99-09-14, in Virneburg/Eifel

Guten Tag!

Da hat die SPD eine kräftige Niederlage hinnehmen müssen. Das hat sie mit anderen "Parteien" gemeinsam, die ganz vergessen, für wen sie eigentlich ihre "Programme" gestalten. Aber alle empfinden sich als "Global Player" und sind davon überzeugt, dass Größe zu den wichtigsten Faktoren bei der Beurteilung einer "Firma" gehört.

Meinen Sie nicht, dass man "Firmen" wie die SPD, wie Ford, wie Opel "in einen Topf" werfen kann?

Jeder will für alle etwas machen. Vor allen Dingen für die zahlenmäßig "breite Mitte". - Und so ist die SPD dann auch selbst von Links hin zur Mitte gerutscht. Weil man vielen Wählern gefallen möchte. Und hat an Profil verloren. So wie Opel. So wie Ford. Alle haben vergessen wo sie herkommen, streben zu neuen Ufern, ohne deutlich machen zu können, dass sie davon auch etwas verstehen.

Es kommt bei allen Firmen und Parteien - wenn man das einmal langfristig betrachtet - zu einem Aufeinanderzugehen. Die einen kommen von unten, klimmen nach oben. Die anderen kommen von oben, gleiten nach unten ab. Wieder andere rutschen von rechts in Richtung Mitte. Natürlich wird sich auch von Links zur Mitte hin verändert. Oder von Grün nach... - Es ist schon ein herrliches Durcheinander. - Aber die Richtung stimmt. Alle wollen in Richtung Erfolg. Denn aufgepaßt: Wir leben in einer Winner/Loser-Kultur. - Und wer möchte schon Loser sein?

Und so werden sich die Parteiprogramme immer ähnlicher. So werden auch die Modell-Programme der Automobilhersteller immer ähnlicher. - Was Parteien wie Automobilhersteller brauchen ist Profil. Charakter zu erwarten, wäre schon fast zu viel verlangt.

Profil  ist auch über leitende Mitarbeiter, die die Parteien und Firmen nach draußen vertreten, zu erreichen. Wenn die deutlich machen können, dass sie hinter dem stehen, was so "hergestellt" wird. Aber Schröder ist mit seinen angelernten "emotionalen" Bewegungen beim Reden genauso wenig überzeugend, wie mancher Firmenlenker. Aber für Analysten reicht es immer.

Viele haben vergessen, um was es dem "Konsumenten" eigentlich geht. Es kommt auf die "Produkte" an, nicht auf Shareholder-Value. Und auf die Preise, die die Verbraucher dafür zahlen müssen. Stimmen die Relationen nicht, bekommen die "Firmen" - ganz gleich ob sie sich nun SPD oder Opel oder Ford nennen - dafür die "Marktanteilsrechnung" präsentiert.

Da helfen auch keine IAA-Reden. Da hilft nur handeln. Aber zunächst einmal die Selbsterkenntnis.

Aber bei der SPD sind es die Wähler schuld, die nicht gewählt haben. Und bei Opel und Ford sind es die Kunden, die nicht gekauft haben. - So hört man von den "Firmen". - Alle diese "Firmen" müßten eben zunächst einmal attraktive Programme bieten.

Das versucht die Automobilindustrie uns jetzt auf der IAA klar zu machen. Aber man zeigt und sagt uns nur das, was uns positiv beeinflussen soll. Audi wird uns z.B.Lieferzeiten beim TT einflüstern. (Ganz unter uns: die Zahl der TT-Angebote - neu, gebraucht, mit und ohne Kilometer oder als kurzfristig realisierbarer Vertrag - im Kleinanzeigenteil von "auto motor und sport" ist in den letzten Wochen von um 50 auf über 80 und in der aktuellen Ausgabe auf 96 Stück angestiegen. - Wo ist da der "Engpass"?) - Man macht Zukunftsversprechungen. Und alle die "Firmen", Manager, PR-Phantasten, wirken selbst dabei nicht glaubwürdig, wenn sie in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder eine falsche Art von Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben. - Aber sie haben sich ja vielleicht sogar danach in ganzseitigen Zeitungsanzeigen dafür entschuldigt. - Aber macht das verlogene Pressearbeit besser?

