Vor den 24-Stunden von Le Mans 1999 - und nachher

Natürlich hat Motor-KRITIK den Toyota-Sieg in Le Mans erwartet. Eigentlich konnte da nichts schief gehen. Nach meinem Eindruck mußten mindestens zwei Toyota vorne sein. Dann würde ein Mercedes folgen, dann ein BMW; Panos würde vorne nicht fehlen und Audi würde sich mit Glück vielleicht um Platz 10 wiederfinden. - Dachte ich. - Selbst der beste Nissan würde noch davor liegen. - Aber es ist anders gekommen. Toyota hatte alles Pech dieser Welt. Und BMW alles Glück. - Da kaum darüber geschrieben wurde, was so alles beim Testen vor le Mans passierte, will Motor-KRITIK das nachholen. Aber im Titel dieser Geschichte muß natürlich der "Höhepunkt" der diesjährigen 24-Stunden von Le Mans zum Ausdruck kommen:

Jürgen Hubbert und seine "fliegenden Kisten"

99-06-16/04. Bevor es dazu kam, war viel Training angesagt. Nicht nur bei Mercedes, sondern praktisch bei allen Teilnehmern die für sich in Anspruch nahmen, siegen zu wollen. Und wenn ich z.B. Toyota für den Sportwagen mit den größten Sieges-Chancen in Le Mans hielt, dann hatte das seine Gründe. Die reichen z.T. zurück bis ins letzte Jahr. Auch da hatte Toyota sehr unglücklich verloren. - Und Porsche nur mit sehr viel Glück gewonnen. Aber was zählt - und in Erinnerung bleibt - ist eben nur der Sieg.

Aber wie konnte es 1998 zu der Niederlage bei Toyota kommen. Schon zu diesem Zeitpunkt mußte dieser Rennsportwagen von Toyota, speziell für Le Mans entwickelt und gebaut, einfach unschlagbar sein. - Und das passierte wirklich:

Irgendwann geht allen Entwicklern die Zeit aus. Der Renntermin läßt sich nicht verschieben. 1998 hatten die Toyota-Techniker noch kurz vor dem Rennen eine zweistellige PS-Stärkung gefunden. Da man aber diesen stärkeren Motor nicht mehr in Verbindung mit allen anderen Teilen der Kraftübertragung und des Fahrwerks testen konnte, entschloß man sich, auf diese PS-Spritze für den 1998er-Einsatz zu verzichten. - Die Techniker wollten kein unnötiges Risiko eingehen.

Was defekt werden konnte, wußten sie aus der Testerfahrung. Das Getriebe zeigte Schwächen. Aber es war so ausgelegt, daß man in wenigen Minuten die Radsätze komplett austauschen konnte. Ein Problem das man kennt, ist eben kein Problem mehr. Und das Auswechseln der Radsätze war natürlich trainiert worden. Da saß jede Handbewegung.

Und das Rennen zeigte, daß die vorhandene Leistung ausreichte, um alle Konkurrenten zu schrecken. Und das Getriebe... - Nun, das machte hin und wieder Ärger. Aber der war nicht groß, kostete nicht so viel Zeit, als daß man die hätte nicht wieder herausfahren können. - Und dann blieb der führende Toyota kurz vor Renn-Ende liegen. Getriebeschaden wurde vermeldet. Und es war auch so. Aber es war einer, den man nicht bedacht hatte.

Beim Wechsel des Radsatzes vorher, hatte ein Mechaniker, anders als bei den vielen Übungen nun im Streß, eine Schraube am Gehäuse vergessen, nicht angezogen. Es gab so eine kleine Undichtheit, über die das Getriebeöl das Gehäuse verließ. Das Getriebe ging fest. - Und so verlor Toyota 1998.

Mir war klar, daß dieser Toyota in 1999 - nun wirklich noch PS-stärker - und in allen Teilen perfektioniert, eigentlich nicht verlieren konnte. Dazu setzte man drei Fahrzeuge ein. Zwei würden die Pace machen, ein drittes würde den Erfolg absichern. Ein Einsatz wie aus dem Bilderbuch. Dazu mit Fahrern, die das Fahrzeug nicht erst seit gestern kannten. - Und jeder Monteur würde dieses Mal auf jede Schraube achten. Bei Toyota würde man nicht zweimal den gleichen Fehler machen.

