Das Thema "BMW - Reitzle - Ford" wird durch BMW AR-Chef von Kuenheim zu einer unendlichen Geschichte

BMW-Pressechef Richard Gaul hat vertraulich informiert, Dr. Reitzle hat dem SPIEGEL" ein Interview gegeben, Journalisten haben niedergeschrieben, was ihnen erzählt wurde, Herr von Kuenheim hat seine Darstellung der Ereignisse in "manager magazin" kundgetan. Motor-KRITIK hat außerdem den Sprecher der Familie Quandt, Dr. Thomas M. Gauly, um seinen Kommentar gebeten. Von all dem ist nachstehend die Rede. Und als Ergebnis sieht Motor-KRITIK eine Situation, wie sie wohl auch der derzeitige BMW Vorstandsvorsitzende empfindet.

BMW-Chef Milberg hat allen Grund zur Frage:
Knuper, knuper, kneischen, wer knupert an meinem Häuschen?

99-03-31/02. Bevor Joachim Milberg am 30.März vor die Öffentlichkeit trat, um bei Rover einen "harten Sanierungskurs für Rover" anzukündigen, der so sensationell war, daß gleich der Börsenkurs weiter absackte (um 18,30 €), hatte er lt. WELT am SONNTAG eine Investmentbank beauftragt, "eine Strategie zu entwerfen, wie einer 'unfreundlichen Übernahme' von BMW durch einen Mitbewerber zu begegnen sei". (Am 31. 3. rutschte dann der Kurs um weitere rd. 30 €)

Joachim Milberg hat - wie die Entwicklung an der Börse beweist - allen Grund zu solcher Sorge. Da hilft auch nicht seine aktuelle Ankündigung, "Rover werde ab 1. April im Rahmen einer Umorganisation direkt von der Münchner Zentrale aus gesteuert". (Video-Text 30.3.99, 16:20 Uhr, ARD, Seite 141) - Und im übrigen erwarte man "die Entscheidung der britischen Regierung über Subventionen innerhalb der nächsten vier Wochen".

Daß wirkt genauso "dramatisch", wie der Hilferuf an eine Investmentbank. Denn nach dem Exklusiv-Interview des "manager magazin"  mit dem BMW-Aufsichtsrat-Chef v. Kuenheim "über das Führungsdrama" bei BMW ist wohl allen klar, daß am 5. Februar eine Laienspielschar eine gut abgestimmte Vorstellung gab. Herr Milberg hätte gerne vor seiner Zusage an von Kuenheim (den Vorstandsvorsitz bei BMW zu übernehmen) noch mit seiner Frau gesprochen. So heiß es damals, sollte die Wahl des Herrn Milberg als durch die Ereignisse erzwungen darstellen. In Wirklichkeit, sagt heute Herr von Kuenheim, waren die Ereignisse "für die Verantwortlichen keine Überraschung", er hatte sich mit dem Thema dieser Aufsichtsratssitzung "in den vergangenen Monaten Hunderte von Stunden befaßt".  Und er gibt zu, daß er "mit Herrn Milberg schon vorher über diese Problematik gesprochen" habe.

Es war also so, wie es Motor-KRITIK bereits vermutete. Ich hätte gerne zu so mancher Darstellung auch etwas von der Familie Quandt, dem Hauptanteilseigner bei BMW, gehört. Eine entsprechende Anfrage von mir wurde nach praktisch 6 Arbeitstagen ausweichend - aber sehr elegant - so beantwortet, daß man sich fragen muß: Warum hat die Familie Quandt eigentlich einen Sprecher?

Dr. Thomas M. Gauly schreibt:

"Ihre in Ihrem Schreiben vom 24. März 1999 gestellten Fragen kann ich im Detail nicht beantworten, da es hier größtenteils um Fragen geht, welche die Familie Quandt als Aktionäre des Unternehmens und in dieser Rolle als Mitglieder des Aufsichtsrates nicht berühren."

So hatte ich z.B. folgende Frage gestellt: "Im 'stern' war zu lesen, daß schon vor Jahren Herrn Dr. Reitzle durch die Herren von der Goltz und von Kuenheim im Auftrag der Quandt-Familie in Bad Homburg die Zusage gemacht wurde: 'Wir haben Sie als Vorstandsvorsitzenden vorgesehen.' - Stimmt das?

