Betreff:
        Nissan Skyline Bericht
Datum:
        Tue, 19 Jan 1999 09:22:34 -0500
Von:
        jklinkham@lexmark.com
An:
        motor-kritik@rz-online.de

Diesen Brief waehnte ich eigentlich schon laengst als -erfolgreich- am 4. 12. 98 gesendet. Dem war aber nicht so.... Naechster Versuch !

Sehr geehrter Herr Hahne,

ich fand ihren Nissan Skyline Bericht sehr interessant wie eigentlich die meissten Ihrer Berichte (warum habe ich eigentlich noch nicht abonniert? Als Deutscher z. Zt. fernab der Heimat in Lexington, Kentucky ist man nicht gerade mit heimischer Lektuere ueberschuettet) aber es haben sich hier einige Fragen bei mir aufgedraengt.

Der von Ihnen beschriebene Nissan war zweifelsfrei im Renntrimm unterwegs. Der von Herrn Roehrl gefahrene Porsche auch ? Oder war es nur die Strassenversion
als Homologationsbasis ohne reine Rennsportfeatures?

Als sporadischer Teilnehmer am Langstreckenpokal (wenn ich in Deutschland bin) und durch Spassrunden auf dem Ring mit dem Privatwagen weiss ich aus eigener Erfahrung, dass ein VLN Serienwagen mit 1800 ccm schneller den Ring umrunden kann als mein Alfa Romeo GTV mit 3Ltr., V6 und 220 PS. Von der Papierform darf es eigentlich nicht so sein, aber hier tritt Renntourenwagen, und der auch nur in sanfter Form, gegen Serien-PKW mit Strassenbereifung an.

Warum sind Sie so sicher, dass solch ein Nissan automatisch beim naechsten 24 Std. Rennen auf dem Ring oder in Le Mans alle Porsche in Grund und Boden faehrt?

Ich erinnere mich an einen Ihrer Berichte, wo Sie darauf hinwiesen, dass Langstreckenrennen nur von richtigen Maennern (und Frauen ?) gewonnen werden. Und die muessen auch auf ein vernuenftiges, gut eingespieltes und routiniertes Team vertrauen. Wenn wir hier nur Privatteams vergleichen, wuerde ich sagen: Vorteil Porsche auf Teamseite, da die Infrastrukturen hier in Jahrzehnten gereift sind und nicht einfach mit einem ueberlegenen Auto ohne diese Infrastruktur zu kompensieren sind. Welches Privatteam versteht dieses Auto so gut dass es zu einer wirklichen Bedrohung der Porsche Privatteams wird ?

Es gab in dieser VLN Saison den Winkelmann-Mitsubishi "EVO irgendwas" der durch technische Daten beeindruckte und den Erfolg auch schon durch den Einsatz des rennsporterfahrenen Essener Haendlers gepachtet zu haben schien. Die Realitaet, so wie ich sie verfolgen konnte, sah jedoch anders aus... Dies nur als anschauliches Beispiel fuer einen Nissan-Porsche Vergleich. High-Tech im Motorsport sollte nur wohldosiert eingetraeufelt werden, wenn das Ziel ist, Privatteams zum Engagement zu motivieren. Einer Chrysler (oder hier in USA, Dodge) Viper, zum Beispiel, traue ich mit seiner ungeschminkten Low-Tech auf der Nordschleife in dieser Hinsicht eine groessere Karriere zu. Stimmen Sie mir zu?

Warum sind Sie erstaunt ueber die Entscheidung von Nissan in Europa, keine Skylines zu importieren ?

Schaut man auf die Verkaufszahlen des Honda NSX in Europa, offeriert von einer Marke, die konsequent auf sportliches Image baut, so erstaunen einen die wirtschaftlichen Bedenken eines Herstellers mit wesentlich biederem Image nicht. Der NSX ist auch zur Imagepolitur angetreten; nur will ihn keiner haben, so gut (aus technischer Sicht) er auch sein mag. Sportwagenkauf ist eben primaer emotional gesteuert. Damit zu meiner letzten Frage: Warum der Zynismus bei der Einschaetzung des GT3 Kaufpreises mit dem saeuerlichen Verweis," ja auf die Dividende achten zu muessen" ?

Porsche ist ein Unternehmen das Gewinne erwirtschaften muss. Nur aus diesem simplen Grund existiert Porsche ueberhaupt.Wie auch Nissan. Aktionaere, die diese Dividende erwarten, haben in Porsche Geld aus eben jenem Grund investiert. Dies hilft auch Porsche, die mit diesem Geld Entwicklungen finanzieren und andere Investitionen wie auch IBM, Lexmark, Siemens, Karstadt, etc. dies tun.

Darum ist es nicht anruechig, den maximal moeglichen Abgabepreis zu realisieren. Es steht hier einem jeden frei, sich nicht fuer diesen Porsche zu entscheiden. Das Risiko liegt bei Porsche. Dies ist freie Marktwirtschaft einer "verlogenen Gesellschaft" wie Sie heute so schoen sagten. Kein Grund darueber zu mosern.