Bei Mercedes auch nicht. Dachte ich. Denn dieses Team (also eigentlich AMG) hatte sehr viel getestet, viel mehr, als an die Öffentlichkeit drang. Man war überall auf der Welt, wo man sich unbeobachtet glaubte. Das 24-Stunden-Rennen war von Mercedes schon mehrfach gefahren, bevor es begonnen hatte.

Schon im letzten Jahr man in Le Mans aufgegeben. In diesem Jahr würde das nicht mehr passieren. Durfte das nicht passieren. Und ich habe auch nicht geglaubt, daß es in diesem Jahr noch ein aerodynamisches Problem geben würde. Denn im letzten Jahr hatte man schon welche gehabt. Da war z-B. etwas, was man als aerodynamisches Pumpen bezeichnen könnte. - Und schließlich hatte Mercedes - speziell für Le Mans - ein komplett neues Auto bauen lassen. Da würde jetzt die Aerodynamik schon stimmen. - Dachte ich. -

Was ich nicht wußte, sondern erst jetzt recherchieren konnte: AMG hatte sich in den Jahren zuvor zur Lösung der aerodynamischen Aufgaben u.a. die Hilfe von Fondmetall-Aero gesichert. Nun höre ich jetzt, daß dieser Vertrag aufgelöst wurde, denn das neue Einsatz-Team heißt nun auch (nach der Übernahme von AMG durch Daimler-Chrysler) "hwa-racing-team". Das "hwa" steht für Hans-Werner Aufrecht. - Und dort hatte man wohl seine Aerodynamik-Aufgaben nicht optimal gelöst. Das aerodynamische Pumpen war auch bei dem neuen Fahrzeug immer noch vorhanden. Und auf den Bodenwellen, den weichen Hügelauf-, Hügelab-Passagen, dazu noch im Windschatten eines Konkurrenten, kam es dann zu Abflügen, wie sie in der Häufigkeit in einer so kurzen Zeitspanne von einem Team noch niemals zuvor präsentiert wurden.

Da alles relativ gut abging, nur Geld, nicht die Gesundheit der Fahrer (oder Zuschauer) kostete, kann man heute darüber scherzen. Tatsächlich müssen beim Bau dieses Fahrzeuges alle Synergien des Gesamkonzerns zusammengeflossen sein. Die Konstrukteure der A-Klasse haben offenbar ihren Anteil gehabt, die des smart ihren Teil hinzugetan, die Ingenieure der Dasa haben Anregungen geliefert. - Und da dieses Rennfahrzeug ohne ESP und ASR und Brems-Assistenten auskommen muß, noch nicht einmal über ein Navigationssystem verfügte, mußte es zu unkontrollierten Landungen abseits der Rennstrecke kommen.

Außerdem war die Rennstrecke in ihrem Charakter nicht auf das Automobil abgestimmt worden. Le Mans hat schließlich Streckenteile, wo es sogar Spurrillen gibt. Und man hatte hier nicht wochenlang trainieren können. (Die Konkurrenten aber auch nicht!) - Wie Motor-KRITIK noch aus Le Mans erfuhr, wird sich nun der Vorstand der Stuttgarter entscheiden, niemals mehr in Le Mans zu starten. Zu gefährlich für Mercedes-Rennfahrzeuge.

Da hat man sich über die Panos als "rasende Surfbretter" lustig gemacht. Aber es waren dann die "Silberpfeile", die in den Himmel schossen. - Peinlich für ein großes Automobilwerk.

