Betr.: Smart. - Warum Daimler nun die 19 Prozent Anteile der SMH an MCC - also von Hayek - kaufen muß

Es sieht nicht gut aus für Smart. Die ersten Fahr- und Testberichte beunruhigen die Daimler-Oberen. Es müssen nun schnellstens Entscheidungen getroffen werden. Und die kosten - gleich ob so oder so entschieden wird - viel Geld. Und da braucht man volle Entscheidungsfreiheit. Und die kann Daimler nur erlangen, indem man Hayek ausbezahlt oder sonst "irgendwie rauskegelt", wie es ein Insider formuliert. Motor-KRITIK hatte bereits vom Deal mit Smart-Centern in der Schweiz berichtet. Auch sonst gibt es wohl "atmosphärische Störungen" mit Smart-Center-Betreibern. Es genügt einfach nicht, heute mit einem Werk nach ISO 14001 zertifiziert zu sein, um beim Verkauf eines Automobils Erfolg zu haben. Es genügt auch nicht, daß dieses Automobil ein "vernünftiges Automobil" ist. (Schließlich kommt es auch auf den Standpunkt an.) - Ist der Smart in seiner jetzigen Form wirklich ein Flop? - Motor-KRITIK möchte es ganz im Stil der Smart-Werbung - aber auf gut Deutsch - so formulieren:

Smart - das Maximum vom Minimum

98-10-31/07. Die österreichischen Kollegen von "auto revue" gehören wirklich nicht zu denen, die ein Automobil bei Fahrberichten oder Tests in der Luft zerreißen. Aber im Falle Smart ringt sich Chefredakteur Herbert Völker am Ende einer insgesamt Acht-Seiten-Strecke die Worte ab: "Ich sollte irgendwas Nettes zum Schluß sagen. Ich denke ziemlich lange nach beim Fahren und Holpern. Ich meine, es war schon okay, ein Auto auf diese Art zu versuchen. Aber man muß diese Idee schon sehr, sehr lieb haben, damit's einem taugt."

Und der "stern" kommt am Ende seines Smart-Fahrberichts zu der Feststellung: "Der Smart, dieses Kleinkind von Daimler-Benz und Swatch, ist ziemlicher Schnickschnack. Bekanntermaßen sind Swatch-Uhren begehrte Sammlerobjekte. Ich würde mir den Smart ins Regal stellen und warten, bis er im Wert steigt."

Liest man das, was in diesen Tagen über den Smart geschrieben wird, dann entsteht der Eindruck, daß sich jetzt zunächst wohl erst einmal MCC, die Gesellschaft die den Smart fertigt, eine Menge Smart ins Regal stellen muß. Denn wer soll diese Dinger - nach diesem Medien-Echo, das überwiegend negativ ist - noch kaufen?

Immer wieder wird der Komfortmangel beim Smart beanstandet. Der "stern": "...die Federung des City-Car ist derart stramm - hat er überhaupt eine? -, daß Kopfsteinpflaster und Bodenwellen die Seh- und Magennerven erschüttern."

Die Schweizer "automobil revue" ist da nachsichtiger. Sie schreibt zum Thema Fahrwerksqualitäten, dem Fahrverhalten und dem Fahrkomfort: "Unser Urteil fällt nicht so vernichtend aus, wie das vor allem in deutschen Magazinen zu lesen war. Nach unserer Einschätzung ist der Smart zwar alles andere als eine Sänfte, aber auch nicht in der Art früherer britischer Sportwagen richtig knüppelhart gefedert. Er ist vielmehr sehr, sehr straff, das ist ein Unterschied, und gibt sich redlich Mühe, im Rahmen seines Konzepts die Straßenunebenheiten zu schlucken."

Aber das Ergebnis dieser nachsichtigen Umschreibung eines offenbar unangenehmen Eindrucks lautet dann auch hier am Ende des Tests, in in einem Kasten ("Auf einen Blick") zusammengefaßt: Ein Minus für die Federung, ein Minus für den Verbrauch, ein Minus für die Preisgestaltung des Smart. Ein Plus erfahren die passive Sicherheit, der Sound, die Sitze.

