100 Kilometer umgerechnet sind das 80 Liter und vier Reifen. - Ein vorbildlicher Umgang mit Ressourcen sieht anders aus.
Betrachtet man die Formel 1 Reifen näher, sticht sofort der ballonartige Reifenquerschnitt ins Auge. Ursächlich ist die aus den 70er Jahren stammende Limitierung des Felgendurchmessers auf antiquarische 13“. Dieses Korsett lässt den Reifenentwicklern natürlich keinerlei Spielraum. Ab 2013 sollen die Felgengrößen bis zu 18“ wachsen dürfen, wird gemunkelt. 

Wie könnte man die Reifenentwicklung der Formel 1 so beeinflussen, dass sie wieder brauchbare Hinweise für die Serienentwicklung liefert? Im Wesentlichen sind es vier Elemente, die den Normalverbraucher interessieren:

- Haftvermögen,
- Verschleißverhalten (Laufleistung),
- Rollwiderstand (CO2-Einfluss)
- und Pannensicherheit.

Das Reglement muss so formuliert werden, dass alle vier Aspekte für den Gewinn eines Grand Prix mit ausschlaggebend werden.

Was die Laufleistung anbetrifft kann man einen Reifenwechsel natürlich nicht verbieten. Aber man kann ihn durch eine definierte Standzeit beim Boxenstopp von beispielsweise 1 Minute erheblich erschweren. Oder durch die Auflage, dass nur noch ein einziger Mechaniker alle vier Räder wechseln darf. Nur derjenige hat dann noch eine Siegchance, dessen Reifen einen ganzen Grand Prix problemlos durchhalten. Und über die Distanz den Grip nicht verlieren.

Das gilt auch für die Empfindlichkeit gegenüber Eindringen von Fremdkörpern. Bei jeder noch so kleinen Feindberührung ist die Rennstrecke übersät mit den gefürchteten Carbonsplittern, und es kommt zum Wettbewerb verzerrenden Einsatz des Safety Cars. Diese irregulären Bedingungen würden sich bei robusten Reifen – wie sie auch bei Serienwagen erwünscht sind - erübrigen.

Um die Reifen unbeschädigt über eine volle Grand Prix Distanz zu bringen muss der Fahrer einfühlsam damit umgehen. Das ergibt gleichzeitig eine Kraftstoff sparende Fahrweise, die für den Sieg wichtig ist, weil man so das Nachtanken vermeiden kann, das inzwischen auch verboten ist. Dafür sind die Tankkapazitäten gewachsen.

Bei einem effizienten Gesamtpaket spielen auch Luft-und Rollwiderstände der Reifen eine Rolle und der Fokus der Reifenentwicklung richtet sich dann ganz zwangsläufig auch auf diese Aspekte. Voraussetzung ist, die Reifendimensionen werden freigegeben und mehrere Hersteller treten in Konkurrenz zueinander.
Leider sind andere Rennserien nicht in der Lage, die Lücke die die Formel 1 als „Entwicklungshelfer“ darstellt,  zu füllen. In besonderem Maße gilt das für die DTM, wo ebenfalls alles genauestens vorgeschrieben ist und bei  der die Wettbewerbsfahrzeuge mit den Serienfahrzeugen außer den Markennamen rein gar nichts zu tun haben. Auch hier handelt es sich um einen verkappten „Markenpokal“ mit spezifizierten Reifengrößen, allerdings in den „modernen“ Dimensionen 265/660 R 18 vorne und 285/660 R 18 hinten. Nicht umsonst behauptet Norbert Haug, ein von der Öffentlichkeit als bedeutend empfundener Repräsentant der modernen Automobilindustrie: „Die DTM ist die Formel 1 mit Dach.“ - Dem kann man nur anfügen: „Leider, leider!“
An den begeisternden Tourenwagen Rennsport der 60er und 70er Jahre können diese Einheitsfahrzeuge nicht anknüpfen. Sie sind von der Serie zu weit entfernt, als dass sich der Besitzer eines Audi, BMW – ab 2012 neu mit sechs Fahrzeugen dabei - oder Mercedes damit identifizieren könnte. Ebenso wie in der Formel 1 wird hier aus Reglementierungswut eine Riesenchance vertan. Haben wir nicht Markenpokale genug?
Bei der geschichtlichen Betrachtung der Reifendimensionen kann man auf verschiedene Art und Weise vorgehen. Entweder man verfolgt die Historie anhand eines einzigen Modells, das seit den 60ern kontinuierlich gebaut und weiterentwickelt wurde. Oder man vergleicht ein Modell aus den 60ern mit einem leistungsgleichen Modell aus den 10er-Jahren des neuen Jahrtausends. Lassen Sie uns einmal anders beginnen:
Der Golf GTI, als er 1976 erschien, war mit einem 175er-Reifen serienmäßig ausgerüstet. Und man neigte dazu, „in die Breite zu gehen“. - Aber wie „breit“ war richtig? - Was war zu breit? - Ich erinnere mich gut an Versuche auf der Nürburgring-Nordschleife, auf der das einmal in der Praxis getestet wurde. Wenn „breit“ gut war, musste man mit „breit“ auch schneller sein. Also wurde der damals noch neue Golf GTI mit dem Serienreifen, einem 175er um die Nordschleife getrieben. Dann wurde das Fahrzeug umbereift: Es wurde rundum mit 195er-Reifen bestückt.

Wieder wurde Runde um Runde gedreht. Es gab kein Vertun: Mit dem 195er-Reifen auf dem GTI war man schneller unterwegs. Also gab es wohl mehr Grip bei der Kurvendurchfahrt, beim Herausbeschleunigen, beim Bremsen. - Gut!

Also jetzt noch breiter: 205er Reifen wurden versucht und – die Rundenzeiten wurden langsamer. - ??? - Offensichtlich erhöhte sich nicht nur der Rollwiderstand, sondern auch die Aerodynamik verschlechterte sich. Was wusste man damals schon davon, welche „Strömungsbremse“ ein Reifen in einem Radkasten sein kann. - Aber man musste hier nichts wissen, man konnte es messen: Mit einem 205er Breitreifen war man – auf dem gleichen Fahrzeug (!) - langsamer, als mit einem 195er-Reifen. - Eine Bestätigung des alten Sprichwortes: Allzuviel ist ungesund.
Vergleicht man die Fahrzeugdaten von einzelnen Modellreihen der unterschiedlichsten Fabrikate über die Produktionsjahre, so muss man ein Größenwachstum bei den Fahrzeugen registrieren, das natürlich auch für einen Zuwachs an Gewicht sorgte. Das wurde durch Leistungserhöhungen ausgeglichen, was – auch der Optik wegen – andere, größere Reifenquerschnitte verlangte. Aber war das der so oft und gern zitierte automobile Fortschritt?

Wenn z.B. ein BMW Kunde damals wie heute mit 150 kW zufrieden ist und die Leistungseskalation  nicht mitmachen möchte, musste er über die Jahre Schritt für Schritt zu immer kleineren Modellen ausweichen, bis er schließlich in der kleinsten Baureihe angelangt ist.

Man kann sich leicht vorstellen, wieviel „Freude“ ihm dieser kontinuierliche Rückschritt bereitet. Noch weniger Freude würde ihm aber das Mitmachen bei der Hochrüstung bis zum BMW 550i bereiten. Denn das wäre ein gänzlich anderes Fahrzeug mit einer völlig anderen Philosophie und Zielgruppe.

Aber was kommt unten herum als Nächstes? Der Kunde ist also beim 1er BMW angekommen. Kommt nun die BMW Nuller-Serie?
Nur soviel, als das Größenwachstum der Fahrzeuge zu einem nicht geringen Teil auf dem Breitenwachstum der Räder und Reifen beruht. Dafür auch ein Beispiel aus dem Premium-Bereich: Alpina B5 Biturbo. Das Alpina Fahrzeug ist ein optisch und technisch aufgewerteter und leistungsgesteigerter BMW 550i. - Der bessere BMW?
Das Breitenwachstum der Vorderräder stößt mittlerweile an seine Grenzen. Die breiten „Schlappen“ sind einfach im Radhaus nicht mehr unterzubringen, wenn der Wendekreis noch einigermaßen akzeptabel sein soll. Das sportlich orientierte Modellderivat weicht deshalb auf eine Mischbereifung aus, sofern es sich um ein heckgetriebenes Fahrzeug mit ausgewogener Achslastverteilung handelt. Beim Alpina B5 Biturbo ist das der Fall.

Kopflastigen Fronttrieblern steht diese Option nicht ohne weiteres zur Verfügung. Sie müssten den breiteren Reifen an der Vorderachse aufziehen, was vereinzelt sogar schon gemacht wird. Zum Beispiel besitzt der Audi RS3 Modelljahr 2011 an der Vorderachse die Dimension 235/35 R 19, hinten 225/35 R 19.
Mit dem Auftreten von leistungsstarken SUV´s auf deutschen Straßen wurde ein neues Kapitel in den Reifendimensionen aufgeschlagen. Ab sofort genügt Breite allein nicht mehr, es muss auch ein möglichst großer Felgendurchmesser damit einhergehen. Der folgende Vergleich zeigt anschaulich, bis zu welchen aberwitzigen Größenordnungen sich die „Gelände“-Reifen bereits entwickelten. Das entgegengesetzte Ende der Skala markiert der Reifen des Fiat Panda.

Wir haben hier – um nicht die Geschichte ins uferlose wachsen zu lassen – (wie Sie sicher auch schon bemerkt haben) mögliche Foto- oder Tabellen-Dokumentationen fehlen lassen. Aber auch so – erinnern Sie sich einfach mal an die genannten Modelle – müsste Sie dieser Größenvergleich schocken, da er die Tragik des modernen Automobilbaus veranschaulicht. Die ständige Hochrüstung von Leistung und Größe führte zu einer riesigen, geradezu perversen Differenz zwischen den größten und den kleinsten Fahrzeugen. Wobei auch ein Fiat Panda über alles verfügt, was ein modernes Automobil braucht, sogar über vier Türen und vier Sitzplätze. Nur ein entscheidendes Element fehlt ihm: Prestige. Bekanntlich ist der Mensch bereit, dafür mehr Geld auszugeben als für vieles andere. Darum setzen andere Firmen auf Premium, versuchen durch entsprechende Aktionen (auch z.B. Motorsport) ein Image zu erzeugen, dass ihr Produkt aus der Masse der anderen Anbeiter heraus hebt. Auch optisch. Zum Beispiel über große, breite Räder und Reifen.
Da wäre zunächst der „Fetisch“ Bremsweg: Bremswegmessungen erfreuen sich bei bei der automobilen Fachpresse steigender Beliebtheit. Sie liefern objektive Zahlenwerte und der Tester ist somit nicht auf sein eigenes, subjektives Urteilsvermögen angewiesen. Zahlen lügen nicht. Sagt man.

Aus diesem Grund erweiterte z.B. „ams“ vor einigen Jahren die Zahl der Bremsmanöver ganz erheblich. Insgesamt 50 Punkte kann ein Fahrzeug mit optimalen Bremsleistungen nach „ams“- Definition erzielen. Diese Vorgehensweise täuscht Objektivität aber nur vor, denn die Subjektivität wird lediglich von der Fahrzeugbeurteilung auf die Auswahl der Testkriterien und deren Gewichtung verschoben.

Von Churchill stammt der bekannte Ausspruch: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ Fälschung ist hier in den meisten Fällen gar nicht erforderlich. Die richtige Auswahl der Kriterien und deren Gewichtung führen ebenfalls zum angestrebten Ergebnis. Die Bremswegmessungen liefern den besten Beweis für diese These.
Zum Erzielen einer möglichst guten Bodenhaftung in den entscheidenden Manövern werden die Reifen sorgfältig ausgesucht und vorbereitet. Erst einmal werden sie auf dem Prüfstand vorsortiert. Rundlauf, Fertigungsgenauigkeit und andere Kriterien spielen dabei eine Rolle. Bevor sie mit dem Fahrzeug Bekanntschaft machen, werden sie in der Profiltiefe auf das gerade noch akzeptable Mindestmaß reduziert. (Ich habe dazu vor Jahren schon einmal zum Thema „Testwagenvorbereitung“ etwas geschrieben)

Denn wie jeder am Rennsport interessierte Laie weiß, verhält sich die Bodenhaftung umgekehrt proportional zur Profiltiefe. Anschließend werden die Reifen einem ausgeklügelten Einlauf- und Einbremsprozess unterzogen, bevor sie schließlich mit dem Zielfahrzeug Bekanntschaft machen. Jetzt erst sind sie bereit, zum eigentlichen Event anzutreten und werden nun den Testern zugeführt.

So ähnlich präpariert die Formel 1 ihre Reifen vor dem Rennen. Die Rede ist hier aber nicht vom Rennsport, sondern von den Reifen für Testfahrzeuge. Das sind jene Fahrzeuge, die die Automobilhersteller den Testern kostenlos zur Verfügung stellen. Zugegeben, der Vergleich zur Formel 1 hinkt. Denn in der Formel 1 gibt es nur einen Hersteller und eine Größe. Das vereinfacht die Prozedur. Bei den Testfahrzeugen dagegen müssen die Autobauer aus der Palette der freigegebenen Reifenhersteller erst einmal denjenigen auswählen, der im Moment gerade die besten fahrdynamischen Eigenschaften aufweist. Außerdem kommt es darauf an, den breitesten zulässigen Reifen zu nehmen, auch wenn dieser nur als Sonderausstattung verfügbar ist.

Ich habe schon erlebt, dass ich einen Testwagen mit der sehr guten (weil harmonisch dazu passenden) Reifenausstattung eines bestimmten Herstellers erhielt, der in umfangreichen Versuchen auf der Nürburgring-Nordschleife diesen Reifen als den besten für das entsprechende Modell herausgefunden hatte. Nur: Dieser Reifen wurde in der Serie gar nicht verbaut, war gar nicht lieferbar. - ??? - Der Abteilung Einkauf war dieser Reifen zu teuer! - Was aber die Presseabteilung nicht hinderte, die Testwagen für die Presse mit diesem Fabrikat auszustatten. - Das nur als (hoffentlich) Extrembeispiel.

