Formel 1-Rennen in Spa: Von Menschen und Mächten, Träumen und Realitäten

Natürlich bin ich mir bewußt, daß ich vor einiger Zeit geschrieben habe, daß ich nicht über die Formel 1 berichten würde, da ich mich eigentlich nur mit Sport beschäftige. Und so kann man hier von Motor-KRITIK keinen Bericht, sondern nur einen Kommentar erwarten. Um meinen ganz persönlichen Eindruck kurz zusammenzufassen: Eine Riesen-Schweinerei! - Nachstehend steht, wie ich zu so einem Urteil kommen kann. Natürlich gibt es Zufälle. Aber ich glaube bei Ron Dennis und Norbert Haug nicht an Zufälle. Mir stellt sich die Frage:

Kocht Mercedes den F 1-WM-Titel nun auf "Spa-Flamme"?

98-09-01/04. Um es vorweg klar und deutlich zu sagen: Ich bin kein Schumi-Fan, soweit man das auf den Menschen Michael Schumacher bezieht. Ich habe ihn zu oft (auch schon in der Formel 3) erlebt, wenn er in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich war. Aber als Fahrer ist Michael Schumacher ein Künstler. Damit verglichen ist ein David Coulthard nur 2. Wahl.

Ron Dennis nahm zwar seinen Schützling Coulthard im Falle des Riesen-Crashs beim ersten Start damit in Schutz, wenn er erzählte, was ihm (angeblich) Coulthard so erklärt hatte: Coulthard habe von hinten einen Schlag erhalten.

Wenn man die Fernsehbilder Revue passieren läßt: hinter Coulthard war niemand. Es ist wohl zu sehen, daß Coulhard beim Beschleunigen mit dem linken Hinterrad auf die weiße Fahrbahnmarkierung am linken Streckenrand kommt. Und er macht dann wohl einen "handwerklichen" Fehler, der ihn nach rechts gegen die Boxenmauer fliegen läßt.

Ab da hatte Coulthard keinen Einfluß mehr auf die Abläufe. Zum Glück gab es nur Schrott. Man muß diesen Unfall als normalen Rennunfall - allerdings mit gewaltigen Auswirkungen - sehen. Wenn Mercedes-Haug danach den Vorwurf erhebt, man hätte eben hinter einem Safety-Car starten müssen (O-Ton Haug: "...und hatten das auch empfohlen."), so vertrat er da wohl mehr Firmen- als Sicherheitsinteressen.

Hinter dem Safety-Car wäre es zu einer Aufreihung in der Startaufstellungsreihenfolge gekommen: 1. Mercedes, 2. Mercedes, 3. Jordan, 4. Ferrari, 5. Ferrari, 6. Williams, 7. Benetton, 8. Jordan, usw. - Nach Freigabe des Rennens hätte das McLaren-Team also zunächst einmal einen Vorteil gehabt, weil Schumi aufgehalten wurde. Und später hätte dann Coulthard - selbst auf der Geraden -Schumi dadurch gut blockieren können, daß er hinter Hakkinen ein wenig versetzt fuhr. - Natürlich um bessere Sicht zu haben. Und wenn man dann noch die unterschiedlichen Fahrerqualitäten im Regen berücksichtigt... - Warum wäre das ungefährlicher gewesen?

Dann zum 2. Start - wieder ohne Safety-Car: Hill´s Start ist grandios. Schumacher ist außen neben Hakkinen. Der versucht Schumi weiter nach außen abzudrängen. (Das hätte übrigens Schumi an Stelle von Hakkinen genauso gemacht.) Schumi hält gegen, das Vorderrad von Hakkinens Wagen bekommt Kontakt zum Ferrari von Schumi. Da Hakkinen nun hart zu beschleunigen versucht, ohne daß er (durch den Vorderradkontakt) die Möglichkeit hat Korrekturen vorzunehmen, ist der Dreher unvermeidlich. Und dann fährt ihm jemand ins Auto. - So ist nun mal das (Renn-) Leben. -

Daß Coulthard wieder schlecht wegkommt und sich anschließend (mit Wurz) ins Grüne begibt, zeigt, daß bei den McLaren-Fahrern (aber besonders bei Coulthard!) die Nerven blank liegen.

Hakkinen raus, Coulthard aussichtslos zurückgefallen. Und vorne scheint Schumi mit dem Ferrari zu spielen. Gegner hat er keine. Jedem Zuschauer ist klar: Schumi wird hier die WM-Führung übernehmen.

Es ist einfach sensationell, wie er später Fahrern mit den besseren Reifen Sekunden abnimmt, mit relativ harten Intermediate-Reifen in der "Eau-Rouge" deutlich schneller ist, als andere mit weichen Regenreifen, die natürlich durch den größeren Anteil an Profilrillen für das nun vorhandene Wasser auf der Straße auch wesentlich besser geeignet sind.

Es ist für den aufmerksamen Beobachter keine Frage: Coulthard fühlt sich schon bei normalem Wetter in Spa nicht grade wohl. Das ist nicht sein Kurs. Und bei Regen scheint er sich ausgesprochen unwohl zu fühlen.