Noch peinlicher, wie man direkt nach dem ersten Unfall des Mark Webber gegenüber der Öffentlichkeit damit umging. Norbert Haug versuchte der in Le Mans anwesenden Presse-Armada zu vermitteln, daß so ein junger Fahrer... - und wenn man nun mal einen Fehler macht... und im übrigen sei der Wagen nicht aufs Dach, sondern wieder auf die Räder gefallen. - Und wenn er feststellen würde, daß hierüber etwas Falsches berichtet würde... - Also ein wenig Druck wurde schon gemacht. - Schließlich ist DaimlerChrysler wer. - Und Norbert Haug sowieso. -

Einen guten alten Freund hat Haug so nebenbei informiert, daß sein Ressortleiter (sein Freund ist zufällig Chefredakteur) zu  hart in der "Flug-Sache" recherchiere. Er möge bitte darauf achten. - Und auch auf einen anderen Mitarbeiter möge er doch bitte auch Einfluß nehmen. (Und so saß dann jener "Freund" lange neben dem im Pressezentrum, der die "gute Stimmung" zwischen Verlag und Mercedes stören könnte.) - Nur, neben dem er saß, ist praktisch ein Stück des Verlages, für den der Freund des Freundes arbeitet.  Und dort wurde schon vor Jahren geäußert: "Wir sind die einzige offiziell lizensierte Außenstelle der Daimler-Benz-Presseabteilung". - Es ist alles nicht unkompliziert. - Aber Mercedes-Sportchef Norbert Haug ist schon wer. - Fragt sich nur: Wer ist Norbert Haug?

Am Samstagmorgen war es zu einem Überschlag gekommen, der sich als Überschlag dann nicht mehr bagatellisieren ließ. In der ersten Runde nach der Ausfahrt aus den Boxen. Wer fährt schon (nur wenige Stunden vor dem Rennstart!) mit vollem Risiko? Obwohl das Risiko auf einer Geraden eigentlich immer relativ klein ist. Wenn kein technischer Defekt auftritt. - Aber bei diesem Mercedes schien das Risiko für den Fahrer selbst beim Warmfahren riesig. Ein Fahrfehler war eigentlich auszuschließen.

Wie Motor-KRITIK recherchieren konnte, war Jürgen Hubbert, der für die Pkw-Sparte Mercedes bei DaimlerChrysler Verantwortliche zum Zeitpunkt dieses Unfalls noch nicht in Le Mans. Er würde von Norbert Haug telefonisch informiert und nahm eine Maschine früher als vorgesehen. Nachdem er angekommen war, kam es zu dem entscheidenden Meeting, dessen Ergebnis schließlich zu dem Rennunfall führte.

Jürgen Hubbert hatte sich zunächst klar gegen einen Rennstart ausgesprochen, wurde aber im Verlaufe des Meetings umgestimmt. Natürlich konnte Mercedes-Rennleiter Haug, der wie Aufrecht und seine Mannen für einen Rennstart plädierte, auf eine ganze Reihe von Tests verweisen. Auch auf der welligen Strecke von Hockenheim, auch auf Hochgeschwindigkeitstests im italienischen Nardo.

Hätte Mercedes schon jetzt den "Rückzug" verkündet, dann wäre Norbert Haug mit seiner Argumentation des Vortages unglaubwürdig gewesen. Und so wurden zur Beruhigung von Öffentlichkeit und Fahrern ein paar Flipper vorne montiert, man begrenzte hier, erhöhte da... - es wird schon gehen. - Und dann die Sprüche hinterher. "Wir sind bekennende Sicherheitsapostel." - Judas ist immer und überall.

Wie aus Le Mans zu hören, gab es unter den Fahrern auch welche, die eigentlich nicht geneigt waren zu fahren. Aber Norbert Haug hat ihnen - hinter den Kulissen - klar gemacht, wer sie eigentlich sind. Und was seine Firma fürs Geld von ihnen verlangen kann..

Und Jürgen Hubbert hatte sich umstimmen lassen. Er zeigte sich eigentlich so entscheidungschwach wie gewohnt. Leute wie Haug (oder Inhester) sind immer in der Lage, ihre Absichten bei ihm durchzusetzen, auch wenn da oft vordergründig ganz persönliche Interessen der "Berater" im Vordergrund stehen. Wie auch hier. Natürlich hofften alle, daß es schon gut gehen würde. Warum sollte ein drittes Mal ein Mercedes aufsteigen, abfliegen? - Man hatte doch auch technische Maßnahmen ergriffen. Und, und, und. - Man sprach sich gegenseitig Mut zu.

Tatsächlich lagen die Mercedes jetzt noch tiefer. "Aber", so erklärt mir der Kapitän einer 747, "wenn meine Maschine die Startgeschwindigkeit von 280 km/h erreicht habe und ich die Anströmung verändere, dann heben sogar viele, viele Tonnen ab. Das ist bei einem Automobil nicht anders."