Cosí fan tutti - so machen es alle, und wer nicht mitmacht, wird gnadenlos in Vergleichstests mit schlechten Noten abqualifiziert. So entbrennt bei den Reifenherstellern ein gnadenloser Kampf um die beste Bodenhaftung und die besten Handlingeigenschaften. Denn diese Kriterien entscheiden, ob sie bei den Automobilherstellern als Lieferant in Frage kommen. Und wie so oft, hat mal dieser mal jener die Nase vorn. Einmal ist es Pirelli, dann wieder sind es Dunlop, Michelin, Bridgestone oder andere, die in der „Szene“ als die „Besten“ gehandelt werden. - Natürlich muss auch – s. Beispiel oben – der Preis stimmen!

Die Folgen für die Reifenentwicklung sind absehbar. Eine steife Karkasse, eine weiche Gummimischung der Lauffläche, eine geringe Profiltiefe und wenig Profilaussparungen, das sind schon einmal wichtige Grundvoraussetzungen für ein gutes Abschneiden in den fahrdynamischen Untersuchungen. Zu diesen zählen die verschiedenen Ausweichtests, der Slalom und der Handlingkurs in Hockenheim. Und nicht zu vergessen, die Bremswegmessungen.
Bremswege sind Reifensache! Je breiter und größer der Reifen, desto kürzer der Bremsweg. Mit diesem simplen Wissen kann man den Ausgang von Bremsweg-Vergleichsmessungen zweier oder mehrer Fahrzeugmodelle mit großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Schauen Sie selbst mal in die Ergebnisse von Vergleichstests. (Hinweis: Im „Testjahrbuch“ von „ams“ gibt es z.B. einen Vergleich zwischen Opel Astra und VW Golf.)
Spielen denn die Bremsen und das Bremsregelsystem ABS bei den Bremswegmessungen überhaupt keine Rolle? Doch, natürlich! Die Bremsen selbst müssen ausreichend dimensioniert sein, um den Kraftschluss der Reifen optimal auszunutzen, und um bei thermischer Belastung nicht in das Fading zu geraten. Und das Anti-Blockier-System soll einerseits möglichst wenig Bremsweg verschenken, andererseits bei µ-split-Bremsungen und in der Kurve eine gute Bremsstabilität gewährleisten.

Für die Erfüllung der ersten Forderung nach einer mehr als ausreichenden Dimensionierung der Bremsanlagen sorgte ams in der Vergangenheit durch regelmäßige Bremsenvergleichstests. Die Palette der Tests ergänzen sie bei diesen Gelegenheiten um einige Prozeduren, die die Bremsen leistungsmäßig bis an die Grenzen belasten. Bei den Standardmanövern der Fahrzeugtests ist das in der Regel nicht mehr der Fall, dazu sind die Bremsen zu großzügig dimensioniert.

Zu Hilfe kommt der Autoindustrie die Tendenz zu immer größeren Felgendurchmessern, und dies sogar in zweierlei Hinsicht. Zum Einen vergrößert sich mit dem Felgendurchmesser der Einbauraum der Bremsen. Ein größerer Bremsscheibendurchmesser bedeutet aber einen größeren wirksamen Hebelarm der Bremsbacken. Der zweite Effekt ist eine bessere Bremsenkühlung durch eben diese größeren Bremsscheiben und durch eine bessere Luftdurchströmung der großen Felgen.
Vergleicht man die Bremsanlagen unterschiedlicher Fahrzeuge aus dem gleichen Segment, stellt man eine weitgehende Übereinstimmung aller Bauteile fest. (Wie man überhaupt feststellen kann, dass sich die Fahrzeuge immer mehr ähneln.) Dies liegt z. T. daran, dass sich die anbietende Bremsenindustrie auf einige wenige Hersteller beschränkt, die am liebsten identische Komponenten in Golf, Astra, Focus usw. einbauen würden. Eine von den Kosten gesteuerte Tendenz, die sich an vielen Stellen im Fahrzeug wiederfindet, nicht nur bei den Bremsen.

Weitere Treiber dieser Vereinheitlichungstendenz sind die Fahrzeughersteller, die bei den Komponenten ihrer Autos aus Wettbewerbsgründen gerne mehrere Lieferanten vorhalten, die sie dann gegeneinander ausspielen können. Dazu dürfen sich die Bauteile und Systeme nur marginal voneinander unterscheiden.

Das Paradebeispiel für diesen Sachverhalt ist das ABS/ESP-System. Auf dem Weltmarkt sind nur eine Handvoll Hersteller die in der Lage, ein solches System anzubieten. Dazu gehören z.B. Bosch und Conti (vormals Teves). Im Laufe der Jahre wurden sich die Systeme nicht nur in ihren Grundfunktionen sondern auch äußerlich zum Verwechseln ähnlich.
Ein kurzer Ausflug in die Bremsen-und ESP-Technik soll verdeutlichen, dass die Unterschiede im Bremsweg nicht von den reinen Hardware-Komponenten der Bremsanlage herrühren. Zwar  können noch kleinere Differenzen aus unterschiedlichen Prioritäten bei der Abstimmung des ABS/ESP-Systems resultieren. Der eine Hersteller legt vielleicht mehr Wert auf Bremsweg, der andere auf Bremsstabilität. Aber ebenso wie bei der Hardware sind auch bei der Betriebssoftware die Unterschiede nur noch marginal.

Keinesfalls darf man einen weiteren möglichen Einfluss unterschlagen. Es handelt sich um das Fahrzeug selbst. Je länger der Radstand, je tiefer der Schwerpunkt und je gleichmäßiger die Achslastverteilung, desto einfacher wird die Bremsenauslegung. Und desto kürzer kann der Bremsweg unter allen Betriebsbedingungen ausfallen, z.B. beim Bremsen in der Kurve oder auf µ-split. Fahrzeuge mit geringer Eigenstabilität wie der Smart oder die SUV´s sind hier definitiv im Nachteil.
Vorder- und Hinterachse sind bei den jeweiligen Serienprodukten nicht immer gleich (50 : 50) belastet. Selbst bei einer grundsätzlich optimalen Gewichtsverteilung verändert sich die beim Bremsen durch die dann auftretende dynamische Achslastverlagerung so, dass die Hinterachse weniger Bremskräfte übertragen kann, weil sie entlastet ist. Das wird noch deutlicher, wenn man Automobile in Bergab-Passagen optimal abzubremsen versucht. In einer Serienabstimmung gehen hier die Ingenieure kein Risiko ein, dass heißt, dass der Hinterachse immer weniger Bremskraft zugesteuert wird, als sie vertragen kann. Erhält sie nämlich unter bestimmten Umständen zuviel, so sind unkontrollierte Dreher vorprogrammiert, die von den Fahrzeuglenkern nicht beherrscht werden können. Andererseits erklärt sich so z.B. das hervorragende Bremsvermögen eines hecklastigen Porsche 911, weil hier immer noch in kritischen Bremspassagen an der Hinterachse der zum Bremsen notwendige Bodenkontakt vorhanden ist. - Es ist also beim Bremsen Grip gefragt. Auch an der Hinterachse.
Wenn nun alle maßgeblichen Bremsen-und Fahrzeugeinflüsse auf den Bremsweg ausgeschlossen sind, bleibt nur noch der Reifen als bestimmendes Element übrig. Und von den Reifenparametern wiederum sind im wesentlichen Gummimischung und Aufstandsfläche für den Bremsweg verantwortlich. Daraus erklärt sich z. T. die Tendenz zum Durchmesser-und Breitenwachstum der Reifen. Denn mit diesen beiden Größen korreliert die Aufstandsfläche. Gleichzeitig nehmen auch Flächeninhalt der Lauffläche und Verschleißvolumen zu, was die Möglichkeit eröffnet, eine weichere und damit haftfähigere Gummimischung einzusetzen. In Summe ergeben sich also enorme Bremswegvorteile für Breitreifen mit großem Durchmesser – aber nur unter idealen Bedingungen, wie wir versuchen werden zu verdeutlichen.
Wer schon einmal eine Formel 1 Übertragung auf RTL über sich ergehen ließ, weiß über die Reifenproblematik Bescheid. Die beiden hinreichend bekannten Kommentatoren werden nicht müde, immer wieder die Reifenproblematik breitzutreten.  Im Prinzip geht es immer um das Gleiche. Die Reifen funktionieren nur in einem bestimmten, engen Temperaturfenster. Deshalb warten die Reifen mit Heizdecken schön eingepackt und vorgewärmt auf ihren Einsatz, damit sie der Pilot nach dem Reifenwechsel nicht erst langwierig auf Betriebstemperatur bringen muss. Aber der Fahrer muss aufpassen, die Reifen im Eifer des Gefechts nicht zu überhitzen, denn sonst bauen sie rapide an Haftvermögen ab. Es entstehen dann die gefürchteten „Körner“, das sind kleine Gummiklumpen, die sich von der Lauffläche lösen, und auf denen der Reifen wie auf Kugellagern anfängt zu rutschen. Was die möglichen Beschleunigungen weiter verringert.
Der größte Unterschied tritt beim Test bei Serien-Automobilen bei der „Bremsung warm“ auf. Um einmal den Vergleich Golf/Astra (s. Hinweis aufs „Testjahrbuch) zu nutzen: Der Bremsweg beim VW Golf verlängert sich erwartungsgemäß, was die Interpreten bei „ams“ auf die nachlassende Bremswirkung schieben. Eine Bremse erwärmt sich durch wiederholtes scharfes Abbremsen und verliert dann durch das sogenannte Fading an Wirkung, so steht es in jedem Lehrbuch für Bremsen.

Aber was passiert beim Opel Astra? Paradoxerweise verkürzt sich hier der Bremsweg um fast einen halben Meter. An dieser Stelle sollte sogar den Testern von „ams“ klar geworden sein, dass diese Veränderungen nichts mit der Hardware „Bremse“ zu tun haben kann: In beiden Fällen resultiert der Unterschied aus den Reifen:

Ähnlich wie Rennreifen erreichen Breitreifen ihre maximale Bodenhaftung in einem ganz bestimmten Temperaturbereich. Eigentlich gilt diese Behauptung für alle Reifen, nur ist bei normalen Reifen das Fenster relativ breit und zu niedrigen Temperaturen hin verschoben. Je breiter der Reifen, desto schmaler wird das Temperaturfenster, und desto höher liegt die Temperatur der besten Haftwirkung.

Angenommen, die Reifentemperatur bei der ersten Bremsung liegt in beiden Fällen bei 20°C. Bei der zehnten Messung liegt Opel bei 70°C. VW liegt dann bei 80°C, weil sich der schmalere Reifen stärker erwärmt.

Wir wollen hier auf weitere Details verzichten, sondern als Ergebnis unserer Beurteilung festhalten: Freispruch für die Bremsen des VW Golf. Die Verantwortung für die Bremswege liegt eindeutig bei den Reifen.
Nicht nur im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich herrscht in Deutschland derzeit ein recht frostiges Klima. Während sieben Monaten des Jahres liegen in Deutschland die Durchschnittstemperaturen unterhalb 10°C. Nur selten steigen die maximalen Temperaturen über 20°C an, die Durchschnittstemperaturen erreichen nicht einmal im Hochsommer die 20°C- Marke.

Daraus kann man ableiten, mit welcher Wahrscheinlichkeit Vollbremsungen bei diesen Temperaturen stattfinden werden. Ca. 80 Prozent aller Bremsungen ereignen sich bei Außentemperaturen unter 15°C. Für unter 10°C sind es immerhin noch ca. 50 Prozent. In der Gewissheit, dass in mindestens 95 Prozent aller Fälle die Außentemperatur identisch mit der Reifentemperatur ist, können diese Werte unverändert für die Bremswegmessungen übernommen werden. Anders ausgedrückt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent findet eine Bremsung, bei der es auf jeden Zentimeter Bremsweg ankommt, bei Reifentemperaturen oberhalb von 15°C statt, oberhalb 10°C sind es 50 Prozent.
Wesentlich kritischer sieht die Lage aus bei noch tieferen Temperaturen. Bereits bei 0°C ist der Breitreifen dem Normalreifen hoffnungslos unterlegen. Bei Minusgraden hat selbst der Normalreifen schon Einbußen zu verzeichnen, das Haft(un)vermögen des Breitreifens wird geradezu kriminell. Fahrzeuge mit diesen Reifen werden zur potentiellen Bedrohung aller Verkehrsteilnehmer, sie selbst mit eingeschlossen. Durch die Breitreifenbrille betrachtet erweist sich die Forderung nach Winterreifen als absolut sinnvoll und richtig.
Zur Ehrenrettung der Fachpresse (und von „ams“) muss man feststellen, dass sich die Bremswegmessungen nicht nur auf Fahrzeugvergleiche beschränken. Jedes halbe Jahr werden aufwendige Versuche unternommen, den besten Sommer-bzw. Winterreifen zu ermitteln. Zu diesen Vergleichen treten jeweils zehn verschiedene Fabrikate einer bestimmten Reifengröße gegeneinander an, montiert auf jeweils ein-und demselben Fahrzeug. Der jüngste Winterreifentest im Oktober 2010 (z.B. von „ams“) beinhaltete insgesamt 15 Testkriterien, vier davon auf Schnee und jeweils fünf auf nassem und trockenem Asphalt. Bei diesen Tests geht „ams“ selbstverständlich davon aus, dass das jeweilige Fahrzeug in der Lage ist, den Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn maximal auszunutzen.

