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Anfang 2010 hatte ich in den Nr.1-Ausgaben des Jahres 2010 von „ADAC-motorwelt“ und „auto motor und sport“ geblättert und empfand Erklärungsbedarf. Ich habe erfahrene Techniker kontaktiert und dann notiert, was dem so entstandenen Team – die Techniker wollten aus verständlichen Gründen ungenannt bleiben – in den bei den folgenden gemeinsamen Diskussionen zur Zukunft des Automobils so eingefallen ist. - Anfang des Jahres 2010! - Die Leser von „Motor-KRITIK“ sollten gleich zu Beginn eines neuen Jahrzehnts eine Vorlage erhalten, die sie lesen, begreifen und zur eigenen Meinungsbildung nutzen konnten. - Die folgenden Überlegungen sind die von erwachsenen Menschen mit einer Menge Technik- und Lebenserfahrung und bieten eine Menge Ansatzmöglichkeiten. - Für Zustimmung und Widerspruch! - Versucht man aktuell (2022) bei „Google“ unter Eingabe des vollen Titels diese Geschichte zu finden, so gibt es zugleich mit dem Angebot einer Auswahl von Geschichten zu diesem Thema den Hinweis, das 2.120.000 Ergebnisse in 0,46 sec gefunden wurden. Angezeigt werden 16 Seiten mit Titeln zu diesem Thema. Motor-KRITIK findet da aber nicht statt. Aber es gibt am Ende der 16 Seiten den Hinweis, dass man die bereits gezeigten Geschichten, unter Einfügung von ausgelassenen 154 Geschichten noch mal aufrufen kann: Macht man das, findet man die Motor-KRITIK-Geschichte auf der ersten Seite gleich zweimal. Mit den Datumsangaben 2015 und 2019. Da hatte ich meine Geschichte – zur Erinnerung – wohl noch mal eingestellt. - So wie ich es heute auch wieder mache! - Damals – 2010 – bin ich behutsam mit einem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry in das komplexe, schwierige Thema eingestiegen: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.“ - Bitte nicht vergessen: Man schrieb Januar 2010, als diese Geschichte hier in Motor-KRITIK veröffentlicht wurde! - Der Text dieser – hier nun folgenden - „alten“ Geschichte, ist unverändert geblieben – nicht „aktualisiert“ worden! - (Unter uns: Ich stelle die Geschichte auch deshalb noch mal ein, weil sie bisher – gemessen an den Leserzahlen – wenig Interesse gefunden hat!)
Gedanken zur Zukunft des Automobils
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel befindet in der ADAC-Nr.1:
„Deutschland soll Leitmacht für Elektromobilität werden. Mit dem 'Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität' und einer umfangreichen Forschungsunterstützung im Rahmen unserer Konjunkturmaßnahmen haben wird hierfür gute Grundlagen.“
Auch Chefredakteur Michael Ramstetter sagt in der gleichen Ausgabe der „ADAC motorwelt“, die übrigens in einer Auflage von 13,6 Millionen Heften (= gut 2.000 Tonnen bedrucktes Papier) unters Volks gebracht wurde:
„Der Anfang für eine neue Autogeneration ist gemacht. Erste erfolgreiche Pilotprojekte mit dem E-Mini, dem Elektro-Smart oder dem Fiat Micro-Vett 500E stützen die Hoffnung auf eine emissionsarme Zukunft auf der Straße.“
Bei „auto motor und sport“ wird dies zu den „TOPS“ gezählt:
„Bundesministerien gründen spezielle Koordinationsstelle für E-Auto-Forschung.“
Dabei ist zum gleichen Zeitpunkt der Chor an kritischen Stimmen zum Thema Elektromobilität nicht mehr zu überhören.
Beispiel 1:
In der Süddeutschen Zeitung vom 02. November 2009 berichtet der Redakteur Christopher Schrader von seiner vierwöchigen Erfahrung mit dem Elektro-Mini. Einige Zitate aus seinem aufschlussreichen Bericht:
"In diesem Radius (maximal 105 km) ist der Mini ein begeisterndes Auto."
"… laden, laden, laden. Man tankt stets viel länger als man fährt."
