Presse-Infos der Automobilwirtschaft: oft Lesestoff für unendliches Vergnügen und Spaß

Als ich jetzt auf der IAA einem Kollegen von meinem Vergnügen beim Lesen von aktuellen Pressemitteilungen berichtet hatte, da war der ganz fasziniert und meinte: "Sie bringen mich noch dazu, eines Tages mit dem Lesen von Pressemitteilungen anzufangen". - Aber man darf nicht "quer lesen". Man muß sich schon jeweils mit dem Text auseinandersetzen. Das ist manchmal nicht einfach, weil es einfach unvorstellbar ist, was sich die Autoren wohl dabei gedacht haben. Und was die sich dabei dachten, die diesen Text gegengelesen haben, genehmigten. - Aber vielleicht bekommt Motor-KRITIK auch Sonderausgaben zugestellt, weil man bei der Industrie weiß, dass man mir damit immer eine große Freude macht. Ich scheine tatsächlich der Journalist zu sein, der in Deutschland noch Pressemappen und Pressemitteilungen liest. Ich habe nachstehend mal ein paar "Schmeckmuster" zusammengestellt. Sie sollen dem Leser Mut machen, sich auch einmal mit diesen lustvollen Ergüssen deutscher Industrie-PR zu beschäftigen.

Und alles garantiert ohne Garantie für Vollkommenheit

99-09-30/03. BMW in München, pardon, die BMW Group (wo immer die auch sitzt) hatte schon vor der IAA über "IAA Neuheiten 1999" informiert. Wenn man z.B. die Geschichte über den neuen BMW Z8 in dieser Presseinformation gelesen hat und das Fahrzeug dann im Original sieht, ist man richtig enttäuscht.

Der Schreiber dieser Informationen über das neue Fahrzeug scheint im Goethe-Jahr neuen Schwung zu einem neuen Schreibstil gefunden zu haben. Man glaubt einen Hauch von Rosemarie Pilcher zu verspüren wenn man zum BMW Z8 liest:

"Er ist ein außergewöhnliches Automobil für echte Genießer, geschaffen aus der leidenschaftlichen Begeisterung engagierter Designer und Ingenieure. ... Er stellt eine konzeptionelle Verbeugung dar, vor einem der schönsten jemals gebauten Autos. ... Herausgekommen ist dabei ein klassischer Sportwagen mit betörendem Charme: geschmeidig und kraftvoll zugleich, dennoch vornehm und einmalig, mit allen Anlagen zum Mythos."
Und auch bei der Beschreibung der Technik des Z 8 sind dem Dichter wunderbare Vergleiche eingefallen, die den Z 8 geradezu plastisch vor dem Leser erstehen lassen:
"Die rassige Außenhaut des Z8 ist aufgebaut ähnlich wie ein Fachwerkhaus..." - Wunderbar! - Und zum Motor: "Zu den weiteren High-Tech-Lösungen dieses außergewöhnlichen Motors gehören selbstverständlich Vierventiltechnik, eine fliehkraftgeregelte Ölversorgung, Querstromkühlung und ein Öl-/Wasser-Wärmetauscher."
Das mit der "fliehkraftgeregelten Ölversorgung" ist z.B. eine einmalige Sache. Und dass Vierventiltechnik bei BMW "selbstverständlich" ist, wird spätestens beim genauen Betrachten des Zwölfzylindermotors, des Spitzen.-Aggregats der bayerischen Motorenschmiede, deutlich.

Und das sagt unser Schreibkünstler zum Erlebnis des Fahrens voraus, das der Fahrer nach seiner Darstellung beim Z8 so erlebt:

"Beschleunigt er diesen BMW Sportwagen, erfährt die Hinterachse über Gewichts- und festigkeitsoptimierte Gelenk- und Abtriebswellen, sowie über ein spezielles Hinterachsgetriebe einen wahrlich atemberaubenden Antrieb. ... Dieser stete Vortrieb findet erst bei 250 km/h ein Ende, dann regelt die Motorelektronik die Höchstgeschwindigkeit sanft ab. Solch ein Fahrgenuss ist nur möglich und verantwortbar durch das moderne Fahrwerk des BMW Z8."
Darum muß der Z8 wahrscheinlich auch abgeregelt werden. Weil das sonst wohl nicht "verantwortbar" ist.