Herr Gauly, Sprecher der Quandt-Familie meint dazu:

"Es ist mit dem Verständnis der Familie Quandt in ihrer Rolle als Aktionäre - und darüber hinaus mit der im Gesetz definierten Rolle der Aktionäre - nicht zu vereinbaren, daß sich Vertreter der Aktionäre öffentlich zu Aussagen oder Berichten der Presse äußern, welche die Interna eines Unternehmens betreffen."

Ich hatte z.B. die Frage gestellt: "In der neuesten Ausgabe des 'Spiegel' behauptet Herr Dr. Reitzle, daß ihm Tage vor dem 5. Februar 1999 'unmißverständlich signalisiert worden war', daß er als Vorstandsvorsitzender der BMW AG vorgesehen wäre." - Und ich hatte an Herrn Dr. Gauly die Frage gerichtet: "Stimmt das?"

Von Herrn Dr. Gauly gibt es dazu keine Aussage (s.o.); nach meinen Recherchen gibt es dazu Informationen, die auch durch Herrn von Kuenheim im "manager magazin"-Interview zum Teil bestätigt werden. So gab es danach am 29. Januar 1999 eine Anteilseigner-Sitzung.

Nach meinen Informationen (die nicht von Herrn Reitzle stammen!) gab es exakt an diesem 29. Januar 1999 ein Essen, bei dem die AR-Mitglieder Klatten und Quandt Herrn Reitzle "das Signal" gaben, das - wie Dr. Reitzle meint - "unmißverständlich war". Ort des Treffens (und Essens) war das im historischen Teil von München liegende Hotel "Rafael", dessen Spezialitäten-Restaurant "Mark's", im Mezzanin gelegen, solche Abstimmungsessen möglich macht, ohne Aufsehen zu erregen. Dort verkehrt nicht Herr und Frau Jedermann, auch nicht jene Schicht, die man gemeinhin als Schickeria bezeichnet.

Wenn das aber so war, sind auch die Reaktionen einer Susanne Klatten verständlich, die am Ende der Aufsichtsratssitzung vom 5. Februar den Tränen nahe war. Wie auch in Motor-KRITIK zu lesen.

Das Ergebnis war also offensichtlich anders ausgefallen, als von der Quandt-Familie erwartet worden war. Und im aktuellen von Kuenheim-Interview gibt es Aussagen, die eigentlich - was die Einschätzung der Fähigkeiten eines Dr. Reitzle betrifft - nur eine Zusammenfassung zulassen: Reitzle wäre für die Position des Vorstandsvorsitzenden der Beste gewesen.

Eberhard von Kuenheim sagt u.a. zu seiner Einschätzung der Fähigkeiten des Dr. Reitzle: "Daß Reitzle eines Tages Vorstandsmitglied werden könnte, war mir bewußt, als ich ihn zum ersten Mal traf. Er war 28 Jahre alt. Und er ist als jüngstes Vorstandsmitglied an die Spitze gerückt, mit 36 Jahren." - Als die Sprache auf Rover kommt, sagt von Kuenheim: "...ich bin nicht selbst darauf gekommen. ... Reitzle hat gesagt, wir sollten versuchen, Land Rover zu erwerben. Und wenn es sein muß, auch noch die Kleinautos." - Das war 1987.

Als von Kuenheim aber von "manager magazin" gefragt wird, "warum ist aus Ihrer Sicht Reitzle nicht Nachfolger geworden?", da antwortet von Kuenheim ausweichend: "Sie werden verstehen, daß ich darüber nicht reden möchte und auch nicht darf."

Aber er sagt an anderer Stelle deutlich: "Ich habe die Konstellation gekannt  und gewußt, wie Herr Reitzle darauf reagieren wird." - Das ist von Kuenheims Antwort auf die Frage, ob er vielleicht geglaubt habe, daß Reitzle bleibt, auch wenn er nicht die Nummer eins wird.

Eberhard von Kuenheim hat also alles vorher gewußt, die Entwicklung richtig eingeschätzt, sie sogar vorbereitet - Exakt geplant? - Und reiste am Tag danach nach Südafrika in Urlaub. - Was soll man davon halten? - Welche Absicht steckt wirklich dahinter? - Wollte von Kuenheim irgend jemand eine einmalige Chance bieten?

