Der Vorstandsvorsitzende der Ford-Werke AG Köln, Rolf Zimmermann,  live im Internet-Chat

Es gibt heute für Spitzenmanager viele Möglichkeiten mit der Öffentlichkeit zu kontakten. Die Medien warten auf Futter. Aber wie stellt sich ein Manager so dar, daß er glaubwürdig vermittelt, daß er wirklich an "der Stimme des Volkes" interessiert ist? - Und wie macht er klar, daß er kompetent ist, sein Metier beherrscht? - Und das er zukunftsorientiert denkt und handelt. Und niemals die Kunden - seine, die Ford-Kunden - aus dem Auge verliert. - Er versucht es einmal mit Kontakten im Internet. - Gerade bei Herrn Zimmermann, einem der großen Unbekannten im deutschen Automobil-Geschäft, sicherlich eine Möglichkeit, sich ein wenig zu profilieren, bekannt zu werden. - Denn - ehrlich - wer kennt Herrn Zimmermann als Chef von Ford? - Fragen Sie mal Ford-Fahrer, wer denn Chef in Köln ist. - Kaum einer wird das wissen. - Aber lassen wir mal die erste Chat-Stunde des Ford-Chefs Revue passieren. Denn Motor-KRITIK war selbstverständlich dabei.

Auf ein Ford, Herr Zimmermann!

99-06-16/01. Für Ford war es ein Versuch, den man - regional - ein wenig vorbereitet hatte. In Kölner Zeitungen hatte man halbseitige Anzeigen geschaltet, die natürlich unter dem Motto standen "Ford. Die tun was."

Geschicktermaßen gab man das Thema vor, auf das sich der Ford-Vorstandsvorsitzende offensichtlich vorbereitet hatte. "Wie sieht das Auto der Zukunft aus, Herr Zimmermann?" wurde in der Titelzeile der Anzeige gefragt, mit der auf das Internet-Chat mit dem Vorstandsvorsitzenden der Ford-Werke AG hingewiesen wurde. Mit großem Foto des Herrn Zimmermann. So wußten die Leser der Zeitungen denn auch gleich, wie der Mann aussieht.

"Ford stellt sich Ihren Fragen", versprach man und gab sozusagen mit Musterfragen das Thema ein wenig vor: "Müssen Automobilhersteller umdenken? - Was wird für die Umwelt getan? - Wie sieht die Zukunft der mobilen Gesellschaft aus? - Mit welchen Innovationen ist zu rechnen? - Wohin geht der Trend beim Produkt-Design?"

Aber dann stellten die Leute auch andere Fragen.

Aber zuvor mußte man zuerste einmal auf die Seite gelangen. "www.ford.de/zimmermann" war anzuwählen, man mußte Namen und e-mail-Anschrift nennen und - sollte dann eigentlich im Chat sein. Bei mir funktionierte das nicht gleich. Ich habe es mehrfach vergebens versucht, bis dann - warum weiß keiner - es dann tatsächlich funktionierte. Und ich konnte mitlesen was so gefragt wurde. Auch die Antworten.

Herr Zimmermann wird sich bei solchen "Gesprächen" in Schriftform aber die Art abgewöhnen müssen, mit der er bei Journalisten keinen Anstoß erregt: Wenn er nämlich die Antwort an der eigentlichen Frage vorbei formuliert. Beispiel:
Frage: "Sind Sie der Meinung, daß der Korrosionsschutz bei den Modellreihen Fiesta Courier, Transit, Escort, Ka, ausreichend ist?" - Rolf Zimmermann antwortet: "Wir geben beim Ford Focus zwölf Jahre Garantie gegen Durchrostung."

Da fühlt man sich (wenn man kein Journalist ist) doch einfach "auf den Arm genommen". Eigentlich hätte da nun jemand sagen müssen: Aha, beim Focus zwölf Jahre. Und bei den genannten Modellen zwölf Tage? -

Aber dazu kam es nicht, weil jeder für sich fragte und die Antworten erst Minuten später aufliefen. Dann hatte es zwischenzeitlich schon wieder andere Fragen (und Antworten) gegeben. Es kam also niemals zu einem richtigen "Gespräch", sondern jede Frage war "für sich gestellt", hatte keinen Bezug zur vorherigen.

Da fragte dann schon mal jemand: "Sind wir online?" - Rolf Zimmermann: "Natürlich sind wir online." - Und ein anderer fragte später noch einmal: "Sieht nicht online aus, ehrlich." - Zimmermann: "Ist es aber, ehrlich!!!"

Aber es hätte tatsächlich etwas spontaner gehen können. Aber es waren wohl "Filter" eingebaut, wie man das aus Erfahrung und vielfältigen Industriekontakten kennt. Ich vergesse niemals mein Interview mit einem Vorstandsvorsitzenden (das war auch Ford), wo der Raum voller Fachleute und "Zuflüsterer" war. (Seitdem mache ich keine Interviews mehr.)