"An kalten Herbstmorgen sank der Füllstand so schnell, dass der Wagen kaum 100 km geschafft hätte."
Beispiel 2:
In seinem Blog vom 17. Dezember 2009 schreibt der Greenpeace Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck:
"Der E-Auto-Hype ist ausgemachter Blödsinn."
Beispiel 3:
Auf heise-online ist gar von einem Abgesang auf das Automobil als solchem die Rede, und das ausgerechnet von einem Brancheninsider. Ein Betriebsrat von VW-Braunschweig ist der Meinung:
"Die einzige Alternative (zum herkömmlichen Automobil), die keine ist, jedenfalls keine ökologisch sinnvolle, ist das Elektroauto. Das ist eigentlich nichts anderes als der letzte Versuch, so weiter zu machen wie bisher."
Aufschlussreich sind aber auch die Kommentare von Lesern dieser Internetseiten. Vor allem Herr Lohbeck wird von den eigenen Greenpeace-Mitgliedern regelrecht angefeindet. Einer hat deswegen sogar spontan seine Mitgliedschaft aufgekündigt. Sie verstehen die Welt nicht mehr, gilt doch das Elektrofahrzeug allgemein als die CO2-Wunderwaffe schlechthin, mit der man die heutigen Mobilitätsansprüche klimaneutral erfüllen kann. An diese Vorstellung klammern sie sich wie kleine Kinder, denen man ihr Lieblingsspielzeug wegnehmen möchte. Aber auch unsere Bundeskanzlerin und der Chefredakteur der „ADAC motorwelt“ würden argumentativ etwas vermissen.
Bei der Gelegenheit kommt sehr schön eine generelle Facette von Greenpeace-Anhängern und anderen Umweltaposteln zum Vorschein: Der erhobene Zeigefinger. Schließlich hat man, indem man mit dem Finger auf Andere zeigt, bereits seinen Beitrag zum Umweltschutz geleistet. Jetzt sind – bitteschön - die Anderen an der Reihe dafür zu sorgen, dass man so weiterleben kann wie bisher. - Nur eben umweltfreundlicher. - Versteht sich!
Was ist denn nun mit dem Elektro-Auto?
Der Elektroantrieb hat eine ganze Palette von Nachteilen:
- Hohes Gewicht,
- niedrige Reichweite,
- begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen (Lithium, Magnetmaterial, Kupfer)
- und eine denkbar schlechte CO2-Gesamtbilanz.
Die Versorgung von Elektrofahrzeugen mit Energie aus regenerativen Quellen wird gerne von den Öko-Aposteln als Argument ins Feld geführt, ist jedoch ausgemachter Unsinn. Für diese wertvolle Energie gibt es wesentlich effizientere Nutzungsmöglichkeiten. Viel eher sollte man dafür sorgen, dass so brutale CO2-Verursacher wie z.B. die alten Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden. (Ebenso natürlich die Kernkraftwerke solange noch Zeit ist.) Außerdem sollte man den Stromkonzernen keinen Vorwand für den Neubau von Kraftwerken ganz gleich welcher Art liefern. Mit der Abwendung von den Mineralölkonzernen hin zu den Stromkonzernen, treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus. - Der Umweltgedanke bleibt da sehr schnell auf der Strecke.
Den Umweltengeln geht die Einführung des Elektroantriebs nicht schnell genug. Der schwarze Peter für das schleppende Vorankommen wird (wie üblich) erst einmal der Automobilindustrie zugeschoben. Dabei kann man den Technikern dieser Industriegattung vieles vorwerfen; das Verschlafen von Hybrid- und Elektroantrieb gehört definitiv nicht dazu. Seit Jahrzehnten wird auf beiden Gebieten intensiv geforscht und entwickelt. Sogar erste zaghafte Versuche zur Serieneinführung von Hybridfahrzeugen gab es schon. Dabei wurden Erfahrungen, viele Erfahrungen gesammelt. - Allerdings ausnahmslos schlechte! Erst seit diesen Antriebsformen die grüne Imagefahne angeheftet und von vielen Staaten mit großen Summen gefördert wurden, sind die Firmen beinahe gezwungen sich damit – irgendwie - zu profilieren. Momentan versuchen sie sich gegenseitig den Spitzenrang an der Elektrikfront streitig zu machen, obwohl sie im Grunde genommen selbst nichts davon halten. - Aber das bleibt bitte unter uns.