Die wird aber auch nicht besser, wenn sie demnächst - zunächst bei BMW - papierlos erfolgt. "Diese Pressemappe, die Sie über unser Automobil-Modellprogramm informiert, wird letztmals zur IAA '99 in Papierform erscheinen", informiert uns Thomas Gubitz, der "Pferdeflüsterer" bei BMW. Und erklärt: "Künftig erhalten Sie alle diese Informationen - in Wort und Bild - über unsere bereits erfolgreich eingeführte Internet-Webseite... ".

Im Jahre 2001 werden wir also vor der IAA alle vor unseren Computern hocken und "downloaden". Das wird - bei dem Umfang einer BMW-Pressemappe und der Anzahl der notwendigen Fotos - dann so um fünf Stunden dauern. Und auch bei DaimlerChrysler wird man dann soweit sein. Und bei VW, bei Opel, Ford und allen denen, denen mal wieder der Etat für Öffentlichkeitsarbeit gekürzt wurde.

Denn die Kosten für eine solche Mappe, die bisher per Stück einen gut dreistelligen Betrag verschlang, wird nun kostenmäßig zu einem Teil auf die Kollegen umgelegt. Die tragen nun die Kosten für Zeit und Telefon. Und auch die Papierkosten, wenn man das ganze wieder ausdrucken läßt. Aber vielleicht gibt es dann ja auch von der Industrie einen Papierkosten-, einen Telefonkosten-Zuschuß - und vielleicht ein Tagegeld. So wie man jetzt all denen die "testen!", gerne die Hol- und Bringkosten, sowie das Benzingeld für die Testfahrten ersetzt. - Damit es ein guter Test wird.

Wobei sich aber - und das sei hier ausdrücklich festgestellt - nicht alle Journalisten von der Industrie "freihalten" lassen. Es gibt auch solche, die sich bemühen, alle die Dinge aufzudecken, die die Industrie gerne "unter der Decke halten" würde. In den Aussagen der Industrie - auch bei den Aussagen in Pressemappen - kann es immer nur um "subjektive Wahrheit" gehen. Manchmal bekommt man auch Lügen aufgetischt. - Aber wer wird das in unserer Gesellschaft, die sich in positiver Selbstdarstellung gefällt, der Industrie schon übel nehmen?

Dabei werden längst nicht alle "Lügen" aufgedeckt. Weil niemand ganz normale Geschehnisse hinterfragt. - Weil das auch wenig Sinn macht?

Ich denke als Journalist da anders, bin mir allerdings auch bewußt, dass meine Arbeit nur von den wenigsten als sinnvoll betrachtet wird. Schon weil der Aufwand nicht in Relation zum Ergebnis steht.

Da habe ich mich z.B. in den vergangenen sechs Wochen, in der das Internet ohne neue Geschichten von mir blieb, noch einmal um die "Mercedes-Flugzeuge" in Le Mans gekümmert. Denn die Öffentlichkeit weiß noch längst nicht alles. Aber niemand hinterfragt die Dinge noch. Das ist vorbei, sind Ereignisse von gestern, die angeblich niemanden mehr interessieren. - Aber mich.

Aber auch diese aufgewendeten fünf Tage haben mich kaum weitergebracht. Als wenn man eine Mauer aufgerichtet hätte. Ich habe jetzt zwar weitere Ansätze für weitere Recherchen, aber - die werde ich etwas schieben müssen. Denn auch aktuelle Ereignisse müssen ausgeleuchtet werden.

