Motorsport-Kernsatz: Hart aber fair!

Man kann im Motorsport nicht erwarten, dass dort nach dem Motto „Bitte nach Ihnen!“ verfahren wird. Entscheidungen im Motorsport müssen vom Fahrer oft in Sekundenbruchteilen getroffen werden und sind darum wesentlich bestimmt von der in ihm vorhandenen Grundeinstellung. Da gibt es dann auch solche, die mit einem „Hoppla, jetzt komm‘ ich!“ auch sich aufmerksam machen wollen. Andere verhalten sich anders. Es besteht auch ein grundsätzlicher Unterschied, ob Privatfahrer mit eigenem, selbst bezahlten Material unterwegs sind, oder ob sich „Werksfahrer“ beharken. - In der Formel 1 gibt es praktisch nur „Werksfahrer“ oder solche, die als F1-Fahrer im Geschäft bleiben wollen und darum „gute Leistungen“ zeigen müssen. Unter diesem Druck entsteht oft das Gefühl, „sich durchsetzen zu müssen“. - Auch da gibt es Grenzen, die für einige Fahrer nicht zu existieren scheinen. Oft „geht es gut“ und es leidet nur das Ansehen des „Durchführenden“. - Aber jetzt, beim Formel 1-Rennen in Singapur waren die Auswirkungen dramatischer, weil durch einen solchen „Durchsetzungsversuch“ im falschen Moment, praktisch ein ganzes Werksteam – mit Chancen auf den Gesamtsieg(!) - aus dem Rennen gerissen wurde. Und noch ein weiterer – möglicher – Siegfahrer. - Bei der Beurteilung, ob es einen Schuldigen gibt – und wer das sei – da scheiden sich dann die Geister. - Manches jetzt geäußertes Urteil lässt einen „nationalen Einfluss“ spüren. - Dabei sollte man aber nicht einen Satz vergessen, der in allen Sportarten Gültigkeit hat, aber besonders „unseren Sport“ bestimmt:

Motorsport-Kernsatz: Hart aber fair!

Hier bei Motor-KRITIK war direkt nach dem Rennen ein klare Meinungsäußerung zu finden, die auch nicht von nationalen Interessen bestimmt ist, sondern sich nur an den wahrgenommenen Abläufen orientierte.

Die werden – aus Motor-KRITIK-Sicht – in den Medien an diesem Montag zum Teil auf sehr interessante Art dargestellt und gerne, soweit ich das verfolgen kann, „schön geredet“. Ganz im Sinne unseres deutschen Formel 1-Stars bei Ferrari, Sebastian Vettel.

Wir haben zwar schon bei anderer Gelegenheit erlebt, wie sich dessen Grundeinstellung auch auf sein Verhalten im Rennen negativ auswirken kann, aber allgemein ist man immer wieder geneigt, für seine Eskapaden auf der Strecke Entschuldigungen zu finden.

„Motorsport“, so hat Richard von Frankenberg einmal geschrieben, „das ist Schachspiel ohne Bedenkzeit“. - Und das trifft es genau. Man trifft Entscheidungen reflexartig. Diese Reflexe sind aber von der Grundeinstellung des jeweiligen Fahrers bestimmt. - Und da gibt es nun mal „so‘ne und solche“.

Jeder, der einmal in Rennserien unterwegs war, weiß um die „Macken“ seiner Konkurrenten und er kalkuliert sie – gerade bei Langstreckenrennen – ein. Auch in der Formel 1 kennt man sich. Da gibt es schon Fahrer, deren Selbstwertgefühl nicht unbedingt ihren Fähigkeiten und Leistungen entspricht.

Das ist z.B. bei Sebastian Vettel anders, dessen vorhandenes Selbstwertgefühl noch durch besondere Leistungen in der Formel 1 überhöht wurde. Er ist nun mal nicht der kühle Rechner am Steuer eines Formel 1-Renners, sondern stark von Emotionen bestimmt. Und das ist nicht unbedingt im Motorsport etwas, das einen Fahrer gut aussehen lässt. - Denken wir doch nur an den „Rammstoß“ gegen Hamilton. - Aber schon der ist doch eine Aussage zur Grundeinstellung eines Sebastian Vettel.

