Opel vor dem Start zur ersten großen Rückrufaktion 1998

Nein, Motor-Kritik hat es nicht leicht mit dem großen Rüsselsheimer Automobilhersteller. Ein paar Leute dieser Firma mögen mich nicht. Aber ich bin als Auto-Fan natürlich auch Opel-Fan und an allen News interessiert. Und so habe ich in den letzten Jahren viele Stolperdrähte spannen müssen, damit mir wichtige Ereignisse in der Rüsselsheimer Organisation nicht entgehen. Wenn z.B. bei einem Händler zwei der neuen hochmodernen Dreizylindermotoren in Kundenfahrzeugen ausgetauscht werden müssen: Motor-Kritik erfährt es. Und wenn auch nur bei einem Sintra vorne ein Rad wegbricht: Motor-Kritik weiß es. Aber nichts von diesen Dingen paßte zu dem Überstunden-Aufwand, der in bestimmten Abteilungen der Rüsselsheimer Firmenzentrale in den letzten Wochen getrieben wurde. Motor-Kritik liefert nun die Auflösung und den ein wenig dazu passenden Background. Und den "Rest" erfahren Sie dann über die "Hotline", deren Nummer Sie am Ende der Geschichte finden. Worum es geht? - Es ist mal wieder soweit:

Karneval in Rüsselsheim

98-02-16/01. Warum gab es nun dieses fast lautlose Hin und Her in Rüsselsheim? - Warum gab es Überstunden da, wo von einzelnen Leuten Verantwortung getragen wird?

Und dann schien es nach einer Information aus Zürich klar: Jack Smith, bei General Motors der Boss aller Bosse, hatte sich für diese Woche (16. - 21. Febr.) zu einem Besuch in der europäischen Dependance, bei GM International Operations in Zürich angesagt. Natürlich alles ganz geheim. Aber Jack Smith hat natürlich ein großes Programm zu bewältigen. Da gibt es Einblicke und Ausblicke auf neue kommende, und vielleicht kommende Modelle, da werden... -

Keine Bange, Louis Hughes, der Gralshüter der GM Europaniederlassung hat alles unter Kontrolle. So sagt er jedenfalls dem US-Fachblatt "Automotive News" und daß er das volle Vertrauen seines Chefs genieße. Und daß er auch gut schlafe. Na ja. -

Mit dem von ihm 1997 abgelieferten Ergebnis kann Jack Smith jedenfalls nicht zufrieden sein. Der Umsatz ist wohl gegenüber dem Vorjahr um mehr als 35 Prozent abgestürzt. Und dann gab es noch eine Untersuchung durch die Unternehmensberatung McKinsey & Co, wie der Business-Info-Dienst "Dossier B" zu berichten weiß. Das Ergebnis: erschütternd. Und da Jack Smith inzwischen selbst unter Druck gerät... -

Louis Hughes kann sich nicht mehr unbedingt darauf verlassen, daß Smith ihm Deckung gibt. Kein Wunder, wenn also in Rüsselsheim wie wild gearbeitet wurde. Dachte ich. Und dachte wohl falsch. Denn die Lichter gingen abends erst so spät aus einem ganz anderen Grund aus. Ob man vielleicht gerade einmal über das Ergebnis der "auto motor und sport"-Leserwahl nachdachte? -

Chefredakteur Bernd Ostmann hatte dazu in der aktuellen Ausgabe von "ams" geschrieben:

>Überhaupt zählt Opel zu den Verlierern der Leserwahl 1998. Bei der Frage nach "hohen Sicherheitsstandards" büßte der Massenhersteller binnen eines Jahres 50 Prozent der Stimmen ein. Und auf die Frage, "Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Auto?" antworteten 90 Prozent der Porsche-Fahrer mit "überaus" und "sehr zufrieden". Opel erreichte gerade mal 50 Prozent.<

Wenn es die Herren in Rüsselsheim für so wichtig hielten, dann war es auch wichtig genug, daß sich Motor-Kritik einmal mit dem Ergebnis - aus Rüsselsheimer Sicht - ein wenig auseinandersetzte. Da hatten, lt. "ams" exakt 134.690 "besonders engagierte Autofahrer Modelle und Marken" bewertet. Nun ist eine aktuelle Bewertung die eine Seite, die andere Seite ist, durch einen Vergleich mit den Ergebnissen der Vorjahre eine Entwicklung zu verdeutlichen. Geht´s bergauf? - Geht´s bergab? - Das ist die Frage.

