Die neue Mercedes S-Klasse mit "anderen Augen" betrachtet und mit Käuferherz empfunden

In Motor-KRITIK gibt es eigentlich keine Geschichten, die ausschließlich auf Pressemitteilungen beruhen. Meistens gibt es "die andere Geschichte" zum gleichen Thema, das auch in anderen Medien "beschrieben" wird. Zum Zeitpunkt der offiziellen Bekanntgabe der Werks-Daten zur Mercedes S-Klasse war in Motor-KRITIK schon eine Geschichte zu dieser oder jener Eigen- und Besonderheit der neuen S-Klasse zu lesen. Auch, daß in der Entwicklung nicht alles so lief, wie man sich das bei Mercedes idealerweise vorgestellt hatte. Sonst gab es diese Informationen nirgendwo. Bis zu diesem Zeitpunkt - und bis heute! - waren in den anderen Presseprodukten nur Jubelarien zu lesen. Sicherlich ist die S-Klasse ein Meilenstein. Für Mercedes. Aber ist nicht vieles schon einmal dagewesen? - Wie "alt" sieht denn eigentlich jener 7er-BMW aus, den BMW nun als "neu" verkauft und der - bis zum Erscheinen des neuen Mercedes-Modells - im Spitzensegment der Limousinen den Ton angab?

Definiert Mercedes mit der neuen S-Klasse die Luxusklasse neu?

98-10-15/01. "Das neue Flaggschiff des größten deutschen Autokonzerns wirkt um Lichtjahre jünger, dynamischer, agiler und eleganter", schreibt "Auto-Bild" über die neue S-Klasse. Richtig! - Wenn man vom "alten Modell" ausgeht. Mit dieser "alten" S-Klasse hatte Mercedes Marktanteile verloren. Überall in der Welt. Und wer war nun in letzter Zeit die erfolgreichste Luxuslimousine weltweit? - Lassen wir Zahlen sprechen, Absatzzahlen:
 
BMW 7er
Mercedes S-Klasse
1994
35.648
59.956
1995
50.608
56.816
1996
50.908
50.093
1997
49.698
45.438
Der 7er BMW lag auch in den ersten Monaten dieses Jahres klar an der Spitze. Sicherlich nicht ungewöhnlich, zumal längst durchgesickert war, daß der Mercedes neu kommt. Eigentlich ein Grund für alle Kauf-Interessenten in diesem Marktsegment ein wenig Kaufzurückhaltung zu zeigen. Was bietet der neue Mercedes? - Bietet er mehr als der BMW? -

Aber soweit Motor-KRITIK die Zahlen der ersten Monate des Jahres 1998 bekannt sind, lagen auch hier die Absatzzahlen von BMW deutlich über denen von Mercedes. Um rund 50 Prozent. Offensichtlich kauften BMW-Interessenten ohne Zögern noch "ihren" 7er, waren offensichtlich davon überzeugt, ein Fahrzeug nach dem Stand der Technik zu erhalten.

Die Zahlen zeigen, daß BMW mit seinen Vorstellungen von einer Luxuslimousine den Vorstellungen der entsprechenden Käuferschicht am nächsten kam. Seit Jahren! Man verlangte nicht nach Masse (Mercedes), sondern nach jenem Vernunftangebot in Abmessungen und Gewicht, die gleichzeitig auch eine gewisse Sportlichkeit beinhaltete und garantierte.

Mercedes hat aus dieser Niederlage gegenüber dem Münchner Konkurrenten, den man früher einmal im Luxussegment nicht ernst nehmen wollte, nun gelernt. Und man scheute sich nicht, die neue S-Klasse in der gleichen Art anzulegen, wie sich der 7er BMW immer noch darstellt: schlank und rank, sportlich komfortabel, keine ungehörig große Verkehrsfläche beanspruchend.