Dabei kam für die Entwicklungsingenieure der Elektroboom gerade zur rechten Zeit, denn ihnen gingen schlicht und ergreifend die Entwicklungsthemen aus. Die Autos haben mittlerweile einen derart perfekten technischen Stand erreicht, dass die Versuche sie weiter zu verbessern, nur zu verkrampften, unbezahlbaren HighTech-Lösungen ohne eine signifikante Kundenwertigkeit führten.
Man schaue nur einmal auf den neuen Opel Astra und muss erkennen: Das Ende der Technisierungs-Fahnenstange ist erreicht, vielleicht sogar schon überschritten. Der neue Opel Astra ist nicht nur schwerer als sein Vorgänger, sondern weist trotz moderner Benzin-Motorentechnik und Downsizing einen Testverbrauch von 9,3 L/100 km auf. - Ein Desaster!
Das Automobil ganz allgemein betrachtet
Zukunftsforscher warnen schon länger: Das Automobil ist dabei, seinen Stellenwert als erstrebenswertestes Kulturgut einzubüßen. Die „Abwrackprämie“ - Frau Dr. Merkel nennt sie „Umweltprämie“ - tut ein Übriges, um den Niedergang des Automobils vom hochwertigen Produkt hin zu einem Wegwerfartikel zu beschleunigen. Ein kleines, billiges (preiswertes) Automobil zu fahren ist mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert. Außerdem stellt so mancher Normalverdiener fest, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt, die man sich plötzlich leisten kann, wenn das Auto eine Nummer kleiner ausfällt.
Auf die deutschen Automobilbauer kommen schwierige Zeiten zu. Weltweite Überkapazitäten machen die Preise kaputt. Chinesen und Inder erobern den Weltmarkt. Die Stützung eigentlich maroder Firmen, die z.B. Opel, durch den Staat schwächt alle anderen. Die Beispiele Jaguar, Rover, Saab, Volvo, sollte zu denken geben. - Wer ist der Nächste?
Kann der Elektroantrieb in dieser Situation die Rolle als Retter der Nation spielen? Das Gegenteil ist der Fall. Warum? Das Kernelement jeden Automobilbauers ist bis dato der Verbrennungsmotor. Es gibt genügend Firmen, die in der Lage wären, ein komplettes Fahrzeug zu entwickeln und zu bauen. Man denke nur an Karmann, Lotus oder Magna. Der Verbrennungsmotor bliebe aber dort immer ein Zukaufteil von einem renommierten Großserienhersteller, weil sich die Entwicklung und Produktion eines solchen Motors unter 500.000 Stück p.a. nicht rechnet.
Wie sieht nun die Szenerie aus, wenn der Verbrennungsmotor durch den Elektroantrieb ersetzt wird? Die Bestandteile des Elektroantriebs sind E-Motor, Steuergerät und Batterie. Elektromaschine und Steuergerät sind millionenfach hergestellte Standardartikel ohne jegliche Besonderheit. Bleiben noch die Batterien. Auch dieser Markt ist bereits durch die Hersteller der Li-Ion-Zellen für Handys und Notebooks besetzt. Das bedeutet, dass die bisherigen "Großen" ihr Kerngeschäft verlieren und zu Montagefirmen von Zukaufteilen degradiert werden. Da wird es schwierig sein, sich zu differenzieren. Außerdem müssen sich die ehemals „Großen“ den Elektrokuchen mit einer Vielzahl von mittleren und kleinen Konkurrenten teilen. Deshalb spielt die Förderung der Elektromobilität der internationalen Konkurrenz in die Hände, ebenso wie übrigens die Stützung maroder Firmen. - (s.o.)
