99-01-04, Virneburg/Eifel - der erste Arbeitstag 1999

Gutes Jahr!

Dieses Mal reicht ein "Guter Tag" nicht. Aber wir haben - hoffentlich - auch in diesem Jahr eine Menge von "Guten Tagen" vor uns. Bis hierhin sind wir einfach hineingerutscht. Aber hoffentlich sind wir auch auf beiden Beinen angekommen. Denn, wie "alle Jahre wieder", habe wir alte Probleme mit hinüber genommen. Das verlangt Standfestigkeit.

Oder wir haben uns extra neue Probleme geschaffen, damit auch in 1999 etwas passiert. So hat Jürgen Schrempp durch seine "Elefanten-Hochzeit" auf allen Ebenen vorgesorgt. Er kann so z.B. als erster Automobilkonzern im neuen Jahr bedeutende Zahlen vermelden: 900.000 Automobile seines DaimerlChrysler-Konzerns werden in diesen Tagen in die Werkstätten zurückgerufen. Weil Treibstoff austreten und einen Brand verursachen kann. - Der 900.000er-Rückruf von DaimlerChrysler-Produkten entspricht übrigens fast exakt der Stückzahl, die die Mercedes-Benz-Division als neue Rekord-Absatzzahl für das ganze Jahr 1998 in Detroit durch Prof. Jürgen Hubbert vermelden ließ.

Deutsche Tageszeitungen schreiben dann auch möglichst gleich im Titel zu dieser Meldung: "Rückruf für US-Autos". - Oh, ja, da macht man schon einen Unterschied. Zwar wird im Konzern nur englisch gesprochen (offiziell), aber es wird schon deutsch gedacht. Obwohl die neuste Studie, die "Studie für den Gran Turismo des 21. Jahrhunderts Vision SLR" (O-Ton DaimlerChrysler) schon ein wenig amerikanisch wirkt. Alles ist ein wenig zuviel. (Bezogen auf das Design.) Aber nicht eindeutig. Auf mich wirkt diese Studie wie ein Mischling. Aber man weiß ja von Hunden, daß das ganz pfiffige Tiere sein können."Der Silberpfeil von morgen" (O-Ton DaimlerChrysler) ist für den gedachten Zeitpunkt vielleicht genau die richtige Promenadenmischung. - Wer weiß?

Die Studie wird gerade in Detroit, auf der dortigen Motor-Show, gezeigt. DaimlerChrysler hat dort seinen ersten Ausstellungs-Auftritt. Und sicherlich werden die Kollegen von dort Begeisterndes zu berichten haben.

Dr. Reitzle von BMW vertritt dort die Münchner Konkurrenz. Und was er dort vermelden kann (z.B. die Gewinnhöhe von 3,8 Mrd. DM in 1998) wird schon beeindruckend sein. Aber auffallend, daß man Reitzle und den BMW-Vorstandschef schon lange nicht mehr bei einem gemeinsamen Auftritt erlebt hat. Obwohl es natürlich in München keinen Machtkampf gibt. Da hat Eberhard von Kuenheim (der Noch-Aufsichtsratschef) schon recht. Warum sollte auch ein Dr. Reitzle kämpfen? - Gegen wen?

Also tut der seine Arbeit. Und die tut er gut. (s. Gewinn) Und wer - wie Motor-KRITIK - die Motor-Szene durchgängig aufmerksam beobachtet, der weiß, daß z.B. ein 5er Geländewagen..., der weiß, daß bei Rover... - der weiß eben, daß sich Dr. Reitzle um seine Zukunft keine Sorgen zu machen braucht. Dr. Piech braucht - in gar nicht so weiter Ferne - einen Nachfolger. An wen denkt der wohl? - Und wenn Jürgen Schrempp in einer schlaflosen Nacht (die er natürlich niemals hat) daran denkt, wie man am besten einen Prof. Jürgen Hubbert ersetzt, an wen wird er dann wohl denken? - Und auch Eberhard von Kuenheim weiß... - Aber Eberhard ist ein harter Knochen, der schon in der Vergangenheit so manche (mir) falsch scheinende Entscheidung zu einer richtigen machte, indem er seine Linie beibehielt. (Aber das waren auch andere Zeiten!)