Stellen wir einmal die Zahlen gegenüber die die Unterschiede deutlich machen, aber auch, daß BMW schon 1994 mit seiner Einschätzung des Luxuslimousinen-Marktes richtiger lag als Mercedes mit der "alten" S-Klasse:
 
S-Klasse "alt" S-Klasse "neu" BMW 7er "neu"
Länge 5113 mm 5038 mm 4984 mm
Breite 1886 mm 1857 mm 1862 mm
Höhe 1485 mm 1444 mm 1435 mm
Radstand 3040 mm 2965 mm 2930 mm
Die Innenmaße des 7er BMW sind aber trotz der geringeren Abmessungen in etwa gleich, der Unterschied in den aerodynamischen Qualitäten nicht so groß, wie er sich durch die cw-Zahlen 0,27 Mercedes und 0,30 BMW darstellt. Schließlich stellt sich mit dem Mercedes eine größere Stirnfläche dem Fahrtwind entgegen, so daß sich aus der Formel cw x A (Luftwiderstandsbeiwert mal Stirnfläche) dann für den neuen Mercedes der Faktor 0,62, für den BMW von 0,68 ergibt. (Zum Vergleich: der moderne Kleinwagen Peugeot 206 weist einen Wert von 0,65 auf.)

Interessant ist übrigens, daß 7er BMW und Mercedes S-Klasse bisher ganz unterschiedliche Käufergruppen ansprachen. Liefen nur 27 Prozent der 7er BMW als Privatwagen, so waren das bei der S-Klasse 82 Prozent. Woraus sich ergibt, daß 73 Prozent der 7er BMW als Firmenwagen laufen, während das bei der S-Klasse nur bei 18 Prozent der Fall ist.

Wenn man nun daraus schließen wollte, daß die Mehrzahl der BMW wohl als Firmenwagen geleast oder finanziert ist, so liegt man falsch. Es ist genau umgekehrt: 68 Prozent aller Mercedes S-Klasse werden geleast oder finanziert; bei beim 7er BMW sind es nur 52 Prozent. Daraus ergibt sich schlüssig: 48 Prozent aller 7er BMW werden gegen Barzahlung gekauft, beim S-Klasse Mercedes gibt es nur einen Anteil von 32 Prozent Barzahlern.

Daß man in Stuttgart begriffen hat, wie man BMW angreifen muß, ergibt sich aus den Aussagen der leitenden Mercedes-Manager, die ihrer neuen S-Klasse Eigenschaften wie "fahrerorientiert" und sogar als neues Mercedes-Erlebnis, die "Freude am Fahren" zuordnen. BMW braucht seine Position im Markt nicht zu verändern, Mercedes muß sich anpassen, spricht aber damit nun die gleiche Klientel an wie BMW, was für BMW das Geschäft nicht leichter macht.

Das Äußere des neuen Mercedes muß als sehr gelungen bezeichnet werden, wird die möglichen Käufer stark emotional ansprechen, zumal BMW nun auch bei der letzten Überarbeitung des 7er nur kleine Korrekturen vorgenommen hat. Der 7er ist aus der Sicht der möglichen Kunden - die nicht so exakt hinsehen - ein altes Auto. Die Mercedes S-Klasse wirkt aber schon bei oberflächigem Hinsehen neu.  Das ist eigentlich der bedeutendste Vorteil für Mercedes. Geht man in die Details, versteht man die Euphorie der Medien nicht ganz, die die neue Mercedes S-Klasse geradezu zu einem "Überauto" hochstilisieren.

Unternehmen wir doch einmal den Versuch, ein paar Details zu vergleichen. Da wäre z.B. das Leergewicht, mit dem Mercedes vorgibt eine neue Leichtigkeit in der Klasse der Luxuslimousinen einfließen zu lassen. Vergleichen wir einmal zwei unterschiedliche Modelle:
 
  Leergewicht Mercedes S 280  1770 kg
Leergewicht BMW 728i 1785 kg
Leergewicht Mercedes S 430  1855 kg
Leergewicht BMW 740i 1925 kg
Dabei muß man berücksichtigen, daß der Mercedes natürlich das jüngere Konzept bietet, neue Werkstoffe verwendet und z.B. (aus Gewichtsgründen) auf eine Doppelverglasung verzichtet, die es beim BMW immer noch als Sonderausstattung gibt. Es wird schwer werden, bei vergleichbaren Typen und Ausstattungen bei der neuen S-Klasse jene 300 Kilogramm Gewichtsabmagerung gegenüber dem alten Modell zu registrieren, die von Mercedes-Managern immer propagiert werden.

