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Genau genommen habe ich – Wilhelm Hahne – das den E-Automobilen vor 46 Jahre gewünscht, nachdem ich als einziger deutscher Journalist der Vorstellung eines E-Stadtwagens in der Schweiz beiwohnte. Die Prophezeihungen von bedeutenden Managern sind noch älter und sagten schon viele Jahre vorher dem E-Automobil den entscheidenden Durchbruch für Jahre später voraus. E-Automobile waren bisher niemals ein Verkaufserfolg, aber es gab – aus den unterschiedlichsten Gründen – aber immer wieder Gründe, das Automobil mit Verbrennungsmotor zu verteufeln und das E-Automobil als Optimum für eine Fortbewegung darzustellen, das den Besitzer nicht nur unabhängig macht, sondern ihn auch als Widerständler in Sachen Klimawandel empfinden lässt. - Und als Mitglied der Oberschicht unserer Gesellschaft! - Denn Elektro-Automobile sind – immer noch – eine für „Normalos“ zu teure Anschaffung! - Damals, 1973, war es der Sohn eines weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannten Designers, Dr. Elio Zagato, damals 52 Jahre alt – inzwischen verstorben – der seine Vorstellung von einem guten Stadtwagen der Öffentlichkeit in der Schweiz vorstellte. - Ich war damals vor Ort, habe das Fahrzeug gefahren, darüber nicht nur geschrieben – meine Eindrücke geschildert – sondern auch ein Interview mit dem Schöpfer dieses E-Stadtwagens gemacht. - Dieses Interview ist kein Beweis dafür, dass früher „alles viel besser“ war. - Ich möchte damit heute nur darstellen, dass ich eigentlich in vielen Jahrzehnten der Entwicklung, nie einen wirklichen Fortschritt in Sachen E-Automobil registrieren konnte. Vollblut-Techniker haben diese Strömung hin zu einem E-Automobil sowieso nicht verstehen können! - Die Gesamtkonzeption eines E-Automobils sollte überzeugend sein und – von einem möglichen Käufer auch so empfunden werden. - Auch vom Preis her! - Und mein „damals“, vor 46 Jahren formulierter Wunsch – ich schrieb meine Geschichte Anfang 1974 - bleibt immer noch unerfüllt:
MK-Wunsch für E-Automobile: „Fern – schnell – gut!“
Im Jahre 1974 gab es noch eine GES, die Gesellschaft für elektrischen Straßenverkehr mbH in Düsseldorf. Diese Tochter des RWE war „damals“ geradezu empört über meine Berichterstattung und hat sich z.B. bei der „DEUTSCHE ZEITUNG - Christ und Welt“, in der mein „Erlebnisbericht“ u.a. erschienen war, mit Nachdruck beschwert.
Man sprach von „polemischen Schlussgedanken“ und zitierte als „einen Ausspruch aus berufenem Munde“ - von Dr Victor Wouk - als Beispiel dafür, „dass in Deutschland mehr geschieht, als Geld unglücklich zu verteilen:
„In the United States, there is a lot of talk about electric vehicles In Europe, there is a lot of action on electric vehicles.“
Und man legte – zur Unterstreichung der eigenen Darstellung – noch eine „PR-Beilage der Süddeutschen Zeitung“ bei!
Meine „Erfahrung“ mit dem „Zagato ZELE 1000“ war nicht nur in der o.g. Zeitung, sondern auch in anderen Magazinen und Zeitungen erschienen und trug den Titel „Leise, ganz leise...“ - Ich möchte hier nur kurz meinen Einstieg wiedergeben, um dann zum Interview zu kommen:
„‘Hu-u-u-uch‘, macht die junge Dame erschrocken und hüpft von der Hupe unseres Testwagens gewarnt, zurück auf den Gehweg. Sie hat uns nicht kommen hören.“…
Da hat es dann bis heute eine „harmonische“ Weiter-Entwicklung (?) gegeben. Moderne E-Automobile dürfen nicht leise sein! Der Gesetzgeber hat‘s vorgeschrieben!
Aber sonst? - Es hat sich auch etwas auf dem Batterie-Sektor getan, aber eigentlich ist man nicht so recht weiter gekommen. Ein E-Automobil, das wegen seiner Kosten- und Nutzungsvorzüge insgesamt zu einem „Renner“ werden könnte, das gibt‘s derzeit noch nicht. - Noch kann man den Käufer auch nicht zwingen, ein Elektro-Automobil zu kaufen!