Was in der "automobil revue" selten genug ist: zu dem Smart-Tests gibts noch einen Kommentar, indem es zum Schluß heißt: "Die federführende Daimler-Benz täte jedenfalls gut daran, die eklatantesten Fehler in einem Re-Engineering-Programm so rasch wie möglich auszumerzen. Stichworte dazu sind etwa die allzu durchschaubare Preisgestaltung - der ursprünglich, zu Swatchmobil-Zeiten, versprochene Preis konnte nur realisiert werden, weil ausstattungsmäßig krass abgemagert wurde - aber auch die kalkulatorisch begründeten Kompromisse bei der Sitzarretierung oder bei der Armatruenbrettbestückung (man stelle sich vor, ein 'Swatchmobil' ohne Uhr!) sowie bei der Getriebeauslegung."

Wenn wir einmal zusammenfassen: die Federung, der Komfort, die Ausstattung, die Preigestaltung des Smart sind verbesserungsbedürftig. Was eigentlich nicht? - Sind die Fahreigenschaften wenigstens in Ordnung?

Die Schweizer "automobil revue" schreibt: "Kippgefahr besteht keine, dazu ist die Lenkung zu indirekt (vier Umdrehungen), und der Smart reagiert zu träge auf sie. Als Folge davon wirkt der Knirps allerdings unhandlicher, als man aufgrund der Außendimensionen, des Gewichts und des Stadtautokonzepts erwarten würde. Besonders ausgeprägt ist die Untersteuertendenz auf Nässe. Da kann es vorkommen, daß der Smart bei zu flotter Kurvenfahrt stur geradeaus schiebt und auch auf Lupfen des Gaspedals nur unwillig wieder auf Kurs kommt." Und die Fachleute des Schweizer Fachblattes kommen zu der Feststellung: "Dieses Verhalten könnte Fahrten auf Schnee ohne geeignete Winterreifen zu einer nicht ganz unproblematischen Sache ausarten lassen."

Die Fahreigenschaften des Smart, der vom "stern" als "eine Art Isetta aus Silicon Valley" empfunden wird, werden von den österreichischen Kollegen der "auto revue" kritischer beurteilt. Seine Erfahrungen und die seiner Kollegen, faßt der andere der beiden Chefredakteure, David Staretz, in seinem Editorial zu Heft 11/98 so zusammen: "Bald wird man zwischen zwei Arten von Autotestern unterscheiden: Solche, die sich mit dem Smart gedreht haben, und solche, die über die Vorderräder aus der Kurve gerutscht sind." Und er zählt dann eine Reihe von Kollegen auf und schreibt: "Jeder weiß von einem eh noch gut ausgegangenen Abenteuer zu berichten, mehr oder weniger anekdotisch, aber immer alarmierend."

In dem vielseitigen Erfahrungsbericht sind dann auch Details zu lesen:  Da erzählt z.B. Dr. Marko, der Mann (und Ex-Rennfahrer) der einst Berger und Wendlinger entdeckte: "Anläßlich der Wahl Goldenes Lenkrad 1998 sind der Berger und ich den Smart gefahren, irgendwo in Schwaben, und wir sind - ob Sie es glauben wollen oder nicht - fast von der Straße geflogen."

Gerd Hofer, der Redakteur, glaubt es und ergänzt diese Passage mit: "Das Brutalste, muß man wissen, sei nämlich der Untersteuerungs-Drang, nein, die Geradeaus-Tendenz in Kurven. Da holt dich der Teufel."

Und die österreichische "auto revue" läßt einen erfahrenen Chefinstruktor eines Fahrsicherheitszentrums, Wurz, den Vater des Formel 1-Fahrers, den Smart fahren. Der drehte sich auf nasser Straße sofort mit dem Smart und rekapitulierte seinen Abflug so: "kaum schneller als dreißig sei er gefahren, verbremst habe er sich auch nicht, keine Rede von einem harten Bremsmanöver. - Daß der Smart gern untersteuert, war Wurz klar, daß er sich auch klassisch eindreht, bisher nicht. Die ganze Geschichte sei einfach so, sagt Wurz, daß sich Turbo, Heckantrieb, kurzer Radstand und nasse Fahrbahn schlecht vertragen. Vor allem in Kurven. Diese Umstände spielten sich zu einer gefährlichen Konstellation hoch, der jeder im Alltag zum Opfer fallen könnte.