Wenn also der Elektroantrieb in die Sackgasse fährt, was kann man denn - um Himmels willen - tun, um den Bau sparsamer Automobile zu fördern und gleichzeitig die deutsche Automobilindustrie zu stützen, unterstützen? Die Autohersteller mit direkten Zuschüssen unmittelbar zu motivieren ist der falsche Weg. Letztlich entscheidet der Kunde über Erfolg und Misserfolg eines Produkts. Muss man also den Hebel beim Käufer ansetzen? Die Abwrackprämie ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich der Käufer an neue Rahmenbedingungen anpasst. Diese werden von der Politik vorgegeben. Deshalb ist die Politik aufgerufen, die Weichen entsprechend zu stellen. - Hallo, Frau Merkel!
Ein paar gedankliche Anregungen
1) Steuerpolitik
Unsere heutige Steuerpolitik belohnt den Vielfahrer und bestraft den Sparsamen. Ist nicht ein Benzinschlucker, der die meiste Zeit in der Garage steht umweltverträglicher als ein noch so sparsames, aber viel gefahrenes Auto? Deshalb wäre die wichtigste Maßnahme die Abschaffung aller Steuervergünstigungen für Vielfahrer und Großverbraucher: Pendlerpauschale, Kfz- und Öko-Steuer. Stattdessen gehört die Mineralölsteuer drastisch erhöht, natürlich schrittweise über einen längeren Zeitraum. Die Autoindustrie selbst hat schon vor Jahren dafür plädiert. Es ist vollkommen unverständlich, warum die Diskussion um diesen Punkt eingeschlafen ist. - Angst vor einer Wähler-Reaktion?
2) Siedlungspolitik und Wohnungsbau
Ein weiterer Grund für eigentlich unnötig hohe Kilometerleistungen sind (zu) hohe Mieten und Immobilienpreise. Sie treiben die Menschen von der Stadt aufs Land, wo das Eigenheim noch erschwinglich ist. Eine einstündige Fahrt zur Arbeit ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Für die „einfache Fahrt“ wohlgemerkt.
Im Gefolge der Menschen kommen der Straßenbau und die Ansiedelung von Einkaufszentren auf das Land. Aldi, Lidl, Obi und Co. ist es zu verdanken, dass der Autofahrer seinen Einkauf bequem mit dem Auto erledigen kann. Die zu Fuß erreichbaren örtlichen kleinen Läden und Geschäfte haben das Nachsehen. Die ländlichen Regionen rings um Großstädte werden mit Verkehr dagegen förmlich überflutet.
Ein weiterer negativer Aspekt ist das krebsgeschwürartige Wuchern von Gewerbegebieten. Die Kommunen überbieten sich gegenseitig im Ausweisen von Gewerbeflächen, vielfach ohne direkte Anbindung an eine Autobahn. Zersiedelung, Verschandelung der Landschaft, Versiegelung des Bodens und eine Zunahme des ländlichen Verkehrs sind die Folge. Wenn schon ästhetische Gründe diesen Trend nicht aufhalten können, sollte wenigstens der CO2-Aspekt dazu in der Lage sein. Wenn man ihn so beachtet, wie man ihn in „Volksreden“ ernst zu nehmen scheint.
3) Halteprämie statt Abwrackprämie
Bei der CO2-Diskussion dreht sich alles um die Emissionen beim Betrieb der Produkte. Der Anteil bei der Erzeugung wird schlichtweg ignoriert. Dabei ist dieser Anteil wesentlich an der Freisetzung von CO2 beteiligt. Ein kurzlebiges Produkt, das alle zwei Jahre erneuert werden muss, verursacht den fünffachen Schaden eines zehn Jahre nutzbaren Produkts. Dabei wäre gerade beim Automobil eine Lebensdauer von 20 oder 30 Jahren mit nur geringem Mehraufwand machbar. Statt mit einer Abwrackprämie das Verschrotten von intakten Fahrzeugen zu fördern muss die Politik die Produktlebensdauer durch eine Halteprämie oder das Anheben von Verschrottungsgebühren unterstützen.