Interessant ist der Vergleich des Winterreifen-Tests mit dem Test von Sommerreifen des Typs Breitreifen, der im Mai 2010 (ebenfalls von „ams“) ebenfalls an 10 Fabrikaten durchgeführt wurde.

Wir möchten da nur auf die prinzipiellen Unterschiede hinweisen: Es gibt einen deutlichen Unterschied beim Bremsweg auf trockener Straße. Mit den „schmalen“ Winterreifen verlängert sich der Bremsweg aus 100 km/h um etwa 10 Prozent. Bei den Sommerreifen ist eine größere Streuung zu registrieren, die von einem „positiven Ausreißer“ (mit 36,4 Metern) herrührt.

Gänzlich anders sieht die Lage bei nasser Straße aus. Der Vorteil der Breitreifen beträgt im Mittel nur noch 1 Meter. Und das auch nur, weil auch hier wieder ein positiver Ausreißer den Mittelwert verbessert, während ein negativer Ausreißer bei den Winterreifen deren Mittelwert verschlechtert. Jedenfalls ist der beste Winterreifen deutlich besser als der schlechteste Sommerreifen.

Haben Sie einen Reifenvergleichstest auch einmal aus diesem Blickwinkel betrachtet? Meist erschöpft sich die Wahrnehmung des normalen Lesers im Vergleich von absoluten Zahlen. (Weshalb es – auch das ist eine Erklärung – in dieser Geschichte keine Tabellen und Diagramme gibt. Aber auch – ganz ehrlich – um die Geschichte nicht ausufern zu lassen.)
Diese Betrachtung vermittelt eine Ahnung davon, wie aufwendig die Tests gestaltet sein müssen, um allen Probanden die gleichen Voraussetzungen zu gewährleisten. Oder muss man nicht vielmehr im Konjunktiv bleiben? - Denn die Normalität ist: Absolut identische Rahmenbedingungen lassen sich beim besten Willen nicht erzeugen.

Das beginnt bei der Temperatur, und setzt sich fort bei der Luftfeuchtigkeit, der Sonneneinstrahlung und dem Wind. Man kann davon ausgehen, dass sich die Tests über mehrere Tage hinziehen, und sich die Parameter grundlegend ändern. Schon allein ein Bremsversuch am Morgen bietet andere Voraussetzungen als einer am Nachmittag.

Dazu kommt noch das Problem, dass nicht jeder Reifen mit dem Testfahrzeug gleich gut harmoniert. Die Hersteller Audi, BMW und Mercedes sind schon seit langem dazu übergegangen, für ihre Fahrzeuge spezielle Reifen entwickeln zu lassen. Das sind keine gänzlichen Neukonstruktionen, sondern „nur“ modifizierte Standardreifen. Bei den Vergleichstests kommen aber die Standardprodukte zum Einsatz, und nicht die für das Testfahrzeug zugeschnittenen Derivate.
Womit wir eigentlich bei einem weiteren Problem für den normalen Autofahrer und -Nutzer angekommen wären: Obwohl man beim Nachkauf (wenn die Serienbereifung deutliche Verschleißerscheinungen zeigt) dann das gleiche Fabrikat, die gleiche Größe mit der gleichen Bezeichnung kauft, fährt man dann oft mit einer „Mischbereifung“, die das Fahrverhalten evtl. deutlich verändern kann. Obwohl sich die Eigenschaften eines bestimmten Reifens einer bestimmten Marke über die Jahre deutlich verändern können, tragen sie meist die gleiche Bezeichnung, sind aus der Sicht der Autofahrer von gleicher Qualität, haben die gleichen Eigenschaften. - Die haben sie nicht! - So sind dann viele Automobilisten mit einer „Mischbereifung“ unterwegs, ohne es zu wissen. Was die Sicherheit nicht erhöht!
Was für den Bremsweg gilt, gilt gleichermaßen für das Fahrverhalten. Die entsprechenden Tests für die Beurteilung der Straßenlage sind 18m Slalom, ISO-Wedeltest und VDA Ausweichgasse, letztere umgangssprachlich auch „Elchtest“ genannt. In seltenen Fällen, etwa bei Sportwagen (und ähnlichen Fahrzeugen) wird irgendwo noch eine „schnelle Runde“ absolviert.

Als Kriterium für Straßenlage und Sicherheit gilt die Geschwindigkeit, mit der die Testobjekte diese Manöver absolvieren können. Nach der Maßgabe, je schneller, desto besser.

Für die Übungen gibt es eine Gesamtnote von (bleiben wir mal bei „ams“) maximal zehn Punkten. In einem Fall (bleiben wir hier beim Vergleichstest von VW/Opel) erhielten beide Kandidaten neun Punkte, was in Anbetracht der minimalen Unterschiede völlig in Ordnung geht.

Die geringen Differenzen sind als Indiz zu werten, dass die Entwicklungsmannschaften beider Häuser ihr Handwerk verstehen, die Wolfsburger vielleicht eine Spur besser als die Rüsselsheimer. Denn sonst könnte sich der Opel Astra zumindest geringfügige fahrdynamische Vorteile verschaffen. Beiden gelingt es aber, ihre Fahrzeuge möglichst neutral abzustimmen, denn das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein rasches Durcheilen der Pylonengassen, ohne dass das ESP korrigierend und bremsend eingreifen muss.
Anlässlich von Testfahrten in den 80er Jahren mit Jaguar XJ12 und Jaguar Sovereign schwärmten die Automobiltester landauf, landab vom überragenden Komfort, vom geschmeidigen, samtweichen Abrollen selbst auf holperiger Straße, vom sanften Dahingleiten ohne störende Impulse vom Fahrwerk. Völlig zu Recht trägt eines der exklusivsten Modelle den Namen Sovereign.

Das empfanden Marketingexperten aber als nicht zeitgemäß. Deshalb veranlassten sie die Ingenieure mit dem Zeitgeist Schritt zu halten und die Marke in Richtung Sportlichkeit zu trimmen. Angestachelt durch den Erfolg von „sportlichen Marken“ und mit dem Blick auf höhere Stückzahlen verließen sie ihre angestammte Marktnische, und gaben damit ihr kostbares Alleinstellungsmerkmal auf. Sie brachten es fertig, das Markenimage durch ein pseudomodernes Design, eine unübersichtliche Modellvielfalt und ein „sportliches“ Fahrverhalten irreparabel zu beschädigen.
Wichtigster Bestandteil der „Modernisierung“ waren natürlich die Reifen. Unschwer ist auszumachen, wohin die Reise bei den Reifendimensionen führte, nämlich zur gleichen Verneigung vor den extremen Niederquerschnitten wie bei allen anderen Herstellern auch:

Jaguar XJ 12 von 1980:                               205/70 VR 15
Jaguar XJ 5.0 V8 Kompressor von 2010:    245/45 R19 Y

Um den Komfort war es da nicht mehr zum Besten bestellt, denn der Niederquerschnitt federt im Verhältnis zu seinem alten Kameraden sehr schlecht. Er teilt harte, trockene Schläge aus, was auf drei Ursachen zurückzuführen ist.

 - Der Breitreifen besitzt zur Vermeidung von Verformung unter Seitenkräften über äußerst steife Flanken. In Verbindung mit der geringen Flankenhöhe gibt er in vertikaler Richtung kaum noch nach.
 - Die Lauffläche soll auch unter Belastung noch gleichmäßig über die ganze Breite auf der Straße aufliegen, also muss sie sehr steif ausgeführt sein.
 - Zusätzlich sorgt ein hoher Luftdruck dafür, dass das ganze Gebilde sich möglichst wenig unter allen vorkommenden Belastungsrichtungen verformt.

Das alles zusammen verbessert zwar die Handlingeigenschaften, die Lenkpräzision, die Agilität und die möglichen Beschleunigungen. Es vermindert aber ganz dramatisch die Federungs- und Dämpfungseigenschaften des Reifens. Leider besagt der technische Sachverhalt, dass es für den Federungs-und Abrollkomfort umso besser ist, je näher am Entstehungsort die Fahrbahnunebenheiten abgefangen, „geschluckt“ werden. Am allerbesten ist es demnach, wenn der Reifen bereits das Meiste schluckt. Hat die Bodenunebenheit erst einmal das schwere Rad einschließlich der Bremse (ungefederte Masse) in Bewegung versetzt, wird es bedeutend schwieriger, diesen Impuls abzufangen und vom Fahrer fernzuhalten. Diese Aufgabe müssen dann aufwendige Achskonstruktionen und Feder-/Dämpfersysteme zu übernehmen versuchen.
Je breiter der Reifen, desto unkomfortabler das Fahrwerk. Gilt diese Annahme auch für die beiden Kontrahenten Opel Astra und VW Golf, die wir bisher schon mal zum Vergleich herangezogen haben?

Ja, dieser Zusammenhang ist auch hier festzustellen und bestätigt die o.g. Theorie in der Praxis.
Entscheidend für ein sportliches Fahrverhalten mit präzisen Lenkeigenschaften und hohen Querbeschleunigungen ist das Verhalten der Reifen gegenüber der Fahrbahn. Die Aufstandsfläche soll sich unter der Einwirkung von Quer-, Längs-und Vertikalkräften möglichst
wenig verformen, d.h. der Reifen soll immer möglichst großflächig auf der Fahrbahn aufliegen. Was den Reifen selbst anbetrifft, so bieten die Niederquerschnittstypen dafür scheinbar (!!! - wir kommen später noch dazu) die besten Voraussetzungen, da sie in sich wesentlich steifer sind als die Exemplare früherer Jahre.

Extreme Breitreifen stellen aber an das Fahrgestell und die Achsen extrem hohe Anforderungen. Kommt es beim Lenken und Federn nur zu den geringsten Sturzänderungen, liegt der Reifen nicht mehr satt auf der Fahrbahn auf, sondern trägt nur noch (etwas überzeichnet beschrieben) „auf der Kante“. So entsteht ein Zielkonflikt zwischen exakter Radführung und komfortabler, das heißt elastischer Achslagerung.

Ohne in die Tiefen der Theorie über Achskinematik einzusteigen lässt sich vereinfacht sagen, dass eine präzise und gleichzeitig komfortable Radführung mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Denn guter Komfort bedeutet, die harten, trockenen Schläge, die ein unnachgiebiger, schwerer Breitreifen austeilt, möglichst vom Fahrer fernzuhalten. Und das wiederum bedeutet relativ weiche Gummilager, Federn und Dämpfer – alles andere als günstige Voraussetzungen für eine präzise Radführung.
Den Reigen der aufwendigen Achssysteme eröffnete Mercedes 1983 mit dem Serienstart des190er und der sogenannten Raumlenker-Hinterachse, die auch beim neuen Modell (2011) zum Einsatz kommt. Dieses eigentlich kinematisch überbestimmte System funktioniert nur dank ausgeklügelter Anordnung von Lenkern und Gummilagern.

Aber dieses Prinzip der überbestimmten Mehrlenkerachse sollte zur Blaupause für viele zukünftige Systeme werden. Sogar bei BMW lösten ähnliche Konzepte die traditionelle Schräglenkerachse an der Hinterachse  ab. Die zeichnete sich vor allem durch den negativen Sturz aus, der sich bei Beladung oder Tieferlegung noch dramatisch vergrößerte. Jeder, der schon Gelegenheit hatte, hinter einem voll beladenen BMW der 02er Reihe herzufahren, kennt diese Eigenheit.

Mit den damaligen Reifen konnte man dieses Phänomen gerade noch tolerieren, aber mit den Niederquerschnittsreifen war dieses Achsprinzip nicht mehr kompatibel. Die Schräglenkerachse wurde dank der „flachen“ Breitreifen ein Fall fürs Museum. Mit Einführung der flachen Breitreifen hat sich die Industrie selbst ein Problem geschaffen, das auch für die Käufer teuer wurde.
Kein Wunder, dass inzwischen hochkomplexe Achssysteme nach und nach auch in den unteren Fahrzeugklassen Einzug halten. Sogar an den nicht angetriebenen Hinterachsen von Kleinwagen sind sie schon vereinzelt zu beobachten. Das Problem allerFahrzeughersteller ist die enorme Spreizung der Leistung innerhalb einer Modellreihe. Denn die Auslegung des Fahrwerks orientiert sich immer am stärksten Derivat, während die schwächeren Modelle zwangsläufig die gleiche „hochwertige“ Auslegung überflüssigerweise spazierenfahren. So kommt es, dass die stückzahlmäßig bedeutenden „Brot-und Butter-Fahrzeuge“ die Nachteile von ein paar wenigen Hochleistungsmodellen mit sich herumschleppen. - Und kostenmäßig zusätzlich belastet sind!

Beispielsweise reicht die Spannweite der Leistung bei einem typischen Vertreter der Kleinwagenklasse, dem VW Polo, von 60 PS bis 180 PS. Der kleinste Reifen ist ein 175/70 R 14 auf Felgen 5J x 14, der Größte ein 215/50 R 17 auf Felgen 7J x 17.
Nur bei entsprechend üppiger Dimensionierung eignen sich die Achsen für die Breitreifen und die hohe Motorleistung. Das macht sie nicht nur schwer und teuer sondern auch voluminös. Achsen plus Räder beanspruchen wertvollen Einbauraum. Sie tragen auf diese Weise nicht unerheblich zum Wachstum der Fahrzeuge bei. Vor allem das Wachstum in die Breite ist eine unausweichliche Folge der Breitreifentendenz.
Ein weiteres wichtiges Element für eine präzise Radführung ist die Karosserie. Denn was nützen der steifste Reifen und die präziseste Achse, wenn eine weiche Karosserie damit nichts anfangen kann. Nur eine steife Karosserie kann eine exakte Stellung aller Räder bei Kurvenfahrt oder beim Ein-und Ausfedern gewährleisten.

Bei Rennfahrzeugen üblich ist das Versteifung der Federbeindome durch eine Strebe, und/oder gleich der Einbau eine Überrollkäfigs.

