Erleben Sie ein Stück Motorsport im ost-asiatischen Raum mit

Der Autor folgender Geschichte steckt selbst mitten drin. Axel Osswald ist Ingenieur und Teammanager beim Aim Racing Projekt, das von Bangkok (Thailand) aus sich u.a. an einer Tourenwagenserie im ost-asiatischen Raum beteiligt, die mit der STW in Deutschland vergleichbar ist. Unvergleichbar sind aber die Umstände, unter denen dort gearbeitet werden muß. Damit die Leser von Motor-KRITIK auch von dem Motorsport, über den hier sonst nicht berichtet wird, einen kleinen Eindruck erhalten, hat Axel Osswald nachstehend für Sie einmal seine Erlebnisse beim 2. Lauf auf den Philippinen aufgeschrieben. Er ist der Meinung:

"Dagegen sind die 24-Stunden von Le Mans eine Erholung"

98-05-29/06. Das Rennen auf den Philippinen war auch wieder ein Abenteuer. Es begann schon mit der Anreise. Von Bangkok aus, mit 12 Mitgliedern des Teams, per Flugzeug nach Manila. Natürlich hat wieder Gepäck gefehlt, aber dieses Mal zum Glück keins mit den so wichtigen Ersatzteile, die wir immer im Handgepäck mitbringen müssen.

Der Transport nach Subic Bay zur Rennstrecke wurde über Nissan Philippines (Universal Motors) organisiert, was auch wider Erwarten geklappt hat. Zwei Minibusse holten uns ab und brachten uns in das vier Stunden Fahrzeit entfernte Subic Bay.

Der Verkehr in Manila ist noch schlimmer als in Bangkok. Hier gilt das Recht der "lauteren Hupe". Nach 1 1/2 Stunden Augenverschließen (vor Angst!) sind wir dann außerhalb der Stadt und passieren den Mount Penatuba nach der Hälfte des Weges. Der Mount Penatuba ist ein immer noch aktiver Vulkan. Der letzte Ausbruch (mit verheerenden Auswirkungen) war 1992. Entlang der Straße sind immer noch riesige Aschefelder vorhanden, Lahare genannt, die an die Katastrophe erinnern.

In der Nacht erreichen wir Subic Bay. Das Bild auf den Straßen ist total anders als sonst überall auf den Philippinen. Subic Bay war bis 1992 eine amerikanische Militärbasis und ist heute immer noch eine Freihandelszone mit eigenem Flughafen und Seeschiffhafen. Subic Bay ist aus dieser Vergangenheit sehr amerikanisch geprägt. Die Straßen sind im Schachbrettmuster angelegt und alles ist sehr sauber. Auf riesigen Hinweisschildern wird davor gewarnt, Papier und Müll auf die Straße zu werfen. Gerade aus Manila kommend, wirkt dies wie ein Anachronismus.

Im Hotel angekommen (ein sehr schönes Hotel, sehr neu und nicht weit von der Rennstrecke entfernt), treffe ich meinen Ingenieur (Martin Quick), der für unsere Formelwagen (AF 2000) verantwortlich ist. Martin ist Brite und arbeitet seit ein paar Jahren von Malaysia aus in dieser Region.

Die erste schlechte Nachricht (wie kaum anders erwartet): die Container sind noch nicht da! - Versprochen waren sie für Mittwoch den 13.. Und heute ist Sonntag der 17.! - Die Gründe sind mal wieder sehr asiatisch. Man habe nicht gewußt, auf welche Position die Container gestellt werden sollen, also habe man sie erst gar nicht aus dem Hafen zur Rennstrecke gebracht. Schließlich möchte man doch die Bedürfnisse der Teams in idealer Weise befriedigen.

Schön gesagt. Aber die Nachricht trifft uns hart. Nach unserem schweren Rennwochenende in Thailand, beim ersten Lauf zur SEATCZC, war gerade noch Zeit den Unfallschaden zu reparieren, bevor das Auto in den Container mußte um nach Subic Bay verschifft zu werden.

Getriebe, Fahrwerk, Motor, das alles wollten wir in Subic checken. Wir hatten eben keine Chance das noch in Bangkok zu machen und wir rechneten eben damit, daß die frühe Ankunftszeit der Container die Arbeiten hier in Subic noch zulassen würden.

Und nun heißt es, daß vor Dienstag kein Container in das Fahrerlager kommt. Nachtarbeit ist also programmiert, denn am Donnerstag sollen - und wollen - wir zum ersten Mal fahren.