Manchmal war an der falschen Entscheidung auch ein Herr Doppelfeld beteiligt. Weil der mehr von Geld als von Märkten versteht. Und der wird dann in 1999 der Nachfolger des Herrn von Kuenheim im BMW-Aufsichtsrat. Ich bin mal gespannt, ob sich die Herren (denk ich an Doppelfeld, denk ich an von Kuenheim) zu einem "Doppel-Eberhard" (das Gegenstück zum Doppel-Axel im Eiskunstlauf) durchringen können.

Aber wie dem auch sei: der Sieger steht heute schon fest. Und wenn die Entscheidung des BMW-Aufsichtsrats richtig ist, dann partizipiert sogar BMW davon.

Übrigens wird gerade in der neuesten Ausgabe (Nr. 1) von "auto motor und sport" der "BMW Vertriebsvorstand" Wolfgang Reitzle mit folgender Äußerung zitiert: "Autopreise sind wie Zahnpasta. Man kriegt sie nur sehr schwer wieder in die Tube zurück."

Ein sehr guter Vergleich. Und er stimmt. Aber Honda zeigt Dr. Reitzle (und BMW), wie man es machen kann. Denn pünktlich zum Jahresanfang vermeldete Honda, daß es nun "Faire Preise bei Honda" geben würde. Alle Basispreise wurden gesenkt. "Um bis zu 14 Prozent", wie man z.B. im Vidiotext von ARD/ZDF lesen konnte.

Nur so zur Erinnerung: Diese Preisveränderung zum 1. Januar 1999 bei Honda hatte Motor-KRITIK bereits am 31. Oktober 1998 vermeldet. Zu früh, um von den Journalistenkollegen ernst genommen zu werden. Und - nun folgt eine Vorhersage: es wird in 1999 nicht die letzte Preissenkung bleiben. Denn so mancher Kunstgriff, um die deutschen Automobilpreise zu halten, wird in 1999 nicht durchzuhalten sein.

Wenn z.B. VW und Audi die zurückkommenden Leasing-Fahrzeuge bisher wieder übernahmen, um sie mit relativ geringem Nachlaß wieder in ihre Händlerlisten zu setzen, so wird sich diese Praxis in diesem Jahr nicht durchhalten lassen. Die Stückzahlen sind zu groß geworden. Zum Beispiel auch bei Mercedes auf dem Transporter-Sektor. - Die Lager wachsen und wachsen. (Fotos bei Bernd Rauh, Tel. 07446-2237)

Aber das ist kein Thema für Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Da muß man "positiv denken", alles Negative unter den Tisch kehren. Und wenn es sich nicht ändern läßt... - Na, ja - aber warum soll man sich vorher Gedanken machen?

Aber solche Gedanken sollte man schon vom Management der Automobilhersteller und Importeure erwarten können. Und Honda zeigt ja im Moment, wie man (zugegeben: mit etwas brutalen Methoden) wieder "die Zahnpasta in die Tube zurück" bekommt. - Und weil Motor-KRITIK auch hier gerne einen konstruktiven Beitrag leisten möchte: das mit der Zahnpasta geht auch eleganter. Man macht einfach eine zweite Tube auf, auf die man dann vorsichtiger drückt.

Und wenn man mich nun fragen würde, wie ich mir das denn z.B. bei BMW vorstelle, dann würde ich zunächst z.B. vielleicht kritisch von Elektro-Smog im Automobil sprechen, würde "verständliche Technik" fordern und würde schon jetzt exakt wissen, was mir darauf so mancher Marketing- (und Vertriebs-) Mann antworten würde. Weil ich nicht erst seit heute davon spreche. Ich kenne die Standard-Einwände.

Leider habe ich aber auch hier recht behalten. Aber lassen Sie mich hier, an dieser Stelle, Goethe zitieren: "Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt." (Mephistopheles in "Faust"). - Es ist nämlich Goethe-Jahr. Darum ist mein "Zum Neuen Jahr" (auch heute neu) diesem Dichter gewidmet.

Da ich mit DaimlerChrysler (und Detroit) begann, lassen Sie mich im Goethe-Jahr mit einem Zitat mein "Gutes Jahr" beenden, das aus meiner Sicht sehr gut zu den bedeutenden Entscheidungen des letzten Jahres von Jürgen Schrempp zu passen scheint: "Man geht nie weiter, als wenn man nicht weiß, wohin man geht." (Goethe in einem Brief an Zelter, am 3. Dezember 1812)

Gutes Jahr und - Guten Tag!

Wilhelm Hahne