BMW klärt "versehentlich" über die eigene Situation in der Öffentlichkeitsarbeit auf

Natürlich sind Pressemappen zum Lesen da. Und so habe ich auch sofort in der Pressemappe der BMW AG zum 24-Stunden-Rennen in Le Mans geblättert. Wie es meine Art ist, habe ich hinten begonnen. Das mache ich auch bei Zeitschriften so, ist zur Gewohnheit geworden. Und ich war verdutzt. Und ich habe gelesen. Und ich habe gedacht. - Denn was denken Sie, was bei mir so alles - und auf welche Art - landet? - Versuchte hier jemand mir unauffällig Informationen zukommen zu lassen? - Wollte mich vielleicht hier jemand zu irgendeinem Zweck instrumentalisieren? - (Kollege Rickelmann - früher "DER SPIEGEL", heute "stern", weiß was ich meine.) Ich habe die Seiten herausgenommen, kopiert - und dann erst einmal Kollegen angerufen. Die hatten zwar auch die Pressemappe. Aber noch nicht hineingeschaut. Und siehe da: auch hier gab es die "Sonderseiten". - ??? - Die Auflösung kam kurze Zeit später in Form eines Fax von BMW. - Aber das will ich Ihnen dann in der folgenden Geschichte erzählen, für deren Titel ich einen bezeichnenden Satz aus den BMW-Sonderseiten verwenden möchte:

"Er ist für'n Arsch, wenn so viel Mist drinsteht"

99-06-02/05. Es ist übrigens eine Dame, die diesen klugen Satz niedergeschrieben hat. Er bezieht sich auf eine Vorlage, die eine Hilfestellung beim Schreiben einer Pressemappe sein sollte. Und die bekommt man vom Marketing. Denn das Marketing einer Firma weiß immer ganz genau, wie man es gerne hätte. Und dann ist es auch so. Ob es so ist, ist eine andere Sache. Man hat es eben passend zu machen und entsprechend zu argumentieren.

Insofern ist der Satz, der zum Titel dieser Geschichte wurde, unheimlich treffend. - Wer hat ihn wohl geschrieben? - Dieser Jemand kennt sich aus. In den 2,33 Seiten (Text) stehen eine Menge Wahrheiten. Und sie sagen etwas aus über die Art, wie man bei BMW derzeit miteinander umgeht. Gerade in der Öffentlichkeitsarbeit. Und gerade jetzt in einer Zeit der Neuorientierung. Auf neue Chefs, neue Meister.

Meine Recherchen ergaben, daß der Text von einer freien Mitarbeiterin der Sportabteilung stammt. Sie heißt Heike Hientzsch und gehört zu den wenigen Frauen in der Motorsport-Szene, die voll durchblicken. Frauen profitieren in dieser Szene davon, daß man sie nicht ganz ernst nimmt. Wenn diese Frauen gut sind, lassen sie "die tollen Männer" in ihrem Glauben. Und erfahren so mehr, als manchem der "tollen Hechte" gut tut.

Zu dem Zuordnen der "heißen Informationen" in die Pressemappe kam es, weil Heike Hientzsch nicht nur den Text zu der Pressemappe elektronisch ihrer Chefin, Eva-Maria Burkhardt, zustellte, sondern auch gleichzeitig ihr mitteilte, was sie bei der Vorqualifikation für das Rennen in Le Mans dort für Eindrücke gesammelt hatte. Und sie gab noch andere Eindrücke weiter. Ihre Chefin ließ nun wohl - weil der Text für die Pressemappe spät kam - gleich auf zwei Druckern ausdrucken: einmal bei sich und einmal dort, wo die Pressemappe gedruckt und komplettiert wurde. Und so liefen dort auch die drei Seiten auf.

Sie wurden gedruckt, beigeheftet. Und niemand hat sich etwas dabei gedacht. Noch wichtiger: niemand hat offensichtlich die Pressemappen nach Fertigstellung kontrolliert.

Ein Fehler der Presseabteilung war sicherlich auch, diese drei Seiten durch das Fax danach aufzuwerten. Diese Seiten wären sonst  überwiegend "untergegangen". Nun haben sie eine Bedeutung erhalten, man muß sie ernst nehmen.