Dass solche Versteifungsmaßnahmen spürbare Verbesserungen im Fahrverhalten bedeuten ist schon ein sicheres Anzeichen dafür, dass das Prinzip der selbsttragenden Karosserie hier an seine Grenzen stößt. Da helfen auch keine hochfesten Stähle, wie es häufig die Werbung suggeriert, denn diese verbessern nicht die Steifigkeit, sondern nur die Belastbarkeit in besonders gestressten Zonen. Eine Belastung, die ihren Ursprung im harten Reifen hat, und die sich über die Achsen in die Karosserie fortpflanzt. Eine Verbesserung der Biege-und Torsionssteifigkeit ist nur durch Materialeinsatz oder Vergrößerung der Querschnitte zu erreichen. Beides wirkt sich negativ auf Kosten, Gewicht und Einbauraum aus.

Ein gutes Beispiel dafür, wie verheerend sich harte und schwere Reifen auswirken liefern die Cabrios. Nur mit Karosserieversteifungen von ca. 100 Kilogramm lässt sich das gefürchtete Zittern beim Überfahren von Bodenunebenheiten abstellen und ein brauchbares Fahrverhalten erzeugen. Trotzdem kommt es nur selten an die Qualität einer geschlossenen Karosserie heran. Selbst da können aber Probleme auftreten, wenn die (per Computerberechnung nachweisbar) statische Festigkeit zwar gegeben ist, aber dann dynamisch... - So war – sehr gut mit einer „großen“ Motorisierung zu erfahren – der 1er BMW in seiner Karosse eigentlich bei dynamischer Beanspruchung zu weich. Eigentlich wurde diese „Schwäche“ erst mit der Einführung des Coupés beseitigt.
Eine kleine Unterbrechung der stetigen Aufwärtsspirale von Größe und Gewicht bewirkt das Alu-Spaceframe, allerdings mit der Betonung auf klein und massiv zu Lasten der Kosten.

Wenn Kosten überhaupt keine Rolle spielen, wie z.B. bei Luxussportwägen, nimmt man für die Karosserie bzw. das Monocoque heutzutage ausschließlich Kohlefaser. Die großserientaugliche und bezahlbare Anwendung dieser Technologie schwebt aber noch in weiter Ferne. Die letzten Entwicklungen auf diesem Gebiet von McLaren (z.B. MP4-12C auf http://www.mclarenautomotive.com/de/default.aspx#/p11/explode ) zeigen zwar eine Richtung auf, sind aber noch nicht wirklich großserientauglich.
Jedes Jahr bei Wintereinbruch das gleiche Drama: Nichts geht mehr. Kilometer lange Staus auf den Autobahnen und reihenweise Unfälle auf den Landstraßen. Dabei warnte die Presse bereits im Oktober vor dem Wintereinbruch und empfahl eindringlich „zweimal O“, gleichbedeutend mit Winterreifen von „O“ktober bis „O“stern.

Im Zusammenhang mit der Einführung der Winterreifenpflicht wurden von den Medien viele Autofahrer zu einer Stellungnahme gebeten. Übereinstimmend begrüßten sie die Vorschrift und verurteilten das Fahren mit Sommerreifen auf das schärfste. Alle glaubten, die Probleme bei Wintereinbruch mit Unfällen und Staus seien nur auf die unvernünftigen Fahrer mit Sommerreifen zurückzuführen. Die Presse stieß ins gleiche Horn. Die SZ schreibt am 07.12 2010, also bereits nach Einführung der Winterreifenpflicht: „Trotz der neuen Winterreifenpflicht sind offenbar viele Autofahrer immer noch mit Sommerreifen unterwegs.“ Der Journalist glaubte, dass Hunderte von Unfällen nach Blitzeis allein in Bayern auf die Kappe von Sommerreifenfahrern gehen.

Aber was geschah wirklich? Zugegeben, der Wintereinbruch im Dezember 2010 war der härteste seit langem. Aber auch das Unfallgeschehen sprengte sämtliche Negativrekorde. Deutschlandweit passierten Tausende von Unfällen, nicht wenige mit Todesfolge. Besonders beängstigend war die Feststellung, dass sich offensichtlich die Autofahrer nicht wie in den letzten Jahren an die Verhältnisse gewöhnten. Jeden Tag aufs Neue waren die Zeitungen und Medien voll von Schreckensmeldungen aus dem Straßenverkehr.

Es sieht fast so aus, als hätte die Winterreifenpflicht ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt. Oder um mit Frederic Vester zu sprechen: Unfälle auf Schnee und Eis trotz oder wegen Winterreifen?
Typisch für falsche Bereifung scheint der Unfall des bekannten Sportreporters und Fernsehmoderators Gerd Rubenbauer zu sein: Sommerreifen im Winter. Der Unfall ereignete sich auf der Autobahn Garmisch-München in den frühen Morgenstunden des 27.November 2010, einen Tag vor der Winterreifenpflicht.

Rubenbauer, der als sicherer und routinierter Fahrer gilt, war mit seinem sommerbereiften Audi A6 Allrad auf der von Schneematsch bedeckten Straße gewohnt schnell unterwegs, als der Wagen urplötzlich ins Schleudern geriet, die Mittelleitplanke durchbrach, sich überschlug und auf der Seite zu liegen kam. Rubenbauer konnte sich mit Hilfe der Rettungssanitäter aus dem Wagen befreien und erlitt nur leichte Verletzungen. Der Wagen im Wert von 90.000 € war Totalschaden.

Ein typischer Sommerreifenunfall? - Das kommt ganz auf den Typ des Sommerreifens an. Mit einem Ganzjahresreifen wäre der Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen. Gerd Rubenbauer hatte aber an seinem Audi A6 Allrad Breitreifen montiert, die unter diesen Bedingungen - Eisglätte plus Tieftemperaturen - kaum noch über nennenswerten Kraftschluss verfügen. (Das Fahrzeug war wohl - laut Aufschrift an der Tür - eine Leihgabe von Audi zur Ski-WM 2011 in Garmisch.)

Eine andere Frage, die sich förmlich aufdrängt lautet: Warum fuhr der routinierte Fahrer nicht mit angepasster Geschwindigkeit? Es ist zu vermuten, dass er sich über die wirklichen Verhältnisse nicht im Klaren war. Ein Allradfahrzeug gaukelt dem Fahrer aufgrund seiner
Traktion beim Beschleunigen einen höheren Fahrbahnreibwert vor, als tatsächlich vorhanden ist. Dagegen drehen bei Front-und Heckantrieb frühzeitig die Räder durch. Selbst ESP kann ein leichtes Durchdrehen nicht verhindern. Der Fahrer wird durch das hörbare Eingreifen des Schlupfregelsystems deutlich gewarnt und das bedeutet für ihn, erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Der Fahrer eines Allradfahrzeuges bekommt diesen Warnhinweis entweder gar nicht oder nur in stark abgeschwächter Form vermittelt.
Die zunehmend aggressiver werdende Werbung bewirkt ebenfalls ein trügerisches Sicherheitsgefühl bei Allradfahrern. Die Spots von BMW im österreichischen und schweizerischen Fernsehen erwecken den Eindruck, dass man mit einem Allradsystem auf winterlichen Fahrbahnen genauso schnell und sorglos fahren kann wie auf trockenem Asphalt. Nach dem Motto: Das Allradsystem wird es schon richten. Ein bewusste aber verhängnisvolle Täuschung und Irreführung der Kunden? - Techniker haben wahrscheinlich keinen Einfluss auf den Inhalt von Werbung.
Wäre die Winterreifenvorschrift nur einen Tag früher in Kraft getreten, der Rubenbauer-Unfall wäre höchstwahrscheinlich nicht passiert. Die Vorschrift besagt, dass man bei entsprechenden Straßenzuständen, also bei Schnee-, Eis-, Reifglätte und Schneematsch, nur noch mit M+S gekennzeichneten Reifen unterwegs sein darf. Das können sowohl Ganzjahresreifen sein wie auch „reinrassige“ Winterreifen.
Im Umkehrschluss heißt das, dass bei trockener Straße auch mit Sommerreifen gefahren werden darf. Und hier schlummert ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Denn wie wir gesehen haben baut der extreme Niederquerschnittreifen seinen Reibwert temperaturabhängig ab
und wird umso mehr zum Sicherheitsrisiko, je kälter es ist. Ein Risiko, das den Sicherheitsgewinn dieses Reifentyps bei Normaltemperaturen erheblich übersteigt.

Der typische Wechseltermin auf Winterreifen in Deutschland ist Ende Oktober – Anfang November. Aus der Temperaturverteilung in Deutschland ist ersichtlich, dass bereits im August die Tagesdurchschnittstemperaturen unter 10°C fallen können. Besonders in den Morgenstunden sind sogar noch weit niedrigere Temperaturen möglich. Man kann also davon ausgehen, dass Fahrzeuge mit Sommer-Breitreifen in den Monaten von August bis Mai sehr häufig über schlechtere Bremsenleistungen verfügen als die meisten anderen Verkehrsteilnehmer, die auf "schmalen Rädern" unterwegs sind.

Eingedenk dieser Zusammenhänge müsste an Stelle des Winterreifen-Gebots ein Breitreifen-Verbot in Kraft treten, mindestens für die Monate Oktober bis April. Oder die Breitreifen müssten unter Verzicht auf den letzten Meter Bremsweg bei hohen Reifentemperaturen tieftemperaturtauglicher ausgelegt werden. Oder gleich ganz wintertauglich. Dann würde auch der lästige Wechsel entfallen.
Bei der Einführung des ABS waren die Versicherungen überzeugt, dass die Unfallhäufigkeit der Fahrzeuge mit diesem Sicherheitssystem deutlich zurückgehen würde. Sie gewährten dafür einen Rabatt, um auf diese Weise die Verbreitung des Systems zu unterstützen. ABS war damals eine seltene und teuere Sonderausstattung. Es dauerte nur ein Jahr, nämlich bis zum Vorliegen der Unfallstatistiken, dann wurde dieser Rabatt schleunigst wieder abgeschafft. Denn wie sich herausstellte, waren diese Fahrer überdurchschnittlich oft in Unfälle verwickelt. Der vermeintliche Sicherheitsgewinn wurde durch eine riskantere Fahrweise überkompensiert.

Spielt dieser Effekt bei den Winterreifen ebenfalls eine Rolle? Der Hype um Winterreifen suggeriert den Normalfahrern, dass damit ihre Probleme gelöst sind. So kann man die Aussagen vieler der interviewten Autofahrer interpretieren. Sie fühlen sich sicher und fahren dementsprechend. Solange bis sie schmerzhaft feststellen, dass auch diese Reifen auf Schnee und Eis keine Wunder vollbringen können.

Die Werbung tut ein Übriges, eine eigentlich nur marginale Verbesserung der Bodenhaftung als Lösung aller winterlichen Probleme anzupreisen.
Die Wahrheit versteckt sich im Kleingedruckten: Michelin verspricht für einen neuen Winterreifen eine Verkürzung des Bremsweges bei winterlichen Straßenverhältnissen um bis zu 5% - und noch kleiner gedruckt - gegenüber seinem Vorgänger. In begreifbare Zahlen umgesetzt sieht das in der Praxis so aus:

- Ein für Schneefahrbahnen typischer Reibwert von 0,25 verbessert sich maximal um 0,125 auf 0,2625. Der zugehörige Bremsweg aus 50 km/h verkürzt sich von 39 auf 37 Meter.
- Bei Blitzeis verbessert sich der Reibwert von 0,1 auf 0,105, das bedeutet eine Bremswegverkürzung von 97 auf 92 Meter. Ebenfalls aus 50 km/h.
- Aber Achtung! Auf trockenem Asphalt beträgt der Bremsweg aus 50 km/h gerade mal 12 Meter.

Entscheidend sind also nicht die lächerlichen 5 Prozent. Entscheidend ist einzig und allein der Unterschied zwischen den winterlichen Fahrbahnen und dem trockenem Asphalt. Denn hier geht es nicht mehr um Prozente, sondern um Faktoren, an denen ein noch so guter Winterreifen nichts entscheidend ändern kann.

Selbst Experten müssen sich diese Zahlenwerte immer wieder ins Gedächtnis rufen, um bei den entsprechenden Verhältnissen nicht übermütig zu werden. Der Laie glaubt aber, er hätte eine beinahe so gute Bremswirkung wie auf trockenem Asphalt.

Anstatt sich zu weigern, diese gefährliche Werbe-Botschaft zu drucken, lassen sich die Fachjournale die Einnahmen für eine solche meist doppelseitige Werbung nicht entgehen. Im Gegenteil, sie leisten sogar noch Schützenhilfe mit dem Hinweis auf das Ergebnis ihres eigenen Reifentests.

Wie muss es um eineZeitschrift und ihre Verantwortungsbewusstsein bestellt sein, die sämtliche Forschungsergebnisse und Erfahrungen ignoriert?  - Erfahrungen mit ABS, Sicherheitsgurten, Helmen, Schutzkleidungen und Schutzvorrichtungen (auch Kondomen!) legen einen vorsichtigen Umgang mit Sicherheitsversprechungen nahe. Denn ein echter oder vermeintlicher Sicherheitsgewinn wird sofort durch risikoreicheres Verhalten aufgehoben. Psychologen sprechen von der sog. Risiko-Kompensation oder Risiko-Homöostase.

Dieser Verdacht muss dringend durch Forschungsaktivitäten entweder erhärtet oder ausgeräumt werden. Verkehrsministerium, Industrie, Automobilvereinigungen, TÜV und Medien sollten entsprechende Projekte an Hochschulen und Instituten anstoßen und finanzieren.

