Ford Scorpio: Gibt es ein Leben nach dem Tod im Juli 1998?

Albert Caspers hat zuletzt in ihn investiert. Und es wurden auch Investitionen verworfen. Und alles hat nur Geld gekostet. Aber es hat das Schicksal des Ford Scorpio, des Flaggschiffs der Kölner Ford-Werke AG, nicht verändern können. Nun stirbt er einen leisen Tod. Im Sommer. Aber schon vorher wird sein Nachfolger - der eigentlich kein direkter Nachfolger ist - durch seine Vorstellung in der Öffentlichkeit mehr als nur andeuten, wie man bei Ford die entstandene Programmlücke zu schließen beabsichtigt. Davon und von den wichtigen Daten und Fakten, soweit sie von Motor-Kritik recherchiert werden konnten, handelt nachfolgende Geschichte.

"Wir brauchen viele positive Neuigkeiten"

98-03-16/03. Mit dieser Feststellung hat James Donaldson, der neue Vorstandschef bei Ford in Köln die Ziele einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit für die Marke vorgegeben. Und jeder tut, was er kann. Und da man im Moment vom "Focus" noch viele Monate entfernt ist (und auch noch nicht weiß, wie der Namensstreit zwischen "Focus" und Ford endet), muß die Öffentlichkeitsarbeit diese "Saure Gurken-Zeit" einfallsreich überbrücken.

Frau Dr. Wegerhoff, Ford´s Neue, macht das sehr geschickt. Claudia Schiffer soll sich schon um ihre Verträge mit Kosmetikfirmen sorgen. (s. "Wirtschaftswoche" Nr. 12, Foto Seite 236) Aber Susanne Wegerhoff kann nicht nur lächeln, sie kann auch deutlich machen, was ihr Vorgänger (Rainer Nistl) ihr doch für einen Schlampladen hinterlassen hat. Laut "Wirtschaftwoche" hat sie nun "eine Atmosphäre der Arbeit und Disziplin" - und nun kommt das von ihr persönlich gebrauchtes Wort - "wiedereingeführt". - Whow!

Aber sie kann noch keine wesentlichen Modellneuigkeiten verkünden. Weil sie das nicht darf. Denn im Ford-Konzern gibt es Vorschriften. Und Terminvorgaben. An die muß sich auch eine Frau Dr. Wegerhoff halten.

Motor-Kritik will ihr da gerne unter die Arme greifen und über eine der von James Donaldson geforderten "positiven Neuigkeiten" berichten:

Der 8. April 1998 ist nicht nur der erste Ausstellungstag auf dem Automobilsalon in New York, sondern auch der Termin, auf dem der "Nachfolger" des Ford Scorpio (nennen wir ihn mal einfach so) das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll. Na klar, es ist ein Lincoln. - Aber was für einer!

Europäischer war noch kein Amerikaner. Er hat eine "europäische" Bodengruppe. Er hat einen europäischen Motor. Zumindest, soweit es den Achtzylinder betrifft. Wer wird da noch dem Opel Omega in seiner Dreiliter-Spitzenversion einen Blick gönnen, wenn er an den Kauf eines Fahrzeuges dieser Kategorie denkt?

Vielleicht wird sich der potentielle Kunde zwischen einem Lincoln und einem Jaguar entscheiden. Und ich meine hier den kommenden "kleinen Jaguar", der Anfang 1999 vorgestellt wird. Der neue Lincoln wird aber schon ab Februar 1999 lieferbar sein. In Deutschland.

Aber er wird natürlich nicht einfach Lincoln heißen. Beim Ford-Marketing in Köln ist man der Meinung, daß Lincoln in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Und darum wird dieser Lincoln in Deutschland Ford genannt werden, mit der Zusatzbezeichnung Lincoln, die über eine Buchstaben/Zahlenkombination ergänzt wird, aus der man dann erkennen kann, um welche der zwei lieferbar werdenden Motorisierungen es sich handelt. Das gibt es also den

Ford Lincoln LS 6
und den
Ford Lincoln LS 8

was den Kenner erkennen läßt, daß es sich einmal um die Version mit dem Dreiliter-Sechszylinder-, beim anderen um die mit dem Vierliter-Achtzylinder-Motor ausgestattete Variante handelt.