Wie ich z.B. auch Heike Hientzsch und ihre Meinung ernst nehme. Ich habe sie über viele Jahre beobachtet. Sie hat für die Formel 3-Vereinigung gearbeitet, für Opel. Immer auf dem Sektor Motorsport. Sie kennt sich aus, in Serien, kann Fahrer und Manager beurteilen, hat zwar eine Meinung, aber sie wird damit nur die bekannt machen, für die sie von Wert sind.

Heike Hientzsch bewegt sich eigentlich sehr geschickt auf dem morastigen Boden der Motorsport-Szene. Sie weiß, wen sie grüßt, grüßen muß oder auch nicht - wenn z.B. jemand in der Nähe ist, von dem sie weiß, daß der die zu grüßende Person nicht mag. Also wird sie unauffällig wegschauen. Sie verfügt also nicht nur über Sachwissen, sondern auch über diplomatisches Verhalten. Nur so kann man auch als freier Mitarbeiter in der Industrie überleben.

Weil ich das alles weiß, nehme ich auch ihre Einschätzungen sehr ernst, die sie auf den irrtümlich beigehefteten Seiten darstellt. Es wird schon stimmen, wenn sie meint: "Harry braucht Salatbestecke für seine großen Schüsseln". Oder: "Wir müssen darauf eingestellt sein, daß Leute mal schnell mal nur zehn Minuten reinkommen. Deshalb sollte auch Wasser in großen Flaschen da sein, die man einfach mit Gläsern auf die Tische stellt." (Es geht um die Bewirtung der Gäste beim Rennen in Le Mans.)

Und der geneigte Leser der "Sonderzugabe" zu der BMW-Pressemappe erfährt jetzt schon, wie H.H. (für Heike Hientzsch) sich z.B. die Stunden-Release während des Rennens vorstellt. Und es muß der Text auch abgestimmt werden. H.H. meint: "Dies können beim Rennen nur DU und EINE weitere Person sein. Diese weitere sollte sinnvollerweise der Mensch sein, der am besten von allen informiert ist, dieses ist Charly. (Anmerkung: es ist Charly Lamm gemeint, der Teamchef beim Schnitzerteam) Ich schlage deshalb vor, daß der außer den Fahrern zu Zitierende Charly ist, mit dem ich dann das Release eh abstimmen laufe. In der Frühstücks-Info am Sonntag und im Schlußrelease sollte dann ein Zitat von Berger stehen - damit erstens diejenigen, die schon schreiben, eine Art Vorab-Resumee haben und zweitens natürlich die endgültige Bewertung durch den Direktor erfolgt."

H.H. wird sicherlich - nach entsprechender "Abstimmung" (z.B. mit den Leuten des Motorsport-Marketing) sogar dem Herrn Direktor Berger sein Zitat vorgeben.

Aber es ist auch vorstellbar, daß H.H. spätestens nach Le Mans Ärger bekommen wird. Denn sie hat in ihrem Papier - wie sagt man so schön? - einige Leute "auf den Schlips getreten".

Zum Beispiel in dem Abschnitt, wo sie die eigenen BMW-Informationen zuur Vorqualifikation kritisiert: "Wir hätten vermitteln müssen, daß wir schneller als Mercedes und VIEL schneller als Audi waren. Daß es bis zum Versand der Mappe keine Info über unser Einsatzteam gibt, ist Mist. Ich sehe bei diesem Punkt allerdings auch ein klares Versagen von Pries. Dem war keine Sprachregelung gut genug, weil er sich nicht die Finger verbrennen wollte."

Herr Pries ist Marketingmann, diente vorher unter Kalbfell, jetzt bei der BMW Motorsport unter Giuliani. Pries heißt mit Vornamen Carsten. Kann sein, daß er seinen Namen (aus Marketinggründen) eingedeutscht hat und nun mit "K" schreibt. Das Verhalten dieses BMW-Mitarbeiters ist so wundervoll von H.H. geschildert: "weil er sich nicht die Finger verbrennen wollte". - Und darum geht jetzt auch bei BMW so wenig vorwärts. Keiner will sich derzeit "die Finger verbrennen".

H.H. schlägt in ihrem "Papier" auch vor, "für die F 1 sollten wir m.E. ein Who ist who machen." Und entlarvend ist dann der nächste Satz, der verdeutlicht, worauf es heute ankommt: "Vielleicht haben dann unsere Leute auch richtige Titel."

