99-07-17, in Virneburg/Eifel

Guten Tag!

Natürlich habe ich mich über das Lob gefreut, das ich für meine letzte Le Mans-Geschichte erhielt. Dabei war diese Geschichte immer noch nicht komplett. Ich bin immer noch mit der Recherche in dieser Sache beschäftigt. - Man wird unter normalen Umständen also noch einmal etwas von mir zu diesem Mercedes-Thema lesen können.

Aber dann passierte schon wieder etwas. Dieses Mal war es Schumi. Und nicht nur BILD, sondern jede Zeitschrift die auf sich hielt wußte exakt das, was auch die anderen wußten. Weil es alle zu wissen glaubten. Und die Fachleute konnten es auch erklären. Christian Danner erklärte, warum Schumi's Ferrari nicht einlenkte. Auch Klaus Niedzwiedz sprach aus dem reichen Schatz seiner Erfahrung. - Was ich gesehen zu haben glaube - und welche Schlüsse ich daraus ziehe - steht in einer meiner aktuellen Geschichten.

Nun bin ich mal auf den "Spiegel" gespannt. Die Formel 1 steht 1999 schließlich auf seinem Themenplan. (Anders als Le Mans.) - Und Ferrari gehört nicht zu den bedeutenden Anzeigenkunden.

Denn schließlich muß alles finanziert werden. "Verliert der 'Spiegel' online seine Unschuld", fragt man z.B. bei Springers "WamS". Nicht nur das Magazin, auch die Multimedia-Aktivitäten des Verlages wollen schließlich finanziert sein. Und der Spiegel-Verlag entdeckt seine Krämerseele, will seine Kosten wahrscheinlich mit einem virtuellen Kaufhaus decken. -Warum nicht? - Es macht mir nichts, wenn der Unterschied zwischen "Spiegel" online und Motor-KRITIK noch deutlicher wird

Und der Öko-Lupo wird jetzt überall gelobt. Erwarten Sie das bitte nicht von Motor-KRITIK. Schließlich sollte ein Automobil kein politisches Argument, sondern zunächst mal ein sinnvolles und sicheres Fortbewegungsmittel sein. Ich finde schon erstaunlich, daß man mit einer Dreiliter-Brille vor den Augen eine wichtige Schwäche des Drei-Liter-Lupo übersehen, bzw. nicht richtig einordnen kann.

Was ist also das Besondere an dem neuen VW Lupo 3 L TDI?", fragt Bernd Ostmann, Chefredakteur von "auto motor und sport", in der neuesten Ausgabe seines Magazins und erklärt das so: "Der Sparmeister ist eine ingeniöse Großtat. Mit einem Normgewicht von 830 Kilogramm ist er 150 Kilogramm leichter als ein normaler Lupo. Dies gelingt nur mit Leichtbauteilen aus Aluminium und Magnesium. Dafür ist der Öko-Lupo ein vollwertiger Viersitzer, und er soll alle Crashtest-Normen erfüllen."

Das wird er auch müssen, meine ich. Schließlich ist sein Bremsweg um rund 15 Prozent (so 5 - 7 Meter) länger, als der eines Nicht-Öko-Automobils, wenn beide aus 100 km/h maximal verzögert werden. Aber bevor man im Lupo - optimal durch Airbag und Sicherheitsgurt gesichert - dann nach einem Auffahrunfall mit mittelschweren Blessuren im Krankenhaus landet, kann man sich immerhin an raffiniertem Leichtbau, dem ersten Diesel mit Leichtmetall-Motorblock oder der elektrohydraulischen Schaltung erfreuen. - Ist das der Fortschritt?

Aber ich gehöre wohl einer aussterbenden Generation an. Ich möchte nicht den Fortschritt um jeden Preis. Ich möchte den sinnvollen Fortschritt. Ich habe sicherlich auch oft eine andere Meinung zu Automobilen. Wie ich gerade wieder feststellen muß, wenn nun die ersten Fahr- und Testberichte zum Peugeot 206 S 16 (oder GTI, wie er anderswo heißt) erscheinen.

Ich habe diesen 206 auch gefahren und - war enttäuscht. Wenn man seine Eindrücke in Einzelteile zerpflückt, bleibt eigentlich kaum etwas Negatives übrig: der Motor ist toll, die Fahrwerkabstimmung gut, er schaltet sich hervorragend, die Gesamtübersetzung stimmt. Er beschleunigt wie eine Rakete, sein Top-Speed ist hervorragend, sein Verbrauch in Relation zu den Fahrleistungen vernünftig. - Nach den Prospektdaten ist das ein tolles Auto.