Auch hier wurde die Flügelstellung auf Steigflug verändert und die Abhebegeschwindigkeit war sogar noch höher als bei einer 747. - Es war bei dem Rennunfall so, als habe Peter Dumbreck das Höhenruder betätigt. Senkrecht schoß er gegen den Himmel, wirbelte wie ein Blatt im Wind über die Fernsehbildschirme der Welt und verdeutlichte, von welchem Wert es für den einzelnen Autofahrer ist, ein Automobil von einem Gobal Player zu fahren: es ist ohne Wert.

Natürlich waren diese Fernsehbilder für die Mercedes-Entscheidungsträger wie ein Schock. Und der, auf dessen Stimme es wirklich angekommen war, weil er in der Hierachie der Oberste ist, reagierte auch so. Während andere die Hände vors Gesicht schlugen, in Tränen ausbrachen, echt verzweifelt waren, reagierte Jürgen Hubbert auf seine Art.

Jürgen Hubbert hat sofort - noch in Le Mans - einem nicht unbekannten Chefredakteur einer noch bekannteren Motorzeitschrift erklärt, daß man sich nach diesem Vorfall endgültig von Le Mans zurückziehen würde. Le Mans wäre zu gefährlich, zu schnell, keine richtige Rennstrecke, man könne nicht trainieren.  Und man würde auch nicht nach Le Mans zurückkehren. - Nie mehr.

Das wird sicherlich jetzt in diesen Tagen offiziell werden. (Es ist inzwischen in "auto motor und sport" nachzulesen.) Jürgen Hubbert würde seine Aussage von Le Mans sicherlich auch heute gerne unausgesprochen machen.  Denn  was Jürgen Hubbert, nicht bedacht hatte. was man bei DaimlerChrysler aber bedenken sollte: auch eine Chrysler Viper gehört zum Konzern. Und wenn ein Mercedes nicht mehr in Le Mans fährt, dann sollte auch eine Chrysler Viper dort nicht mehr fahren dürfen. - Oder ist sie - verglichen mit Mercedes - das bessere Automobil? -Auch eine Chrysler Viper erreicht in Le Mans ein Top-Speed, das über der Abhebegeschwindigkeit für eine 747 liegt.

Aber vielleicht baut man ja für Mercedes-Benz (und DaimlerChrysler) demnächst in Le Mans eine passende Rennstrecke. Das Selbstverständnis der DaimlerChrysler-Manager ist ungeheuerlich. Es resultiert aus der scheinbar vorhandenen Macht. Aber gerade die Vorkommnise in Le Mans machen die ganze Ohn-Macht dieser Top-Manager deutlich. (Wie auch die Geschehnisse um die A-Klasse, smart usw.)

Im Moment tut man so, als wenn gar nichts passiert wäre. Dabei "qualmt es" in der Stuttgarter Firmenzentrale mächtig. Wie Motor-KRITIK vernehmen konnte, steht Jürgen Hubbert unter kräftigem Beschuß. - Und nicht nur der.

Am Montag nach dem Rennen gab es einen Pressetermin in Hockenheim, wo auch Herr Aufrecht zugegen war. Aber er hat keine Fragen zu Le Mans beantwortet. Das ist Vergangenheit. Und es ist einfach von den Journalisten ungehörig, diese Sache in Le Mans 24 Stunden danach noch nicht vergessen zu haben und danach zu fragen. (Übrigens: die Journalisten durften in Hockenheim das F1-Pace-Car (oder Safety-Car?) fahren.)

Kommen wir jetzt zu BMW, die ich persönlich als drittstärkste Kraft beim Rennen einschätzte. Und ich wußte auch, was kurz zuvor noch passiert war. Meine Einschätzung erfolgte also auch in Kenntnis dieser Dinge. Umso mehr weiß ich den Wert dieses Sieges zu schätzen. Er ist eine tolle Leistung des Schnitzer-Teams.