Während Mercedes Benz in nächster Zeit nur drei Motorisierungen anbieten kann, ist bei BMW das gesamte Motorenprogramm, vom Sechszylinder, über Achtzylinder, bis hin zum Zwölfzylinder verfügbar. Außerdem gibt es den neuen Sechszylinder-Dieselmotor (Common-Rail) und der neue Achtzylinder-Diesel (ebenfalls Common-Rail) wird - wie auf dem Pariser Salon schon gezeigt - nicht lange auf sich warten lassen. - Motor-KRITIK-Vorhersage: der BMW Achtzylinder-Diesel wird eher auf dem Markt sein, als der Achtzylinder-Diesel von Mercedes, obwohl Mercedes glaubte - zumindest bei diesem Motor - fest daran geglaubt hatte, hier einen Vorsprung zu haben.

Mercedes hat - auf dem Dieselsektor - ein paar Schwierigkeiten. Gerade (aber nicht nur) mit dem Achtzylinder, der eigentlich auch in Paris dem von BMW gegenüber gestellt werden sollte.  Da ist z.B.. ein Probleme aufgetreten, das nach Kenntnis von Motor-KRITIK bisher nicht definitiv gelöst werden konnte. Bei den Versuchen hat sich wohl herausgestellt, daß der Motorblock, bei Mercedes ganz aus Aluminium gefertigt, der vorgesehenen Leistung (auch dem Drehmoment!) nicht gewachsen ist. Der Block verwindet sich praktisch, weist eine Elastizität auf, die bei den Computer-Animationen nicht vorhanden war. Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die Leistung zurücknehmen (und gegenüber dem vergleichbaren BMW-Diesel "alt" aussehen) oder beim Block das Gußmaterial ändern. Aber das Mercedes-Management möchte aus Gewichtsgründen (auch der Gewichtsverteilung wegen!) nun mal Alu. Also versucht man jetzt über ein anderes Gußverfahren zu einer Lösung zu kommen, die gesamtheitlich dem angestrebten Ideal nahekommt. Bisher vorgenommene Gußversuche in England und Deutschland brachten nach Motor-KRITIK-Recherchen aber noch nicht die Lösung. Bei Mercedes steht man unter Zeitdruck. - Und dann wäre da noch das Getriebe... - Aber lassen wir das jetzt.

Wie dieses Diesel-Problem auch immer gelöst wird: In jedem Falle hat BMW im 7er derzeit das umfassendere und bessere Motorenangebot als Mercedes in der neuen S-Klasse. Auch ohne Achtzylinder-Diesel..

BMW bietet den Sechszylinder mit Doppelvanos und Kennfeldkühlung auf, hat zwei Achtzylindermotoren - jetzt mit Einlaß-Vanos und Kennfeldkühlung - im Angebot und der Zwölfzylinder verfügt jetzt über Elektro-Kat und Adsorber und auch über die neue Kennfeldkühlung. Daß der Dreiliter-Sechszylinder-Diesel ein Motoren-High-Light ist, dem Mercedes derzeit nichts Gleichwertiges gegenüberstellen kann, ist sicherlich unbestritten. Und mit dem neuen - noch kommenden - Achtzylinder-Diesel beweist BMW auch wieder seine Qualitäten als Motorenhersteller.