Aber wenn man ihn fährt, kommt nichts rüber. Dieses Auto ist so fade wie ein kalifornischer Apfel: bildschön, aber ohne Geschmack. (Natürlich hätte ich ihn auch mit holländischen Tomaten vergleichen können.) Man sitzt - thront - wie in einer Großraumlimousine, vor sich die Vorgebirgslandschaft eines modernen Armaturenbretts. Und alles funktioniert. Wie es eigentlich bei jedem Auto funktionieren sollte. Hier also etwas besser. - Aber es kommt nichts rüber von einem GTI-Gefühl. Da helfen auch keine gelochten Alu-Pedale.

Wären die Sitze etwas plüschiger, gäbe es noch ein wenig Holzaplikationen, wäre ein automatisches Getriebe serienmäßig: dieser Wagen wäre für alle Zwecke das ideale Fortbewegungsmittel. - Aber GTI?

Dann sollten Sie mal im Vergleich dazu den 106 S 16 fahren. Der hat die gleichen Fahrleistungen, verbraucht weniger und ist, wenn man den 206 S 16 auf die Stufe eines 850er BMW hebt, ein Ferrari Modena. Beides sollen Sportwagen sein. Aber nur der Ferrari ist einer. Exakt wie der 106 S 16 verglichen mit dem 206 S 16. Allerdings kostet der 106 (bei gleicher Ausstattung) auch mehr als der modernere 206 S 16. - Bei Peugeot wird man wissen warum.

Genauso, wie man wohl nur bei "auto motor und sport" weiß, was derzeit bei BMW passiert: ... "seit Reitzle nicht mehr da ist, macht sich in allen Abteilungen ein Kreativitätsschub bemerkbar." - Wäre sonst Herr Gaul nicht bei der Beschaffung der "Computerretuschen" und der notwendigen Daten behilflich gewesen? - (Herr Gaul, man wird doch wohl mal noch einen Scherz machen dürfen. Über den jeder lachen kann, der die Situation kennt. - Kennen Sie sie nicht? - Na, dann können Sie auch nicht darüber lachen.)

Wobei z.B. nicht alle in "ams" genannten Daten der Realität entsprechen. Ich werde "ams" noch einmal beim ersten Test eines BMW Z 8 daran erinnern, daß hier im Juli 1999 von einem "nur rund 1400 Kilogramm schweren Sportwagen" gesprochen wurde. Das Leergewicht des Serien-Z 8 wird tatsächlich bei 1,6 Tonnen liegen. Und das des ersten Testwagens (der Sonderausstattung wegen) noch darüber.

So könnte ich eigentlich unendlich weiter schreiben. Über das, was andere geschrieben haben. Über die Fehler der anderen. (Schreiben Sie mir doch mal etwas über meine Fehler! Meine e-mail-Adresse: motor-kritik@rz-online.de)

Wobei es auch gute Beispiele gibt: Wenn "mot" z.B. ungeschminkt über seine Erfahrungen mit einem Dauertest Diesel-Opel berichtet: "Vectra, der Unzuverlässige". - Oder wenn man sich in "Der Motorjournalist" die Frage stellt, ober ein von der Opel-Presseabteilung in Umlauf gebrachtes Foto nun ein "Lügen-Foto oder erlaubte Manipulation" ist. - Aber meine Herren! Man weiß doch wo es herkommt.

(Bevor man bei Opel aufschreit: ich erinnere daran, wie es zu der berühmten Eidesstattlichen Versicherung von Saab kam, an den Brief des Opel-Vorstandsvorsitzenden an den VDA, wie Herr Gäb einen Saab-Mitarbeiter nach Erscheinen des berühmten "Spiegel"-Artikels - im Auto - anrief und wie er ihn beruhigte. - Wollen Sie noch mehr Beispiele? - Wissen Sie noch, damals beim 24-Stunden-Rennen? - Erinnern man sich, was Herr Borghs meinen Kollegen zu seinen Fahrkünsten im Formel Opel erzählte? - Erinnert  sich Herr Borghs noch, wie er mich über Herrn Dahlhoff aufklärte? - Erinnern man sich noch, was die Herren der Opel-Presseabteilung über mich erzählten, bevor es dann zu der großangelegten Entschuldigungs-Aktion des damaligen Opel-Chefs durch Zeitungsanziegen nach der Astra-Brandaffäre kam?)