Warum spielt eigentlich die Presse "das Spiel" eines Herrn Weber um Michael Schumacher mit? - Warum interessiert sich niemand mehr für die wirklichen Geschehnisse, die zum Unfall führten? Und was hatte der Michael wirklich für Verletzungen erlitten? - Meine Geschichte, direkt nach dem Unfall erschienen, scheint mir auch heute noch eine der besten (weil stimmendsten) zu sein. - Was mich nicht hinderte, weitere Zeit mit Recherchen um Schumacher zu verbringen.

Und warum wird eigentlich Nick Heidfeld von Mercedes so gefördert? - Heidfeld fährt demnächst schon der der Formel 1. Mit welchem Geld? Und warum? - Fragt denn niemand nach dem Hintergrund? - Auch da habe ich mich in den letzten Wochen bemüht.

Und ich habe den Dreiliter-Lupo gefahren, habe mich dafür interessiert, warum es in der neuen Mercedes S-Klasse zwar auch hinten Cup-Holder (so nennt man das heute) gibt, die man aber schlecht nutzen kann, "weil immer die Cola überschwappt", wie mir eine Dame anvertraute. Und außerdem würde sie in der neuen S-Klasse hinten sitzend meist "seekrank". - Das war Ansatz zu Recherchen.

Aber die liefen nicht über die Presseabteilungen. Auch meine Geschichte, wie heute Bremsen entstehen, kommt nicht aus einer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Das "Futter" zu meinen Opel- und Ford-Geschichten stammt auch nicht daher. -

Wobei mir bei Opel gerade ein Leserbrief einfällt, der die "Bild"-Zeitung zum Thema "Kanzler-Satire" erreichte. Zitat: "Lieber ein Kanzler mit Titten als ein Kanzler ohne Sitten." - Der Brief kam aus Rüsselsheim! - Natürlich kann das kein Opelaner gewesen sein. Opel-Vorstandsmitglied Horst P. Borghs hat mit einem erfolgreich gegen mich (und andere) geführten Prozeß dafür gesorgt, daß man seine Einstellung zur Satire kennt. Und er hat recht. Es geht eben nichts über Real-Satire.

Die erlebte ich z.B. gestern abend, als ich mir per Handy "live aus dem Frankfurter 'Römer'" eine Situation schildern ließ (exakt um 19.23 Uhr), in der (per Distanz) bei "meinem Reporter" der Eindruck entstand, Frau Dr. Wegerhoff würde Herrn Dr. Wolfgang Reitzle "anhimmeln". - Ich habe Tränen gelacht.

Aber zurück zu meinen ernsthaften Recherchen: Dann kam die "Smart-Pleite" in Berlin. - Immer wenn ich gerade schreiben wollte, war ich gezwungen - erzwungen durch interessante Ereignisse - eine neue Spur aufzunehmen.

Da sind selbst sechs Wochen wie ein einziger Arbeitstag. Aber nun geht es wieder los. Und wenn ich heute - am ersten Pressetag der IAA - nicht in Frankfurt bin, so liegt das daran, dass ich dort nichts verpasse. - Ich möchte aber an einer anderen Stelle nichts verpassen. Darum bin ich heute dort und nicht in Frankfurt. - Oder kann ich dort schon den superlangen Mercedes sehen (so'ne Art Maybach mit um sieben Meter Länge und dicke zwei Meter breit), der von einem 6,5 Liter V8-Bi-Turbo-Motor befeuert wird und dessen stufenloses Getriebe ein maximales Drehmoment von rund 850 Nm verarbeiten muß?

Aber natürlich schaue ich mir die IAA an. Und ich werde dann - natürlich mit Verspätung - auch darüber im Internet berichten. Vielleicht sehe ich manche Dinge ja anders als andere, die jede Rede eines Automobil-Managers für bare Münze nehmen. Dabei ist dort auch viel Politik dabei. - Wie bei der SPD. - Und manchmal auch "falsche". Womit sich der Kreis wieder geschlossen hätte.

Guten Tag!

Wilhelm Hahne