Über die Raumverhältnisse im Z8 wird man auch informiert, wenn in der BMW-Information beschrieben wird, was "Fahrer und Beifahrer" erwartet:

"Sie betreten über weit öffnende Türen und Einstiegsleisten aus Edelstahl eine wahrlich feine Welt aus hochwertigem Leder, fühlen sich wohl in einer Interieur-Kombination aus lackierten und lederbezogenen Flächen in Verbindung mit Schaltern und Hebeln aus Aluminium."
Da kann man nur noch "betreten" schweigen und zur Kenntnis nehmen:
"In der Summe stellt der BMW Z8 eine attraktive Fahrmaschine dar, deren Daseinsorientierung sich nicht allein auf den Transport von Menschen und deren Gepäck beschränkt; vielmehr steht beim Z8 die Freude am Fahren, vor allem mit geöffnetem Verdeck bei herrlicher Witterung, an allererster Stelle. Mit seinem eigenen Konzept spielt er in der Liga der Supersportwagen. Dieses in Dingolfing und München in exklusiver Kleinserie gebaute Automobil ist ein Hochkaräter für echte Connaisseurs, es lässt Wunschträume von Autofans Wirklichkeit werden."
Der Z8 ist gleichzeitig "Fahrmaschine" und "Hochkaräter für Connaisseurs". - Ach so: das der Z8 ein Schwergewichtler ist, erfährt man übrigens auch. Er wiegt nach Werksangaben 1.660 Kilogramm. Erinnern Sie sich, was vor Monaten Motor-KRITIK schrieb, als "ams" etwas von 1.300 kg faselte?

In der gleichen "Press"-Informationsschrift aus dem Hause "BMW Group" wird der Leser auch auf den neuen BMW X5 eingestimmt: "Eine neue Dimension passiver Sicherheit".

Motor-KRITIK möchte hier den Inhalt dieser "neuen Dimension" eines Automobils unter Verwendung von "BMW Group"-Begriffen mit eigenen Worten kurz zusammenfassen.

Beim X5 handelt es sich um ein SVA. Das hat in den Crashtests nach NCAP und US-NCAP Spitzenwerte erreicht. Im Japan NCAP wurde der Schutz auf beiden Seiten mit der Bestnote AAA honoriert. Der X5 errang nach den Krtierien des IIHS die Bestnote "Good" für den Fahrer. Und im Euro-NCAP erreichte der neue BMW ebenfalls vier von vier möglichen Sternen.

Der zusätzliche Test eines seitlichen Aufpralls auf einen 25 cm starken Baum mit 32 km/h ergab einen relativ unkritischen HIC Wert für die Kopfbelastung von unter 600. Vergleichsversuche ohne ITS ergaben eine HIC-Belastung von weit über 2000.

BMW meint, so das zentrale Ziel bei der Entwicklung der passiven Sicherheit des X5 erreicht zu haben: "Übernahme des anerkannt hohen Sicherheitsstandards von den BMW Limousinen sowie Integration der konzeptionellen Vorteile eines SAV, wie hohe Schwellerlage und hohe Karosseriesteifigkeit".

Der BMW X5 hat übrigens nicht nur ringsum eine Einzelradaufhängung, sondern auch DSC, die um ADB-X und HDC ergänzt wurde.


BMW hat in seiner Press-Info für die Darstellung dieser Eigenschaften 5,25 DIN A4-Seiten benötigt. Man soll mit diesem Fahrzeug übrigens nicht nur erfolgreich verunfallen, sondern sogar auch fahren können. Unglaublich. - Aber das Fahrzeug wird auch in den USA, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gefertigt. - Das läßt auf noch weitere Überraschungen hoffen.

Die bleiben auch bei VW nicht aus. Vor allen Dingen dann nicht, wenn der Öffentlichkeitschef ein Philologe, ein Sprachwissenschaftler ist. Kein Wunder, wenn dieser hochgebildete Spezialist an einer Pressemitteilung eines seiner Mitarbeiter beanstandet, dass im Titel eine Formulierung nicht stimmt. Da steht zu lesen: "Berliner Jubiläumsaktion werden ausgeweitet".

