Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum

Beispiel Toyota: Ist wirklich nichts gefährlicher als der Erfolg? - Vielleicht. - Aber: Sehr gefährlich sind auch Selbstüberschätzung - wenn sie beim Management wahrnehmbar wird und - das kommt leider auch oft vor - krankhafte Eitelkeiten.

Ich könnte mir eine Geschichte vorstellen, die den Titel tragen würde, "Irrationales Handeln in der Ökonomie - am Beispiel des Formel 1-Einstiegs des VAG-Konzerns aufgrund der Eitelkeiten zweier Herren in verantwortlichen Positionen." - Zu lang, der Titel? - Klar! - Sollte ich es vielleicht so formulieren: "Wie verbrenne ich eine Milliarde Euro außerhalb des Finanzsektors?" (Ganz unter uns: Haben Sie schon mal überlegt, wieviel Geld z.B. BMW in Segelwettbewerben verbrennt? - Das sind vielleicht in der Minute- in einer Minute des Wettbewerbs(!) - so um 1,8 Millionen Euro.) Haben Sie sich schon mal mit der These befasst: "Eingeschränkt rationales Verhalten entsteht, da die Individuen kognitiven Beschränkungen ausgesetzt sind. Selbst wenn sie ihren Nutzen optimieren möchten, können sie es nicht. Stattdessen wägen sie zwischen den Kosten für die Entscheidungsfindung und dem daraus vermutlich resultierenden Nutzen ab. Dementsprechend kann nicht mehr von reiner Nutzenmaximierung ausgegangen werden. Vielmehr ist der Nutzen eine Nebenbedingung, die zu einem gewissen Grad erreicht werden muss." - Solche Thesen finde ich gut. - Aber ich mag es klarer. Da muss ich mich dann mit "Experimenteller Ökonomik" beschäftigen. Da werden dann psychologische Grundlagen individuellen Handelns in ökonomisch relevanten Entscheidungssituationen untersucht. - Ich versuche es mal mit Professor Armin Falk. Der hat mit schlichten Experimenten bewiesen, wie ein autoritärer Führungsstil den Unternehmenserfolg gefährdet. - Ach, das wissen Sie alles schon? - Dann lassen Sie mich doch einfach "zur Sache" kommen:

Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum

10-03-10/08 - Warum wundert mich das Desaster bei Toyota überhaupt nicht? Warum erwischt es gerade die erfolgsverwöhnten Unternehmen und obendrein genau in dem Moment, wenn sie sich am Ziel ihrer Träume wähnen? Wie aus heiterem Himmel passieren urplötzlich schreckliche Dinge. So war es bei Daimler nach dem Kauf von Chrysler und bei Porsche kurz vor der Finanzkrise, um nur zwei Beispiele zu nennen. Lässt sich daraus vielleicht sogar eine Gesetzmäßigkeit ableiten?

Alle drei Firmen hatten eine Vision. Genauer gesagt, die Vorstandsvorsitzenden hatten eine. Das erklärte Ziel des damaligen Toyota-Chefs war es, weltweit die meisten Autos zu verkaufen. Wiedeking ordnete alles dem Bestreben unter, nach außen den Anschein zu erwecken, der weltweit rentabelste Autohersteller zu sein. Schrempp schließlich hatte (ähnlich wie sein mindestens ebenso "charismatischer" Vorgänger) die Vision vom Weltkonzern vor Augen. Jeder Konzernlenker möchte auf irgendeinem Gebiet der Größte sein. Und wird eventuell zum größten Trottel.

Mit schöner Regelmäßigkeit stellt sich im Nachhinein heraus, dass firmenintern die Kräfte und Ressourcen nur noch dem einen Ziel dienten, Visionen von Managern zu realisieren, die sich aus der Realität verabschiedet hatten. Charismatische Führerpersönlichkeiten verstehen es ein Umfeld zu schaffen, das ihre Begeisterung bedingungslos teilt, zumindest in den Taten.

Deshalb sieht es nach außen hin nur so aus, als ob die Probleme unvermutet auftauchen und sich fatalerweise nach dem Schneeballprinzip dann auch noch rasant vermehren. Die sichtbaren Ereignisse markieren nur die Endstufe von internen Prozessen, die ihr Entstehen oft gerade einem lange anhaltenden Erfolg verdanken. In Wahrheit beginnen die Probleme schon viel früher.

Wie sich jetzt herausstellt, wusste die Toyota Führung über die defekten Fahrpedale schon in 2007 Bescheid. Warum wurde nichts unternommen? Aus einem ganz einfachen Grund. Bei Toyota darf es ganz einfach kein Qualitätsproblem geben. Die Führungskräfte in einem so erfolgreichen Unternehmen dürfen keinen Fehler zugeben. Wer in einem unfehlbaren Unternehmen Fehler zugibt, kann gleich zum Strick greifen. Deshalb werden Fehler vertuscht und verschwiegen. In eine ununterbrochene Reihe von immer neuen Siegmeldungen passt eine negative Schlagzeile einfach nicht ins Bild. Sie wäre unglaubwürdig.