4) Tempolimit
Schließlich noch ein weiterer Aspekt, der in seiner Bedeutung auf den Kraftstoffverbrauch sträflich unterschätzt wird, das Tempolimit. Ein generelles Tempolimit war bisher trotz vieler Anläufe nicht durchsetzbar. Erst kürzlich hat die Bundeskanzlerin noch einmal betont, dass es mit ihr kein Tempolimit geben wird. ADAC und Automobillobby sind die erbitterten Gegner des Tempolimits. Sie berufen sich auf den Wettbewerbsvorteil der deutschen Automobile und die Gefährdung von Arbeitsplätzen. Die Befürworter des Limits führen den exponentiell ansteigenden Mehrverbrauch bei hohen Geschwindigkeiten ins Feld.
Eine Ironie des Schicksals: die Argumente beider Seiten sind nicht sonderlich stichhaltig. - Warum? - Die Begründung der Befürworter ist sehr leicht zu entkräften, obwohl die Behauptung grundsätzlich richtig ist. Nur ist der entstehende Mehrverbrauch in Relation zum gesamten Energiebedarf des Automobilverkehrs völlig unerheblich.
Die Entkräftung der Gegenargumente ist nicht ganz so einfach. Man muss etwas weiter ausholen und sich mit der Auslegungsphilosophie heutiger Fahrzeuge und Motoren beschäftigen.
In einer aktuellen Presseinformation stellt z.B. die BMW-Group den MINI E, der gerade auch auf der "NAISA Detroit 2010" gezeigt wurde, so vor:
"...Eine neue und zukunftsweisende Ausprägung der MINI typischen Charakteristik stellt auch der MINI E dar. Sein 150 kW/204 PS starker und von einem Lithium-Ionen-Akku gespeister Elektromotor ermöglicht eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h beziehungsweise 62 mph in nur 8,5 s sowie eine maximale Reichweite von 250 km/150 Meilen. Das erste rein elektrisch angetriebene Modell der Marke, das in einer Kleinserie von 600 Fahrzeugen produziert wurde, leistet Pionierarbeit bei der von der BMW Group betriebenen Entwicklung alternativer Antriebskonzepte auf dem Weg zur CO2-freien Mobilität." ..."Im Rahmen eines in den USA gestarteten und inzwischen auch auf europäische Standorte ausgeweiteten Feldversuchs zeigt er das Potenzial des rein elektrischen und damit CO2-freien Fahrens im Alltagsverkehr auf. ..."
Welches Potential? - Der Mini E hat eine auf 160 km/h beschränkte Höchstgeschwindigkeit, obwohl die Höchstleistung von 150 kW bzw. 204 PS locker für 220 km/h ausreichen würde. Wieso zügeln die Entwickler künstlich den Vorwärtsdrang dieses Fahrzeugs? (Übrigens ist auch der E-SportwagenTesla Roadster mit seinen 225 kW auf max. 200 km/h begrenzt!)
Dafür gibt es – am Beispiel des E-Mini betrachtet - mehrere Gründe:
- Weder die 5088 Zellen der Batterie noch die Steuerelektronik sind einer Dauerleistung von 150 kW gewachsen. Beide Komponenten würden bei voller Belastung den Hitzetod sterben.
- Trotz eines Batteriegewichts von 260 kg beträgt die nutzbare Kapazität gerade mal 28 kWh. Die Leistung von 150 kW könnte rein rechnerisch nur für die Dauer von 11 Minuten abgerufen werden. Anders dargestellt: Spätestens nach 40 Kilometern auf der Autobahn gehen die Lichter aus.
- Trotz aller Brisanz sind die Punkte 1 und 2 nur von rein theoretischer Bedeutung. Entscheidend ist folgendes Phänomen: Die Spitzenleistung fällt mit der Spannung, diese wiederum mit der Restkapazität.
Wenn die Hälfte des Batterieinhalts verbraucht ist steht auch nur noch die halbe Leistung zur Verfügung. Die mögliche Höchstgeschwindigkeit sinkt entsprechend.
Der Kunstgriff mit der freiwilligen Drosselung auf 160 km/h bewirkt in der Fahrpraxis, dass der Kunde den Leistungseinbruch nicht so deutlich wahrnimmt. Für 160 km/h benötigt man lediglich 50 kW. Dafür reicht auch ein Drittel der ursprünglichen Spannung von 380 Volt.