Obwohl sie eigentlich überflüssig sind: Jeder Autofahrer kann sich beim Hinterherfahren z.B. davon überzeugen, wo „moderne“ Autofahrer heute bremsen: In der Kurve. (Ersichtlich am Aufleuchten des Bremslichts) – Ich habe darauf z.B. schon mehrfach hingewiesen.
Das Schlimmste, was man einem Winterreifen antun kann ist, ihn bei hohen Außentemperaturen zu fahren. Einen Winterreifen im Sommer zu fahren ist zwar nicht ganz so sicherheitskritisch wie ein Sommer-Breitreifen im Winter, aber seine Eigenschaften verändern sich erheblich zum Schlechteren. Bremswege werden länger und die Lenkung schwammiger und unpräziser. Außerdem erhöht sich der Verschleiß dramatisch und belastet unnötigerweise den Geldbeutel und die Umwelt. 
„Wendekreis des Krebses“ heißt das berühmt-berüchtigte Buch von Henry Miller, für das er von der prüden amerikanischen Justiz in den 60er Jahren angeklagt wurde. Die Wendekreise heutiger Automobile bieten zwar keine juristische Handhabe, um die Hersteller dafür vor den Kadi zu zitieren, aber skandalös sind sie allemal. - Jawohl: Skandalös!
Vergleichen wir einmal den Anspruch an den Verkehrsraum des Fiat Panda mit dem Audi Q7: Der Q7 beansprucht für sich den knapp 1,5-fachen Verkehrsraum wie ein Fiat Panda. Warum leben die Fahrzeuge mit breiten Reifen auf so großem Fuße? Für einen gleich großen Wendekreis wie bei den schmalen müssten die breiten Fahrzeuge die kurveninneren Räder stärker einschlagen. Die breiten Räder bräuchten demnach noch mehr Platz im Radhaus als allein wegen der Breite sowieso vorgesehen werden muss. Ein größerer Einschlagwinkel wird außerdem durch den maximalen Beugewinkel der Antriebswellen (bei Frontantrieb- und Allrad-) verhindert.
Noch deutlicher wird die Wendekreisproblematik beim Längseinparken. Selten wird man eine Parklücke von der erforderlichen Länge vorfinden, um mit einem Q7 ohne Rangieren hineinstoßen zu können. Da trifft es sich gut, dass das Ego der Fahrer der Größe des Fahrzeugs in nichts nachsteht. Sie haben kein Problem damit, in zweiter Reihe zu parken oder zwei Parkplätze für sich alleine zu beanspruchen. - Selbstbewusst parken – für Großraumfahrzeugbesitzer scheint das kein Problem darzustellen. - Aber warum findet man sie und ihre Automobile so selten in Parkhäusern? Dort sind die Fahrer eines großen SUV einfach überfordert. Das Fahrzeug passt nicht ins Parkhaus, in die vorgesehene „Norm-Parkfläche“. - Also parkt man dann – selbstbewusst? - in der zweiten Reihe auf der Straße.
Das nächste Problem von Fahrzeugen mit großem Wendekreis betrifft nicht mehr nur die Sozialverträglichkeit sondern die Sicherheit. Gelingt es, auf einer Stadtstraße mit Parkstreifen ohne Rangieren in einem Zug zu wenden? Der Kleinwagen mit 10 Meter Wendekreis schafft das problemlos, der SUV mit 12 Metern rangiert über zwei Fahrspuren und stört den fließenden Verkehr. In der Stadt mag so ein Stör-Manöver noch als Bagatelle durchgehen, auf einer Landstraße beschwört es – aufgrund der höheren Geschwindigkeiten - schnell eine echte Gefahr herauf.
Wie schön war doch die automobile Welt, als es das CO2 noch nicht gab. Oder besser gesagt, als der CO2 Ausstoß noch niemanden interessierte. Inzwischen - sehr zum Leidwesen der Leistungsfetischisten - beeinflusst die Notwendigkeit der CO2-Einsparung unser Leben bis ins letzte Detail, und verschont weder das Automobil noch seine Komponenten, beispielsweise die Reifen.
Mit ihrem Rollwiderstand tragen die Reifen zum Kraftstoffverbrauch bei. Geschätzt 15 Prozent des Fahrwiderstandes sind den Reifen zuzuordnen. Der Rest verteilt sich zu ungefähr gleichen Teilen auf Luftwiderstand und Reibung in den Antriebskomponenten. Daraus lässt sich schlicht und einfach ableiten, dass eine 10-prozentige Verbesserung des Rollwiderstandes den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß um etwa 1,5 Prozent verringert.

Wie wir eingangs feststellten dürfte es schwierig sein, diesen Parameter für sich entscheidend zu verändern, ohne etliche andere Eigenschaften zu verschlechtern. Und in der Tat, obwohl die Reifenhersteller angeblich mit Hochdruck an diesen Themen arbeiten, sind die Erfolge mehr als bescheiden. Vor allem der Grip auf nasser Fahrbahn leidet immer noch sehr stark unter der Optimierung auf niedrigen Rollwiderstand.

Dabei unterläuft den Reifenherstellern aber ein grober Fehler. Sie wählen für ihre Optimierungsversuche ausgerechnet Reifen, die ohnehin schon über niedrige Rollwiderstände verfügen. Das kann natürlich nur schief gehen. Viel besser wäre es, den Hebel bei den Breitreifen anzusetzen. Deren einseitige Optimierung auf gutes Haftvermögen verschlechtert nämlich den Rollwiderstand deutlich.
Wenn man wirklich den Rollwiderstand möglichst weit absenken will, zeigt der Zusammenhang mit der Breite die Optimierungsmöglichkeiten auf. Bestimmt kein Fehler ist es, sich dabei an den sog. Ökomobilen zu orientieren. Sie zeichnen sich durch schmale Reifen mit einem großen Durchmesser aus. Typisches Beispiel ist der von Murat Günak konzipierte „Mindset“, mit schmalen Reifen auf 20“-Felgen.
 
Obwohl dieses Fahrzeug wohl nie in Serie gehen wird, verfügt es über alle Voraussetzungen für einen niedrigen Verbrauch – auch bei den Reifen. Je schmäler sie sind, je größer der Durchmesser und je höher der Luftdruck ist, desto geringer ist die Walkarbeit. Im Radrennsport ist dieser Zusammenhang schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Im Automobilbereich ist diese Erkenntnis mangels Handlungsbedarf noch nicht überall angekommen.
Wenn es um die Beurteilung von Elektrofahrzeugen geht, liegt die Messlatte der Profi-Tester plötzlich um einige Dezimeter niedriger als bei dem Rest der Automobilwelt. Bremswege, Fahrdynamik, Komfort, Reichweite, Höchstgeschwindigkeit, Windgeräusche, Airbags, Bein- und Kopffreiheit auf der Rücksitzbank - alles was sie sonst mit akribischer Genauigkeit messen und gerne auch herablassend kommentieren, falls es nicht ihren Vorstellungen entspricht - bei den Elektrofahrzeugen spielt das plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Grund liegt auf der Hand: Ansprüche an Komfort, Fahrdynamik und passiver Sicherheit gehen ins Gewicht und kosten Fahrwiderstand.

An den beiden letzten Kriterien wird an allen Ecken und Enden geknausert, natürlich auch an den unteren vier runden „Ecken“, den Rädern. Möglichst leichte und schmale Räder sind Trumpf, man muss schließlich Prioritäten setzen, und die heißen Reichweite, Reichweite und abermals Reichweite. 
Wie gesagt, das Wichtigste bei einem Elektromobil ist der sparsame Umgang mit der wenigen, dafür aber umso kostbareren Energie. Fairerweise müsste man an die Verbrenner die gleichen Maßstäbe anlegen, z.B. die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzen, dann könnte man auch hier den Verbrauch oder die Kosten noch erheblich reduzieren.

Eine andere Option wäre, einen Teil des enormen Kostenunterschiedes zu verwenden, um das Verbrenner-Mobil verbrauchsseitig zu optimieren, ohne Abstriche an den übrigen Eigenschaften vorzunehmen. Beispielsweise könnte das Chassis als Alu Space Frame ausgeführt sein, was das Gewicht senkt und die Fahrleistungen verbessert. Womit man wieder einmal beim Audi A2 angelangt ist, der mangels Käuferinteresse nach kurzer Produktionszeit eingestellt wurde. (Der Preis ist eben auch von Bedeutung.)

Voraussetzung für all diese tollen Potentiale wäre ein Umdenkprozess bei der Bewertung der Fahrzeugeigenschaften. Fach-Magazine müssten (müssen!) sich von der Denkweise der letzten 50 Jahre verabschieden und eine moderne, zeitgemäße Beurteilungsmethodik entwickeln. Ein kundengerechter Maßstab ist überfällig, der die Automobilhersteller geradezu zwingt, die Prioritäten auf andere, wichtigere Dinge zu legen als die letzte Zehntelsekunde beim Elchtest. Dann werden die Autos auch wieder ein freundlicheres „Gesicht“ bekommen, als die mit dem bösen Blick verunstalteten Kreationen der letzten Jahre. - Scheinwerfer - das ist meine Meinung - sollten "die Augen eines Automobils" sein, bzw. den Eindruck vermitteln.
Je länger der Reifen hält, desto günstiger ist es für die Umwelt. Denn ein Aspekt, der gerne übersehen wird, und zwar nicht nur bei Reifen, ist der Bedarf an Energie für die Herstellung des jeweiligen Produkts. Beim Reifen beträgt er immerhin ca. 15 Prozent derjenigen Energie, die während seiner Laufzeit für die Überwindung des Rollwiderstandes aufzuwenden ist. In diesem Sinne ist die Tendenz zu immer breiteren Reifen mit weicher Laufflächenmischung absolut kontraproduktiv. Breitreifen verschlechtern das Verhältnis durch die höhere Herstell-Energie und die kürzere Laufzeit. Außerdem spielen natürlich für die Lebensdauer die Profiltiefe, das Fahrzeuggewicht und die Fahrweise eine Rolle. Schwere Hochleistungsfahrzeuge sind auch hier kräftig im Nachteil. Ein Alfa 4C (wie auf dem Genfer Salon gezeigt) zeigt da den Weg – in diesem Fall für Sportwagen - auf. (Dabei findet Alfa mit diesem Beispiel eigentlich wieder den Weg zurück, dahin, wo man mit dem GTA einmal war. - Vor fast 50 Jahren!)

Wegen der Alterung wäre der optimale Zeitpunkt für einen Reifen-Wechsel nach ca. 5 Jahren erreicht. An vielen Fahrzeugen mit einer niedrigen Jahreskilometerleistung verbleiben die Reifen deutlich länger im Einsatz, insbesondere wenn Winterreifen für einige Monate des Jahres mit ins Spiel kommen. Spätestens nach 5 -10 Jahren sind sowohl Sommer-als auch Winterreifen in ihrem angestammten Einsatzgebiet schlechter als 5 Jahre jüngere M+S Ganzjahresreifen. Besonders problematisch wird es nach mehr als 10 Jahren, weil die Reifen sich dann bei hoher Beladung und/oder hoher Geschwindigkeit in ihre Bestandteile auflösen und sogar platzen können. Als Folge dieser Sommer-/Winterreifenstrategie müssten eigentlich viele Reifen mit noch ausreichender Profiltiefe längst entsorgt sein.
Reifen sind Sondermüll und müssen von speziellen Firmen entsorgt werden. Ein Großteil wird der thermischen Verwertung zugeführt, auf Deutsch, sie werden verbrannt. Von einigen wenigen werden vorher die Laufflächen abgehobelt und als Ausgangsmaterial für andere Produkte verwendet. Leider ist außer Fußmatten und Bodenbelägen für Sportstätten noch kein lukrativer Anwendungsfall in Sicht.

Eine energetisch günstige Methode der Aufarbeitung ist die Runderneuerung. Diese Technik ist allerdings in der Vergangenheit aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit ins Gerede gekommen. Inzwischen sind die Produkte der in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Reifenerneuerer (AIR) zusammengeschlossenen Firmen aber genauso sicher wie Neureifen. Einziger Wermutstropfen: Sie sind nur bis maximal 210 km/h zugelassen. Dieses Schicksal teilen sie allerdings mit vielen Winterreifen, die ebenfalls einem Geschwindigkeitslimit unterliegen.
Autotester sind schon eine merkwürdige Spezies. Sorgfältig messen sie den Geräuschpegel im Innenraum der getesteten Fahrzeuge. Normalerweise werten sie nach dem Motto: Je leiser, desto besser. Bei Sportfahrzeugen machen sie auch gerne eine Ausnahme und schwärmen vom tollen Sound, wenn beim Beschleunigen der Motor oberhalb der Schmerzgrenze trompetet. Bei E-Mobilen wie dem Tesla Roadster fallen sie dann ins andere Extrem und loben dessen leise Schubkraft über den grünen Klee. Was sie aber nur am Rande zu interessieren scheint ist das Außengeräusch. Dabei ist der Verkehrslärm eines der größten Umweltprobleme überhaupt.

„Lärm ist für viele Bürger und Bürgerinnen das Umweltproblem Nummer Eins. Hauptursache für Belästigungen ist der Straßenlärm. Repräsentativumfragen des Umweltbundesamtes zufolge, fühlten sich knapp 20 % der bundesdeutschen Bevölkerung im Jahre 2000 durch Straßenverkehrslärm stark oder wesentlich belästigt und gestört. Nur rund ein Drittel kann von sich sagen, von Straßenverkehrslärm überhaupt nicht gestört oder belästigt zu werden.“

Diese Darstellung der Stiftung Warentest im Auftrag des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2001 hat zehn Jahre später von seiner Brisanz nicht das Geringste eingebüßt. Viele Studien belegen den Zusammenhang zwischen Ruhestörung und Krankheiten. Psychische Belastungen durch Lärmbelästigung über einen längeren Zeitraum schlagen sich in vielfältigen körperlichen Symptomen nieder. Dazu gehören z.B. Bluthochdruck und ein häufigeres Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen.