Nach Motor-Kritik-Informationen aus den USA wird der Sechszylinder um 200 PS an die Räder der Antriebsachse bringen. Und die Antriebsachse sitzt hinten. Jawohl, die Ford Lincoln LS-Modelle sind Hecktriebler!

Der Achtzylinder befeuert den Ford Lincoln sogar mit 240 - 260 PS. Zum Zeitpunkt meiner Information gab es leider noch keine genaueren Angaben, da man sich hier noch exakt mit Jaguar abstimmen muß. - ??? -

Allgemein bekannt: Jaguar gehört Ford. Und der neue kleine Jaguar - als Konkurrent zum 5er BMW und zur E-Klasse gedacht - entsteht exakt auf der gleichen Bodengruppe wie die neuen Ford Lincoln LS-Modelle. Und sogar der Achtzylindermotor des Ford Lincoln ist mit dem des neuen "kleinen" Jaguar weitgehend identisch. Da gibt es ein paar Abweichungen im Zylinderkopf, in der Elektronik usw., schon damit auch der Preisunterschied zwischen dem Jaguar und dem Ford Lincoln LS erklärbar bleibt. Der bedeutendste Unterschied: auf dem Zylinderkopf des einen V8-Motors steht "Ford", auf dem des anderen "Jaguar".

Der neue Jaguar wird nach letzten Motor-Kritik-Informationen übrigens über exakt 286 PS verfügen. Beide Motorversionen, sowohl der Achtzylinder für den Jaguar, wie auch der Achtzylinder für den Ford Lincoln, werden in England gebaut werden. Im gleichen (Ford-) Motorenwerk.

In der Fahrwerkauslegung werden sich Jaguar und Ford Lincoln ein wenig unterscheiden. Aber die Basis ist gleich. Aber es wird eine Differenz bei der Preisgestaltung deutlich werden. Ford kann mit Ford Lincoln LS, mit dessen Sechszylinder- und Achtzylinder-Version und mit dem Achtzylinder-Jaguar nun eine relativ breite Preisspanne abdecken. Und - da Motor-Kritik es nun hier breitgetreten hat - wird der neue Ford Lincoln LS auch vom Jaguar-Image profitieren.

BMW und Mercedes werden gut daran tun, den neuen Ford Lincoln LS ernst zu nehmen. Und Opel arbeitet auch schon an einem Achtzylinder Omega. Aber der Omega leidet grundsätzlich unter den Fehlern des Opel-Managements in der Vergangenheit. Darum wird auch ein Achtzylinder Opel Omega leider nur ein Opel sein. Während der neue Ford Lincoln ein Stück Jaguar ist.

Rainer Nistl, Dr. Susanne Wegerhoff´s Vorgänger, fuhr als Dienstwagen einen Ford Scorpio. Und er hatte einen schweren Schreibtisch aus Mahagoni im Büro und ein Plüschsofa. Das paßte genauso zu ihm, wie Eidesstattliche Erklärungen, die von seinen "mentalen Eindrücken", aber nicht von Fakten bestimmt waren.

Frau Dr. Wegerhoff hat sich italienische Designermöbel bestellt.Sie hat eben Stil. Dazu wird dann auch ein Ford Lincoln LS 6 als Dienstwagen passen. 1999, wenn sie ihrem Chef, James Donaldson (der darf dann einen "LS 8 " fahren), bewiesen hat, daß sie "viele positive Neuigkeiten" der Öffentlichkeit verkaufen konnte.

Mit dem neuen Ford Lincoln LS hat Frau Dr. Wegerhoff ein Projekt an der Hand, mit dem sie das Ziel ansteuern kann, das ihrem Chef vorschwebt: "Wir müssen eine der respektiertesten Automarken, bekannt für exzellente Funktionalität werden. Es muß eine clevere, es muß eine intelligente Wahl werden, einen Ford zu kaufen - nicht mehr nur ein günstiger Kauf."

Aber es sollte auch ein günstiger Kauf sein. - Bitte bei der Preisfestsetzung für den neuen Ford Lincoln LS daran denken!

MK/Wilhelm Hahne