Noch einmal Coulthard ./. Schumacher: Weil eine "Versöhnung" nicht Fakten verdecken sollte

Man hat sich jetzt in Monza die Hände gereicht. Unter dem Druck der Öffentlichkeit. Michael Schumacher hat ein Vorbild für die Jugend zu sein. Und der Jugend von heute sollte man schon frühzeitig angepaßtes Verhalten vorleben. - Oder? - Aber löst man Spannungen dadurch, daß man sie überdeckt? - Man kann nur dann aus - auch unangenehmen - Erlebnissen lernen, wenn man sie analysiert. Und der Unfall in Spa verdient in jedem Fall eine möglichst objektive Betrachtung. Leider gab es davon in den Medien nur wenige. Schon erstaunlich, wie sehr "unser Michael" unter seinen Verfehlungen in der Vergangenheit leiden muß. Aber was haben die mit dem Unfall in Spa zu tun? - Obwohl die grundsätzlich Motor-KRITIK-Einstellung schon zwei Tage nach dem Rennen zu lesen war und noch ist (Formel1:  Titel auf "Spa-Flamme"?), will ich nachfolgend aufgrund weiterer Recherchen deutlich machen, daß es für Michael Schumacher - in diesem Fall! - keine Veranlassung gab, sich in irgendeiner Form zu entschuldigen. Während eigentlich Coulthard.... -

Der "Zufalls"-Unfall in Spa wirkt zufällig wie generalstabsmäßig vorbereitet

98-09-11/03. Am Montag nach dem Rennen hatte keiner erwartet, etwas über den Unfall in Spa im "Spiegel" oder "Focus" zu lesen. Aber am Montag danach. "Der Spiegel": Fehlanzeige. Und in "Focus" gab es (wie immer) viele Bilder, eine Grafik, viele Zitate, aber keine Meinung. Die überläßt man dem Leser. - Aber dann sollte man ihn schon objektiv informieren.

Da zeigt "Focus" z.B. ein Foto des in der ersten Kurve verunfallten Häkkinen, das sein Fahrzeug mit abgeknicktem Vorderrad zeigt. Im dazugehörenden Bildtext heißt es dann: "Der Finne war mit Schumachers Ferrari nach der ersten Kurve kollidiert." - Das erweckt bei dem Leser, der das Rennen nicht verfolgt hat, den Eindruck: Schumacher fuhr Häkkinen das Rad ab. Tatsache: Herbert fuhr mit seinem Sauber über Häkkinens Vorderrad. Häkkinen hatte sich vorher selber in die Situation gebracht, die zu diesem Unfall führte, nachdem er versucht hatte, Schumacher in der ersten Kurve nach außen abzudrängen, um nicht von ihm überholt zu werden..

Da gibt es in "Focus" einen Extra-Kasten, in dem die Größe des Startunfalls dem Leser verdeutlicht werden soll. "Focus" nennt ihn "Der teuerste Autofriedhof". Nirgendwo aber eine Zeile darüber, daß David Coulthard diesen Unfall  - und damit den dargestellten "Autofriedhof" - verursachte. Und nirgendwo ein Wort darüber, daß David Coulthard nach dem zweiten Start sich zusammen mit dem Benetton von Wurz ins Grün beförderte. Aber deutlich wird auf den "Zoff" hingewiesen, den Michael Schumacher in der Vergangenheit "mit den Kollegen" hatte.

Die "Focus"-Geschichte hätte mit den ganzen attraktiven Zitaten und Formulierungen auch gut in andere Publikationen des Burda-Verlages gepaßt. Nach dem Lesen der Geschichte ist man so schlau wie vorher. Man weiß, was ein Herr Schattling (Mercedes) sagte, was Schumi-Fans denken und in der FAZ zu lesen war. Aber was ist denn passiert?

Motor-KRITIK hat sich noch einmal die vom Fernsehen aufgezeichneten Renndaten angeschaut. Die bestätigen eigentlich das, was schon in der ersten Motor-KRITIK-Geschichte zu lesen war: Wenn es denn nicht ein wundersames Zusammentreffen von vielen, vielen Zufällen war, die exakt zueinander paßten, dann war es Coulthard, dessen Verhalten diesen Unfall auslöste. Den dritten in diesem Rennen. Auf einer Strecke, auf der er sich nicht wohl fühlte; unter Wetterbedingungen, die Coulthard nicht unbedingt mag.

Nachdem er durch den Unfall mit Wurz zurückgeworfen worden war, ließ Coulthard Schumacher schon dadurch schnell näherkommen, daß er zwischen 4 - 6 Sekunden pro Runde langsamer fuhr als Michael Schumacher. Aber auf der langen Geraden nach der "Eau Rouge" erreichte er immer ähnliche Höchstgeschwindigkeiten wie Michael Schumacher. Ab Runde 15 setzte zwar stärkerer Regen ein, aber Couldhard erreichte in Sektor 1 (vor "Les Combes") in Runde 16 ein Top-Speed von 289 km/, in Runde 17 waren es 293, in Runde 18 dann 284, in Runde 19 war er 284, Runde 20 z.B. 289 km/h schnell.

