"Die A-Klasse ist wieder da"

So stellt Mercedes in einer aktuellen Anzeige für die A-Klasse fest. Und es gilt für uns festzustellen: bei Mercedes hat sich etwas geändert. Wurde vorher die Entwicklungszeit der A-Klasse in Monaten gemessen (je weniger, je besser), so ist man nun stolz, auf "viele Jahre Entwicklungszeit" zurückblicken zu können. Und wir erfahren: "Nur durch ständiges Hinterfragen und Optimieren können neue, ungewöhnliche Lösungen entstehen". - Und davon will Motor-Kritik ein wenig berichten. Für einen passenden Titel muß man dann aber die aus der Anzeigenwerbung bekannte Boris Becker-These ein wenig umarbeiten, bzw. einfach "umdrehen":

Symphatisch ist, wer viele Fehler macht -
Unsere Zuneigung aber hat - wer aus seinen Fehlern nichts lernt

98-02-27/10. Es gibt Zahlen zum Thema A-Klasse, die findet man seit Monaten immer wieder notiert. Und sie stimmen, weil sie nachweisbar sind. Aber es fehlt denen an Lebenserfahrung, die sie glauben. Zu diesen Zahlen gehören z.B. die "rund 4.000 Abbestellungen", die jetzt auch wieder in "ams" zu finden sind.

Motor-Kritik glaubt, daß diese Zahl offiziell gezählt wurde und schließt nicht aus, daß sie auch von Herrn Zetsche und Herrn Hubbert geglaubt wird. Aber nach eigenen Recherchen kann sie nicht stimmen. Und das ergaben Motor-Kritik-Recherchen.

Verkäufer von Niederlassungen und Händlern bestätigten, daß sie Abbestellung erst gar nicht nach Stuttgart gemeldet hatten. Warum auch? - Da die endgültige Disposition von Ausstattung, Farbe und Motorisierung erst wenige Wochen vor Auslieferung erfolgen kann, hat man die tatsächlich abbestellten Fahrzeuge als Auftrag einfach weiterlaufen lassen. "Nur so sind wir in der Lage", erklärt ein Verkäufer, "eventuell ein schnelles Geschäft zu machen, daß uns sonst verloren gehen würde, wenn wir eine zu lange Lieferzeit anbieten würden."

Man ordnet die Kundenwünsche des neuen Auftraggebers einfach dem alten, eigentlich abbestellten Auftrag zu und hat einen zufriedenen Kunden. Dieses Verfahren hat aber nicht nur ein Verkäufer, ein Händler, eine Niederlassung angewendet, sondern viele. Weil die ja wissen, "was draußen wirklich gespielt wird". Und die wissen darum, wie man es macht.

Und wenn schon sehr früh von einem funktionierenden neuen Auftragseingang für die A-Klasse gesprochen wurde: auch das stimmt. Was aber nicht gesagt wurde. Auf Veranlassung der entsprechenden Niederlassung - so wurde es jedenfalls in Stuttgart formuliert - wurden offiziell Auftragsauflösungen ausgesprochen, die gar nicht vom Kunden verlangt wurden. Im Gegenteil: während z.B. ein Kunde mit der Lieferung seines Fahrzeuges Ende Februar rechnete, bekam er aus Stuttgart mitgeteilt, daß sein Auftrag aufgelöst wäre.

Motor-Kritik-Vermutung: das hatte wohl rechtliche Gründe, weil der Kunde das Fahrzeug in diesem Falle in einer Ausstattung bestellt hatte (Sportfahrwerk), die heute nicht mehr lieferbar ist.

Der Kunde hatte also nicht abbestellt, zählt also nicht zu den offiziellen 4.000. Der Kunde hat dann aber neu bestellt und zählt damit zum neuen Auftragseingang.

So macht man Zahlen. - Wie hätten Sie´s denn gern. Und die sind hieb- und stichfest. Aber trotzdem nur Statistik ohne Praxiswert.

