BMW AG, München: Skandal im Sperrbezirk (des Aktienrechts)

Ehrlich: es war Richard Gaul, der mich auf die Idee brachte, einmal zu recherchieren, was denn aus der "alten Firma" des Herrn Prof. Milberg geworden sei. Richard Gaul hatte dieses "Ingenieurbüro" in seinem Telefongespräch mit mir als schönes Beispiel dafür angeführt, daß Prof. Milberg nicht nur ein guter Fertigungsmann, sondern auch ein fähiger Geschäftsmann sei. Während ich mich noch mit Aktienrecht und Recherchen nach den Firmen (ich war inzwischen auf zwei, plus einer Filiale gekommen) beschäftigte, präsentierte die "Abendzeitung" in München schon ihr Recherche-Ergebnis. - Die "Abendzeitung" hatte zwar Standortvorteil, aber: Bravo! - Da stecken wirklich gute Informationen drin. Motor-KRITIK möchte die nun durch die eigenen Recherchen (auch zum Aktienrecht) ergänzen. Und immer mehr wird deutlich, daß die These mit dem "Bauernopfer" (s. meine letzte BMW-Geschichte) immer wahrscheinlicher wird. Nur ging das alles wohl schneller (zu schnell!) als geplant.

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende kann § 88 des AktG nicht ausradieren

99-03-01/01. Die Zeitungen vom 1. März hielten das Thema klein. Oder es fand - selbst in renommierten Zeitungen - gar nicht statt. Die Münchner "Abendzeitung" hatte die interessierten Kreise am Samstag mit "Die seltsamen Geschäfte des neuen BMW-Chefs" aufgeschreckt. Und da mußte Richard Gaul mal wieder die Ärmel hochkrempeln und eingreifen. Mit Erfolg. In der "BILD" war z.B. nichts über den Beitrag der "Abendzeitung" und die Geschäfte des Herrn Milberg zu lesen. Dabei sind diese Geschäfts durchaus ungewöhnlich zu nennen. Denn eigentlich ist im Aktienrecht klar geregelt, was ein Vorstandsmitglied darf und was nicht.

Da steht z.B. in § 88 des AktG.:

"Die Vorstandsmitglieder dürfen ohne Einwilligung des Aufsichtsrates weder ein Handelsgewerbe betreiben, noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Sie dürfen ohne Einwilligung auch nicht Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein. Die Einwilligung des Aufsichtsrats kann nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden."

Eberhard von Kuenheim, der Noch-Aufsichtsratsvorsitzende von BMW erklärte dann auch gleich nach den Vorwürfen der "Abendzeitung" empört: Es sei "eine Unverschämtheit, daß ein gesetzes- und satzungsgemäßes Verhalten mißbraucht wird, um den Vorwurf gegen eine untadelige Persönlichkeit zu konstruieren". Der Aufsichtsrat sei zu jeder Zeit und in vollem Umfang von Milberg über diese Engagements informiert gewesen und habe sie gebilligt.

Aber selbst ein Aufsichtsratsvorsitzender ist ein Mensch, ist nicht mit einem Papst zu vergleichen. Darum ist die "Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft" auch im AktG in § 310 geregelt und betrifft sowohl Vorstand wie Aufsichtsratsmitglieder. Es heißt dort:

"Die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben dem Ersatzpflichtigen nach § 309 (Anmerkung: hier geht es um die Sachlage, wenn ein Beherrschungsvertrag vorliegt) als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trift sie die Beweislast.
Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wir die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen."

Aber was ist denn nun eigentlich bei BMW passiert? - Glaubt man Richard Gaul, so ist eigentlich gar nichts passiert. Die Nebengeschäfte des Prof. Milberg waren mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden abgestimmt. Also war alles in Ordnung. Ähnliches, so Richard Gaul, sei in der deutschen Wirtschaft durchaus nicht unüblich, wie die Beteiligung von VW-Chef Ferdinand Piech an Porsche zeige. Bei Milbergs Eintritt in den BMW-Vorstand, so Richard Gaul, habe dieser alles offengelegt und sich aus der operativen Führung der beiden Firmen zurückgezogen.

Diese Argumentation ist - kurz und bündig - auch in "DIE WELT", Ausgabe vom 1. März 1999, nachzulesen, findet sich aber auch in anderen Blättern wieder. Nur hat diese Gaul-Argumentation einen kleinen Schönheitsfehler: Prof. Milberg betrieb zum Zeitpunkt des Eintritts in den BMW-Vorstand (1993) nur eine Firma. Die zweite Firma gründete er erst im Jahre 1995. Dabei hatte er - lt. BMW-Darstellung - schon zum Zeitpunkt seines Eintritts in den BMW-Vorstand im Jahre 1993 die Geschäftsführung seiner ersten Firma niedergelegt, "blieb nur noch Gesellschafter".

