Erwarteter EU-Bescheid: Gegen Capricorn?

Ich habe in meiner Geschichte vom 18. Juli 2014 die Aussage des Herrn Robertino Wild, dass man zu 99 Prozent sicher sei, dass die Entscheidung der EU-Kommission zu seinen Gunsten ausfällt, als „lautes Rufen im dunklen Wald“ empfunden. Dazu hatte ich Anlass, den ich in der Folge versucht habe, argumentativ bestätigt zu bekommen. Da ist das „Sommerloch“, mit seinen Urlaubstagen hier und da, nicht gerade der ideale Zeitpunkt. Aber nach intensiven Recherchen zum Thema „EU-Entscheid wie?“, erlaube ich mir heute zu den 99 Prozent des Herrn Robertino Wild exakt 99 Prozent anderer Meinung zu sein: Die EU-Kommission wird Capricorn als Käufer des Nürburgrings aufgrund der durch den „Juristischen Dienst“ in Brüssel festgestellten Fakten ablehnen. Schien bisher noch fraglich, ob sich die rein sachlich und korrekte Bewertung der beratenden Abteilung in der Kommission durchsetzen könne, so ist nach den emotionsgeladenen Auseinandersetzungen um den Flughafen Zweibrücken klar: Die Kommission wird der sachlichen Argumentation des „Juristischen Dienstes“ folgen. Motor-KRITIK möchte das gerne in folgender Geschichte erklären, ohne jedoch die Entscheidungsgründe der EU-Kommission nach den Sommerferien vorweg nehmen zu wollen. - So muss der Titel der folgenden Geschichte ein Fragezeichen tragen:

Erwarteter EU-Bescheid: Gegen Capricorn?

Der Titel zu dieser Geschichte wurde nur wegen des fehlenden einen Prozent (um die hundert voll zu machen) mit einem Fragezeichen versehen, während man eigentlich – und damit beziehte ich das Medium Motor-KRITIK mit ein – sicher sein kann, dass der Verkauf des Nürburgring neu ausgeschrieben werden muss. Eigentlich sind die Würfel in Brüssel schon gefallen. - Meine Meinungm per heute: JA, die EU-Entscheidung wird gegen Capricorn ausfallen!

Meine Recherchen waren intensiv und brachten – zumindest für mich – Klarheit. Dabei muss man berücksichtigen, dass man sich eigentlich auf der Ebene Brüsssel – Berlin schon einig war. - Glaubte man. - Schließlich konnte man den kleinkarriert denkenden Bürgern von Rheinland-Pfalz (so werden wir in Mainz eingeschätzt!) eine „mittelständische, autoaffine Lösung“ bieten. Dafür hatte man nun wirklich alles getan.

Die Schreiber des „Drehbuchs“ hatten nicht nur die Abläufe spannend gestaltet, sondern auch die Darsteller einfühlsam ausgesucht und eigentlich topp besetzt. Aber auch eine Menge kleiner Fehler gemacht. Die wären vielleicht „untergegangen“, wenn nicht noch durch den überhasteten Kaufabschluss und die sachlich gut argumentierten Einwände eines scheinbar „unterlegenen“ Bieters eine neue Sachlage entstanden wäre.

Erinnern wir uns mal – nicht an alle Details – aber an einige:

Im Juni 2013 gab es einen „letzten Tag“ um für den Nürburgring mitzubieten. So steht es zumindest in der „Aufforderung zur Abgabe einer Interessenbekundung“. Bis spätestens 12. Juni 2013, 17:00 Uhr (MEZ) hat eine „Interessensbekundung“ zu erfolgen, in der Unterlage des „mandatierten Transaktionsberaters“, der KPMG AG, Frankfurt.

In dieser „Basis Unterlage“ ist aber auch zu lesen:

„Potentielle Investoren, die eine verspätete Interessenbekundung abgeben, werden zunächst nicht vom Prozess ausgeschlossen.“

Wieso verkündet dann der Insolvenz-Geschäftsführer schon am 11. Juni per SWR, dass zum Ende der Ausschreibungfrist mehr als 100 unverbindliche Angebote eingegangen sind? Und er nahm auch schon eine Wertung vor: „Mehr als drei Dutzend seien ernsthaft.“ - Das hat er lt. SWR so geäußert. - Hatte er den „spaßigen Rest“ schon weggeworfen?

Und parkte man da das Gebot des ADAC noch in Bereitschaft oder war es schon im Papierkorb gelandet? - „Zwei schreib' hin, Eins im Sinn.“

Auch an dieser Ausschreibung (KPMG-“Teaser“) ist eigentlich gar nichts ernsthaft. Sie stellt z.B. nicht alle zum Zeitpunkt der Insolvenz vorhandenen Vermögenswerte der Nürburgring GmbH zum Verkauf. Andere Vermögenswerte werden nicht realitätsnah dargestellt, bekannte Wertminderungen (z.B. Bauschäden, zu denen auch Klagen erhoben wurden und vor Gericht anhängig sind) werden nicht genannt. - Wieder andere Negativpunkte werden „schöngeredet“.