Machen wir nun einen Sprung zu der Situation, die zum Schumi-Ausfall führte: Schumi läuft auf Coulthard zum Überrunden (!) auf. Coulthard bekommt die "blaue Fahne" von verschiedenen Streckenposten gezeigt. Aber Coulthard blockiert Schumi. Ferrari-Rennleiter Todt begibt sich zum McLaren-Mercedes-Regiepult, spricht mit den Mercedes-Verantwortlichen. Insgesamt verbringt Schumi so um 1,5 Runden - also so um 3,5 Minuten - hinter Coulthards McLaren-Mercedes. Und der machte keine Anstalten den Ferrari passieren zu lassen.

Also wird Schumi es ohne Hilfe von außen versuchen müssen. Er saugt sich in der Gischt des vorherfahrenden Konkurrenten (Sicht = Null) an und - in diesem Moment verzögert Coulthard. Hart und deutlich. Wenn man auf seinen Vordermann auffährt, sich eine Vorderradaufhängung abreißt und dabei noch den Konkurrenten mit Überschußgeschwindigkeit (auf drei Rädern!) überholen kann, dann war der Geschwindigkeitsunterschied beim Auftreffen beider Fahrzeuge ja wohl größer als 5 oder 10 km/h. In den Auswirkungen war das eigentlich genauso, als hätte sich Schumi das Rad an einem Baum abgerissen. - Coulthard, ein Mann wie ein Baum.

Natürlich kann es ein unglückliches Zusammentreffen von Fahrerentscheidungen gewesen sein. - Wenn es nicht eine Fortsetzung dieser Geschichte geben würde.

Beide Fahrzeuge fahren also ihre Box an. Und schon nach relativ kurzer Zeit beginnt man bei Mercedes mit der Reparatur des Coulthard-Fahrzeugs. Warum? - Jeder weiß, daß Coulthard aussichtslos zurückgefallen ist und weiter zurückfallen wird. Um ein Regentraining für Coulthard zu ermöglichen?

Wäre ich FIA-Beauftrager gewesen, hätte ich sofort nach dem Einlaufen beider Fahrzeuge in der Box diese beiden Fahrzeuge sicherstellen lassen. Auswertung der Daten, und, und, und. Nur so wäre zu klären gewesen, ob hier überhaupt von Schuld gesprochen werden kann. (s.o.)

Aber Ron Dennis schickt das Coulthard-Fahrzeug wieder auf die Strecke und - das ist meine Interpretation - entzieht das Fahrzeug so dem Zugriff der FIA-Kommissare. Und eine ganz dumme Frage: Warum muß bei einer Reparatur des Heckflügels ein Computer angeschlossen werden? - Bei einem Fahrzeug, daß sonst vorher einwandfrei lief. (Dieser Vorgang war für aufmerksame Beobachter auf den Fernsehbildern zu sehen.)

Der Höhepunkt der dem eigentlichen Crash folgenden Inszenierung: Nachdem Coulthard gegen Rennende auf die Führungsgruppe aufläuft (Coulthard liegt aber fünf (!) Runden zurück), begibt sich Ron Dennis zu Mr. Jordan, um ihn zu bitten, doch Coulthard passieren zu lassen, damit er sich zurückrunden kann. Jordan versteht offenbar "nur Bahnhof". Und Ron Dennis geht.

Aber er kommt wieder. Coulthard hat inzwischen Alesi überholt, liegt hinter den zwei Jordan von Schumi II und Hill. Jordan begreift wieder nicht und zeigt hilflos auf die Renndaten, die einwandfrei ausweisen, daß Coulthard zu diesem Zeitpunkt drei (!) Runden hinter dem an 6. Stelle plazierten Jarno Trulli (Prost) zurückliegt. - Erst jetzt scheint Dennis zu begreifen... -

Was das sollte? - Es sollte wohl der Öffentlichkeit klar machen, daß Ron Dennis zum Zeitpunkt seines Reparaturauftrages und des Wiederhinausschickens auf die Strecke, keine Ahnung hatte, daß das eigentlich keinen Sinn machte, daß er bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht begriffen hatte, daß... -

Jeder der Ron Dennis über die Jahre beobachtet hat, wird ihm da doch glauben. - Oder?

Letzter Akt: Auftritt des Norbert Haug in der Rolle des Pfarrer Sommerauer. (Zu sehen bei RTL) - Das nennt man Teamwork. (Im Neuenglischen.) In der Eifel wurde das (von mir) als Schmierenkommödie empfunden. - Und natürlich hat man sofort die Renndaten der FIA zur Verfügung gestellt. - Sie erinnern sich: "Welches Schweinderl hätten´s denn gern?"

Mercedes hatte wohl mal in ein gutes Hausfrauen-Kochbuch geschaut, wo an vielen Stellen zu lesen ist: bitte bei mittlerer Hitze langsam ziehen lassen. Die Umsetzung dieser Kochanweisung kann für ein Formel 1-Team nur lauten: bitte auf "Spa-Flamme" kochen. Das ergibt dann einen WM-Titel mit "feinem Biß". - Aber wahrscheinlich nicht mit dem Marketingeffekt, den sich Daimler-Benz wünscht.

Erste Auswirkungen der "Kochkünste" von Mercedes (McLaren) werden in Monza zu beobachten sein. Aber auch am Nürburgring. - Oder möchte man den WM-Titel nur Herrn Schrempp präsentieren?

MK/Wilhelm Hahne