Zudem schützt sich das System durch diesen gewollten Effekt bis zu einem gewissen Grad selbst vor völliger Entladung. Je niedriger die Restkapazität und damit die Leistung, desto weniger Strom zieht der Motor aus dem Bordnetz. Der Fahrer steuert also freiwillig die nächste Steckdose an, sobald das zügige Vorankommen erschwert ist.
Aus den Schwächen des E-Antriebs lernen
Was haben diese Eigenheiten des Elektroantriebs mit dem Verbrennungsmotor zu tun? Beim Elektroantrieb schützt die freiwillige Drosselung vor Überlastung und unterbindet eine verbrauchsintensive Fahrweise. Was hindert uns eigentlich daran, diese Methode auch bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor anzuwenden? Gleiches Recht für alle! Was den Entwicklern und Konstrukteuren für den Elektroantrieb recht ist, sollte schließlich für den Verbrennungsmotor billig sein.
Verbrennungsmotoren sind heutzutage so ausgelegt, dass die maximale Leistung beliebig lange zur Verfügung steht. Wenn die Verkehrsverhältnisse es zuließen, könnte man mit einem Fahrzeug mit 150 kW problemlos stundenlang auf der Autobahn 220 km/h fahren. Um das theoretisch zu ermöglichen, treibt man in der Praxis einen extrem hohen Aufwand:
- Abgasturboaufladung,
- Ladeluftkühlung,
- Vierventiltechnik,
- verstellbare Steuerzeiten,
- Direkteinspritzung,
- Getriebe mit 6, 7 und 8 Gängen,
- aufwändiges Wärmemanagement
- das sind die Bausteine um einen Anspruch zu erfüllen, dessen Umsetzung im normalen Verkehr unmöglich ist, ohne dass der Verbrauch bei Normalfahrt darunter leidet.
Lautet deshalb die Alternative, nur noch Motoren mit 50 kW zu bauen, mit denen man nach langem Anlauf knapp die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreicht? Natürlich nicht. Um beim Vergleich mit dem Elektro-Mini zu bleiben: Auch der Verbrennungsmotor sollte eine Spitzenleistung von 150 kW aufweisen. Der Unterschied in der Ausführung ergibt sich daraus, dass er diese nur kurzzeitig abgeben muss, nämlich nur in den wenigen Sekunden von Beschleunigungsphasen. Das gibt den Motoren- und Fahrzeugbauern ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Reduzierung des Aufwands und zur Verbesserung der Trinksitten an die Hand. Das Zauberwort heißt „boosten“ oder „Boost“. (Ein kommendes „Unwort des Jahres“?)
Das Rezept ist einfach. Man nehme einen Motor der kompromisslos auf 50 kW ausgelegt ist. Wird mehr Leistung benötigt, springt ein Hilfssystem ein, das kurzzeitig die Leistung anhebt. Das kann die Zwangsbeatmung durch einen elektrisch angetriebenen Kompressor sein, oder auch die Unterstützung durch eine Elektromaschine mit 100 kW. Entscheidend ist, dass man bei der Basisauslegung auf das Boostsystem keine Rücksicht nehmen muss, wie das heute bei der permanenten Aufladung durch den Abgasturbolader der Fall ist. Die Kraftstoffökonomie des „Boostsystems“ selbst ist ohne Bedeutung. Im ECE-Zyklus wird es ohnehin nicht beansprucht, und in der Praxis beschränkt sich sein Eingreifen auf weniger als 1 Prozent der gesamten Fahrdauer.
Wie würde also konkret ein Konzept - zum Beispiel - mit temporärer Aufladung durch einen elektrisch angetriebenen Kompressor aussehen und wie hoch wäre theoretisch dessen Kraftstoffverbrauch?
Im ersten Schritt kann man sämtliche oben genannten HighTech-Elemente aus dem Fahrzeug entfernen, bis auf die Direkteinspritzung.