Bei BMW hatte man vor der Abreise nach Le Mans noch einen Funktionstest in Deutschland machen wollen. Am Montag/Dienstag war Mercedes in Hockenheim gefahren, hatte sich vergewissert, daß alles optimal funktionierte, am Mittwoch/Donnerstag war dann das Schnitzer-Team mit den zwei Einsatzfahrzeugen auf der Rennstrecke im Badischen.

Und es kam, wie es nicht kommen durfte: beide Fahrzeuge verunfallten. Eines davon so schwer, daß sogar das Monocoque erneuert (oder repariert?) werden mußte. Jedenfalls wurde es nach England geflogen, während beim anderen Fahrzeug sich das Schnitzerteam an die Arbeit machte. Am Montag der folgenden Woche hatte man gegen 15 Uhr den Abnahmetermin in Frankreich.

Was - unbeobachtet von der Öffentlichkeit - bei BMW passierte und dann bei Schnitzer ablief - war eigentlich schon rein zeitlich eine Glanzleistung. Aber unter diesem großen zeitlichen Druck wurde offensichtlich bei Schnitzer noch perfekt gearbeitet. Bis auf eine Kleinigkeit bei der Startnummer 17, wo dann im Rennen ein abfallendes Teil die Drosselklappenstellung bei Vollgas arritierte. - Crash!

Ich hatte zunächst - nachdem der Unfall passiert war - große Bedenken, denn bei den vielen Tests vorher war es auch schon mal passiert, daß der neue BMW-Sportwagen seine Fronthaube verloren hatte. Im letzten Jahr - bei der "alten" Version - ließ sich die Fronthaube praktisch nur mit großem Zeitaufwand demontieren. Das war natürlich beim neuen Modell geändert worden, aber hier verlor dann das Fahrzeug die Haube schon während der Fahrt. Ohne jeden Monteurhandgriff. - Und als nun der BMW in Le Mans ohne Fronthaube da stand... - Aber hier könnte es tatsächlich so sein, wie BMW selbst vermeldet. Weil es Bremsspuren gibt. Obwohl es auch Bremsspuren geben könnte, wenn... -

Jedenfalls schmälert das alles nicht die Leistung der Jungens von Schnitzer. Die haben sich wirklich keinen Schnitzer erlaubt. - Aber es ist noch etwas anderes, was mich sehr beindruckt: das ist die Genügsamkeit des BMW-Zwölfzylindermotors. Hier sah ich eigentlich auch noch einen Nachteil für den BMW. Was die BMW-Techniker hier geleistet haben, möchte ich als Glanzleistung bezeichnen. - Hinzu kam noch die taktische Ausrichtung des Teams durch Charly Lamm, dem Regisseur. Das war perfekt. Natürlich wurde der Sieg mit ein wenig Glück (durch das "Pech" von Toyota) errungen, aber er war verdient. - Hinzu kommt die Leistung der Fahrer. - Ich habe den Sieg von BMW nicht erwartet, umso größer ist meine Hochachtung vor dieser Leistung.

Vergessen Sie nicht: wenige Tage vor der Abnahme in Le Mans waren beide Einsatzfahrzeuge noch Unfallwagen! - Aber vielleicht war das der Dämpfer, der die Fahrer zu der richtigen Le Mans-Eisntellung brachte, vielleicht war das die mißlungene Generalprobe, die jeder gelungenen Premiere vorhergehen muß. - Gratulation nach München!

Einen besseren Zwölfzylindermotor hat es sicherlich noch nie gegeben. Es wäre schön, wenn davon etwas in die Serie hinüberfinden würde. - Obwohl da die EU 3 sicherlich vor ist.

Joachim Milberg, der Vorstandschef der weiß-blauen Sieger war übrigens nicht in Le Mans. Unvorstellbar, daß irgendein Firmenchef irgendeiner Automobilfirma dieser Welt bei einem solchen Sieg nicht vor Ort gewesen wäre. Milberg machte damit auch deutlich, wie "ungemütlich" er die Situation empfinden muß, in der er durch diesen sensationellen Gesamtsieg gebracht wurde. (s. die aktuelle F1-Geschichte.) - Milbergs Nichterscheinen in Le Mans wird noch überhöht dadurch, daß aber sein Vorgänger, Pischetsrieder, vor Ort, in Le Mans, war. - Milberg hatte schlechte Berater, wenn er sich in dieser Sache überhaupt hatte beraten lassen.