Und dann muß Prof.Milberg - natürlich ohne Kenntnis von aktuellen Abläufen in seiner "alten" Firma gehabt zu haben - am 29. August 1995 (also nach rd. zwei Jahren Vorstandstätigkeit bei BMW) wahrscheinlich nach einem Traum, indem ihm eine Fee erschien und den weiteren Weg vorgab, seine Ehefrau Bärbel, seinen Kompagnon Christoph Maier und dessen Ehefrau, sowie einen ihm - wahrscheinlich auch im Traum - erschienenen Mann, der als Geschäftsführer ausersehen war (Stefan Linner) an die Hand genommen haben, um einen Notar aufzusuchen und zusätzlich eine neue Firma zu gründen. Am 5. September 1995 wurde die dann ins Münchner Amtsregister eingetragen.

Wie konnte also Herr Prof. Milberg schon bei Eintritt in den BMW-Vorstand sich aus "der operativen Führung der beiden Firmen" zurückziehen, wie die BMW-Öffentlichkeitsarbeit vorgibt. Da gab es nur eine.

Zählen wir also noch einmal die zwei Firmen und ihre Standorte und Niederlassungen auf:

ifp Prof. Joachim Milberg Institut für Produktionstechnik GmbH
Heisenbergbogen 1
85609 Aschheim

ein weiterer Teil dieser Firma residiert in den Räumen:

Karl-Hammerschmidt-Straße 39
85609 Aschheim

Seit 1995 neu ist die Firma:

AnySIM Simulationssysteme GmbH
Heisenbergbogen 1
85609 Aschheim

sowie eine Filiale gleichen Namens in:

Graf-Recke-Straße 41.4
40239 Düsseldorf

Es erscheint ein wenig eigenartig, daß Prof. Milberg die "AnySIM" dann Ende letzten Jahres (exakt am 28.12.1998) an Interessenten aus Israel verkaufte. Die Firma hatte zu diesem Zeitpunkt 20 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von rd. 5,3 Mio Mark. Rechnet man einmal die reinen Personalkosten plus Mieten und andere Nebenkosten, so ist das Ergebnis sicherlich nicht imponierend. Aber der Verkaufspreis an die Israelis betrug immerhin satte 16 Mio. Mark. -Was machte diese Firma für die Käufer so interessant? - Daß der Verkäufer durch seine Funktion bei BMW praktisch eine Umsatzgarantie zu bieten schien? - Daß die Israelis so Einblicke - nicht nur - in deutsche Automobilfirmen erhielten? (Spionage ist aufwendiger und teurer.)

Der Herr Professor kassierte also mit dieser Firma ab, die er als Vorstandsmitglied bei BMW gegründet hatte. Und wurde dann zum Vorstandsvorsitzenden berufen. Es gibt inzwischen Stimmen aus dem Hause BMW die wissen wollen, daß Eberhard von Kuenheim seine ersten "Abstimmungsgespräche" mit Milberg (er sprach aber nach diesen Informationen auch noch mit zwei anderen Herren) bereits Anfang Dezember 1998 führte. - Gehörte der Verkauf der einen Firma zur Umsetzung der Pläne, die Eberhard von Kuenheim mit Prof.Milberg  hatte? (Die zwei anderen Herren sollen von Kuenheim eine Absage erteilt haben.)

Diese Informationen bestätigen übrigens die Darstellung in "Auto-BILD" vom 12. Februar, wo es sehr deutlich - und von BMW bisher unwidersprochen heißt: "Er hat alle getäuscht: Joachim Milberg wußte lange vor der entscheidenden Sitzung von seiner Berufung zum BMW-Boß - von wegen Übergangskandidat." - Wir haben verstanden - und inzwischen auch begriffen: Er hat alle getäuscht!

Wenn Richard Gaul die Situation eines Prof. Milberg nun mit der des Ferdinand Piech vergleicht, so kann man das nur als sehr kühn und gewagt bezeichnen. Wo hat denn Ferdinand Piech in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender bei VW eine neue Firma gegründet? - Milberg und Piech lassen sich genauso wenig vergleichen wie Gildo Horn mit Richard Wagner.

Aber Prof. Milberg macht zumindest deutlich, mit welch geringen Mitteln die ganze Lopez-Affäre hätte vermieden werden können. Lopez mußte nur - natürlich mit Zustimmung des GM-Aufsichtsrates - eine Beratungsfirma gründen, sich aus deren operativem Geschäft aber zurückziehen; hätte so aber dann VW beraten können, ohne daß Kartons voller Unterlagen auf geheimnisvolle Art verschwinden, wieder auftauchen und wieder verschwinden mußten.

Prof. Milbergs Firmen haben schließlich auch nicht nur BMW, sondern auch andere (z.B. Audi und Mercedes-Benz) beraten, mit denen Geld verdient. Natürlich sind in diese Beratungen nicht die Erfahrungen, die persönlichen Erfahrungen (bei BMW) des Herrn Prof. Milberg eingeflossen, weil der ja - lt Richard Gaul - nicht am operativen Geschäft beteiligt war. Daß Prof. Milberg sich - außer um BMW - nicht um andere Firmen kümmerte, ist ja auch am Zustand der Produktionstechnik bei Rover nachweisbar.