Waren sie nicht eben noch wegen der erfolgreichen Hybridstrategie von den Medien so hoch gejubelt worden? Kann es nicht sein, dass sich Toyota genau daran schwer verhoben hat? Die Hybridfahrzeuge sollten das Image aufpolieren, was sie auch geschafft haben. Aber zu welchem Preis? Zum Preis der Bindung von unendlichen Entwicklungsressourcen um die extreme Komplexität in den Griff zu kriegen; Ressourcen, die an anderen Stellen fehlten. Zum Preis von verhängnisvollen Kostenreduzierungen, um wegen der sündhaft teueren Technik nicht allzu sehr drauf zu zahlen und im Gesamtergebnis noch einigermaßen profitabel zu sein. Der Wettbewerb lacht sich ins Fäustchen, denn Toyota demonstrierte mit seinem Konzept den Weg, wie man einen Hybridantrieb nicht machen darf. Das Beispiel Honda (aber auch andere zeigen), dass mit wesentlich weniger Aufwand ein gleich gutes Ergebnis erzielbar ist.

Gibt es denn in den großen Unternehmen kein Regulativ, das solche Fehlentwicklungen verhindert, das Ruder herumreißt, auf die Bremse tritt? Schlichtweg - aber deutlich: NEIN! - Dazu ist der Mann an der Spitze zu mächtig. Oder besser gesagt, die streng hierarchische Unternehmensführung lässt das nicht zu. Im Laufe der Jahre verfestigt sich eine Struktur, die Kritik von unten nach oben schon im Keim erstickt.

Bei Toyota fand gerade ein Wechsel an der Firmenspitze statt. Das hat eine neue Situation geschaffen. "Der Neue" ist kein Träumer, ein Mann mit einer gesunden Selbsteinschätzung, der sich selbst nichts vormacht - auch nichts vormachen lässt. Akio Toyoda, der neue Toyota-Firmenchef hat jetzt von ganz oben den Teppich angehoben, unter dem man die Pannen (die nicht sein durften, weil nicht sein kann, was nicht sein darf) gekehrt hatte. Es sind Pannen, die sein Vorgänger zu verantworten hat. Der Weg den Mr. Toyoda geht ist schwer, aber er ist unumgänglich. - Dumme Konkurrenten klatschen höhnisch Beifall. - Sind sie selbst ohne Fehl und Tadel?

An ganz bestimmten Merkmalen lässt sich ablesen, ob ein Unternehmen dabei ist auf die schiefe Bahn zu geraten. Wie bereits erwähnt: Visionen des Mannes an der Spitze sind immer ein starkes Indiz. "Nichts ist unmöglich." "Wir sind die Nr. 1." "Wir sind die Besten, die Rentabelsten, die Effizientesten."

Vermeintlich starke Männer (die großen Schwachen!) umgeben sich gerne mit einem Hofstaat, der ihre Visionen opportunistisch teilt. Eine einmal beschlossene Strategie wird durchgezogen, auch wenn die Firma dabei vor die Hunde geht. Das lernt man aus der Causa DaimlerChrysler. Trotz allergrößtem Einsatz von Ressourcen und Geld bis an die Grenzen der Belastbarkeit geriet es zur Katastrophe. Die Reißleine hätte schon viel früher gezogen werden müssen. Von Kritiken an Schrempp aus den eigenen Reihen wurde nichts publik. Erst gegen Ende der Ära Schrempp erdreistete sich ein Wolfgang Bernhard, "den Daimler" als Sanierungsfall zu bezeichnen. - Was ihn natürlich sofort den Kopf kostete. Als Vorbild nicht nachahmenswert.

Fatalerweise herrscht in lange erfolgreichen Unternehmen die Meinung vor, dass der Erfolg planbar ist. Dies führt zu einer wahren Flut an Strategiegremien, Marktforschungsprojekten, Konzeptaktivitäten und Zukunftsstudien. Bei diesem Aktionismus wird gerne übersehen, dass in der Vergangenheit sehr oft das Glück die Hauptrolle auf dem Wege zum Erfolg spielte. Oder wie das Sprichwort sagt: "Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum". Andererseits, wenn es schief geht, dann waren niemals die Entscheidungen der Vorstände schuld, sondern immer unvorhersehbare Umstände. Ob Wechselkurse oder Börsencrashs, eine Ausrede findet sich immer. - Bei Opel evtl. andere als bei GM.

Es leuchtet ein, dass in einem stromlinienförmig auf Erfolg getrimmten Unternehmen für Eigeninitiative und Kreativität kein Platz ist. Eher schon für Durchsetzungsvermögen, Selbstdarstellung und Wichtigtuerei. Diese Charaktereigenschaften sind unumgänglich, wenn man im Konzert der Alphatiere nicht untergehen will. Politik ersetzt Sachkunde. Erst wenn es richtig knallt, ändert sich vielleicht etwas, wenn die Firma nicht gleich gänzlich von der Bildfläche verschwindet.

Wen erwischt es als Nächsten? Winterkorn greift nach den Sternen (Verschätzt er sich in der Höhe?), Reithofer empfindet sich als Nr.1 im Premiumsegment (Hat er Unsicherheiten im Zahlenraum 1 - 5?), Stadler's Marke ist die begehrenswerteste (Zu viel von Gleichem kann zu Magenverstimmungen führen!) – das kann ein spannendes Kopf an Kopf-Rennen werden. - Nach unten! - Die Richtung ist vorgegeben.

Man kann nur hoffen, dass der Zeitpunkt noch recht lange auf sich warten lässt. - Doch wenn das Glück die Träumer verlässt... -

MK/Wilhelm Hahne
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