Schumacher war in Runde 17 wieder aus der Box gekommen, fuhr 289 km/h in Runde 18, 287 in Runde 19, 281 in Runde 20, usw., usw. - Wenn Schumacher in Runde 23 nach 2:10- und 2:11er-Zeiten plötzlich eine 2:16,420 fuhr, so lag das daran, daß es in dieser Runde zu einem Beinahe-Crash mit Diniz kam. Und in seiner 24. Runde, als er schon Coulthard sehen konnte, fuhr er dann auch nur noch eine 2:14,504 und erreichte in Sektor 1 eine Höchstgeschwindigkeit von 233 km/h. Schumacher wartete also hinter Coulthard (wohl auch durch das vorherige Erlebnis mit Diniz vorsichtig geworden), sprach wohl mit seiner Box, wollte sein Überholrisiko minimieren.

Als Schumacher sicher sein konnte, daß die Mercedes-Box informiert war, lief er wieder auf Coulthard auf, was insofern keine Schwierigkeit war, als Coulthard nun seine Geschwindigkeit auf der Geraden (Sektor 1) auf 258 km/ drosselte. Er ließ also Schumacher bewußt aufrücken. Das war in Coulthard´s 24. Runde, die schon die 25. von Schumacher war. Wäre Coulthard daran gelegen gewesen, dem Michael Schumacher das Überholen leicht zu machen, dann hätte er ihn in der bald folgenden (langsamen) "Rivage" passieren lassen können. Aber Coulthard hielt wohl (Warum eigentlich?) den dann bald folgenden schnellen Rechtsknick vor der "Pouhon" für geeigneter.

Daß Coulthard vorher schon mehrfach die "blaue Fahne" gezeigt bekam, ist unbestritten. Auch seine Fahrteinteilung (!) zeigt, daß er wußte, daß Schumacher auf eine Überholmöglichkeit wartete. Nun gibt man - wenn man überrundet wird - als der Langsamere dem Überholenden im Motorsport dadurch die bessere Möglichkeit, daß man die Ideallinie freigibt. Coulthard hätte also eigentlich in dem Rechtsknick nicht nur die Geschwindigkeit verlangsamen, sondern sich auch nach links - weg von der Ideallinie - begeben müssen.Seine Geschwindigkeit hat er verlangsamt, aber... -

Daß Coulthard nicht gleichzeitig nach links fuhr und damit Platz machte, hat seinen Grund darin, daß Coulthard genau wußte, daß er auf der linken Fahrbahnseite auf diesem (schnellen!) Streckenabschnitt mit deutlichem Aquaplaning rechnen mußte und einem eventuellen "Abflug". Wenn nun aber Michael Schumacher ihn auf der gefährlichen linken Seite überholen mußte, weil er ihm hier zwar eine eindeutige Überholmöglichkeit bot, aber selbst auf der Ideallinie blieb... -

Das ist keine Unterstellung, sondern eine Darstellung der Situation. Natürlich kann das Zufall gewesen sein. Aber für einen reinen Zufall war das für mich nicht zufällig genug. Man kann die Entwicklung hin zu dieser Situation nachverfolgen. Auch ohne vertrauliche Informationen durch einen Mercedes-Rennleiter. Man muß nur die jedem zugänglichen Daten von DF 1 nachverfolgen. Und wenn man dann sieht, daß Coulthard nach der Reparatur seines Fahrzeugs an der Box - und einer Zockelfahrt hinter dem Saftycar - dann gegen Ende des Rennens ähnliche Zeiten fuhr wie vorher Michael Schumacher, dann war das auch "Zufal"?  Weil Coulthard nun die besseren Reifen hatte. Sagt man bei Mercedes. - Klar, was denn sonst?

Nichts als Zufälle bei diesem Rennen. Alles Zufälle zugunsten von Coulthard. David Coulthard konnte sich so - zufällig - um den angestrebten Gewinn der Formel 1-Weltmeisterschaft von Mercedes-Benz verdient machen.

Und Michael Schumacher hat inzwischen sicher auch eingesehen, daß der Ministerpräsident Beck von Rheinland-Pfalz sicherlich recht hat.... und daß auf die Meinung einer Bundestagsabgeordneten Wert zu legen ist... und daß man die FIA nicht verärgern sollte.... und auch Bernie Ecclestone nicht... und weil auch Herr Weber.... und weil er auch ein Vorbild für die Jugend sein will, da hat er dann seinem Sportkammeraden Coulthard in Monza (wie im Fernsehen dokumentarisch festgehalten) die Hand geschüttelt. - Nach einem langen Gespräch.- Bei Williams.

Ist Michael Schumacher jetzt ein Vorbild für die Jugend? - Als Mensch? - Als Rennfahrer? - Motor-KRITIK möchte auf diese Fragen keine Antwort geben, findet aber: Nach dieser Art der "Aufarbeitung" ist Michael Schumacher sicher ein Vorbild als Geschäftsmann. - Ein hervorragendes Abgleichen von Soll und Haben.

MK/Wilhelm Hahne