(Die übrigens – ganz nebenbei in Richtung „ADAC motorwelt“ bemerkt – den Feinstaubausstoß im Vergleich zu einer indirekten Einspritzung erhöht. - Beim Verbrennungsmotor – auch beim Ottomotor! - Beim ADAC ist in der Nr.1/2010 13,6 Millionen Mal zu lesen: „Benzinmotoren stoßen gar keine Partikel aus.“)
Der gesamte Motor mit seiner Peripherie wird in der von uns angedachten Version wesentlich einfacher, leichter und kostengünstiger, da erheblich mehr abgespeckt wird als neu hinzukommt. Der Verbrauch eines modernen Benzinmotors mit 50 kW liegt bei etwa 4 Liter/100 km im Testzyklus und bei 5 Liter/100 km in der Praxis. Ein Fahrzeug nach dem Downspeeding-Konzept ausgestattet, ist eher noch etwas günstiger anzusiedeln. Hingegen liegt das Vergleichsfahrzeug mit 150 kW Dauerleistung bei etwa 7 L/100 km ECE- und 10 L/100 km Praxisverbrauch und hat somit einen deutlich höheren Verbrauch.
Damit ist aber das Einsparpotential beileibe noch nicht erschöpft. Die Beschränkung auf 160 statt 220 km/h hat weitere positive Nebeneffekte. Es reduzieren sich z.B. die Anforderungen an Fahrwerk, Reifen, Bremsen und Karosserie, was sich positiv auf deren Gewicht auswirkt. Das wiederum ergibt entweder eine bessere Beschleunigung bei gleicher Leistung oder man erzielt die gleiche Beschleunigung mit weniger Leistung und damit weniger Verbrauch.
Permanente Höchstleistung muss aufwändig gekühlt werden. Deshalb haben alle Fahrzeuge mit Abgasturbolader, egal ob Diesel oder Benziner, einen riesigen Kühllufteinlass an der Wagenfront. Das bekommt dem Luftwiderstand gar nicht gut. Dagegen ist eine temporäre (kurzzeitige) Höchstleistung kühlungstechnisch unproblematisch und die Wagenfront kann aerodynamisch (und optisch!) perfekt gestaltet werden. - Eine „große Schnauze“ ist nicht immer von Vorteil!
Ein solches Konzept nennt sich „Downspeeding“, als Gegenentwurf zum allgegenwärtigen und zum Allheilmittel in unseren Fachzeitschriften hochstilisierten „Downsizing“. Es verleiht dem Tempolimit wesentlich mehr Gewicht als die bekannten Argumente. Außerdem verkehrt es das Hauptargument der Gegner ins Gegenteil. Denn um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein, muss man sich vom Wettbewerb abheben, darf aber allgemeine Trends nicht verschlafen. Es ist günstiger, aktiv eine Vorreiterrolle bei hochaktuellen Themen zu spielen, als vom Wettbewerb zum Handeln gezwungen zu werden.
Beispielsweise von Toyota. Toyota (wer sonst?) hat als erster das Potential einer limitierten Höchstgeschwindigkeit erkannt und bei sämtlichen Hybridmodellen umgesetzt. Hat es dem Verkaufserfolg geschadet? Bekanntlich nicht. Man kann darauf wetten, dass diese Strategie bald Nachahmer finden wird, wenn den Marketing-Spezialisten dazu eine den (dummen?) Käufer überzeugende Argumentation eingefallen ist.
Vmax-Steuer
Selbst wenn es gegen alle Widerstände doch noch eingeführt würde: Ein simples Tempolimit alleine reicht nicht aus, um in der etwas einfältig reagierenden Automobilwelt den dringend benötigten Umdenkprozess einzuleiten. Noch viel weniger durchsetzungsfähig wäre allerdings eine gesetzlich vorgeschriebene Drosselung der Höchstgeschwindigkeit, ganz gleich auf welchem Niveau. Es würde nur unnötig die Fronten verhärten und der Automobillobby in die Hände spielen. Wie kann aber dann eine flankierende Maßnahme aussehen, die die Freiheit des einzelnen nicht beeinträchtigt und trotzdem ihren Zweck erfüllt? Sie muss, wie könnte es anders sein, beim Geldbeutel ansetzen.