'Gerade im städtischen Straßen- und Gassengeflecht', sagt Wurz, 'ist die Gefahr in Schleudern zu kommen, besonders groß. Einlenken, um abzubiegen, gasgeben - und du bist's schon."

Die "auto revue" erklärt das so: "Der Turbolader verteilt die Kraft nämlich mit einem Schlag auf die Hinterräder, wobei die Energie infolge des Lenkeinschlags nicht nach vorne kanalisiert wird, sondern sich seitwärts fortpflanzt. Und bedingt durch den knappen Radstand..." - Lassen wir es hier damit bewenden.

Es entsteht der Eindruck, daß der Smart dann wunderbar zum Verschenken taugt, wenn man den Beschenkten schnell ins Jenseits befördern möchte. Sozusagen auf "smarte Art".

Die "auto revue" spricht von einem "Schlampigkeitsfehler, der nicht sein sollte", wenn man feststellt: "In schnellen Links-Kurven kippt der rechte Oberschenkel den Hebel aus der Gang-Ebene in den Leerlauf". Und empfiehlt eine Veränderung.

Andere empfehlen andere Veränderungen. Die Schweizer "automobil revue" z.B.: "Die Sitzlehnen lassen sich nicht mit einer Hand entriegeln und vorklappen. Fahrerseitig ist lediglich eine (innenliegende) Rändelschrauben-Lehnenverstellung vorgesehenn. Und um die Lehne des rechten Sitzes vorzuklappen, müssen umständlich zwei voneinander unabhängige Hebel entriegelt werden, am besten, indem man sich von hinten in den Wagen hineinbückt (nichts für Leute mit Rückenproblemen). Als Folge davon muß schon der Regenmantel mühsam zwischen den Sitzen hindruchgewurstelt oder umständlich über die Ladraumklappe verstaut werden. Aktenkoffer oder Einkaufstasche lassen sich überhaupt nur via rechte Seitentüre oder Heckklappe deponieren - ein eher peinlicher Auftakt für ein City Coupé."

In allen Tests werden noch viele Kleinigkeiten genannt, die nicht stimmig sind. - Was stimmt überhaupt am Smart? - Die Grundidee war doch eigentlich gut. Und auch die Sitze scheinen gut zu sein. Aber was ist mit dem "Rest", den die Käufer für den relativ hohen Kaufpreis eines Smart erhalten?

Die Sicherheit soll groß sein. Der Smart hat in einem ersten Crashtest gut abgeschnitten, war aber das  einzige Kleinfahrzeug in diesem Vergleichs-Crashtest, das nach dem Aufprall zurück- und zur Seite -geschleudert wurde. Auf einem Testgelände ist das ohne Probleme. Wie sieht das aber in der Praxis aus, wenn der Smart dann vielleicht wieder in den fließenden Verkehr fliegt oder zusätzlich gegen einen Baum prallt oder evtl. unbeteiligte Fußgänger auf einem Bürgersteig gefährdet?

Wer ist eigentlich für die Produktionsfreigabe dieses Fahrzeugs verantwortlich? - Natürlich stand hier eine Firma unter Zeitdruck, und die Kosten liefen und liefen... - Aber erklärt das den hohen Anteil an Unerklärlichem beim Smart? - Die österreichische "auto revue" schreibt: "Es scheint, daß wenig handgreifliche Alltags-Praxis in den Smart eingeflossen ist, er wirkt, als wäre er von Wohnbau-Architekten gebaut worden, die immer so nette Männchen und Bäumchen zwischen ihre Baumodelle kleben, um Volksnähe zu suggerieren. Denn eigentlich ist der Smart ein gutgemeintes, riesiges Wohnbau-Projekt, in viele einzelne Zimmerchen zerlegt."

Nett gesagt. - Aber was sagen die Verantwortlichen bei Mercedes dazu? - Gibt es überhaupt noch irgendjemand in dieser Firma, der sich für das Projekt Smart verantwortlich fühlt?