Audi (und Dr. Ullrich) hatten eigentlich vor dem Start in Le Mans schon mein Mitleid. Überall war eine große Unsicherheit zu erkennen. Nichts klappte. Und weil man so unsicher war, ließ man zu der offenen Version noch schnell zwei GT's bauen. In letzter Minute. Und da fielen die Türen ab, es ging einfach nichts.

Natürlich hat man vor der Öffentlichkeit einen dramatischen Abflug von Capello bei den Testfahrten verborgen. Dem war bei Top-Speed der Heckflügel abgebrochen. Und dann rutsche das Fahrzeug eine lange Strecke auf dem Dach. Und der Sturzbügel verbog sich dabei. Während von mir (allerdings in Kenntnis vieler Details) die GT-Versionen vor dem Rennen komplett den Ausfällen zugerechnet wurden, erwartete ich den besten Joest-Audi um Platz 10.

Die Audi GT waren so unpräzise gebaut, daß - mit dem gleichen Fahrer - auf der gleichen Strecke zwischen den zwei Fahrzeugen eine Differenz von mehreren Sekunden bestand. Warum? - Das wußte keiner. - Und so habe ich mich schon ein wenig amüsiert, als Christian Abt vor dem Rennen das Fahrzeug in Hockenheim zum ersten Mal bewegte und stolz darauf war, gleich ein wenig schneller (4/10 sec) war als ein anderer, erfahrener (und bekannt guter) Mann. Abt war mit dem um Sekunden schnelleren Fahrzeug unterwegs gewesen. Aber er wußte ja nicht um die Unterschiede.

In Le Mans holte man den guten Christian Abt dann von seinem Sockel herunter. Auf dem gleichen Fahrzeug waren seine Fahrerkollegen Ortelli und Johanson um rund 7 sec pro Runde schneller. Christian Abt war mit seiner 3.52er Zeit sogar noch einen Hauch langsamer als die schnellste Chryslert Viper der "kleinen" GT 2-Kategorie.

Ich habe noch einmal das Joest-Team vor der Abreise nach Le Mans beim letzten Funktionstest vor dem Pre-Qualifying auf dem Grand-Prix-Kurs des Nürburgrings beobachtet. Auch da lief noch nicht alles perfekt. Und Dieter Basche (den Audi nach dem Tod von Renningenieur Weber wieder aktiviert hat) machte einen etwas bekümmerten Eindruck. Das Audi-Team stand auch unter großem Erfolgsdruck.

Ferdinand Piech hatte den Audi-Verantwortlichen auch kurz vor dem Rennen noch einmal deutlich gemacht, was er eigentlich von diesem Einsatz erwartete: den Gesamtsieg. Und Piech war schon ein wenig aufgebracht, weil die Ergebnisse der Praxistests überhaupt nicht mit dem übereinstimmten, was vorher - in der Entwicklungsphase - die Computer als erreichbare Fahrleistung errechnet hatten. Und das war die Grundlage für das OK zum Einsatz in Le Mans gewesen. - Ich bin mir sicher, daß - trotz des guten dritten Platzes - das Audi-Ergebnis ein Nachspiel haben wird.

Allerdings muß man das Audi-Ergebnis in Le Mans noch in Verbindung bringen mit dem Ergebnis des VW-Teams beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Und wenn man an Lupo- an Beetle- und noch andere Motorsport-Aktivitäten des Volkswagen-Konzerns denkt, dann kann ich mir nur vorstellen, daß Ferdinand Piech nun dringend eine Umstrukturierung der Motorsport-Organisation des Hauses vornehmen muß. (Über meine Eindrücke vom 24-Stunden-Rennen Nürburgring berichte ich an anderer Stelle.)

Ürigens: der von VW gekaufte Lola steht nicht nur in Ehra-Lessin (aber das ist geheim), sondern wurde dort bereits mit VW-Motoren gefahren!

Panos wurde von mir schon kurz erwähnt. Einige Leute sollten sich abgewöhnen, über dieses Team zu lachen. Es sind die gleichen Leute, die früher über eine Chrysler Viper gelächelt haben.