So könnte – als ein mögliches Beispiel - eine Steuermaßnahme aussehen (wobei die Parameter variabel sind):
In den Kfz-Papieren ist die erreichbare Höchstgeschwindigkeit eingetragen. Für die Überschreitung einer gesetzlich vorgegebenen Grenze ist eine jährliche Steuer zu entrichten. Die Grenze sei in unserem Beispiel mit 160 km/h, die jährliche Steuer mit 10 € pro 1-km/h-Überschreitung angenommen. Ein Fahrzeug, das mit 200 km/h angegeben ist, beschert demnach dem Staat eine jährliche Einnahme von 400 €, bei 250 km/h sind es bereits 900 €. Selbstverständlich braucht eine derartige Steuer eine ausreichende Vorlaufzeit von etwa 2 – 3 Jahren, damit der Markt sich darauf einstellen kann. Sie darf auch nur für neu produzierte Fahrzeuge gelten, nicht für bereits auf dem Markt befindliche.
Anders als meisten Steuern und Abgaben trifft diese Steuer ausschließlich die Wohlhabenden, die sich ein schnelles Auto problemlos leisten können. Alle diejenigen bleiben davon unberührt, die auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen sind, aber nur über geringe finanzielle Mittel verfügen oder dafür einsetzen wollen.
Zukunftsvisionen
Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einer schwierigen Lage. Es fehlt sowohl an Visionen als auch an klaren politischen Zielvorgaben. In den Vorstandsetagen versucht man fehlende Visionen durch die beliebten Modelloffensiven wettzumachen, was nichts anderes bedeutet als eine Sintflut überflüssiger Varianten. Die Politik wiederum versucht derzeit ähnlich wie bei der Finanzkrise, durch Konjunkturpakete und finanzielle Anreize das Autogeschäft zu beleben, bzw. vor dem drohenden Niedergang zu bewahren. Mit dieser Vorgehensweise drückt sich die Politik vor unpopulären Maßnahmen. So bequem das Verschieben der Probleme in die Zukunft für unsere Politiker auch ist, irgendwann bezahlen wir alle die Zeche. Statt Probleme zu verdrängen muss man sich ihnen stellen, je eher desto besser. Je länger man wartet, umso schmerzhafter werden die Einschnitte ausfallen - ausfallen müssen!
Im Moment stellt die Politik mit dem Geld für Firmenrettungen, Elektroantrieb und Abwrackprämie die Weichen – und zwar genau in die falsche Richtung. Sogar gegen die langfristigen Interessen der deutschen Autoindustrie! Diese Summen, ergänzt durch die Mehreinnahmen aus einer höheren Mineralölsteuer und der Vmax-Steuer müssen wir vorrangig in zukunftsträchtige Sparten investieren. Dazu gehören der Energie-, Nahrungsmittel-, Gesundheits- Bildungs- und Multimediasektor. Dort müssen die neuen Arbeitsplätze entstehen, die in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie mit absoluter Sicherheit wegbrechen werden, sei es durch Insolvenzen oder - Verlagerungen ins Ausland.
Der Zeitpunkt ist günstig. Viele Menschen sind im Moment bereit, ihren Beitrag zur Abwendung der Klimakatastrophe zu leisten. Nur wollen sie sehen, dass sie nicht die einzigen sind, die Opfer bringen, sondern dass sich auch alle anderen daran beteiligen, und zwar jeder nach seinen Möglichkeiten. Außerdem: Wäre es für Deutschland nicht ein lohnendes Ziel, die Weltführerschaft in der Vermeidung klimaschädlicher Emissionen anzustreben? Nach dem Motto: Statt Exportweltmeister (das ist jetzt China) lieber Klimaschutzweltmeister. Unser Ansehen in der Welt würde bestimmt enorm gewinnen.
Jetzt ist die Politik gefordert, den Wandel aktiv zu gestalten: den von einer Verbraucher- zu einer Bewahrergesellschaft, - jeder nach seinen Möglichkeiten.
Ein MK-Team um Wilhelm Hahne
PS: Ich habe zwei Weiterleitungen ins Internet aus dem Text des Jahres 2010 (!) heraus gestrichen, weil deren Nutzung im Jahre 2022 nicht mehr zum gewünschten Beitrag führten. - Von Menschen beeinflusst, wird selbst das Internet vergesslich!