Nach den Motor-KRITIK bisher bekannten Details beider Motoren (von Mercedes und von BMW) wird BMW auch hier konstruktiv wieder die Nase vorne haben. Nicht nur von der Leistung her (die Mercedes wahrscheinlich bei seinem Motor nicht realisieren kann), sondern auch in Details, wie der elektronischen Steuerung der Turbolader, weil bei den bisherigen Lösungen (auch der von Mercedes) niemand sagen kann, welcher Turbolader welcher Zylinderbank gerade welchen Anteil am Druckaufbau hat. Für Mercedes war dieses Detail wohl nicht so wichtig.. Dafür ist der neue Mercedes-Dieselmotor wohl preiswerter zu fertigen, als der von BMW. - Herrn Schrempp wird's freuen. Wegen der Rendite.

Kommen wir zum Fahrwerkvergleich: Mercedes setzt auf Luftfederung. Den Stuttgarter Ingenieuren erschien das - nach Testerfahrung mit einem luftgefederten Lexus - wohl als die beste Lösung. Schließlich hatte man auch - wie nicht nur ein einziger Testbericht in der Vergangenheit auswies - hier einen Nachholbedarf gegenüber der perfekt abgestimmten "Stahl"-Federung eines 7er BMW. Die Münchner hatten seinerzeit auch eine "Luftlösung" geprüft, waren aber zu der Auffassung gekommen, daß die Luftfederung nicht nur einer perfekt abgestimmten konventionellen Federung im hochfrequenten Bereich um "einen Hauch" unterlegen ist, sondern auch insgesamt teurer. Und das nicht nur bei der Erstausstattung, sondern auch im Wartungs- und Reparaturfall. Außerdem wird von den BMW-Entwicklern die Betriebssicherheit der konventionellen Federung höher eingestuft.
 
Die Mercedes-Luftfederung wird (wie bei der A-Klasse) serienmäßig durch das ESP-Programm unterstützt. Außerdem hilft beim Bremsen das BAS, der Bremsen-Assistent. Gegenüber dem von BMW eingesetzten hydraulischen System, wird das Mercedes-System pneumatisch gesteuert, was - so meint man bei BMW - mit Nachteilen für den Nutzer verbunden ist. Dem Fahrer wird bei Mercedes das Bremspedal regelrecht "unter dem Fuß weggesaugt". Beim BMW wird in einer Notbremssituation über die Hydraulik weiter Bremsdruck aufgebaut, bis daß eine optimale Bremswirkung erzielt wird. Nach Motor-KRITIK bekannt gewordenen Versuchsergebnissen garantiert die BMW-Lösung eine bessere Dosierbarkeit, ein sicheres Erreichen des ABS-Bremspunktes und somit - und das ist entscheidend - einen kürzeren Bremsweg im Ernstfall.

Daß die Luftfederung des Mercedes nicht alles kann, wird auch im ersten Testbericht von "auto motor und sport" deutlich, wo zu lesen ist: "Gerade weil der Fahrer derart verwöhnt wird, fallen ihm verbleibende Unzulänglichkeiten der Federung auf. Der Komfort bei geringem Tempo ist gut, aber nicht überragend wie die sonstigen Federungseigenschaften. Grobe Unebenheiten bekommen die Insassen durchaus zu spüren, wenn sie mit stadtüblicher Geschwindigkeit überrollt werden."

Beide Fahrwerklösungen haben Vor- und Nachteile. Es liegt am Käufer, sich für eine Lösung zu entscheiden. Die Stahl-Lösung ist aber "nicht von gestern" und die Luftfederung hat schon den Vorteil, daß die Niveauregelung serienmäßig ist, die man bei BMW - je nach Modell - entweder schon serienmäßig oder aber nur als Sonderausstattung erhalten kann.

Eine andere Sonderausstattung erhält man dagegen beim neuen Mercedes für kein Geld der Welt: eine Reifendruck-Kontrolle. Die gibt's nur bei BMW, wenn auch gegen Aufpreis.

Mehr Alu gibt es dagegen bei Mercedes. Aber da hatte man es ja auch nötig, wenn man mit dem Gewicht herunterkommen wollte. Wobei Motor-KRITIK einmal die Gewichtsverteilung beim Mercedes interessieren würde, weil darüber von den Stuttgartern bisher in keiner offiziellen Informationen irgendwelche Angaben gemacht wurden. Das macht mißtrauisch. So ist anzunehmen, daß beim Mercedes die Vorderachse höher belastet ist, als beim BMW. - Aber wissen tut' s bisher keiner. - Also den nächsten Testwagen mal auf die Waage stellen!