Werfen wir also einmal einen Blick auf die Bewertung der einzelnen Modellreihen durch "besonders engagierte Autofahrer": Zunächst der Opel Corsa. Immerhin kam er in diesem Jahr noch mit 14,3 Prozent der Leserstimmen auf Platz zwei unter den Kleinwagen. Aber 66,2 Prozent wählten den VW Polo zur Nr. 1. - Also ein sehr schwacher 2. Platz. - Lassen wir - zur Relativierung des Ergebnisses - doch einmal die Ergebnisse der letzten Jahre Revue passieren:

Opel Corsa:
1992 10,9 Prozent
1993   8,4 Prozent
1994 55,1 Prozent - da war der pfiffige Kleinwagen neu und siegte.
1995 23,8 Prozent
1996 19,4 Prozent
1997 16,7 Prozent
1998 14,3 Prozent.

Es geht mit dem Opel Corsa ganz schön bergab. Aber der Corsa ist ja nur ein Teil des Modellprogramms. Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Entwicklung beim

Opel Astra:
1992 20,3 Prozent - da war er gerade neu -
1993 16,6 Prozent
1994 14,4 Prozent
1995   7,9 Prozent
1996   5,9 Prozent
1997   2,7 Prozent
1998   4,8 Prozent - es macht sich schon der Neue bemerkbar.

Aber der Opel Vectra ist ja nun ziemlich neu, kommt im Markt "gut an", sagen die Opel-Händler. Aber wie sehen das die potentiellen Kunden:

Opel Vectra:
1992 7,1 Prozent
1993 5,9 Prozent
1994 2,0 Prozent
1995 1,4 Prozent
1996 4,7 Prozent
1997 3,5 Prozent
1998 1,9 Prozent.

Na ja. - Nun haben wir ja erst dreiviertel des Modellangebots auf dem reinen Pkw-Sektor.. Aber da ist schon mal kein "Renner" dabei. Und die Entwicklung... - Also wäre ich Jack Smith... -

Vielleicht können wir ihn ja mit einem Blick auf die Entwicklung beim Opel-Spitzenmodell der Pkw-Reihe trösten:

Opel Omega:
1992   2,8 Prozent
1993   1,9 Prozent
1994   1,3 Prozent
1995 11,6 Prozent - wer sagt´s denn? - Das neue Modell läßt grüßen!
1996   2,3 Prozent
1997   2,0 Prozent
1998   0,9 Prozent.

Sollen wir jetzt vielleicht noch mal beim Frontera schauen? - Aber das können wir uns sparen, weil in "ams" auf Seite 177 zu der Situation um diesen Opel-Geländewagen zu lesen ist: "Und der Frontera, vor Jahresfrist noch Vierter bei den Geländewagen, kam nicht einmal mehr unter die ersten Zehn". Um es einmal in der Art großer Öffentlichkeitsarbeiter zu formulieren: Opel liefert Spitzenergebnisse auf niedrigstem Niveau. Und das in allen Modellreihen.

Der Kunde ist auch so ungerecht. Wer dankt schon die großangelegten Opel-Kundenpflegemaßnahmen? (Also normalerweise nennt man das Rückrufaktionen.) Da war man doch immer schon von den Stückzahlen her einfach "Spitze". - Und wenn man mal die Öffentlichkeit ein wenig an den Realitäten vorbei informiert hatte, weil man vielleicht... - also Sie wissen doch, wie das so ist - na, dann hat man immerhin doch großformatige Entschuldigungsanzeigen geschaltet.

Nachdem sich Motor-Kritik also mit den Ergebnissen bei der "ams"-Leserwahl vertraut gemacht hatte, war eigentlich klar, warum in Rüsselsheim so mancher noch eine Nachtschicht einlegte: Jack Smith kam und da mußte man die Ergebnisse "aufbereiten", argumentieren. Und jeder aufmerksamer Leser wird zugeben müssen, daß man sich bei diesen Ergebnissen schon etwas einfallen lassen muß. Dafür gibt es eigentlich keine Entschuldigung.