Nissan kann einem ein wenig leid tun. Die haben in den letzten Jahren viel Geld in Le Mans gelassen. Das Ergebnis war bisher dürftig. Aber es ist zum Beispiel für dieses Jahr ein wunderschöner V8-Motor entstanden, der sicherlich das Potential hat (und die entsprechenden technischen Anlagen), zu einem Siegermotor zu werden. Aber ein 24-Stunden-Rennen gewinnt man nicht nur mit dem Motor allein. Da muß alles stimmen. Bis hin zu den Fahrern.

Sprechen wir mal vom Geld. - Der höchste Preis wird in diesem Jahr für Le Mans von Audi gezahlt worden sein. Das war sicherlich der höchste Preis der in der Geschichte dieses Langstrecken-Klassikers, der für einen dirtten Platz gezahlt wurde. Rechnet man die doppelseitigen Anzeigen, also alle Werbung um und für Le Mans, die Marketing-Maßnahmen usw. hinzu, dann wird man wohl in Ingolstadt auf eine Gesamtsumme von um 150 Millionen Mark kommen.

BMW wird mit einer Gesamtsumme von unter 100 Millionen auskommen. Alles in allem. Da der Gesamtsieg anfiel, kann man sagen, daß es eine gute Geldanlage war. - Aber nun muß man diesen Sieg auch noch vermarkten.

Der Mercedes-Aufwand wird sich in ähnlicher Höhe bewegen. Ausgerechnet bei Toyota, dem eigentlichen Sieganwärter für das 1999er Rennen wird der Aufwand in Mark und Pfennig am geringsten gewesen sein. Man hatte die 1988er-Einsatzfahrzeuge als Basis, mußte nur überarbeiten. - Aber dieses "nur" ist nicht mißzuverstehen. Denn Windkanalversuche sind z.B. teuer. Und die fielen auch noch an. Da brauchte man diese und jene "Kleinigkeit". - Können Sie sich vorstellen, daß z.B. ein neuer Kabelstrang, kurzfristig bestellt (und trotzdem termingerecht geliefert) einen nicht kleinen fünfstelligen Betrag kostet?

Aber das sind wirklich Kleinigkeiten. Nissan wird in diesem Jahr mehr Geld aufgewendet haben als Toyota. Dafür wird es dann im nächsten Jahr billiger.

Dann wird auch General Motors mit einem Cadillac am Start sein, d.h., vernünftigerweise wird man über drei Einsatzfahrzeuge verfügen. Und General Motors will auch gewinnen. Da man aber über die Problematik weiß, plant man eine konstante Beschickung des Langstrecken-Klassikers bis 2003. Und für diesen Zeitraum hat man z.B. im Umfeld der Rennstrecke schon alles an Räumlichkeiten angemietet (oder sich sonstwie gesichert), was man braucht.- Und wenn man die Einstellung eines Jürgen Hubbert kennt, dann weiß man, daß es ihm unter diesen Umständen leicht fallen wird, sich aus Le Mans ganz zurückzuziehen. - Soll man sich etwa als Mercedes von einem Cadillac schlagen lassen? - Soweit darf es nicht kommen. Da fährt man besser nicht mehr.

Das dachte sich auch Herr Wiedeking, der seiner Rennabteilung für 1999 ein Durchatmen erlaubte. Weil er wußte, daß er nur verlieren konnte. Er traute sich noch nicht einmal, seinen neuen GT 3 werkseitig einzusetzen. Dieser "Werkseinsatz" wurde u.a. durch das Manthey-Team vorgenommen. Aufmerksame Beobachter hatten in Le Mans den Eindruck, daß die Rennabteilung bei Porsche gerade aufgelöst worden war, denn die vertrauten Gesichter von dort, schauten hier aus der Manthey-Teamkleidung heraus.

Und dieser "Werks"-GT 3 hat dann alle Kunden GT 2 geschlagen. Jetzt, nachdem aus dem 996 langsam ein Porsche wird (dazu schreibe ich auch noch mal etwas), haben die "alten" Porsche keine Chancen mehr. Aber man darf nicht vergessen, daß die für Le Mans realisierte Leistung nicht überall möglich sein wird. In Le Mans war der neue GT 2 einfach nicht zu überhören. Er war nach dem Panos sicherlich das lauteste Fahrzeug.