Gehen wir nun einmal auf Details der Innenausstattung bei 7er BMW und Mercedes S-Klasse ein.

Das, was den meisten Journalisten bei den ersten Testfahrten wohl Spaß gemacht hat, ist die "Distronic" beim Mercedes. Das ist so eine Art Abstandsregel-Tempomat, der den (vom Fahrer eingestellten) Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden automatisch konstant hält. So wird man "automatisch" zum mitschwimmenden Teil einer "Verkehrsschlange". Der Vordermann bestimmt wie schnell ich fahre. Dieses "Assistenz-System" (Mercedes-Wortschöpfung) "ist ein Kind der schier endlosen amerikanischen Highways", wie in der Mercedes-Kundenzeitschrift zu lesen ist. Da paßt sie auch hin. Auf unserer Art von Autobahnen, überwiegend zweispurig, funktioniert das evtl. so, wie von einem Journalisten-Kollegen geschildert. Der hatte die Grundeinstellung, die einen Sicherheitsabstand von 1,5 sec ergibt, ein wenig verändert (natürlich zur sicheren Seite hin), was dann einem Sicherheitsabstand bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h von etwa 100 Metern entsprach.

Der Kollege in der anderen S-Klasse war mit gleicher Geschwindigkeit (es ist ungeklärt, ob mit ein- oder abgeschalteter "Distronic") unterwegs. So konnte aber dann passieren, daß rechtsfahrende, langsamere Automobile einen noch langsamer fahrenden Lkw überholen wollten und sich in die optisch große Lücke von 100 Metern schoben. Was den Mercedes dann automatisch zum Bremsen veranlaßte. Und dahinter wurde dann gebremst. Und dahinter wurde dann auch gebremst. - Frage: Wie kommt es eigentlich zu einer Staubildung? - Außerdem hatte der Fahrer mit eingeschalteter "Distronic" keine Möglichkeit, Überholvergänge dadurch zu verkürzen, daß er unter richtiger Einschätzung der Überholvorgangszeit seines Vordermanns nun schon rechtzeitig vorher beschleunigte.

Aber der TÜV Rheinland hat die "Distronic" auch getestet und war zum Ergebnis gekommen, daß das daraus resultierende Fahrerlebnis von den Testpersonen als "entspannend, sicher und streßfrei" beschrieben wurde. - Frage von Motor-KRITIK: Wäre eine Fahrt mit der Bundesbahn nicht noch streßfreier gewesen?

Auch BMW hat ein solches System (ein ähnliches) längst der Presse vorgestellt und wird es unter dem Konkurrenzdruck von Mercedes nun auch in Kürze anbieten. Vielleicht dann in der Praxis sogar zeitlich vor Mercedes, wo die so hochgelobte Innovation auch erst "ab Frühjahr 1999" (was immer das heißen mag) für den Käufer einer neuen S-Klasse verfügbar ist.

"Keyless-Go" ist ein weiteres Zauberwort, das die Mercedes-Tester der ersten Stunde in Verzückung geraten läßt. Man hat einen Chip in der Tasche, beim Anfassen des Türgriffs erkennt das System die Berechtigung und öffnet. Und per Knopfdruck (auf einen Start-/Stop-Schalter) kann man das Fahrzeug starten. Kein Schlüssel in einen Schlitz schieben, keine Umdrehen des Schlüssels, es ist wie "Sesam öffne dich". - Aber auch erst "ab Frühjahr 1999" verfügbar.

Beim BMW gibt es die "Key- und Car-Memory". Sie kann mehr (beim Mercedes kann das evtl. auch programmiert werden) und sie kann weniger. Aber sie gibt es serienmäßig (ohne Aufpreis) und sie ist - nicht unwichtig - längst lieferbar.