Hoffentlich klappt das! - Denn weitere Informationen besagen, daß die FIA-Abnahme der Rennstrecke noch nicht erfolgt ist. Da wir in einer internationalen, eine von der FIA sanktionierten Meisterschaft fahren, können wir ohne diese Abnahme keine Veranstaltung durchführen. Die FIA hatte bei ihrer Inspektion vor drei Wochen die verschiedensten Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit gefordert, die aber bis heute noch nicht durchgeführt sind.

Subic Bay Circuit hat den Charakter eines Straßenkurses. Sehr bumby und die Mauern stehen sehr nah. Nur am Ende einer langen Geraden, wo unser Nissan Primera später um 230 km/h schnell sein wird, gibt es ein kleines Stück Kiesbett. Alles muß durch Reifenstapel abgesichert werden. Und eben die sind noch nicht in Position gebracht. Die FIA-Kommission hat eine Deadline bis Dienstag, den 19. Mai gegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen Fotos von den durchgeführten Maßnahmen, per e-mail geschickt, in Paris vorliegen.

Egal, erst mal ins Bett. Wir sind in Asien und alles wird schon irgendwie gehen.

Am nächsten Morgen versuchen wir genaue Termine in Erfahrung zu bringen. Wir sind neben dem AF 2000-Team Maritus das erste Team an der Strecke. Die anderen kommen wohl erst morgen.

Es wird recht amüsant. In den Philippinos steckt eine Menge spanischen Blutes und wir - die Offiziellen und ich - schreien uns lange an. Wir schreien und gestikulieren. Und am Ende einigen wir uns. Unsere Container sollen morgen als erste an die Strecke gebracht werden. Wir werden die besten Boxen und den besten Stellplatz für unsere Container bekommen. Im Gegenzug schicke ich meine Jungs auf die Strecke, damit sie beim Aufbau der Reifenstapel mithelfen.

Am Nachmittag gehen wir alle an den Strand, direkt neben der Rennstrecke (ein Drittel der Strecke führt direkt am Meer entlang) um zu schwimmen und Jetski zu fahren.

Am nächsten Tag kommen unsere Container tatsächlich als erste. Und die Arbeit beginnt: Motor raus, Getriebe neu übersetzt, Radträger überholt, Kupplung vermessen, Windschutzscheibe ersetzen, Sticker erneuern, Fahrzeug vermessen, Reifen aufziehen, und, und, und -. Nach zwei Tagen und eineinhalb Nächten sind wir fertig für das erste Training am Donnerstagmorgen.

Inzwischen ist auch das OK der FIA aus Paris da - und eigentlich steht einer erfolgreichen Veranstaltung nichts mehr im Weg.

Das Wetter war die ganzen Tage sehr gut; 35 Grad im Schatten, strahlend blauer Himmel. Am Donnerstag dann ein anderes Bild. Schon morgens früh ist es bewölkt und nach fünf Runden im freien Training öffnet dann der Himmel seine Schleusen. Nach achtmonatiger Trockenzeit hat nun die Regenzeit angefangen. Nach kürzester Zeit steht die Strecke zentimeterhoch unter Wasser.

Die nächsten Tage werden sehr schwierig. Die Rennleitung ist permanent unter Druck. Kann man noch fahren? Ist es zu nass? - Ist es zu gefährlich? - Neue Zeitpläne werden ausgegeben, die dann aber nach dem nächsten Wolkenbruch schon wieder hinfällig sind.

Zeitweise kommt alles zum Stillstand. Nur das Wasser nicht, das in enormen Strömen - auch durch unsere Box - fließt. Der Streckensprecher (A.J. Saliba) ist brillant. In den schlimmsten Regenpausen singt er Frank Sinatra und Gene Kelly´s "Singing in the rain". Er hält das gesamte Fahrerlager bei Laune.

Hier muß ich auch wirklich den Organisatoren ein großes Lob aussprechen. Es gab am gesamten Rennwochenende nicht eine einzige falsche Entscheidung. Immer stand die Sicherheit für Fahrzeuge und Fahrer - und deren Gesundheit - im Vordergrund. Man ließ sich nicht durch die Zwänge eines Fernseh-Sendeplans oder des ausgedruckten Terminkalenders vergewaltigen. Die Abwicklung der Veranstaltung unter diesen Wetterbedingungen war beispielhaft. Einige Rennleiter in Europa könnten sich bei Rolen Paulino (Rennleiter) und George Copeland (permanenter Renndirektor SEATCZC, AF 2000) ein Stück abschneiden.

Ach ja - Zeittraining und Rennen sind wir dann auch noch gefahren. Überraschenderweise alles im Trockenen, aber immer bedroht von dunklen Wolken. Die Fahrwerkabstimmung und die Reifenwahl (nur 6 Stück für Zeittraining und beide Rennläufe!) konnten wir nur über den Daumen peilen.