Trotzdem, machen Sie weiter so und alles Gute.
Mit freundlichen Gruessen

Joerg Klinkhammer


betr. Nissan Skyline GT-R: Kein "kalter Kaffee" vom 98-11-13

Lieber Herr Klinkhammer,

nun ist Ihre e-mail angekommen. Und: Danke "für die Blumen".

Der Nissan war natürlich im Renntrimm unterwegs. Nach der alten FIA Gr. N. Inzwischen gibt es aber eine neue FIA Gr. N (seit Dezember), die den Nissan noch schneller macht. Auch wenn man den neuen Porsche GT3 mit Sliks ausrüstet, das Fahrwerk optimiert und ihm im Rahmen des Sportgesetzes noch ein paar PS einhaucht (der Serien GT3 wird im Normalfall schon mehr Leistung haben als im Prospekt angegebenen 360PS!), wird der Nissan überlegen sein. Der Vorteil des Nissan insgesamt resultiert aus dem besseren Gesamtpaket. Wenn der Nissan - optimal abgestimmt - die Nordschleife in 7:15 min umrundet, wird das ein neuer GT3 bestenfalls in 7:35 - 7:40 min (naütrlich im Renntrimm!) können. Das wäre dann exakt die Zeit, die man mit dem letztjährigen 24-Std-Gesamtsiegerauto, dem Zweiliter BMW-Diesel auf der Nordschleife erreicht. In diesem Jahr müßte da der neue VW-Diesel noch schneller sein (Bora mit 2,5 l). Der neue Porsche GT3 dürfte also - würde er am 24-Std-Rennen teilnehmen, wohl Probleme mit dem VW-Diesel haben. Der Nissan ist dagegen eine andere Welt. Vor allen Dingen bei Regen.

Zum "Winkelmann"-Mitsubishi: der war leider nicht optimal vorbereitet (Motor). Ich kenne den EVO aus eigener Erfahrung von einem Testtag auf der Nordschleife. Das war ein normales Rallye-Auto, ohne "Drosselung", also mit rd. 400 PS. Mit dem sind wir einen ganzen Tag ohne die geringsten Probleme um "den Ring" gebrettert. Das einzigste was defekt wurde: die Reifen.

Aber das ist eben so, wie Sie - aber auch ich - weiß: es kommt auf das Team an. Und Frauen sind übrigens auf der Langstrecken darum (oft) den Männer überlegen, weil sie sich realistischer einschätzen und darum auch einteilen können.

Natürlich ist die Viper ein tolles Automobil. Und Thiemann/Zakowski werden das in diesem Jahr auch auf der Langstrecke unter Beweis stellen. Aber Leistung (und Drehmoment!) kann auch zur Belastung werden!

Sie haben recht: es kommt auf die richtige Mischung an. Mensch/Maschine, Fahrzeuggröße/Gewicht, Fahrwerk/Reifen, und, und, und. Bei so vielen Faktoren ist immer für Spannung gesorgt. Wobei in diesem Jahr im Veedol-Langstreckenpokal wohl noch ein interessantes Automobil eine Rolle spielen soll: ein Opel Calibra, DTM. - Der kann durch eine Ausnützung des 24-Std-Reglements zum Einsatz kommen. Der Veedol-Langstreckenpokal wird - wenn es im Rennsport so weitergeht - sicherlich bald die interessanteste und beständigste Rennserie in Deutschland sein.

Um auf einen anderen Punkt ihrer e-mail zu kommen: ich würde als Nissan-Importeur auch dann in Deutschland importieren, wenn er - für sich betrachtet - kein Geschäft wäre. Nissan braucht Image. Und ein "Skyline" könnte Image schaffen helfen.

Porsche hat Image. Aber wenn man dort so weiter macht, wie bisher, wird hier der Image-Kredit verspielt. (Als ich meine Nissan-Geschichte schrieb, recherchierte
ich schon an meiner Porsche-Geschichte, die gerade erst erschienen ist und z.B. das "Slikverbot" bei Porsche beleuchtet.)

Natürlich ist es nicht anrüchig, die jeweilige Marktsituation auszunutzen und Preise für Produkte zu verlangen, die nicht in Relation zum eigentlichen Gegenwert (beim Vergleich mit anderen Produkten und Preisen) stehen. Richtig: das Risiko liegt bei Porsche. - Warum ich mich darüber aufrege ist, daß der Markt - auf lange Sicht - schon empfindlich ist - und dann ganz plötzlich kippt. Gestern war dann Porsche noch "der Sportwagen". Morgen ist die Marke dann "weg vom Fenster". - Da muß Wendelin Wiedeking aufpassen, daß er da nicht überzieht. Dann stürzt nämlich nicht nur der Aktienkurs, sondern stolpert eine ganze Marke, die ich sehr mag.

Was mich nach Lesen Ihrer e-mail immer noch interessiert, weil die Frage nicht beantwortet wird: Warum haben Sie noch nicht abonniert? - Wo doch Motor-KRITIK auch im Ausland keinen Auslandszuschlag verlangt :-)

Herzliche Grüße nach Kentucky

Wilhelm Hahne