Kommen wir zum Sitzangebot. Das wird bei Mercedes vom Begriff des "Komfortsitz mit dynamischer Multikonturlehne" beherrscht. Beim BMW gibt es den "Komfort-Aktivsitz". Und der Unterschied? - Beim Mercedes-Sitz ist der Sitz mit acht kleinen Ventilatoren ausgestattet und der in der Mercedes-Werbung versprochene Massageeffekt wird alle fünf Minuten über ein simples Aufpumpen - aber mit unterschiedlichem Druck! - der Lordosenstütze erreicht. Daraus entsteht - so meinen Fachleute - nicht unbedingt ein "anatomischer Nutzen".

Anders bei BMW, wo die Sitzfläche (unsichtbar) geteilt ist. Hier werden dann abwechselnd alle 60 sec die Gesäßmuskeln entlastet und dabei jeweils die Wirbelsäule und die entsprechende Rückenmuskulatur angeregt und aktiviert. - Was besser ist? - Im Moment noch, was überzeugender verkauft wird. Und versucht man die Frage mit Logik zu klären, dann müßte es eigentlich der BMW-Sitz sein, der Langstreckenfahrer länger frisch hält. - Motor-KRITIK ist auf das Ergebnis eines ersten (weltexklusiv ersten) Sitz-Vergleich-Dauertests gespannt. Vielleicht im "Playboy"? - (Titelvorschlag: Wer sitzt auf wem besser?)

Eine Lenkradverstellung mit automatischer Ein- und Ausstiegshilfe gibt es beim BMW schon seit 1990, seit dem E 31. Inzwischen sind wir beim E 38 - so nennt sich intern der aktuelle 7er - angekommen. Und ein Multifunktionslenkrad ist zwar für Mercedes eine Neuheit, aber bei BMW lange selbstverständlich und auch im Sportlenkrad zu haben.

Erlassen Sie es bitte Motor-KRITIK, über die Unterschiede der unterschiedlich verbauten Airbags zu sprechen. Denn zu einer Beurteilung derer Funktion müßte ich zunächst über Aufprallgeschwindigkeit, Aufprallwinkel usw. informiert werden. Denn evtl. passiert gar nichts, kein Airbag öffnet sich. Dann war vielleicht der Aufprallwinkel falsch, oder die Aufprallgeschwindigkeit zu niedrig.

Bei Mercedes erfolgt aber in jedem (Unfall-) Fall ein automatischer Notruf zur nächsten Notrufzentrale über "Tele-Aid". Wenn Sie denn bereit waren, den Aufpreis für die Sonderausstattung dafür vorher zu zahlen. BMW erkennt diesen Vorsprung der Konkurrenz neidlos an und rüstet schon nach. Demnächst in diesem "Verkaufs-Theater" wird bei BMW eine ähnliche Einrichtung bei all den Modellen verfügbar werden (natürlich auch gegen eine kleine Schutzgebühr), die über Telefon und Navigationssystem verfügen.

Damit ich über aller Sicherheit nicht ganz simple Dinge vergesse: Das Mercedes Kombiinstrument ist mit einem Zentraldisplay versehen, wo z.B. Weiß auf Schwarz Geschwindigkeit und Drehzahl angezeigt werden. "Auto-Bild"-Tester Michael Sprecht registriert (ganz objektiv): "Ablesbarkeit 150 Prozent". - Das ist tatsächlich mehr, als man bei BMW erwarten kann, wo man im 7er ein Cockpit-Design mit zentral - und nach Prioritäten angeordneten - Analoginstrumenten in Durchlichttechnik vorfindet. Die Ablesbarkeit beträgt hier - nach Motor-KRITIK-Wertung: 98,897 Prozent.