Aber Fahrer und Team waren dieses Mal eine Klasse für sich. Suphot war mit unserem Nissan Primera schon im Zeittraining über eine Sekunde schneller gewesen als der Zweite, Charles Kwan im BMW. Wir waren auf der Pool Position.

Im Rennen das gleiche Bild. Trotz verpatzten Starts konnte sich Suphot schnell die Führung zurückholen. Und er behielt sie bis ins Ziel. Dabei drehte er auch noch die schnellste Runde.

Der zweite Lauf war eine Wiederholung des ersten Umlaufs: Nachdem er zu Beginn auf Platz drei zurückgefallen war, erkämpfte sich Suphot in der dritten runde den zweiten Platz (von Kajonsak im Toyota) und drei Umläufe später übernahm er die Führung von Charles Kwan im BMW, die er bis ins Ziel nicht mehr abgab. Und er fuhr abermals die schnellste Runde.

Die Veranstaltung war in jeder Beziehung ein voller Erfolg. Die Philippinos sind alle sehr motorsportverrückt. Ganze Hundertschaften von Pressevertretern, die der schreibenden Zunft und des Fernsehens, waren angereist. Sponsoren und Fahrzeughersteller hatten eingeladen. Und alle wurden mit zwei sehr spannenden Rennen belohnt.

Für unser Team blieb nicht viel Zeit zum Feiern. Das Auto war zum Rennende noch in einem Stück erhalten und so konnten wir noch am Sonntag die Container beladen, damit sie sofort auf den Weg nach Hohor Baru (Malaysia) auf den Weg gebracht, verschifft werden konnten.

In Johor wird dann alles viel leichter sein. Der O-Ton der Organisatoren dort: die Container kommen früh zur Rennstrecke, die Strecke ist fertig, etc., etc. -

Kann man das glauben? - Ich bin zu lange schon in dieser Gegend um daran zu glauben. Die Container werden wieder zu spät kommen, das Benzin wird noch nicht dort sein, die Ersatzteile hängen vielleicht im Zoll fest... - Warum sollte es dort anders sein, als die Jahre zuvor? - Wir sind in Asien. Und alles geht den Weg der kleinen Schritte. - Aber vorwärts!

Und während ich an das nächste Rennen denke, ist das Abenteuer "Rennen in Subic Bay" auch an diesem Sonntagabend nur scheinbar abgeschlossen. Als wir am Montagmorgen am Flughafen ankommen, ist die erste Nachricht, die wir hören, daß unser Rückflug nach Manila gestrichen wurde. Ich wollte nach Manila fliegen, da ich den Rücktransport per Straße für zu gefährlich hielt. In Manila hätten wir nachmittags einen Anschlußflug nach Bangkok gehabt, den wir nun nicht mehr erreichen können.

Aber Philippine Airlines ist sehr hilfreich. Wir könnten auch auf andere Art in zwei Stunden nach Manila kommen, sagt man uns. Nur ein kurzer Weg per Bus zum Hafen, von da aus mit der Fähre nach Manila/Hafen und von dort aus dann per Minivan zum Flughafen. Perfekt! - Das machen wir. - Denke ich. Ich will das Team unbedingt noch heute nach Hause bringen. Alle sind müde und ausgelaugt von der harten Woche asiatischen Rennsports.

Nach zwei Stunden Fahren über wildeste philippinische Straßen kommen wir am sogenannten Fährhafen, Ferryport, an. Ein mit Palmen bestandener Strand mit einer Holzpier. Weit und breit keine Fähre. Eine Stunde Wartezeit vergeht. Dann taucht endlich am Horizont mit einer weißen Bugwelle die Fähre auf. Wider Erwarten ist es eine moderne Doppelrumpf-Fähre, wie sie auch z.B. zwischen Macau und Hong Kong verkehrt.

Ich bringe uns 12 Mann mit allem Gepäck unter und eineinhalb Stunden später kommen wir tatsächlich in Manila an. Mit drei Taxis (der von Philippine Airlines versprochene Minivan war natürlich nicht da) geht es zum Flughafen . Und wir erreichen tatsächlich noch die Nachtmaschine der Lufthansa in Richtung Bangkok. - Ein normales ostasiatisches Rennwochenende geht zu Ende.

Und nächsten Samstag fliege ich dann nach Paris, um für das Roock Team in Le Mans bei den 24h einen GT2-Porsche zu betreuen. - Ich glaube, das wird eine Erholung.

MK/Axel Osswald/