Das geht natürlich nicht. Aber das Fax ist schon draussen. Also korrigiert Prof. Dr. Klaus Kocks dieses Fax handschriftlich und veranlaßt seinen Mitarbeiter diese Korrektur, von Klaus Kocks persönlich durchgeführt und abgezeichnet, "im Original!" noch einmal zu versenden.

Hier muss wirklich gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden, dass so ein Fehler von einem Sprachwissenschaftler nicht so einfach übersehen wird. Auch wenn man so den Mitarbeiter der Lächerlichkeit preisgibt.

Und so heißt es dann nach der Chef-Korrektur: "Berliner Jubiläumsaktion wird ausgeweitet".

Na, das ist doch gleich etwas ganz anderes. Das hat Stil. Entspricht übrigens sowohl der alten wie der neuen deutschen Rechtschreibung, hat also Gültigkeit sowohl in Rheinland-Pfalz wie Schleswig-Holstein.

Dass in dem Text aber zumindest ein weiterer Fehler steckt, hat Prof. Dr. phil. übersehen. Es ist dort von "Fernsehaktionen" die Rede, während das Fernseh-Redaktionen heissen müßte. Und es gibt noch eine weitere, nicht gerade gute Formulierung an anderer Stelle.

Also habe ich mich aufgerafft und - schon weil ich mich auch über diese Art von Selbstdarstellung gegenüber einem Mitarbeiter geärgert habe - dem guten Herrn Prof. Dr. Kocks (im Original) einen Tag danach, ebenfalls handschriftlich auf der von ihm korrigierten VW-Faxmitteilung folgendes geschrieben:

"Lieber Prof.!

Bei Hahne wird Sie geholfen!

zu 1) es muß wohl Fernseh-Redaktionen heißen.
zu 2) ist das auch besser zu formulieren.

Aber: Wie's G'scherr, so der Herr.

Herzliche Grüße aus der Eifel"
gez. Wilhelm Hahne

Ich habe darauf natürlich keine Antwort erhalten, weil der Herr Prof. wohl zunächst einmal sprachlos war. Eigentlich hätte ich dazu auch keine Geschichte im Internet geschrieben, wenn mir nicht noch folgendes aufgefallen wäre:

Da heißt es in der VW-Information:

"...treffen sich um 12.00 Uhr und um 16.00 Uhr alle 100 Doppelgänger berühmter Persönlichkeiten und Stars aus Film, Fernsehen, Sport und Politik am Pariser Platz/Brandenburger Tor zum Gruppenfoto und der Entgegennahme der Urkunde für die Eintragung ins Guinness Buch der Rekorde."
Also habe ich mir mal die Urkunde (eine Kopie davon) besorgt. Und da heisst es:
"Das Guinness Buch der Rekorde bestätigt nach sorgfältiger Prüfung die Rekordleistung:

Der Volkswagen Konzern versammelte am 21. September 1999 unter dem Brandenburger Tor in Berlin (D) 100 Lookalikes, also Doppelgänger von berühmten Personen aus Film, Show Sport und Politik.

Hamburg, den 09.9.1999

gez. (unleserlich)
Redaktion Guinness Buch der Rekorde"

Man bestätigt also dem VW-Konzern am 9. September "nach sorgfältiger Prüfung", dass der am 21. September 1999... - Wahnsinn! - "Sorgfältiger" geht es nicht.

Auch nicht in der VW-Presseinformation, wo (s.o.) von einer "Urkunde für die Eintragung in Guinness Buch der Rekorde" die Rede ist.

Auf der Urkunde ist aber (wenn auch klein gedruckt) zu lesen:

"Diese Urkunde garantiert nicht zugleich einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde".
Alles klar?

Übrigens: Prof. Dr. Klaus Kocks hat über die "Dreigroschenoper" promoviert, "kennt die Niederungen des Alltags" also.
Dass dem nun so etwas passiert... - Aber vielleicht kann er ja nichts Kleingedrucktes lesen, liest immer nur Überschriften, niemals den Text, kann auch keine Zahlen vergleichen, weil das sonst immer sein Computer macht.

Macht ja nichts, lieber Prof.! - Bei Hahne, bei Motor-KRITIK, wird Sie immer geholfen. - "peep!"

MK/Wilhelm Hahne