Aber nette Fotos, nette Geschichten lassen sich heute gut verkaufen. Wer fragt danach ob das alles exakt stimmt: In der "Welt am Sonntag" durfte ein Kollege fast eine ganze Seite damit füllen, wie er beinahe einen Ferrari Formel 1 gefahren wäre. Abgewürgt, nicht weggekommen. Motor gekillt, aus dem Auto verwiesen. Ob der Werbewert der "WamS"-Seite die Kosten für die Reparatur aufwiegt? (Auch hier sind - was z.B. die Anzahl der Abwürgeaktionen betrifft - geringe einstellige Differenzen gegenüber der Realität feststellbar.)

Man sollte nicht kleinlich sein. Eine schöne Geschichte. Fast so schön wie die über das Urteil gegen General Motors. Man will die Unsinnigkeit des Urteils damit verdeutlichen das man schreiben läßt (dpa): "Entschädigung von 4,9 Milliarden Dollar übertrifft Jahresgewinn des Autoherstellers deutlich". - Na und? - Die Herren Gäb und Borghs, zufällig GM-Mitarbeiter (weil Opel doch auch zu GM gehört) haben doch einen Präzedenzfall geschaffen. Sie verloren nicht die rechte Hand, ihr Gesicht wurde nicht durch Brandwunden entstellt, sie konnten nur nicht über eine Saitre von mir lachen, wurden dadurch seelisch getroffen, interpretierten klare Aussagen dann auf ihre (und des Anwalts) Weise - und erhielten recht. Das Schmerzensgeld das ihnen (und ihren Frauen) zugesprochen wurde, war auch eindeutig höher als mein Jahresgewinn. (Von den Gesamtprozeßkosten gar nicht zu sprechen.) - Was mir zuzumuten ist, wird man doch wohl auch dem größten Automobilhersteller der Welt zumuten können.

Mein Anwalt sagte mir übrigens, daß das Schmerzensgeld steuerfrei ist. Und das freut mich für die Herren. Selbst wenn sie das Geld gespendet haben, sollte ihnen eigentlich - wenn sie es richtig anstellten (Spendenquittung) - noch ein Gewinn verblieben sein. Und auch für meine Leser ist einer daraus erwachsen: Ich werde nun  länger arbeiten als man das eigentlich normalerweise tut. - Und die Geschichten schreiben, die sich andere nicht leisten können. - Und ich tue das gerne. Wie man hoffentlich feststellen kann.

Danke, Hans Wilhelm Gäb und Horst Borghs. - (Auch im Namen meiner Abonnenten.) - Und gute Besserung!

Lassen Sie mich aber noch von einem "Erfolg" berichten, der mich aber nicht unbedingt glücklich macht:

Ich hatte vom Tod eines Motorradfahrers auf der Nürburgring-Nordschleife berichtet, den ich - leider - in Verbindung bringen mußte mit Baumaßnahmen, die (nicht nur von mir) als unsinnig empfunden wurden. Jetzt, ein paar Wochen später, wurde die "Unsicherheitsmaßnahme" am "Pflanzgarten" wieder zurückgerüstet. Dieser Unsinn hat höchstens so um 150.000 DM gekostet.

Und jeder, der ein wenig Ahnung von der Materie hat, hätte das dem Herrn Dr. Kafitz, Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH (der wenig Ahnung hat) vorher sagen können. Und manche hatten sogar die Möglichkeit dazu, da ein Dr. Kafitz mit ihnen spricht. Aber niemand hat es getan. Um sein "gutes Verhälntnis" zu diesem Herrn (und der Nürburgring GmbH) nicht negativ zu beeinflussen? - Natürlich wird man jetzt sagen, daß es nicht die Geschichte in Motor-KRITIK war, die zur "Rückrüstung" führte. - Was denn? - Zu späte Einsicht? - Oder der Tod eines Motorradfahrers bei km 17?

Übrigens hat mich auch der VDA enttäuscht. Ich hatte ihn - wie Sie bei mir lesen konnten - um eine Recherchehilfe gebeten. Eigentlich hatte ich dem VDA (Verband der Deutschen Automobilindustrie) eine ganz einfache Frage gestellt. ich hatte ihn gebeten, mir doch einmal aufzulisten, in welcher Höhe in den anderen europäischen Ländern die Kraftfahrzeugsteuer erhoben wird.

Der VDA hat mir per e-mail mitgeteilt, daß er das nicht könne. - Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß? - Ein toller Verein, der VDA. Da verstehe ich schon, wenn mir in den letzten Jahren so mancher Manager der deutschen Automobilindustrie sein Leid, entstanden im Erleben der "Arbeiten" des VDA, klagte. "Der VDA ist uns keine Hilfe", sagte mir einmal (das war 1993) der Vorstandsvorsitzende eines deutschen Automobilwerks. - Ich schließe mich seinen Worten an. Es scheint sich seitdem wenig geändert zu haben.

Guten Tag!

Wilhelm Hahne