Es könnte natürlich sein, daß der Fehler bei Rover lag, daß Rover übersehen hatte, die Firmen des Herrn Milberg beratend (gegen eine kleine Schutzgebühr) einzuschalten. Und da Herr Prof. Milberg nicht am operativen Geschäft... -

Ich habe übrigens am 1. März versucht Herrn Dr. Gauly (Quandt-Pressesprecher) zu erreichen. Leider hat das nicht funktioniert. Ich hätte gerne seine Meinung zur Situation bei BMW hier noch angehängt. Aber auch Herr Dr. Thomas Gauly spricht nicht mit mir. Wahrscheinlich wurde er (von Richard Gaul?) gewarnt. Und da er die Meinung vertritt, daß vertrauliche Informationen nicht in die Öffentlichkeit gehören (Zitat: "Ich halte das für eine Unkultur."), hat er sich erst gar nicht bei mir gemeldet. Obwohl ich doch nachweisen kann, daß ich sogar vertrauliche Informationen des Herrn Richard Gaul für mich behalten habe. (s. letzte BMW-Geschichte)

Das Gespräch mit der Vorzimmer-Dame des Herrn Dr. Gauly verlief nach der namentlichen Vorstellung so:
(MK = Motor-KRITIK, VD = Vorzimmer-Dame)

MK: "Kann ich Herrn Gauly erreichen?"
VD: "Darf ich Sie kurz fragen, um was es geht?"
MK: "Ich bin Journalist und habe an Herrn Gauly die üblichen Fragen."
VD: "Hm, Hm - für welche Zeitung bitte?"
MK: "Ich arbeite frei."
VD: "Sie müssen mir schon ein bißchen mehr erzählem, sonst kann ich Sie leider nicht verbinden, Herr Hahne. - Was sind Ihre    Fragen, was ist das (lacht) grobe Thema?"
MK: "Das grobe Thema ist das grobe Thema BMW."
VD: "Hm - (Pause)
MK: "Das wundert Sie?"
VD: "Nein, nein... das wundert mich nicht."
MK: (lacht)
VD: "Würden Sie mir bitte mal ihre Telefonnummer geben. Ich kann Sie jetzt nicht verbinden. Ich werde nachher mit Dr. Gauly sprechen.
MK: "Na, klar - ich geben Ihnen meine Telefon-Nummer. (Und ich gebe meine Telefon-Nummer.)

Die Dame buchstabiert noch einmal meinen Namen. Und das war dann das letzte, was ich von Quandt und seinem Pressesprecher gehört habe. Der empfand das Ergebnis der gerade erfolgten  Vorstandsveränderung in einer Sendung des bayerischen Fernsehens übrigens als "ein gestärkter Vorstand". Mich hätte schon interessiert, was er zu der neuen "Schwächung" sagt. Und ob dem Hauptanteilseigner von BMW eigentlich auch der Umfang der Nebengeschäfte des Herrn Prof. Milberg klar war?

Herrn von Kuenheim wohl. Der reagierte empört, sehr empört: "Es ist unverantwortlich, wie hier ein völlig korrektes Verhalten einer über jeden Zweifel erhabenen Persönlichkeit so dargestellt wird, daß der Eindruck eines Fehlverhaltens vermittelt wird." Und er bedauerte, daß sich die "Abendzeitung" von "interessierter Seite hat instrumentalisieren lassen", um einen "hoch geachteten Unternehmensführer zu diskreditieren".

Das ist etwas für's Guiness-Buch der Rekorde: erst wenige Tage an der Firmenspitze und schon ein "hoch geachteter Unternehmensführer". (Oder meint Herr von Kuenheim vielleicht die zwei privaten Firmen (Unternehmen) des Herrn Prof. Milberg? - Obwohl er doch da nicht im operativen Geschäft...)

Ja, ja - es geht hoch her beim Thema BMW. Und der Wert der Aktien fällt. - Wielange wird da die Familie Quandt noch zuschauen? Am 1. März ging es mal wieder so um 20 Punkte bergab.

Übrigens: beim Durchstöbern der Tagespresse heute stieß ich in der FAZ auf eine Geschichte, bei der ich - durch den Titel - glaubte, das sei nun die BMW-Geschichte. Aber es gab in der FAZ gar keine. Die Geschichte, deren Überschrift mich elektrisiert hatte, handelte von russischen Malern in der Biedermeierzeit. Der Titel hätte so wunderbar zum "groben BMW-Thema" gepaßt: "Im Unverfänglichen verstecken sich die Abgründe".

Es gibt zur Zeit verdammt viel Unverfängliches bei BMW.

MK/Wilhelm Hahne