Die Ausschreibung sollte eigentlich – wenn man der EU-Anweisung folgt -

„diskriminierungsfrei, transparent und bedingungsfrei“

...erfolgen. Leider war nicht alles „offen und transparent“. Wurden attraktive Vermögensteile, wie z.B. das Fahrsicherheitszentrum an Nürburgring, zum Zeitpunkt der Insolvenz zu 41 Prozent im Besitz der Nürburgring GmbH von einem Verkauf ausgeklammert oder sogar außerhalb eines jeden Bieterverfahrens „verschachert“? - Was ist aus dem Anteil der insolventen Nürburgring GmbH an der VLN geworden?

Hörte man zu diesen Themen nichts, so erfolgten auf der anderen Seite immer wieder Beeinflussungsversuche der öffentlichen Meinung durch die Insolvenz-Sachwalter, indem man z.B. den Gläubigerausschuss für alle Entscheidungen von Wichtigkeit in diesem Insolvenzverfahren verantwortlich machte, ohne ihn aber über alle Abläufe zu informieren – um ihn endlich sogar - „zu überfahren“!

Oder es wurden persönliche Briefe auf unklaren Wegen, in bestimmten Kanälen, mit entsprechenden Anmerkungen in einen öffentlichen Umlauf gebracht, der in einem Fall wohl bewirken sollte, dass die persönliche Meinung eines einzelnen Herrn, zufällig „Vice-President of the European Commission“, als formelle Entscheidungen der EU-Kommission empfunden wurde. - Gut gemacht, aber...:

Das ist natürlich nicht so. - Es ist einfach zu vieles „nicht so“, wie es der Öffentlichkeit dargestellt wird. Man kann bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung (!) schon von einem Teamwork zwischen Landesregierung und Insolvenz-Sachwaltern sprechen. - Exakt nach Drehbuch, das eigentlich sachlich, fachlich gut vorbereitet schien, aber manchmal bei der Umsetzung durch unqualifiziertes Personal dann Lücken zeigte.

Während schon Monate vorher durch ein OLG-Urteil in Koblenz, mit dem die „Monopolstellung“ des Nürburgrings rechtmäßig festgestellt wird, das Recht der Öffentlichkeit auf einen freien Zugang zu den Rennstrecken gesichert war, bemühte sich die Regierungs-Koalition in Mainz dann um ein neues Gesetz, das das für die Öffentlichkeit sichern soll, was schon durch Gerichtsbeshluss gesichert ist. Um Sicherheit zu vermitteln? - So ein Gesetz hat schließlich nur Alibi-Charakter!

Wogegen soll es zusätzlich (!) schützen? - Hat es das Ende von „Rock am Ring“ verhindert, wird es Preiserhöhungen bei den Touristenfahrten vermeiden helfen?

Wobei schon auffallend ist, wie der „Bieter“ Capricorn, dessen Finanzierung seines Gebots von 77 Millionen Euro bis heute der Öffentlichkeit unklar ist, deutlich favorisiert wurde. Dabei geht es hier eigentlich um den „Rückfluss“ von Steuergeldern, Gelder der „Öffentlichkeit“! Inzwischen wurde dann deutlich, dass sogar irgendwelche Verrechnungsmöglichkeiten eingeräumt werden sollen, die den Betrag von 77 Millionen mindern. Auch hier - schon hier - taugt dann die Frage auf: Verbotene Beihilfen?

Der Anwalt der unterlegenen Firma Nexovation hat in seiner ersten Beschwerde, die durch die „Wirtschaftswoche“ bekannt wurde, sehr detailliert auf einzelne Punkte hingewiesen, die in der Abwicklung des „Bieterverfahrens“ nach EU-Recht angreifbar sind. Aus der Pressemitteilung von Nexovation zur Beschwerde bei der EU:

„Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen die Aussage der Insolvenzverwalter, wonach eine Entscheidung über den Verkauf des Nürburgrings erst nach Abschluss der Due Dilligence am 31. März 2014 hätte getroffen werden sollen und die Bieter somit bis dahin Zeit gehabt hätten, ihre Finanzierungszusagen zu finalisieren. Im Gegensatz dazu erhielt aber bereits am 11. März 2014 ein Gebot über 77 Millionen Euro den Zuschlag, welches eine bislang nicht veröffentlichte Summe an Barmitteln sowie 25 Millionen Euro für weitere Investitionen in den Nürburgring umfasste. NeXovation hat sich während des gesamten Bieterprozesses stets an die Fristen der Ausschreibung gehalten. So lag die verbindliche Finanzierungszusage des Unternehmens bereits am 26. März 2014 und damit fünf Tage vor der kommunizierten Frist, dem 31. März 2014, vor.“

Nach diesem ersten „Erinnern“ gab es noch am 30. April 2014 ein Schreiben an Malu Dreyer und nach einer Antwort der amtierenden Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, deutlich vor dem ihr gesetzten Termin (15. Mai) geschrieben, mit dem üblichen „Damit-haben-wir-nichts-zu-tun“, ist dann der Münchner Anwalt in Texas beim Chef von Nexovation gewesen – wo man inzwischen auch eine amerikanische Rennstrecke (Nashville Superspeedway) gekauft hat – und hat sowohl einen Strategieplan vorgelegt, als sich auch die einzelnen Abschnitte für eine Umsetzung – wenn notwendig - genehmigen lassen.