Nun, Dr. Reitzle hat sie erhalten. Bei Ford. Und nun hat sie auch Ford. Denn in der Familie Quandt muß man über das was mit "ihrer" Firma passierte schon verärgert sein. Und der Aktienkurs ist immer noch deutlich unter jenem Wert, der am 5. Februar notiert wurde. Und sackt weiter. Schon bisher bedeuten die Ereignisse einen Milliardenverlust für die Quandts, wie mehr als 40 Prozent Anteile an BMW halten. Die Dresdner Bank hält 5 Prozent.

Würde Ford diesen BMW-Anteilseignern ein gutes Gebot machen, einen Aktienaustausch z.B. anbieten, gäbe es keine Macht der Welt, keine Strategie, die eine Einflußnahme von Ford auf BMW verhindern könnte. - Wäre das ein Nachteil für BMW? - Gäbe es auch Vorteile?

Nun, Dr. Reitzle, den Eberhard von Kuenheim wohl auch für einen der besten Automobil-Manager hält, könnte nun (auch) BMW leiten. Und in Verbindung mit dem Ford-Verbund könnte es für alle beteiligten Firmen - neben anderen - folgende Vorteile geben:

Jaguar könnte von der BMW-Plattform des neuen 3er BMW profitieren. Volvo könnte von der Plattform des Focus und Mondeo Vorteile ziehen. Rover exakt von den gleichen Teilen. Alle könnten Nutzen aus der Finanzkraft von Ford ziehen. Rover würde man enger an Ford binden, man könnte sogar Vertriebs-Verbindungen herstellen. Rover könnte so z.B. zum Top-Angebot der Ford-Händler werden, Land-Rover würde das BMW-Angebot ergänzen.

Das, was Dr. Joachim Milberg heute als "harte Sanierungsmaßnahmen" ankündigte, kann schließlich keine Lösung sein, zeigt vor allen Dingen keinen Weg auf. Eine Aussage wie, "am Ende des Sanierungsprozesses müsse Rover die gleiche Produktivität wie BMW haben", das hat jeder zu jeder Zeit sagen können. - Wort, Worte, Worte.

Es muß nämlich auch zu personellen Änderungen bei BMW kommen. Ist es nicht nur ein Zugeständnis an einen zur Zeit unersetzbaren Mitarbeiter, wenn nun Karl-Heinz Kalbfell im Zuge der großen Umorganisation als Konzernbeauftragter für Marketing agiert und direkt an Herrn Milberg berichtet? - Herr Heitmann darf nun das Produktmarketing selbst betreiben, sich auch um die Werbung kümmern. - Worin die Vorteile für BMW liegen? - Herr Kalbfell muß nicht an Herrn Heitmann berichten. BMW hätte ihn sonst verloren. - Auch noch.

Wobei mir hier die Vorhersage erlaubt sei, daß die Firma BMW bei der jetzigen Konstellation im Verlaufe der nächsten 12 Monate rund 50 - 80 wichtige Techniker, z.T. bedeutende Ideenträger, an die Konkurrenz verlieren wird. Die Situation innerhalb der Firma ist nämlich anders, als sie z.B. von Herrn Richard Gaul, dem obersten Öffentlichkeitschef der Münchner dargestellt wird. Der wird sicherlich die Aussage "aus dem mittleren BMW-Management" in der "Stuttgarter Zeitung" unterstreichen, die da lautet: "Wir brauchen eine Spitze, der es um Arbeit geht  und nicht um Selbstdarstellung und Glamour." - Und jeder weiß, wer aus dem "alten Vorstand" gemeint ist.

Es war geradezu auffallend, wie Dr. Reitzle in den letzten Monaten seiner Tätigkeit für BMW in eine bestimmte Ecke gerückt wurde, die auch durch eine Formulierung (auch der "Stuttgarter Zeitung", Nr. 66, vom 20,. März 1999) unterstrichen wird:

"Zu hören ist aber auch, daß sich der Harvard-Student (Anmerkung: gemeint ist Dr. Reitzle) bei der BMW-Hauptaktionärsfamilie Quandt unbeliebt gemacht hatte. Der Grund dafür lag im privaten Lebenswandel des begeisterten Golfers. Bei Parties der Münchner Schickeria war der Mann, der dem US-Schauspieler Clark Gable offenbar nicht nur äußerlich ähnelt, jedenfalls ein gern- und oft gesehener Gast. Dort ließ er sich mit der TV-Journalistin Nina Ruge sehen und fotografieren, mit der er liiert ist. Den Quandts soll dieses Verhalten ein Dorn im Auge gewesen sein."