Natürlich gibt es Vorschriften für die Geräuschemission von Kraftfahrzeugen bei der Erteilung der allgemeinen Betriebserlaubnis. Leider dominiert bei diesen Tests der Motoreinfluss. Der Anteil der Reifen an der Geräuschentwicklung wird nach wie vor erheblich unterschätzt. Zwar werden einer Vorschrift aus dem Jahr 2001 zufolge die Geräusche eines vorbeirollenden Pkw´s bei 80 km/h gemessen. Die dazugehörigen Grenzwerte sind jedoch so lax abgefasst, dass sie von jedem beliebigen Reifentyp problemlos erfüllt werden.

Man muss kein Experte sein, um einen vorbeifahrenden Pkw grob einer Gewichtsklasse zuordnen zu können. Ein Fahrzeug mit 1000 Kilogramm Gewicht unterscheidet sich hörbar von einem mit 1500 oder gar 2000 Kilogramm. Verantwortlich für diesen Unterschied sind nicht die Motoren sondern die Reifen.

Im Durchschnitt steigert bereits ab 50 km/h der Motor den Geräuschpegel nur noch um 1-2 dB(A), bis hin zur vollen Leistungsabgabe. In der Stadt hat man es überwiegend mit rollenden Fahrzeugen zu tun, deren Lärmpegel ausschließlich durch das Fahrbahn-Reifen-Geräusch bestimmt ist.

Das Reifengeräusch hängt im Wesentlichen von den Faktoren Radlast, Profil und Laufflächenmischung ab. Bei Kleinwagen liegen alle drei Faktoren im günstigen Bereich, bei SU´s ist leider das gegenteilige Extrem der Fall. Zwar behaupten die Automobilhersteller, das Abrollgeräusch spiele bei der Entwicklung eine wichtige Rolle. Das kann durchaus sein, aber nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften.

Der Reifenhersteller Continental behauptet auf seiner Webseite, dass sechs moderne Pkw´s nur soviel Lärm produzieren dürfen wie ein einzelnes Fahrzeug im Jahre 1980. Die Aussage ist inhaltlich richtig, sie suggeriert aber, dass sechs Fahrzeuge den sechsfachen Lärm produzieren. Das ist falsch, denn psychoakustisch gesehen verdoppelt sich die wahrgenommene Lautstärke bei einer Differenz von 10 dB, wohingegen sechs Fahrzeuge den Pegel nur um 8 dB erhöhen. (Man darf in diesem Zusammenhang Lautstärke nicht mit Schalldruck und Schallenergie verwechseln.)

Die Anwohner eines vielbefahrenen Straßenabschnitts, versuchshalber mit Flüsterasphalt belegt, sind durchweg begeistert. Viele in ähnlicher Wohnlage wollen ebenfalls in den Genuss des leisen Straßenverkehrs kommen und drängen die Kommune zum weiteren Ausbau dieser Technik – leider vergebens. Denn Flüsterasphalt ist drei Mal so teuer als ein normaler Asphaltbelag und die Städte und Gemeinden können ihn sich nicht leisten.
Also ist der Hebel woanders ansetzen, und zwar dem Verursacherprinzip zufolge beim Automobil selbst. Bei Flüsterasphalt spricht man von einer Reduzierung des Schallpegels um 7 dB(A). Das entspricht ziemlich exakt der Differenz zwischen den lauten und leisen Exemplaren aus der Studie. Hier schlummert also noch gewaltiges Verbesserungspotential. Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Flüsterreifen zu formulieren ist denkbar einfach. Es reicht, ausnahmslos jeden Reifentyp unabhängig vom Pkw einer Zulassungsprüfung zu unterziehen, und die Grenzwerte entsprechend zu verschärfen. Bei dieser Geräuschmessung wird jeder Reifen exakt mit dem Gewicht belastet, für das er von seiner Tragfähigkeit her ausgelegt ist. Dadurch ist gewährleistet, dass sich die Hersteller bei den Reifen für schwere Fahrzeuge stärker anstrengen müssen.

Wie bereits erwähnt, gibt es von den Fachzeitschriften für besonders leise Reifen keine Pluspunkte. Kann man es den Automobilherstellern verdenken, wenn ihnen dieser Aspekt bei der Reifenwahl völlig egal ist? Wenn sie statt Flüsterreifen laute Breitreifen unter ihre Schwergewichte montieren?

Für die engagierten Journalisten und Ingenieure bei den  Automobilzeitschriften bietet sich hier eine einmalige Chance, der gesamten Branche etwas wirklich Gutes zu tun. Indem sie einen Test einführen, der das Rollgeräusch der Reifen zum Gegenstand hat, und die lauten Exemplare mit schlechten Noten bewertet. Im Gegensatz zur Messung des Innengeräuschs bei und der Beschleunigung bis 200 km/h (oder ähnlicher unwichtigen Abnormitäten) könnte so die soziale Akzeptanz des Automobilverkehrs gefördert werden.
Jedes Jahr im Frühjahr das gleiche Bild. Straßenschäden durch Frostaufbrüche wohin man fährt. Und die Kommunen haben kein Geld für anständige Reparaturen, weil sie es lieber für Großprojekte ausgeben statt für die Erhaltung und Pflege des Bestehenden. Verursacher der Straßenschäden sind die Lkw´s mit bis zu 40 Tonnen Gewicht. Sie verformen die Asphaltdecke und erzeugen die kleinen Risse, in die das Wasser eindringt und beim Gefrieren den Teer zerkrümelt. Ganz unbeteiligt am weiteren Fortschreiten des Schadens sind aber auch die Pkw´s nicht. Steter Tropfen höhlt den Stein, oder - steter Verkehr höhlt die Straße. Eine hohe Verkehrsdichte beschleunigt den Prozess, und ein hoher Anteil von schweren Fahrzeugen trägt verstärkt zur Schlaglochbildung bei.

Gibt es einen Zusammenhang mit den Niederquerschnitts-Breitreifen? Sie beanspruchen durch ihre Härte den Fahrbahnbelag ungleich stärker als ein elastischer, weniger „sportlicher“ Reifen. Man kann darauf wetten, dass ein SUV mit 2,5 Tonnen und Breitreifen gegenüber einem Kleinwagen mit 1 Tonne nicht nur den 2,5-fachen Stress für die Straße bedeutet, sondern mindestens den fünffachen!
Im Gegensatz zum Englischen, wo zwischen „Safety“ und „Security“ unterschieden wird, umfasst der Begriff „Sicherheit“ im Deutschen beide Aspekte: Den der Sicherheit gegen äußere Bedrohung und den der Sicherheit vor technischem Versagen. Oder populärwissenschaftlich ausgedrückt: Die Sicherheit vor und bei einem Unfall und die Sicherheit vor einem Ausfall. Auf den Reifen übertragen bedeutet das:

- Beitrag des Reifens zur Sicherheit im Umgang mit dem Fahrzeug im Straßenverkehr.
- Die Sicherheit des Reifens vor Defekten.
Früher waren Reifenpannen an der Tagesordnung. Der Reservereifen war ein unverzichtbarer Bestandteil des Fahrzeugs. Bei der Luftdruckkontrolle sollte man ihn tunlichst mit berücksichtigen, wollte man nicht hilflos in einer gottverlassenen Gegend in der Nacht bei Regen eine unliebsame Überraschung erleben. Reifenpannen ereigneten sich ausschließlich unter den widerwärtigsten Bedingungen (Murphy-Gesetz).

Woran liegt es, dass man heute von Reifendefekten nur noch in Ausnahmefällen geplagt wird? Liegt es daran, dass die Reifen soviel unempfindlicher geworden sind? Ja, das auch. Reifen mit einem harten, stabilen Unterbau sind gegenüber spitzen Fremdkörpern unempfindlicher als die früheren Diagonalreifen.

Eine häufige Ursache für Reifenschäden war auch zu geringer Luftdruck, und die anschließende Zerstörung durch übermäßiges Walken. Auch in dieser Hinsicht haben sich die Reifen enorm verbessert, denn sie halten die Luft jetzt wesentlich länger. Außerdem verfügen viele Fahrzeuge über eine Warneinrichtung, die bei Druckabfall Alarm schlägt.

Aber zum größten Teil liegt die niedrigere Pannenhäufigkeit daran, dass weniger reifenschädigendes Material auf den Straßen lauert, und dass sich dieses wegen des größeren Fahrzeugaufkommens auf prozentual weniger Fahrzeuge verteilt.

Noch vor nicht allzu langer Zeit prangerten Fachzeitschriften („ams“ u.a.) den damaligen Trend zu Noträdern als Unsitte an. Hersteller, die sich erdreisteten, kein vollwertiges Ersatzrad mitzuführen, wurden schonungslos abgekanzelt. Unter diesem Eindruck entwickelten Fahrzeug-und Reifenhersteller allerhand Ersatzsysteme, die bei einem Reifendefekt dem Fahrer eine begrenzte Weiterfahrt ermöglichten. Das bekannteste Konzept ist der sog. Run Flat Tyre, der sogar ohne Luftdruck die Fahrt nach Hause oder in die nächste Werkstatt erlaubt.
Die verstärkten Seitenwände wirken sich stark negativ auf den Abrollkomfort aus. BMW, die bei dieser Entwicklung federführend waren und den Reifen großflächig in fast allen Modellen einsetzten, wurden nach der Einführung dieses Systems jahrelang wegen des schlechten Komforts getadelt. Haben die Herren Journalisten die Pannensicherheit wenigstens gebührend gewürdigt? Weit gefehlt!

Von einem Tag auf den anderen spielte plötzlich das Thema Reifenpanne keine Rolle mehr. Viele Fahrzeuge besaßen nur noch ein Pannenset, bestehend aus einer Dose mit flüssigem Gummi und einer elektrischen Luftpumpe, anzuschließen am Zigarettenanzünder. Sogar das wurde sozusagen stillschweigend akzeptiert.
Die Hoffnung von BMW, anderen Fahrzeughersteller wären nun gezwungen, die RFT´s ebenfalls einzusetzen, um den vermeintlichen Wettbewerbsnachteil wieder auszugleichen, löste sich in Luft auf. Oder besser gesagt: In Pannenspray. Die Reichweitengarantie der RFT´s wurde daraufhin gegenüber der ersten Generation enorm zurückgefahren, um wieder weichere Seitenflanken und damit komfortablere Reifen zu bekommen. Das aber auch, weil die Run-Flat-Reifen – etwas überzeichnet ausgedrückt – das Fahrwerk zerstörten.
Was ist sicherer, ein Fahrzeug, das hohe Kurvengeschwindigkeiten zulässt, oder eine stark untersteuernde Auslegung, die den Fahrer frühzeitig einbremst, wenn er sich mit der Kurvengeschwindigkeit etwas verspekuliert hat? . Vor der Einführung des ESP fiel die Antwort leicht: Das Untersteuern beim Überschreiten des Grenzbereiches war sicherheitstechnisch von Vorteil, weil es vom Fahrer leicht beherrschbar war, und - mindestens ebenso wichtig - gleichzeitig das Fahrzeug abbremste.

Ein neutrales, womöglich sogar übersteuerndes Verhalten (beim Hecktriebler) in Verbindung mit einem hoch liegenden Grenzbereich ist nur von routinierten Fahrern zu beherrschen. Zu unvermittelt und zu heftig ist der Übergang von der beherrschten Reaktion in das vom Fahrer nicht kontrollierte Verhalten. Besonders kritisch sind heftige Lastwechselreaktionen und der Gegenschwung (Differentialwirkung) nach Abfangen eines ausbrechenden Hecks. Aufgrund des hohen Geschwindigkeits-und Beschleunigungsniveaus kann man dieses Verhalten auf öffentlichen Straßen nicht einüben. Porschefahrer früherer Jahrgänge können ein Liedchen davon singen. Und die häufigen Disco-Unfälle der Vergangenheit sind größtenteils ebenfalls auf ein kritisches Verhalten im Grenzbereich bei voller Beladung zurückzuführen.

Seit der Einführung des ESP gelten andere Gesetze. Die Fahrzeughersteller sind dazu übergegangen, ihre Produkte möglichst neutral bis in den Grenzbereich auszulegen, und sich beim Überschreiten auf die korrigierende Wirkung des ESP zu verlassen. Mit Erfolg, so scheint es. (Aber arbeitet das ESP immer absolut zuverlässig?) So muss man bei der Interpretation der Unfallzahlen vorsichtig sein. Die typischen Unfälle mangels Fahrkönnen sind zwar zurückgegangen, aber dazu haben Ausbau und Begradigung der Straßen und eine enorm gestiegene Verkehrsdichte (= Absinken der Durchschnittsgeschwindigkeiten) ebenfalls beigetragen. Es gibt im derzeitigen Straßenverkehr einfach wesentlich weniger Möglichkeiten, sich selbst und andere mit seinem „Fahrkönnen“ zu beeindrucken.
Die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes besagt, dass 16 Prozent der Unfälle auf nicht angepasste Geschwindigkeit und 12 Prozent auf zu geringen Abstand zurückzuführen sind. Das sind die beiden Unfallarten, bei denen der Reifen eine Rolle spielt.

In beiden Fällen hilft der auf trockenen, griffigen Asphalt und hohe Temperaturen optimierte Reifen nur wenig. Selten wird man die klinisch reinen Bedingungen der fahrdynamischen Tests auf öffentlichen Straßen vorfinden. Bodenunebenheiten, Schlaglöcher, Verunreinigungen, hängende Fahrbahn, Spurrillen, links-/rechtsseitige Reibwertunterschiede und Nässe bestimmen das Bild. Sportreifen verhalten sich unter diesen Umständen nicht viel anders als ganz gewöhnliche All-Seasons-Reifen, bei niedrigen Temperaturen sogar schlechter, wie wir bereits dargestellt haben.