In diesen Ergebnissen wird deutlich, daß es den verantwortlichen Herren in den letzten Jahren gelungen ist, alle in der Vergangenheit aufgebauten Markenwerte der Firma Opel zu vernichten. Und das Image? - Dazu kann man dem "manager magazin" entsprechende Zahlen entnehmen. - Das ganze ist ein Trauerfall.

Noch trauriger: daß es Leute gab (und gibt), die diese Entwicklung rechtzeitig erkannten und warnten. Aber man muß es den führenden Leuten bei Opel lassen: sie haben sich immer loyal vor ihre Mitarbeiter gestellt und sie - wenn es denn sein mußte - in Gerichtsprozessen verteidigt. Aber wenn jetzt Louis Hughes, durch Jack Smith ein wenig angefeuert, nicht bald das Ruder herumreißt, dann wird man nicht nur - wie in 1997 passiert - in Asien und Südamerika (Brasilien) Einbrüche und Verluste hinzunehmen haben, sondern auch in Europa.

Der neue Opel Astra ist da ein Hoffnungsschimmer. Aber nicht mehr als ein Schimmer, ein schwaches Glimmen. Weil jener Mann, der ihn von seinem technischen Aufbau her verantwortet, schon längst nicht mehr da ist. Jürgen Stockmar warf das Handtuch. - Ich möchte ihm hier zu seiner Leistung gratulieren. Es wurde der beste Opel seit Jahren. -

Aber wer soll in Rüsselsheim dieses Niveau auch für weitere neuen Modelle garantieren? Und während ich noch über die ganzen Dinge - auch in ihrer Vernetzung - nachdenke, kommt aus dem Zulieferbereich... - Und ich greife den Faden auf... - Und je weiter ich daran ziehe, desto deutlich wird, was der wirkliche Hintergrund für die Überstunden in Rüsselsheim war:

Opel war gezwungen, mal wieder eine große Rückrufaktion organisatorisch vorzubereiten. Da muß die Verfügbarkeit die Ersatzteile in der Händlerorganisation geklärt werden, da müssen die Kunden-Adressen..., da muß die Argumentation gegenüber der Öffentlichkeit... - Und dann muß noch der ideale Zeitpunkt abgepaßt werden. Wenn ich darüber nachdenke... - Natürlich wäre da das kommende Wochenende schon fast ideal. Jack Smith schwirrt wieder gegen Amerika. Und die Narren rufen: "Wollen wir´n reinlassen?" -

Karneval in deutschen Landen. Da geht doch eine Rückrufaktion fast unter. Da hat doch selbst die Presse keine Zeit... - Und bei Motor-Kritik stellt man sich vor, wie z.B. die Herren der Presseabteilung bereits für alle auf sie zukommenden Fragen gebrieft sind. Sie haben die Argumentation wohl inzwischen schon verinnerlicht. Aber es darf noch nichts gesagt werden, weil der "Startschuß" zu dieser ersten großen Opel-Rückrufaktion in 1998 noch nicht gefallen ist.

Ich möchte hiermit die Rückrufaktion, die "Kundenpflegemaßnahme" bei Opel einläuten. Da Ihnen die Herrn Bellinghoff oder Giesen oder... - also die alle bestimmt nicht - keine Auskunft geben können, verlangen Sie doch einfach

das für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortliche Vorstandsmitglied Horst P. Borghs.
Die Nummer der Hotline lautet: 06142 - 66 -22 20.

Mal schauen, wer als erster mit der Meldung draußen ist. - Es hat keinen Zweck Motor-Kritik anzurufen. Von mir erfahren Sie nichts. Aber vielleicht sollten Sie mal Herrn Borghs die Frage stellen, "Sind die Fahrzeuge mit Rechtslenkung besonders betroffen?". Es wird ihn nicht betroffen machen, denn er kennt die Antwort. -

Nun also: Auf die Plätze - Achtung - Fertig - Los! - Damit ist die Rückrufaktion-Saison 1998 bei Opel eröffnet!

MK/Wilhelm Hahne