Ich habe natürlich den Sprecher der Quandt-Familie gefragt, ob das stimmt. Seine ausweichende Antwort habe ich oben bereits zitiert.

Nach Motor-KRITIK-Recherchen war Dr. Reitzle im Jahr 1998 - neben Essen u.ä., die aus geschäftlichen Gründen notwendig waren - auf insgesamt zwei Parties der Münchner Schickeria. Ich erinnere mich an Ereignisse im Hause Quandt (zu einer Zeit, da es den Sprecher Gauly - der wohl mehr ein Schweiger ist - noch nicht gab), wo es eine außereheliche Beziehung einer Dame Quandt zu einem Sportreporter gab, wo ich diese Dame auch schon mal auf einer Party (z.B. der Düsseldorfer Schickeria) traf. Und es gab die Trennung von diesem Sportreporter nach einem "stern"-Interview dieses Herrn, der u.a. in der Zeit der Verbindung mit der Dame Quandt einen Lamborghini Miura kaufte, der dann - welch ein Zufall - in Bad Homburg v.d.H. stationiert war. - Und es gab einen Selbstmord.

Das nur zur Erinnerung für einen "Sprecher", der noch zu jung ist, um zu wissen, wovon er nicht redet.

Beim "BMW Magazin" weiß man dagegen, warum man nicht von Pischetsrieder und Reitzle schreibt. Blättern Sie doch einmal in der neuesten Ausgabe 1/1999. Diese Herren finden einfach nicht mehr statt. Und man betreibt sogar Geschichtsfälschung wenn man in Verbindung mit der BMW Motorsport-Show in Kitzbühel schreibt: "Was bisher nur vermutet wurde, bestätigte Thomas Giuliani, Marketing Director der BMW Motorsport Limited: 'BMW wird beim 24-Stunden-Klassiker von Le Mans an den Start gehen."

In vielen Publikationen ist nachuzulesen, daß diese Aussage von Herrn Dr. Reitzle - auch zur Überraschung des damaligen BMW-Chefs Pischetsrieder - gemacht wurde. - So eine gewaltsame Veränderung von Tatsachen ist genauso dumm, wie die Aussage eines Vertriebsleiters (in der gleichen BMW Magazin-Ausgabe): "Die Kunden können von BMW weiterhin Produkte und Lösungen mit höchsten Ansprüchen an Technologie und Service erwarten."

Auch ohne Pischetsrieder und Reitzle "weiterhin"... - Wahnsinn!

Ich habe diese meine Meinung auch die Quandt-Familie in meinem Fax an deren Sprecher wissen lassen. Dieses Verhalten der nun bei BMW herrschenden Führungsmannschaft gibt genauso deutlich Aufschluß über deren Qualitäten, wie deren Hilferuf an eine Investmentbank durch Herrn Milberg (lt. WamS) und die Ankündigung eines harten Sanierungskurses bei Rover. Von München aus.

Ich habe meinen Beitrag mit einem Zitat aus dem Märchen "Hänsel und Gretel" begonnen. (Im Titel.) Lassen Sie mich es auch mit einem Zitat daraus beenden:

"Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, gelangten sie an ein großes Wasser. 'Wir können nicht hinüber', sprach Hänsel, 'ich seh keinen Steg und keine Brücke.' 'Hier fährt auch kein Schiffchen', antwortete Gretel, 'aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.' Da rief sie:

'Entchen, Entchen,
da steht Gretel und Hänsel.
Kein Steg und keine Brücke,
nimm uns auf deinen weißen Rücken.'

Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf und bat sein Schwesterchen, sich zu ihm zu setzen. 'Nein', antwortete Gretel, 'es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nacheinander hinüberbringen.' Das tat das gute Tierchen."

Und auf seinem weißen Rücken stand Ford.

MK/Wilhelm Hahne