Fahrer von Fahrzeugen mit sportlichen Breitreifen tun sich mit diesen Bedingungen besonders schwer, weil der Abstand zwischen dem optimalen und dem schlechteren Zustand hier am größten ist. Das lineare Verhalten bis in den hohen Beschleunigungsbereich verführt sie dazu, sich auf diese Eigenschaft in allen Situationen zu verlassen. Auch dann, wenn die Umstände dagegen sprechen. Beim Überschreiten der physikalischen Grenzen hilft auch der (oftmals rettende) ESP-Eingriff nicht mehr.

Die Empfehlung an die Verantwortlichen für die Reifenentwicklung in den jeweiligen Firmen lautet deshalb, mehr Wert auf Fahrdynamik und Bremsverhalten unter normalen, alltäglichen Bedingungen zu legen.
Jahrzehntelang war das Kippen bei amerikanischen Lighttrucks kein Thema. Bis sich Anfang des neuen Jahrtausends die Dinger plötzlich reihenweise auf die Seite legten. Mit oftmals tödlichen Folgen für die Insassen, weil US-Amerikaner sich im Vertrauen auf Gott, die träge Masse und den Airbag nur selten anschnallen. Es gab ein großes Rätselraten über die Ursachen. Dabei ist der Fall klar: Die Reifen waren zu gut geworden! Wo sich früher kinetische Energie beim heftigen Lenken über den Reifenschlupf abbaute, entstand plötzlich eine hohe Querbeschleunigung mit einem entsprechend hohen Kippmoment.
„Gute Reifen“ waren auch der Grund für das Kippen der Mercedes A-Klasse.Die Amerikaner erlebten also das gleiche Phänomen wie die A-Klasse bei ihrer Einführung; mit einem entscheidenden Unterschied. Die Abhilfemaßnahme ESP stand ihnen nicht sofort zur
Verfügung, sondern erst später bei den Nachfolgemodellen. Da waren die europäischen SUV-Vertreter im Vorteil, denn ESP war bei diesen Premium Fahrzeugen längst Stand der Serie. Für die Amerikaner gab es nur einen Rat: Anschnallen!

Ansonsten hätten sie es halten müssen wie die Konstrukteure des Smart. Diese wirkten der drohenden Kipptendenz entgegen, indem sie die Reifen an der Vorderachse deutlich schmäler machten als an der Hinterachse. Dadurch provozierten sie ein massives Untersteuern, das jede sportliche Aktion bereits im Ansatz vereitelte. Die Durchfahrzeiten durch die Elchtestgasse fallen dementsprechend aus.

Man sieht an diesem Beispiel, dass breite Reifen die Sicherheit nicht zwangsläufig erhöhen, vor allem nicht bei Fahrzeugen, die schlechte Grundvoraussetzungen haben wie Smart oder z.B. SUV´s.
Eine Untermenge der Fahrsicherheit ist das Verhalten bei Spurrillen. Niederquerschnittsreifen zeigen hier ein sehr empfindliches Verhalten. Je breiter der Reifen ist und je größer das Querschnittsverhältnis, desto eifriger laufen sie jeder Spurrille nach.

Breitreifen sind in sich so stabil, dass sie nicht mehr ganzflächig aufliegen, wenn sie einseitig angehoben werden. Sie tragen dann nur noch an einer Flanke. Diese Eigenschaft ist der Grund für die Spurrillenempfindlichkeit.

Die Auslegung von Achsen und Lenkungen bezieht sich immer auf die Mitte der Reifenaufstandsfläche. Wenn der Reifen eine der beiden Flanken der Spurrille berührt, kommt ein zusätzlicher Hebelarm ins Spiel. Er vergrößert oder verkleinert den ursprünglichen Hebelarm und ruft dabei eine Fahrzeugreaktion hervor. Die Verursacher der Spurrillen sind (wieder einmal) die Lkw´s, deshalb ist der Abstand zwischen den beiden Spurweiten größer als die Spurweite von Pkw´s. Es gelingt somit nicht eine stabile Position zu finden, auf der beide Reifen auf dem Grund der Spurrillen aufliegen, und es kommt zu einem unangenehmen, im Extremfall sogar problematischen Pendeln des Fahrzeugs in den Spurrillen.

Mit der Zeit lernt der Fahrer den gelassenen Umgang mit dieser Erscheinung und reagiert automatisch ohne nachzudenken. Trotzdem bleibt ein gewisses Restrisiko, dann nämlich, wenn der Fahrer im Vertrauen auf den Geradeauslauf sich zu lange von den vielfältigen
elektronischen Gimmicks ablenken lässt, als da sind Telefon, Navisystem, Hörbuch etc. Ehe er sich´s versieht nimmt sein Untersatz schon kräftig Kurs auf die Gegenfahrbahn, und ein Unfall kann dann nur noch durch beherztes Gegenlenken vermieden werden.
Ein weiterer Sicherheitsaspekt tritt bei starkem Regen in Erscheinung, das Aquaplaning. Es folgt derselben Gesetzmäßigkeit wie das Wasserskifahren. Je größer die Auflagefläche und je höher die Geschwindigkeit, desto leichter gleitet der Untersatz auf der Wasseroberfläche. Durch die Gestaltung des Profils lässt sich der Moment des Aufschwimmens in gewissen Grenzen hinausschieben. Grundsätzlich sind aber breite Reifen von Nachteil.

Fährt man auf der Autobahn bei starkem Regen mit 120 km/h auf der mittleren Spur, wird man nicht selten von schnelleren Fahrzeugen überholt, gerne von üppig motorisierten Modellen bestimmter Marken. Die Piloten, die in Todesverachtung im Blindflug in die Wasserwand rasen, scheinen sich trotz ihrer breiten Reifen weder von Aquaplaning noch von den langen Bremswegen bei Nässe beeindrucken zu lassen.

Das tückische am Aquaplaning ist, dass das Fahrzeug ohne Vorankündigung blitzartig ausbricht, und man es wegen des schlechten Reibwerts bei Nässe auch kaum mehr einfangen kann. ESP kann auch nicht in jedem Fall helfen. Beim ESP-Eingriff wird Grip vorausgesetzt. Wenn der fehlt... -
„Wer Plastik kennt nimmt Metall.“ So lautet die Empfehlung frustrierter Ingenieure mit einschlägigen Erfahrungen im Kunststoffbereich. Wer hat sich nicht schon über spröde Gummis, abbrechende Halteclips, verfärbte Blenden und poröse Dichtungen geärgert? (Stichwort Challenger) Kunststoff altert. Und zwar umso schneller, je weicher er ist. Die sogenannten  Weichmacher reagieren mit Sauerstoff und Ozon aus der Luft, und sie verändern ihre Molekülstruktur unter dem Einfluss von UV-Strahlen. Beschleunigt wird dieser Prozess durch hohe Temperaturen.

Die stolzen Besitzer von Oldtimern können ein Liedchen von dieser Misere singen. Nichts bereitet ihnen auch nur annähernd solche Schwierigkeiten bei der Restaurierung und Pflege ihrer Schmuckstücke als die Gummi-und Plastikteile. Wen wundert es, dass zu den größten Sorgenkindern auch die Reifen gehören, denn bei ihnen kumulieren sich die ungünstigsten Randbedingungen. Schon aus der Entfernung kann selbst der Laie erkennen, ob die Reifen schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben. Ein Netz von Rissen überzieht dann die Oberfläche und zerstört das Vertrauen in die Haltbarkeit ziemlich nachhaltig. Selbst wenn die Reifen in abgedunkelten und klimatisierten Räumen aufbewahrt werden, lässt sich der Alterungsprozess nicht stoppen.
Mindestens ebenso wie die Optik leiden auch die technischen Eigenschaften. Das Ergebnis der Versprödung ist eine geringere Belastbarkeit durch mögliche Ablösung der Lauffläche von der Karkasse und eine deutliche Verschlechterung der Bodenhaftung. Fachleute empfehlen, die Reifen schon nach fünf, spätestens nach zehn Jahren auszutauschen, selbst wenn sie nur im Kellerregal unter günstigen Bedingungen gelagert wurden.

Nun treten in den Vergleichstests immer Neureifen gegeneinander an, niemals Reifen die schon mehrere Jahre alt sind. Besonders heikel wird die Angelegenheit, wenn die Reifen immer nur ein halbes Jahr am Fahrzeug verbleiben. Sie halten dann verschleißmäßig doppelt so lange und überschreiten problemlos die empfohlenen Austauschgrenzen. Über die Winter-und Nässetauglichkeit solcher gealterter und versprödeter Reifen kann man nur spekulieren.

Mit dem halbjährlichen Wechsel von Sommer-auf Winterreifen und zurück meinen viele Fahrer, ihre Sicherheit zu steigern. Oft ist das Gegenteil der Fall. Sowohl die Sommer-als auch die Winterreifen verlieren über die Jahre Traktion unter allen Bedingungen. Mit Ganzjahresreifen, die nach der Hälfte der Zeit ihre Verschleißgrenze erreichen wären diese Leute wesentlich besser bedient. (Wir haben weiter oben schon darauf hingewiesen.)
Früher war der halbjährliche Radwechsel eine leichte Übung und mit dem Bordwerkzeug bequem in einer halben Stunde zu erledigen.

Heute beginnt der Ärger bereits damit, dass viele Fahrzeuge aus Kostengründen keinen Wagenheber mitführen. Nebenbei bemerkt auch kein Reserverad sondern nur noch ein Pannenset. Die Fahrzeughersteller meinen es aber nur gut mit ihren Kunden. Nicht nur, dass von Hand die heutigen Rad-Schwergewichte nur noch unter Aufbietung der letzten Kräfte anzuheben sind. Nein, sie sind auch nur noch mit Hilfsmitteln zu montieren. Es sei denn, man nimmt bewusst einen Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall in Kauf. Immerhin sind mindestens 20, oft sogar 25 Kilogramm anzuheben, mit einer Hand zu positionieren, und mit der anderen Hand die Radschrauben anzusetzen. Da verzichtet man gerne darauf selbst Hand anzulegen, und fährt lieber in die Werkstatt oder zum Reifenhändler.

Beweis in der eigenen Familie: Meine Frau kann ohne fremde Hilfe keinen Reifenwechsel (bei Leichtmetallfelgen und Breitreifen) mehr durchführen, da sie damit überfordert ist. (Bei einem Automobil der unteren Mittelklasse.)

Spätestens hier zeigt sich das nächste Problem. Wohin mit den Sommer-, respektive Winter-Reifen. In vielen Fällen kann der stolze Besitzer von Breitreifen diese gar nicht alle auf einmal transportieren. Zuhause angekommen, schleppt er viermal unhandliche 25 Kilogramm in den Keller und stapelt sie zu einem Turm von einem Meter Höhe und einem Durchmesser von 70 Zentimetern. Falls er einen Keller hat der groß genug ist. Andernfalls muss er sich entscheiden, was in der Normgarage untergebracht wird, das Auto oder die Räder.

Auf Spaziergängen durch ein beliebiges Siedlungsgebiet erhascht man mitunter einen Blick in die offene Garage eines Eigenheims. Meistens kann man sich davon überzeugen, dass das Letzte was darin Platz findet, das Auto ist. Neben den unvermeidlichen Freizeit-und
Heimwerker-Utensilien stehen fast immer die Reifen fein säuberlich gestapelt in der Ecke, fressen kostbare Stellfläche und altern vor sich hin.

Na also, geht doch! Mit etwas gutem Willen hat alles in einer Fertiggarage Platz, sogar das Auto.
Den Reifen der aktuellen Generation geht es ähnlich wie vielen modernen Errungenschaften. An einem gewissen Punkt ist im Nutzen die Sättigung erreicht, und das verzweifelte Bemühen, die positiven Eigenschaften weiter zu steigern, verschlechtert den Gesamteindruck. Nachfolgend sind die negativen Begleiterscheinungen eines übertriebenen Breitreifeneinsatzes einmal zusammengefasst:

- Breitreifen forcieren die Entwicklung der Fahrzeuge in die Breite, und verschärfen somit die Enge in den Parkräumen.
- Breitreifen vergrößern den Wendekreis. Die Fahrzeuge beanspruchen mehr Verkehrsfläche und verengen den knappen Verkehrsraum in den Ortschaften.
- Breitreifen haben einen größeren Rollwiderstand und steigern dadurch den CO2 Ausstoß.
- Breitreifen verschleißen schneller und müssen öfters erneuert werden. Das belastet den Geldbeutel und die Umwelt.
- Breitreifen schädigen durch ihr lautes Abrollgeräusch die Gesundheit der Anwohner von belebten Straßen und schaden der gesellschaftlichen Akzeptanz des Straßenverkehrs.
- Breitreifen sind unkomfortabel und belästigen die Insassen durch harte, trockene Schläge beim Überfahren von Bodenunebenheiten.
- Breitreifen sind nur für sommerliches Klima geeignet, Winterreifen sind unabdingbar. (Unabhängig von geltenden Gesetzen) Winterreifen bedeuten einen zusätzlichen Kostenfaktor. Die Produktion schadet der Umwelt. Die beiden Reifensätze halten doppelt so                        lange und verlieren durch Alterung ihre guten Eigenschaften.
- Breitreifen benötigen bei der Herstellung mehr Energie als schmale Reifen.
- Breitreifen bedingen aufwendige Achsen, Fahrwerke und Karosserien, was Kosten und Gewicht in die Höhe treibt.
- Das stärkste Modell einer Modellreihe erhält immer die breitesten Reifen. Die fahrzeugseitigen Konsequenzen belasten die gesamte Modellreihe.
- Breitreifen haben einen hoch liegenden, schmalen Grenzbereich und verhindern dadurch ein Kennenlernen der physikalischen Grenzen.
- Das mit Breitreifen spontane und präzise Lenkverhalten, das der Fahrer auf trockenem Asphalt gewohnt ist, überträgt er mental auch auf andere, ungünstigere Fahrbahnverhältnisse. Diese Erwartungshaltung führt sehr leicht zu kritischen Situationen.