Die A-Klasse-Kunden, die aber nun schon ein Fahrzeug (bis zum 11. November 1997) erhalten hatten, die haben es wieder abgeben können. Damit es umgebaut werden konnte, wie es zunächst hieß. Diese A-Klasse-Kunden fahren seit Dezember mit einer C-Klasse durch die Gegend. Und wenn Sie die Motor-Kritik-Geschichte vom 21. Dezember 1997 gelesen haben,dann wissen Sie: die fahren auch auf Mercedes-Kosten einen 5er BMW.

Wie das Beispiel aus unserer damaligen Geschichte. Und er fährt immer noch 5er BMW. Aber nun die neueste Version. Bei der alten Version leuchtete die Service-Kontrolle auf. Und da hat er bei Sixt diesen 5er BMW eben gegen den neuesten umgetauscht. - BMW fahren auf Mercedes-Kosten.

In vorliegenden Fall wird das noch bis Mitte des Jahres der Fall sein, denn dann wird unser "alter" A-Klasse-Kunde erst sein neues Fahrzeug bekommen. Für seine bei Mercedes abgestellte alte Kipp-Version erhält er nun den vollen Kaufpreis, einschließlich aller Zusatzeinbauten erstattet. Per Scheck.

Und der neue Auftrag zählt natürlich wieder zum neuen Auftragseingang, schönt diese Zahlen. Und seine alte A-Klasse?

Nun hat Mercedes inzwischen begriffen, daß eine Umrüstung viel zu teuer wird. Und denkt man an die Produkthaftung, dann ist es unverantwortlich sie irgendwo anders, vielleicht im Ostblock, an den Mann (oder Frau) zu bringen. Also wird sie - verschrottet.

Nun haben uns alle Autofirmen seit Jahr und Tag in vielen Pressemitteilung klar gemacht, wie so eine "Verschrottung" nach neuesten Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Da wird nach Rohstoffen sortiert, da wird... - Ach, papperlapapp! - Mercedes haut einfach mit ´ner Baggerschaufel drauf. Und ab in die Kiste.

Tatsächlich werden die bis zum November gefertigten A-Klasse-Modelle alle verschrottet. Unauffällig. Bitte nicht drüber sprechen. Und das ist alles im Preis inbegriffen.

Im Falle unseres BMW-Fahrers auf Mercedes-Kosten: der wird bis zur Übernahme seiner neuen A-Klasse, die im für Mitte des Jahres zugesagt wurde, ungefähr 25.000 km mit seinem Sixt-BMW auf Mercedeskosten zurückgelegt haben. Rechnet man die Verschrottungskosten hinzu, die (auch) angefallenen Rechtsanwaltskosten, den Zinsverlust durch die Auszahlung des Kaufpreises, die bereits aufgewendeten Vertriebskosten für das alte Fahrzeug (oder müssen die Verkäufer z.B. ihre Provisionen zurückzahlen?), dann begreift man, daß sich die Deutsche Bank in Frankfurt nun von einem Großteil ihres Daimler-Benz-Aktienbesitzes trennen will.

Nicht wegen diesem Einzelfall, sondern weil man in Frankfurt längst selbst einmal errechnet hat, was die A-Klassen-Pleite, der Smart-Produktionsstop, der Stop der Vierzylinder-Motorenentwicklung per Saldo wirklich kostet. Das Gute daran: Jürgen Schrempp hat keine Personalprobleme. Sagt er. Und meint damit wohl, daß ihm von diesem qualifizierten Personal, das diese Pleiten zu verantworten hat, wohl niemand an die Konkurrenz verloren geht.

"In der A-Klasse stecken viele Erfahrungen, die kommenden Autogenerationen helfen können, einen neuen Standard zu erreichen."- Sagt Mercedes in der neuesten Werbung.

Und wie wäre es, wenn man aufgrund dieser Erfahrungen auch einen neuen Standard bei kommenden Manager-Generationen schaffen würde?

"Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt." -

Boris Becker sollte solch qualifizierte Aussagen besser Jürgen Schrempp ins Stammbuch schreiben, als diese Weisheiten für viele Mercedes- Millionen in Anzeigen verschleudern zu lassen.

Aber Daimler-Benz und Jürgen Schrempp haben meine Zuneigung. (s. Titel dieser Geschichte.)

MK/Wilhelm Hahne