Schön - und für mich ergreifend - war auch, was nach der Versendung der drei Seiten in der Pressemappe und nach der offizeiellen Bestätigung durch das offizielle Fax der Presseabteilung erfolgte: H.H. rief betroffene Personen an. So klingelte es auch bei Kollegen Ockenga. H.H. hatte ihn in ihrer Mitteilung an Eva-Maria (Ist Ihnen übrigens schon aufgefallen, daß der Motorsportteil in "ams" deutlich besser geworden ist, nachdem die alte Chefin nun bei BMW Dienst tut?) "als Hilfe" erwähnt. Zitat: "Schön, daß Ockenga davon schreibt, daß wir wegen der Unfälle nur mit zweien kommen (Anmerkung: sie meint Einsatzfahrzeuge in Le Mans.) Auf BMW Papier hätte mir dieses Argument allerdings nicht gefallen."

H.H. ist eben irgendwie gut. Sie würde nicht so lügen können. Sie ist eine Brave. Aber wenn nun Kollege Ockenga in "motorsport aktuell"... - Gab es da eine "vertrauliche Information"? (Herr Rickelmann, früher SPIEGEL, heute "stern", weiß was ich meine.)

Aber H.H. hat sich bei Herrn Ockenga entschuldigt. Und er solle nicht denken... - Nein, wirklich nicht. Und es wäre auch nicht so gemeint gewesen, wie man denken könne, wenn man denken könne. - Bravo!

Und H.H. hat Claudia und Manuela angerufen, die für viele Teams (in Stuttgart beheimatet) z.B. die Zimmerbuchungen vornehmen. Darum wußten die auch, als BMW noch verkündete, daß man nicht wisse, ob man nach Le Mans in der ALMS (eine amerikanische Serie für Sportwagen) fahren würde, daß BMW natürlich dort fahren würde. Denn BMW hatte längst (über Claudia und Manuela) sämtliche Zimmer gebucht. Und H.H. hatte auf diese "Ungereimtheiten" in ihrem Papier hingewiesen. Aus diesem Abschnitt ist auch der Satz zur Vorlage für ihre Arbeit entnommen: "Er ist für'n Arsch, wenn so viel Mist drinsteht."

Also H.H. hat sich auch bei Claudia und Manuela entschuldigt. Sie sollten bitte ihre Anmerkungen in dem "internen Papier" nicht falsch verstehen. Natürlich würde sie sie nicht für Quatschtanten halten. So wäre das auch nicht gemeint gewesen. - Und was man so sagt, wenn man es nicht ehrlich meint.

Insgesamt war diese Le Mans-Pressemappe schon eine tolle Leistung der BMW-Presseabteilung unter der Oberleitung dieses Mannes mit "ZEIT"-Geist: Richard Gaul. Seine Arbeit - insgesamt - nach dem 5. Februar 1999 war bemerkenswert. Auch seine Arbeit in der Öffentlichkeit, um Herrn Dr. Reitzle so aussehen zu lassen, wie sich das auch ein Eberhard von Kuenheim insgeheim wünschte. Aber der hatte Herrn Gaul nicht etwa beauftragt - nein - der hatte ihm nur erzählt, daß Dr. Reitzle ihn, Richard Gaul, wäre Reitzle Vorstandsvorsitzender geworden, am Morgen des 8. Februar, pünktlich um 9.00 Uhr, entlassen hätte.

Und da hatte der arme Richard Gaul genug zu tun, um die Öffentlichkeit von den Fehlern des Eberhard von Kuenheim abzulenken. Und er hatte so auch keine Zeit sich um - eigentlich so unwichtige - Pressemappen, wie die zum Thema Le Mans zu kümmern.

Und nur so konnte die Öffentlichkeit einen kleinen Blick hinter die Kulissen eines großen Münchner Automobilwerks werfen, wo derzeit alles so funktioniert, daß man nicht sagen kann, es würde nicht funktionieren. Im Gegenteil. Aber eigentlich ist - um mit einem offizeillen Zitat aus der berühmten Pressemappe zu enden, vieles "für'n Arsch".

MK/Wilhelm Hahne