Diese Negativliste lässt sich relativ einfach in eine Positivliste umwandeln. Die Entwicklungsingenieuren erhalten dadurch eine Vorlage, um die Prioritäten bei der Reifenentwicklung richtig zu setzen. Den Journalisten kann sie eine wertvolle Hilfe bei der Gestaltung eines neuen, kundenorientierten Bewertungsmaßstabes sein.
Das Größenwachstum der Personenkraftwägen ist mit Mercedes S-Klasse, Audi Q7 und BMW X6 (um ein paar wenige, aber typische Beispiele zu nennen) an seine Grenzen gestoßen. Die Zukunft im weltweiten Automobilhandel gehört den kleinen, praktischen und
bezahlbaren (!) Fahrzeugen. Die deutsche Automobilindustrie tut sich sehr schwer mit der Fokussierung auf dieses Marktsegment. Zu gut laufen die Geschäfte momentan mit den High End Premium Produkten, an denen mehr Geld verdient wird.

Einen guten Ansatzpunkt für ein Zurückdrehen der Gewichts-und Kostenspirale bietet der Reifen. Bei der dringend erforderlichen Trendumkehr müssen die Fachzeitschriften mit gutem Beispiel vorangehen. Basis muss eine eigentlich längst fällige Überarbeitung der Bewertungskriterien unter stärkerer Berücksichtigung der Kundenwertigkeit sein. Letztere erfährt gerade einen dramatischen Wandel, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Sinkende Kaufkraft, steigendes Umweltbewusstsein, höhere Kraftstoffpreise, demographische Veränderungen, fallender Stellenwert des Automobils – das sind die Randbedingungen, die über Erfolg oder Misserfolg zukünftiger Entwicklungen entscheiden.

Den Medien stellen sich zwei Alternativen. Entweder sie stecken weiterhin den Kopf in den Sand und ignorieren die Veränderungen. Oder sie setzen sich an die Spitze und beeinflussen die Richtung zum Wohle der Kunden, des Straßenverkehrs und der gesamten Automobilbranche. Das würde bedeuten, dass sich an den jeweiligen Redaktionsspitzen Änderungen ergeben: Entweder personell oder im Denken, in einer Veränderung der Grundeinstellung.
Auch hier muss ein Umdenken bei den Entwicklungsteams stattfinden. Bisher wird es von den Anforderungen der Industrie bestimmt. Und die sind 08/15. Weil abseits der Ingenieurseite Kräfte wirken, die eigentlich nichts von Technik und den wirklich wichtigen Ansprüchen der Käufer verstehen. Aber auch der Käufer eines Automobils fordert nicht das, was eigentlich möglich ist, weil er sich nicht vorstellen kann, dass das überhaupt möglich ist.

So dreht man sich bei der Automobilindustrie im Kreis. Zwar ist jede Firma bemüht, eine Alleinstellung im Markt zu erreichen, aber das aus solchen Bemühungen entstehende Produkt ist dann ein Bugatti Veyron: Unbezahlbar, in seinen Eigenschaften nicht nutzbar, technisch voller Höhepunkte, die seinen Nutzwert mindern.

Die Reifenindustrie muss die Initiative ergreifen, die die Automobilindustrie wieder zu „vernünftigen“ Automobilen finden lässt. Man braucht einen Reifen, der sowohl fahrdynamisch als auch komfortmäßig Spitzenklasse ist, aber auch in Sachen Rollwiderstand und Energieaufwand bei der Herstellung in allen Vergleichen eine Spitzenposition einnimmt.

Die Grundidee dazu gibt es schon lange. Ich habe hier – auf den Motor-KRITIK-Seiten - auch schon mehrfach darüber geschrieben. Gefahren habe ich Systementwicklungen auf dem Weg zum Serienprodukt schon seit mehr als zehn Jahren. Jetzt scheint der Durchbruch des Systems nahe.

Dass er notwendig ist, wurde in dieser (an sich zu langen) Geschichte in detailierter Darstellung aufgezeigt. - Wer will da widersprechen?

Ich will es hier noch einmal kurz das neue System darstellen, mit dem der Reifenhersteller, der sich als erster dazu entschließt, tatsächlich eine Alleinstellung im Markt erreichen würde. Ein solcher Reifen würde auch wieder Serienautomobile „normaler“ werden lassen. (Breite, Wendekreis, Fahrdynamik, Komfort, Rollwiderstand, Abrollgeräusche)
Eigentlich liegt dem neuen Reifensystem eine einfache Grundidee zugrunde: Eine Feder kann nur dann richtig arbeiten, wenn sie vorgespannt ist. - Und ist ein Reifen etwas anderes als eine Feder? In einer Richtung ist ein Reifen immer vorgespannt: Nämlich durch die Belastung mit dem Fahrzeuggewicht. So kann ein Reifen immer dann den Komfort vermitteln, wenn eine entsprechend hohe Reifenflanke die Möglichkeit bietet, den größten Teil der einfließenden Stöße zu schlucken.

Aber dann – eben wegen der hohen Seitenflanken – verliert der Reifen an Präzision. Mit Auswirkungen bei der Fahrdynamik. Und wegen der großen Walkarbeit beim Rollwiderstand, beim Verschleiß und beim Abrollgeräusch. - Hier setzt das „neue System“ den Hebel an, dass dann auch mit schmaleren Reifen kurze Bremswege realisieren lässt, die Abrollgeräusche, den Rollwiderstand senkt, die Fahrdynamik posivitv beeinflusst: Der Reifen wird konstruktiv auch seitlich vorgespannt. Mehr nicht.

Ich verstehe nicht, dass ein Jahrzehnt – und mehr – vergehen musste, bis dass das System von einigen (wenigen) Leuten verstanden wurde. Auch in ihrer Bedeutung. Jetzt steht die Umsetzung praktisch „vor der Tür“. Obwohl es einer der bedeutendsten Entwicklungsschritte in der Automobilgeschichte sein wird, ist der bisher übersehen worden, weil er sich nicht plakativ darstellen lässt. Damit hat er für „Marketing-Strategen“ keine Wertigkeit, lässt sich nicht teuer, gegen Aufpreis, verkaufen. Er ist eben nur ein kleines Wunder, dass man bisher mit einer wegwerfenden Handbewegung und der Worthülse abgetan hat: „Man kann das Rad nicht neu erfinden!“
Der bisherige Reifen ist – wie wir wissen – eine unter Innendruck symmetrisch gespannte Reifenschale bzw. Reifenfeder. Der Reifen ist also eine pneumatische Feder, die durch die Radlast in einer Kraftrichtung, der vertikalen, vorgespannt ist, nicht jedoch in axialer Richtung. Deshalb führen während des Rollbetriebs seitlich angreifende Reaktionskräfte (bei Kurvenfahrt o.ä.) zu starken lateralen Verzerrungen, die den Verlust von fahrsicherheits-relevanten Eigenschaften zur Folge haben. Außerdem kommt es infolge der Umformung aus dem größeren Kreisbogen des Reifens in die kleinere Aufstandssehne (der Kontaktfläche des Reifens zur Straße) zur Bildung von Rollwülsten (von Reifenfachleuten als "stehende Welle" bezeichnet), die mit zunehmender Geschwindigkeit im unbelasteten Umfang zu extrem hoher innerer Reibarbeit der Gummi-Matrix des Gürtels und der beiden Seitenwände führen, was einen höheren Rollwiderstand ergibt (Umwandlung von Antriebsenergie durch Reibung in Abfallwärme).  Diese hochfrequenten Verformungen fallen umso stärker aus, je höher die Radlast ist, und die Reifenfeder einfedert. Der Urlauber, der im guten Glauben an die Tugenden seines neuen Gürtelreifens seinen voll beladenen Wagen z.B. mit 160 Km/h (oder schneller) fährt, würde erschrecken wenn er sehen könnte welchen enormen Verformungen seine Gürtelreifen in der Gürtelplatte und im unbelasteten Umfang tatsächlich ausgesetzt sind. Diese systembedingten Verformungen der Gummi-Matrix sind maßgeblich verantwortlich für den hohen Rollwiderstand heutiger Gürtelreifen – Abhilfe kann hier nur ein Systemsprung schaffen, der mit dem energetischen Problem bei der Umformung aus dem „größeren Kreisbogenausschnitt“ in die „kleinere Aufstandssehne“ besser fertig wird als der so genannte "Stand der Technik".

Die Vorspannung der „Reifenfeder“ in lateraler Kraftrichtung basiert auf einer biegesteifen Lagerung des radinneren Reifenfußes am Felgenhorn. Dadurch entsteht bei vertikaler Einfederung auch eine zur Radaußenseite gerichtete „Ausweichbewegung“, die infolge ihres geringeren Verformungswiderstandes „weicher“ reagiert, so dass die Vertikalsteifigkeit des vorgespannten Reifens zugunsten eines besseren Federungskomfort und einer um etwa 5 % größere Fahrbahnkontaktfläche abnimmt. Temperatur-Messungen deuten darauf hin, dass der Reifen unter diesen Bedingungen auch energetisch günstiger arbeitet. Eindrucksvoll wirkt sich die axiale Vorspannung der elastischen Reifenschale auch auf die Verkürzung des Bremsweges aus, da sich die Kontaktfläche des Reifens quer zur Fahrtrichtung vergrößert. Was auch bedeutet, dass ein so ausgestattetes Fahrzeug besser die Antriebskräfte zur Vorwärtsbewegung übertragen kann.

Tatsächlich haben die seinerzeitigen Untersuchungen im Rahmen der NGT-Entwicklung von Porsche und verschiedenen Reifen-Herstellern erwiesen, dass eine dehnsteife, aber rückformbare Gürtelstruktur nahezu frei von "stehenden Wellen" bleibt, und deutlich geringere Rollwiderstandsverluste aufwies als der Stand der Technik (siehe z.B. VDI-Berichte 1088, Vortrag von Dr.-Ing. Christian Paech), bei gleichzeitiger Verbesserung von Kraftschluß (!) Abrieb (!) Komfort (!) und struktureller Festigkeit!

Durch die laterale Vorspannung wird ein solcher Reifen – trotz hoher Flanke, die Komfort garantiert – deutlich lenkpräziser, weil er sehr schnell – dank der lateralen Vorspannung -  Seitenkräfte überträgt. Insgesamt werden also die Gebrauchseigenschaften eines solchen Reifens gegenüber einem Reifen mit (praktisch) symmetrischen Festigkeitsstrukturen deutlich verbessert.

Ein so vorgespannter Reifen verändert praktisch die Spurweite, weist  einen inneren Sturz auf, der die Fahreigenschaften auch positiv beeinflusst, Pendelschwingungen unterdrückt und so eine geringere Vorspur-Einstellung erfordert, was wiederum die Verbrauchswerte des Automobils verbessert.

Ich selbst bin dieses Reifensystem in verschiedenen möglichen Variationen (auch als Reifen/Felgensystem) mit vielen unterschiedlichen Automobilen unter allen möglichen Umständen (auch in Rennen) gefahren. Es hat auch Funktionstests mit „vorgespannten“ Reifen über viele Jahre gegeben. Erfolgreich, weil mit den beschriebenen Effekten. Insgesamt waren solche Reifen im letzten Jahrzehnt wohl um 20 Millionen (!) Straßenkilometer unterwegs. Wissenschafter haben typische Seitenkraft-Einflüsse unter Schräglauf und entsprechenden Radlasten und die Auswirkungen auf Form, Größe und Gleitvorgänge in der Aufstandsfläche des Reifens auf der Straße (Latsch) bei einem Sturzwinkel von 0 Grad auf dem Glasrolltisch untersucht. Ergebnis: Verbreiterung des Latsch bei gleicher Länge (!) und eine ausgeglichenere Druckverteilung im Latsch, was die Aufnahme höherer Seitenkräfte möglich macht.

Für mich unverständlich, dass man für die Umsetzung in die Serie bisher so viel Zeit verschwendet hat. Der Einfluss der „Bedenkenträger“ musste erst argumentativ ausgeräumt werden.

Die Herren Prof. Dr. Böhm/Dr. Duda (TU Berlin) haben in ihrem Sonderforschungsbericht 181 an die Deutsche Forschungsgemeinschaft schon vor Jahren u.a. festgestellt (Zitat), "dass die Symmetrie der Membrangleichgewichtslage der Reifenquerschnittes ungünstig ist, da sie nicht richtungsstabilisierend wirkt. Zufolge dieser Symmetrie, die auch für die Geradeausfahrt keinen Vorteil bringt, wird der Reifenquerschnitt zur Kurveninnenseite im Kontaktbereich des kurvenaußenseitig laufenden Rades stark verquetscht. Dadurch bricht auch das Lastverformungsverhalten des Reifens zusammen und es kommt zu einer dynamischen Kippbewegung des Fahrzeugs. Dieses wiederum führt zu Steuerbewegungen und zu einer Kopplung der Kreiselkräfte des Fahrzeugkörpers bezüglich Kipp- und Gierbewegung."

Was die Wissenschaftler der TU Berlin in aller Kürze zusammenfassten, haben wir versucht in dieser langen (überlangen?) Geschichte allgemeinverständlich darzustellen. Es gibt wirklich genug Gründe, "das Rad neu zu erfinden".

So warten wir darauf, dass der "Systemsprung" in der Reifenentwicklung endlich zum Nutzen des Autokäufers bald in Serie geht. -  Die Umsetzung der Grundidee des "Systemsprungs" wäre sogar bei der Runderneuerung von Reifen möglich!

Es besteht nicht nur schon lange Handlungsbedarf. - Jetzt besteht auch Hoffnung auf die Umsetzung in ein Serienprodukt!
MK/WH in Teamarbeit

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