"auto motor und sport" bringt "EXKLUSIV": "Erster Fahrbericht Mercedes SLR"

Auf der ersten redaktionellen Seite in Heft 21 (6. Oktober 1999) ist "Zur Sache" mit dem Titel "Radlos" überschrieben. Und Bernd Ostmann, Chefredakteur des Stuttgarter Fachblattes hofft darin, dass es wohl jemanden bei Ferrari geben dürfte, "der bis auf vier zählen kann". Bernd Ostmann sei's verraten: ich kann bis 2003 zählen. Und ich finde, man setzt tatsächlich ein "Star-Signal", wenn man heute, im Oktober 1999, einen "ersten Fahrbericht" von einem Fahrzeug bringt, das erst - frühestens - im Jahre 2003 zu kaufen ist. - Als ich ein paar Kollegen fünf Tage vor Erscheinen des Heftes den SLR-Fahrbericht ankündigte, da stieß ich auf Ungläubigkeit. Das mußte eine Fehlinformation sein. Hatte ich wirklich etwas durcheinandergebracht? - Nein, das was unmöglich schien, das passierte. Aber schauen wir uns doch mal den "exklusiven" Fahrbericht an.

"...mit dem 557-PS-Coupé auf Tour"

99-10-16/03. Also: irgendetwas stimmt da nicht. Man schreibt, mit 557 PS "auf Tour" gewesen zu sein, gibt aber im Lauftext zu, dass "der V8 noch nicht unter dem vollen Druck seines in bissigem Rot lackierten Kompressors" stand. Also keine 557 PS? -
Was soll denn so ein Fahrbericht, in dem man "die im Werk errechneten" Fahrleistungswerte zur Basis der scheinbar erlebten Fahreindrücke macht. "Der SLR schnürt bei der ersten Probefahrt über die Alleen wie ein junger, silberner Panther, hinter dem die Blätter wirbeln und der nachdrücklich Anspruch auf Respekt erhebt wie ein Alpha-Männchen im Rudel". - Toll!

Und in der Serie - ab 2003 - soll der SLR - glaubt man "ams" - "ein Monocoque aus kohlefaserverstärktem Verbundwerkstoff" haben, "an dem verschraubte Aluminium-Hilfsrahmen die aus Leichtmetall bestehenden Achsen tragen". - Toll. - Aber noch toller ist, dass das gefahrene "Test"-Exemplar des SLR eigentlich ein Showcar ist: "Der SLR ist im Grunde seiner Bodengruppe eine Stahlblech-Konstruktion, die auf dem SL basiert, dessen Radstand aber um 230 Millimeter gestreckt wurde." - Schreibt man in "ams". - Was hat das also mit dem in 2003 erscheinenden (wirklich?) Serienmodell zu tun?

Da fährt "auto motor und sport" vier Jahre vor Erscheinen ein Automobil, daß eigentlich nichts mit dem zu tun hat, was in 2003 dann wirklich erscheinen soll. Und man nennt jetzt schon den Preis mit "ab 450.000 Mark". Und ich dachte immer, es würde dann in Euro (€) gerechnet.

Eigentlich kann doch nur passiert sein, was der Autor (Malte Jürgens) für andere befürchtet: "Hypnose durch High tech: Wer dem SLR zu tief in die Xenon-Projektionslichter schaut, kann willenloser SLR-Fan werden". Wobei, das sei zugegeben, gerade dieser Autor sehr schön zu der von ihm herbeigechriebenen "Körperkunst" des SLR paßt. Zwei "Körperkunstwerke" in vollendeter Harmonie.

Und Malte Jürgens schreibt so schön, wie auch der SLR schön ist: wie eine sehr reiche - aber alte - Amerikanerin, mit riesigem "Vorbau" (natürlich durch Silicon geschaffen), leicht bläulich-grauen Harren mit rosa Lockenwicklern. Und unter der Motorhaube des SLR sieht es aus, wie bei einer Dame, die sich (der Vollkommenheit wegen) auch noch die Schamlippen liften ließ.

Wen soll das anmachen? - Doch nur die Geschmacklosesten unter den Geschmacklosen. - Aber denen dient es zur Selbstbefriedigung. Aber jedem steht sein Höhepunkt zu. Gönnen wir ihn also Malte Jürgens, gönnen wir ihn "auto motor und sport". Exklusiv der erste Fahrbericht über ein Fahrzeug gebracht zu haben, das so niemals erscheinen wird.

Ich bleibe "radlos" zurück. Aber besser mit einem Ferrari auf drei Rädern unterwegs, als mit dem "Star-Signal" aus "auto motor und sport" auf allen Vieren. - Wie schreibt Malte Jürgens in einer Bildunterschrift: "Im Fond ein edler Ledersack". - Ein alter natürlich.

Übrigens: in einem Punkt hat Malte Jürgens (und damit "auto motor und sport") vollkommen recht: "...der neue ist eines der aufregendsten Autos, die Mercedes jemals auf die Straße gebracht hat".

Wenn man mal von der A-Klasse und dem smart absieht. - Oh Gott, was sind das für aufregende Autos!

MK/Wilhelm Hahne