Manche Aussagen des Herrn Zimmermann waren auch für mich als Journalisten interessant. Wenn er z.B. auf die Frage nach einem Nachfolger für den Scorpio antwortete: "Wir arbeiten an einer Konzeptstudie."

Eigentlich sollte der Nachfolger für den Scorpio wohl der Lincoln werden. Aber nachdem nun Dr. Wolfgang Reitzle einen Blick darauf geworfen hatte, entschied der: zu amerikanisch. Und für 5.000 verkaufte Autos (mehr traute er dieser Originalversion in Deutschland wohl nicht zu), ziehe ich keine Organisation auf, war seine Meinung. Der Lincoln wird also jetzt erst europäisiert. Was - wie zu hören - mindest zwölf, aber vielleicht auch 18 Monate in Anspruch nehmen wird.

Rolf Zimmermann sagt an einer anderen Stelle im "Live-Chat" auf die Frage, "Wie lange dauert die Planung von einem Auto?" sehr präzise: "In 24 Monaten vom Konzept zum Markt."

Theoretisch könnte man also in der Zeit, die Dr. Reitzle braucht, um den Lincoln "auf Vordermann zu bringen", bei Ford in Köln einen direkten Scorpio-Nachfolger entwickeln und fertigungsreif machen. "Richtig", lacht ein Ford-Entwicklungsingenieur, "wenn der Vorstand schnell ein Konzept verabschieden würde. Aber bis die sich entschieden haben..." - Also richtig müßte Rolf Zimmermann gesagt haben:, daß man vom "verabschiedeten Konzept" bis zur Markteinführung 24 Monate braucht.

Aber eigentlich weiß ich gar nicht, warum man bei Ford an einer Konzeptstudie arbeitet, denn Ford (USA) hat längst entschieden, daß man (als Ford) in absehbarer Zeit keine Fahrzeuge der Oberklasse mehr anbieten will. Wie einer "AP"-Meldung zu entnehmen, will Ford "dieses Feld den in seiner 'Premier Auto Group' zusammengeschlossenen Marken Jaguar, Aston Martin, Lincoln und Volvo überlassen". - War Herr Zimmermann noch nicht informiert?

Daß ich bei dieser Gelegenheit (mal wieder - aber nicht von Herrn Zimmermann) als Beispiel höre, wann die letzten Designkorrekturen für den neuen Mondeo durchgeführt wurden, wann... - oh jeh, oh jeh - wenn doch das Management nicht eine "so lange Leitung" hätte und Entscheidungen schnell treffen würde. - Aber darüber wurde im Internet-Chat nicht gesprochen (pardon: geschrieben).

Da wurde immer wieder von "alterntiven Techniken" gesproche, von Erdgasantrieb, Brennstoffzelle und Elektro-Automobil. Schön, wenn sich Ford darum kümmert. Aber welchen Ford sollen die Leute heute kaufen? - Es wird im Moment nicht das Automobil der Zukunft verlangt, sondern ein alltagstaugliches Automobil nach dem aktuellen Stand der Technik, zu einem vernünftigen Preis. - Warum rutscht denn wohl seit einiger Zeit der Ford-Marktanteil nach unten, Herr Zimmermann?

Eine zu dieser Situation passende Frage war auch im Internet zu vernehmen: "Wer bestimmt die Modellpalette der Kölner Ford Werke AG?" - Rolf Zimmermann dazu kurz und knapp: "Der Kunde und ich." - Nun wissen wir es also: der Kunde ist schuld. Sonst gäbe es wahrscheinlich ein komplettes Programm. Warum ist das Modellangebot in wichtigen Bereichen so unattraktiv? - Der Fiesta ist überaltert, der Mondeo ablösereif, es gibt keine vernünftigen Dieselmotoren, kein Angebot in der oberen Mittelklasse. - Der Kunde ist also schuld. Denn: Herr Zimmermann kann es gar nicht sein, weil der erst kurze Zeit in seiner Position arbeitet.

Rolf Zimmermann kam von VW. Aber er hatte vorher sehr gute Arbeit bei Opel geleistet. Zimmermann ist ein hervorragender Fertigungsspezialist. Auf diesem Gebiet liegt seine Stärke. - Das merkte man übrigens auch im Internet-Chat.

Rolf Zimmermann war richtig in seinem Element, wenn es um das Thema Fertigung ging. Er war ganz Ohr, als jemand die Frage stellte: "Warum werden innovative Ideen im Prototypenbau nicht weiter verfolgt, z.B Wabenbauweise bei Türinnenblechen, Modulbauweise (kompletter Türinnentrimm als ein Kompaktmodul) beim Focus (Materialersparnis, fertigungsbedingt Energieersparnis)?" - Wie man schon der Schreibweise (Verwendung von "ue" statt "ü" usw.) erkennen konnte, wohl ein Ford-Mitarbeiter. Auch Zimmermann hat das wohl gleich erkannt und antwortet: "Kommen Sie auf mich zu. Ich würde gerne mehr darüber hören."