Die österreichischen Kollegen meinen: "Pech auch: Der Smart hat außer seiner übereifrigen Marketingleute keine Lobby. Hinter ihm steht keine Persönlichkeit, kein Ruf. Wer immer einen Grund braucht, grantig zu sein, wird dies ungeniert tun. Mercedes steht um einen Rösselsprung zu weit in sicherer Ferne, außerdem sind die eh schon bedient. Werden sich hüten Flagge zu zeigen." Und der Chefredakteur David Staretz faßt zusammen: "Wir ahnen ein Fiasko voraus."

Im Text des österreichischen Kollegen wird noch ein weiterer Grund angesprochen, der jetzt zu den vielen Testberichten führen wird, die die große Enttäuschung widerspiegeln, die die Tester nach dem Fahrerleben eines Smart empfinden. Die "auto revue" schreibt: "...nichts reicht hin, um die Überdrehtheit der MCC-Marketing-Maschinerie zu rechtfertigen, die uns jahrelang über die Neuerfindung des Automobils auf dem laufenden hielt."

Da ist etwas Wahres dran. Dabei versucht die Werbung den Smart "menschlicher" zu verkaufen. Leider ist der Smart nur in der Art und Weise "menschlich", daß er voller Fehler steckt. Aber das macht ihn für die Nutzer nicht sympathisch. Die Werbung für den Smart, der zunächst nicht - und so mit Verspätung - auf den Markt kam, wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, die Leiterin der erfolgreichen Werbeagentur zum "Schweizer Werber des Jahres" gewählt.

Aber die Dame, Liliane Lerch (43), fährt jeden Morgen mit einem Ford Explorer von Basel nach Zürich. Und in den USA besitzt sie noch einen Cadillac, Jahrgang 1966. - Hat sie überhaupt den Smart je gefahren, bevor sie jetzt die Einführungswerbung plazierte?

Offenbar mag die Vordenkerin von "the smart communications factory", einer Werbefirma, die sich ausschließlich mit dem Smart beschäftigt, weder die Enge europäischer Länder noch deren Kleinwagen. Denn ihr ist klar: "Langfristig sind die USA sicher der Ort, an den es mich hinziehen wird." - Also zurück zu ihrem Cadillac. Sie kann in den USA auch arbeiten, da sie im Besitz einer "Green Card" ist.

Aber was macht ein Smart-Besitzer, der sein Sparbuch geplündert hat, um dieses Fahrzeug zu kaufen? - Wohin kann der ausweichen, wenn ihm bewußt wird, wie wenig Automobil er hier für sein Geld bekommen hat? - Wie es scheint, wurde mit dem Smart das Maximum von einem Minimum-Automobil erreicht. Vielleicht hatten wir den bisherigen Werbe-Slogan, da er uns in einer Fremdsprache nahegebracht wurde, auch nur falsch verstanden: "smart - reduce to the max". - Motor-KRITIK würde das heute so übersetzen: Smart - das Minimum vom Maximum.

Nun wird DaimlerChrysler-Chef Schrempp zunächst mal tief in die Tasche greifen müssen. Die 19 Prozent Anteil müssen von Hayek her. Und dann müssen Entscheidungen getroffen werden. Lars Brorsen, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Micro Compact Car AG meint zwar, "Smart wird gekauft, um Intelligenz und Verantwortungsbewußtsein zu demonstrieren." Aber das wohl nur von den Dummen, die das Demonstrieren nötig haben. Und wenn er die Negativ-Tests damit abtut, daß er feststellt: "Anscheinend ist das Raster, nach dem herkömmliche Fahrzeuge beurteilt werden, für den Smart nicht immer ausreichend", dann würde Motor-KRITIK interessieren, für welches "Raster" der Smart denn gebaut wurde?

Motor-KRITIK-Feststellung: Dieser Smart, so wie er sich jetzt in den Smart-Centern den Interessenten präsentiert, ist durchs Raster gefallen. Bitte aufkehren und in den Abfalleimer damit! - Herr Schrempp, bitte übernehmen Sie!

MK/Wilhelm Hahne