Seine Leistung im Qualifying zum GP in Singapur war top! - Aber sollte man darum seinen „Fehler“ beim Start zum Regen-Rennen übersehen oder „schön reden“?

Es gibt ein sehr schönes DPA-Foto, das den Unfallhergang, bzw. wie es dazu kommen konnte, sehr gut aufzeigt und das in einer SPIEGELonline-Geschichte direkt nach dem Rennen auf deren Internetseiten veröffentlicht wurde. (Mit einem KLICK HIER sind Sie da!)
Der Text dazu war nicht so klar, wie die „Aussage“ im Foto. In einer weiteren Geschichte hat man dann auch ein anderes Foto verwendet.

Auch auf „facebook“ wurde dieser Unfall natürlich diskutiert. Ich finde es gut, dass ein Marco Werner, mehrfacher Le Mans-Sieger, mit großer Erfahrung im Motorsport dort zu der Feststellung kommt:

„Das war es wohl mit der WM für Vettel. Schade. Zwei Fehler auf den ersten Metern… Aus der Onboard fuhren Kimi und Verstappen absolut geradeaus...“

Trotzdem – und das ist nach m.M. eine richtige Einschätzung der Rennleitung – kann man das unter „Rennunfall“ abhaken, da man niemals „päpstlicher sein sollte als der Papst“. Trotzdem sollte man das Verhalten der Beteiligten diskutieren. - Man lernt nämlich am billigsten aus den Fehlern der Anderen!

Es war also ein Fehler von Vettel, der nach einem mäßigen Start, den besser startenden Verstappen mit einer Lenkradbewegung in seine Richtung beeindrucken zu wollen; weil Verstappen so zu einem „Zucken“ angeregt wurde, der dann zu einen Kontakt zu dem am besten von Start weg gekommenden Kimi Raikkönen im Bereich der Hinterachse führte, was dann Kimi‘s Renner in den von Vettel hineindrehen ließ.

Dabei wurde offenbar ein Wasserkühler bei Vettel beschädigt, so dass der dann nach der folgenden Kurve, auf seinem eigenen Kühlwasser ausgerutscht ist und er sein Fahrzeug an einer Mauer etwas verformte.

Dumm gelaufen, könnte man sagen! - Aber Vettel hat nach seinem schlechten Start eigentlich überreagiert. Er wusste in seinem Unterbewusstsein, das er Verstappen, wenn der ihn beim Start passieren würde, wahrscheinlich – im Regen(!) - während des Rennens nicht mehr überholen könnte. Mit Raikkönen, seinem Teamkollegen, hatte er offenbar überhaupt nicht gerechnet. Der wäre nämlich eigentlich als Erster in die erste Kurve eingebogen.

Auch so hätte es zu einer delikaten Situation kommen können. Denn wie sollte ein Raikkönen einen Vettel auf Teamanweisung vorbeilassen, wenn vor Vettel noch ein Verstappen unterwegs war?

Aber das ist reine Theorie. - Halten wir einfach fest:

    • Vettel hat die F1-Weltmeisterschaft 2017 durch ein eigenes Fehlverhalten bei diesem Regenstart in Singapur verloren.

Und es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, wenn ausgerechnet ein Max Verstappen einem Sebastian Vettel verdeutlichen möchte:

„Wenn man um die WM kämpft, sollte man ein solches Risiko nicht eingehen.“

Aber wo er recht hat, hat er recht! - Es war einer der „Aussetzer“, die man bei Vettel in der Vergangenheit immer mal wieder erlebt hat, mit denen er nun seine WM-Chancen minimiert hat.

    • Motor-KRITIK geht noch weiter: Hamilton wird 2017 wieder verdient(!) Weltmeister!

Vettel hat also noch Zeit, weiter „zu reifen“. Er sollte in Zukunft nicht nur „ältere Herren“, wie Kimi Raikkönen, sondern auch „Teenager“, wie Max Verstappen, als gleichberechtigt anerkennen und gerade beim Start ernst nehmen.

Es ist – zugegeben – sehr wichtig, bei einem Regenrennen in der ersten Kurve vorne zu sein, aber es ist noch wichtiger, ein solches Rennen gut platziert zu beenden.

Mit Gewalt geht da nichts! - Wohl mit „Hart aber fair!“

MK/Wilhelm Hahne

 

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