Es klang auch überzeugend, wenn er darlegte,: "Ich glaube, die Gruppenarbeit ist die Grundlage für die Zukunft, um überhaupt das Ford Production System (FPS) umsetzen zu können". Es war aber weniger überzeugend, wenn er auf die Frage: "Es gibt Gerüchte, daß der Puma mangels Nachfrage eingestellt wird. Stimmt das?" antwortete: "Nein. Der Puma verkauft sich gut!"

Ford-Mitarbeiter gaben dagegen erst kurz zuvor auf einem offiziellen Termin gegenüber Journalisten zu, daß der Puma wahrscheinlich in 12 - 18 Monaten (spätestens!) eingestellt wird, weil er auf der Plattform des alten Fiesta gefertigt wird. Und dieser alte Fiesta stirbt normalerweise, wenn es den neuen (auf einer neuen Plattform) gibt.

Als Motor-KRITIK in dieser Sache recherchierte, stellte sich aber heraus, daß das nicht unbedingt den Tod des Puma bedeuten muß (obwohl seine Laufzeit tatsächlich nur sehr kurz angesetzt war), sondern daß man jetzt überlegt, ob man nicht (neben dem neuen Fiesta, der in Köln gebaut werden soll), den alten Fiesta z.B. in Südeuropal weiterbauen soll. Dort ließe sich dann auch der Puma (kostengünstig) weiterfertigen.

Ford muß alle Lücken in der Modellpalette schließen. Auch preislich. Wie sollte man denn sonst jene Marktanteile erreichen, die Rolf Zimmer im Internet mit "kurzfristig zehn Prozent; mittelfristig zwölf Prozent" als Ziel seiner Bestrebungen nennt. Dazu braucht er dann auch ein Cabrio. Auf die Frage danach sagt er:" Mein Herz blutet", und er nennt als Zeitpunkt, "so schnell wie möglich".

Schnell, recht bald, wird auch der neue Ford Transit erscheinen. Auf die Frage einer "Eva", "Wann erscheint der neue Transit für unseren Urlaub?", antwortet Zimmermann: "Für den Osterurlaub 2000 wird es klappen." - dieses "unseren Urlaub" in der Frage bekommt einen anderen Stellenwert, wenn Rolf Zimmermann auf die Frage der gleichen Eva irgendwann, "Welche Vereine sponsort Ford?", kurz antwortet hatte: "Wir sprechen heute abend darüber."

Natürlich habe ich recherchiert. Und siehe da: Eva ist eine Tochter des Herrn Zimmermann. Sie wollte wohl den Herrn Papa in seiner ersten Internet-Chat-Stunde nicht alleine lassen. Es hätte ja sein können, daß nur wenige Fragen anfielen. Eva hätte dafür gesorgt, daß das nicht passiert.

Vielleicht ist Eva ja auch wieder bei der nächsten Chat-Stunde, live im Internet, mit dabei; denn als ein "Fan" fragte, "Wird es weitere solcher Chat-Abende geben?", da war die klare Antwort des Ford-Vorstandsvorsitzenden: "Ja, auf jeden Fall."

Vielleicht könnte man dann den Auftritt des Ford-Vorstandsvorsitzenden so arrangieren, daß er wirklich "live" wirkt. Aber solange Schreibmaschinenkenntnisse bei Spitzen-Managern nicht verlangt werden, werden andere die Antworten des Herrn Zimmermann in die Tastatur hämmern müssen. Nachdem er sie diktiert hat. - Und vielleicht müssen die Antworten auch noch kontrolliert werden. Auf Sachverstand. Und ob sie auch den Ansprüchen der Rechtsabteilung genügen.

Und vielleicht kann sich Rolf Zimmermann dann auch mal zu einer offenen und ehrlichen - und nicht zu einer politischen - Antwort aufraffen. Als ein "Marco" fragte, "Welches Auto fahren sie privat und welches würden Sie gerne fahren?", da lautete das offizielle Statement: "Als guter Vater liebe ich alle meine Kinder und fahre alle Ford-Modelle."

Vielleicht sollte Rolf Zimmermann auch mal - damit er "seine Kinder" besser erziehen kann - ein paar Fahrzeuge der Konkurrenz fahren. Er muß sie ja nicht besitzen wollen. Das ist bei Ford gefährlich. Ein leitender Ford-Mitarbeiter, wohl Porsche-Fan, der dazu noch mit seinem Traumwagen zur Arbeit kam, war nicht lange bei Ford.

MK/Wilhelm Hahne