Bei der EU weiß man von dieser Abfolge nicht unbedingt, aber man war schon beeindruckt, dass sich der amerikanische Botschafter in Brüssel, erst seit Februar 2014 im Amt, bei einem seiner Besuche sehr für die Firma seines Landes eingesetzt und verdeutlicht hat, dass Amerika und Nexovation sich eine ungerechtfertigte Behandlung durch die EU-Kommission, wie sie bisher ähnlich durch die Handlungen der Insolvenz-Sachwalter erfolgte, nicht gefallen lassen wird.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt wird die Haupt-Argumentation der „Juristischen Kommission“ gegen eine Zustimmung von Capricorn in Brüssel ziemlich ernst genommen. Und die hat auch etwas mit „verbotener Beihilfe“ zu tun. Hinzu kommt, dass das Verhalten der rheinland-pfälzischen Landesregierung in Sachen „Flugplatz Zweibrücken“ nicht gerade geeignet ist, die Mitglieder des Entscheidungs-Gremiums in einen Tiefschlaf zu versetzen und Fakten übersehen zu lassen.

Auch Bäckergesellen sollten nicht immer – und nur - „kleine Brötchen“ backen, aber wenn der Präsident des rheinland-pfälzischen Landtags im Fall des „Flughafen Zweibrücken“ in Richtung Brüssel schimpft:

„Das sind Kapitalismusknechte“,

...dann sollte man nicht damit rechnen, dass Absprachen zwischen „Sozialismus-Phantasten“ noch funktionieren. Und Frau Malu Dreyer wird sich mal wieder über die Rigorosität der Umsetzung von Sachargumenten in Brüssel beschweren können.

Wir bei Motor-KRITIK gehen in Kenntnis der Gesamtlage – und vieler Details - davon aus, dass die EU-Kommission am Ende ihrer Sommerferien der Argumentation ihres „Juristischen Dienstes“ anschließt, Capricorn als Käufer ablehnt und aufgrund ihrer Sachanalyse eine Neuausschreibung des Verkaufs fordern wird.

Da haben dann auch das „Rufen und Pfeifen im dunklen Wald“ oder die „Selbstbeweihräucherung“ der Insolvenz-Sachwalter vor ihren lieben Kollegen beim „Stammtisch“ in Frankfurt (am Dienstag, dem 1. Juli 2014, 18:00 Uhr, in der Zenzakan Bar & Restaurant) nichts geändert.

Stimmung – aus der Sicht der „Verantwortlichen“ in die richtige Richtung – wurde in den letzten Monaten auch mit Unterstützung der Landesregierung (s. Termin 30. April am Nürburgring) in auffallend vielen Fällen gemacht. - Es hat zwar die Stimmung für Capricorn insgesamt verbessert (vor allen Dingen in den Medien), hat aber die Realität nicht verändern können.

Die sieht bei einer Umfrage auf den Motor-KRITIK-Internetseiten, die seit dem 5. April 2014 läuft und bisher 509 Leser zu einer Abstimmung annimierten, dann so aus:

Für Capricorn als Käufer 9 Prozent
Gegen Capricorn als Käufer des Nürburgrings 82 Prozent
6 Prozent können sich nicht entscheiden
und 2 Prozent ist es einfach egal.

Heute, am 25. Juli 2014, erlauben wir uns auf die Frage, „Wird der EU-Entscheid in Sachen Capricorn nach der Sommerpause in Brüssel negativ ausfallen?“ nach intensivem Zusammentragen von Details zu antworten: JA!

Und das Verkaufsverfahren (Bieterverfahren) wird nach EU-Richtlinien neu anlaufen müssen. Damit wir dann am Ende nicht nur zwei, sondern nach meiner Schätzung fünf ernsthafte Bieter haben, deren höchstes Gebot klar – und mehr als deutlich – über dem Gebot der jetzt von der Landesregierung favorisierten Firma Capricorn liegen wird.

Wird die Gewerkschaft jetzt wieder ein „Pfui, Teufel!“ sprechen?

MK/Wilhelm Hahne

PS: Aber Capricorn wird wahrscheinlich um eine Entschädigung klagen. - Was sonst? - Am Nürburgring werden ab und an mal mit Landesmitteln Millionäre geschaffen. - Es ist ja nicht das Geld der Politiker. - Nach Kenntnis von Motor-KRITIK hat Robertino Wild auch noch keine Yacht.

 

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