Unter Wiedeking wird so manches von Porsche eben zum "Lautsprecher". So schlug man auch mit einer Zeitungsanzeige zum BMW-Sieg in Le Mans 1999 einfach zu fest auf die Pauke, wenn man verlautbart:

"Le Mans 1996: Sieger Porsche.
Le Mans 1997: Sieger Porsche.
Le Mans 1998: Sieger Porsche.
Le Mans 1999: Sieger BMW.

(Porsche war nicht dabei).

Wir gratulieren dem Sieger."

Das ist einfach eine Frechheit, weil hier der Eindruck erweckt wird... - Aber Frechheit ist hier vielleicht doch der falsche Ausdruck. Treffender wäre wohl: kleinkarriert.

Motor-KRITIK erlaubt sich einmal, die Sieger der letzten 10 Jahre aufzulisten - und exakt zu benennen:

Le Mans 1989: Sauber-Mercedes.
Le Mans 1990: Jaguar.
Le Mans 1991: Mazda.
Le Mans 1992: Peugeot.
Le Mans 1993: Peugeot.
Le Mans 1994: Dauer-Porsche.
Le Mans 1995: McLaren F 1 GTR.
Le Mans 1996: TWR-Porsche.
Le Mans 1997: TWR-Porsche.
Le Mans 1998: Porsche GT1.
Le Mans 1999: BMW
Ich will so nicht schmälern, daß der Name Porsche 16 Mal in der Siegerliste aller Le Mans-Rennen erschien, aber diese Überheblichkeit, mit der ein hoch bezahlter Angestellter einer Sportwagenfirma seine eigentlich nicht vorhandene Einstellung zum Motorsport zum Ausdruck bringt, bedarf einer Relativierung.

Norbert Singer, ein echter Porsche-Mann, hat die Situation von Porsche viel besser zum Ausdruck gebracht, wenn er am Sonntagmorgen in einem Gespräch mit einem "eurosport"-Reporter äußerte: "Wir haben keine Zukunft, aber dafür eine Vergangenheit." (Ein Journalisten-Kollege hat das mitgehört, mitgeschrieben und Motor-KRITIK informiert.)

Sicherlich hat Norbert Singer das eigentlich nicht so deutlich sagen wollen, es war wohl mehr eine Freud'sche Fehlleistung. Aber Norbert Singer hat so die Porsche-Situation exakt auf den Punkt gebracht.

Und auch in anderen Automobilwerken sollte man einmal darüber nachdenken, ob dieser Auspruch nicht sehr gut auch zu ihnen paßt. Noch besser wäre natürlich, man würde überlegen, was dagegen zu tun ist.

Aber vielleicht hat auch Mercedes-Benz mit dem Ausspruch in einer Anzeige recht, die auch (zufällig) am Montag nach Le Mans in einer Stuttgarter Zeitung erschien: "Die Spielergebnisse kann man sich nicht aussuchen. Gebrauchtwagen schon."

Bei Mercedes-Benz gibt es schließlich auch Gebrauchtwagen, die nicht Mercedes heißen und mit denen "nur Fliegen schöner ist". - Mercedes ist eben nur etwas für Überflieger.

Vorbildlich dagegen - im ganzen Auftreten - die Firma Toyota. Am Montag nach dem Rennen war in der BILD-Zeitung eine Anzeige mit dem Text zu lesen: "Toyota gratuliert dem Le Mans-Sieger 1999. Nächstes Jahr greifen wir wieder an."

Mercedes wird nun versuchen müssen, durch andere Aktionen schnell von Le Mans abzulenken. So ist eigentlich schon entschieden, daß Bernd Schneider demnächst in Amerika mit einem Mercedes der besonderen Art, auf eine besondere Art, neue Höhen erklimmen soll: Schneider soll mit der Mercedes A-Klasse mit zwei Motoren beim "Pikes Peak" am Start sein. - Hier ist dann ein "Aufsteigen" praktisch unmöglich. - Eher ein tiefer Fall.

Aber tiefer als in Le Mans kann die Marke Mercedes, kann der DaimlerChrysler-Konzern, nicht fallen. Das war mehr als ein Sportunfall. - Das war ein Signal!

MK/Wilhelm Hahne