Welches Automobil der Luxus-Oberklasse würde sich nun der Autor dieser Geschichte - nachdem er sich ausführlich mit den Vorzügen von neuer Mercedes S-Klasse und neuem 7er BMW auseinandergesetzt hat kaufen? - Bei der gedanklichen Vorbereitung einer klaren Antwort wird mir schlagartig klar, daß über etwas vergleichend berichten und etwas von eigenem Geld kaufen, ein großer Unterschied besteht. Ich würde z.B. keinen S-Klasse-Mercedes und keinen 7er-BMW besitzen wollen. Aber einen 7er eher als eine S-Klasse. Die Entscheidung fiele bei mir zwischen Lexus (Vernunft) und Jaguar (Emotion), wobei ich mich - obwohl ich weiß daß es technisch bessere Automobile gibt - wohl für den Jaguar entscheiden würde.

So ist das nämlich mit den Kaufentscheidungen für Automobile: sie fällt eigentlich emotional, man untermauert sie nur durch Sachargumente gegenüber der Firma, der Familie, den Freunden. Darum muß es denn auch Sachargumente geben. Bei der neuen S-Klasse, wie auch beim 7er BMW.

Darum listet Motor-KRITIK denn auch noch einmal die Vorzüge der beiden Modelle so auf, wie sie - bei sachlicher Gegenüberstellung der Fakten (nicht emotional) - im nüchternen Vergleich herausgefunden wurden:
 
• Abmessungen/Gewicht 
Vorteil BMW
• Motorenangebot
Vorteil BMW
• Ausgereiftheit/Fertigungsqualität
Vorteil BMW
• Fahrleistungen
Vorteil BMW
• Ausstattung
Ausgeglichen
• Preis-/Leistungsverhältnis
Vorteil BMW
• Fahreigenschaften
Vorteil BMW
• Sicherheit
Ausgeglichen
• Verbrauchswerte Vorteil MB
Das hat man nun davon, wenn man sich einmal mit Automobilen sachlich auseinandersetzt. Am Ende ist man selber überrascht. Umso überraschender ist die Berichterstattung in den Medien. Selbst Niki Lauda kommt da mit einem Urteil über die neue S-Klasse zu Wort. Er testete ja auch damals schon (für Mercedes) die A-Klasse. Und auch der TÜV... - Und die Fertigung wurde dann gestoppt. Obwohl doch der Niki und auch der TÜV... -

Aber jetzt einmal ganz ernst - und weil Motor-KRITIK etwas vom Automobilgeschäft versteht: bei BMW wird man es mit dem 7er in nächster Zukunft schwer haben. Weil - wie ich oben schon an eigenem Beispiel darzustellen versucht habe - der Autokauf primär von Emotionen bestimmt wird  Und die neue S-Klasse "macht was her". - So einfach ist das!

Was die BMW-Oberen nicht vergessen dürfen: diese Kundschaft hat einmal Rolex getragen, ist dann zu Ebel gewechselt, war von IWC begeistert und trägt heute eine Lange. Ein wenig Abwechslung muß sein. Und wenn immer das gleiche Automobil (optisch!) in der Garage steht, obwohl es immer der neueste BMW ist, dann paßt das nicht unbedingt zum Darstellungs-Gehabe dieser Käuferschicht. Und wenn nun Mercedes die Möglichkeit bietet... - Und wenn dann noch die Medien die S-Klasse zur "Spitze des Automobilbaus" (Auto-Bild) hochjubeln... - Dann steckt man sich dazu noch ein Nokia 8810 in die Tasche - und man ist in jedem Lions-Club der Größte.

Image und Loyalität ist die eine Sache, von der BMW z.B. bei den 7er-Verkäufen deutlich profitiert; Styling, Design ist eine andere. Erst wenn BMW diese "Werte" miteinander verbindet, wird etwas daraus: ein Verkaufserfolg.

Um es klar vorherzusagen: diese neue Mercedes S-Klasse wird ein Verkaufserfolg, weil BMW sich leider beim Automobilbau oft zu sehr an Sachargumenten (zwar im Sinne seiner Käufer, aber...) orientierte, aber darüber die "Verpackung" vergessen hat. Gerade beim 7er. - Zu cool, zu wenig geil. - Man hat übersehen, daß die Individuen, aus denen sich diese Zielgruppe zusammensetzt, zwar das Wort nicht aussprechen - aber so träumen.

MK/Wilhelm Hahne