Beim E-Fahrrad muss man niemanden zwingen! - Man schaue doch aktuell einmal bei einem guten Fahrrad-Händler vorbei. Da gibt es – Corona-bedingt - „Schlangen“ vor der Tür! - Man kauft E-Fahrräder! - Weil das Konzept, den Menschen bei körperlichen Arbeit zu entlasten – und der Preis(!) - stimmen!
Nun zum 47 Jahre alten Interview mit Dr. Elio Zagato – zum Interview-Termin noch 52 Jahre alt. Er war zu dieser Zeit Generaldirektor und Mitinhaber der Firma Zagato S.P.A., Mailand. Wer noch niemals davon gehört hat, kennt vielleicht wenigstens den „Zagato-Streifen“.
Das Interview wurde exakt am 13. Dezember 1973 in Othmarsingen/Schweiz gemacht:
W. Hahne: Welche Überlegungen gaben den Anstoß zur Entwicklung des Elektro-Stadtwagens ZELE 1000?
Dr. Zagato: Die Anregung bekam ich durch einen Elektrowagen, den ich auf der Mailänder Messe sah – und der übrigens nicht schlecht war. Das war – glaube ich – vor drei Jahren. Ich habe dann folgende Überlegungen angestellt: Man versucht den Lärm zu bekämpfen, man klagt über Platzmangel. Gerade für das Automobil ist in unseren Städten nur noch wenig Parkplatz vorhanden. Dazu war das, was wir heute Energiekrise nennen und was im Moment seine ersten Auswirkungen durch die Ölkrise zeigt, schon damals absehbar. Außerdem leben wir in einer Zeit, wo das Thema Umweltschutz sehr groß geschrieben wird. Es ist abzusehen, dass das herkömmliche Automobil weiter aus dem Zentrum der Städte verbannt werden wird. 1975 wird z.B. die Innenstadt von Los Angeles für normale Personenkraftwagen gesperrt und für 1980 hat New York die gleiche Maßnahme geplant. Es kommt meiner Meinung nach nun die Aera der Elektrowagen.
W. Hahne: Der Markt ist sicherlich für ein Stadt-Automobil reif, aber muss ein solches Fahrzeug einen Elektroantrieb haben? Wir haben bereits vor Monaten die Argumente für und gegen ein Elektro-Automobil untersucht und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Umweltprobleme durch Elektro-Automobile nicht kleiner werden, sondern nur eine Verlagerung erfahren; und dass der Elektroantrieb außerdem unwirtschaftlich ist.
Dr. Zagato: Wieso ist der Elektroantrieb nicht umweltfreundlich?
W. Hahne: Ein Elektro-Automobil erzeugt zwar weniger Lärm und ist ein abgasfreies Automobil, - aber das nur scheinbar; denn die Umweltprobleme werden nur geographisch verlagert. Es gibt die Verschmutzung durch Dampf, Staub, Wärme und schwefelhaltige Abgase dann in der Umgebung der Kraftwerke, also dort, wo die Energie für das Elektro-Automobil erzeugt wird.
Dr. Zagato: Es stimmt nicht, dass die Stromerzeugung nur mit Erdöl und Kohle erfolgen kann. Kraftwerke sind auch Wasserkraftwerke, als Gezeitenkraftwerke denkbar, nur geht diese Entwicklung leider nur sehr zögernd vor sich. Dafür gibt es mehr umweltfreundliche Kernkraftwerke.
W. Hahne: Auch Kernkraftwerke sind nur scheinbar umweltfreundlich. Sie erzeugen zwar keine Verbrennungsabgase, doch gibt es als Abfallprodukt eine mehrfach größere Wärmemenge, die – genauer gesagt – dreimal so groß ist wie die erzeugte Energiemenge. Diese Wärme muss abgeführt werden. Dafür kommt nur die Atmosphäre oder Flüsse in Frage. Das biologische Gleichgewicht der Flüsse würde durch das erhöhte Temperaturniveau dann aber erheblich gestört, bzw. durch die über große Kühltürme abgeführten Dampfmengen könnte es zur erhöhten Wolkenbildung und damit zu Klimaveränderungen kommen.
Dr. Zagato: Die technische Entwicklung auf dem Gebiet des Kernkraftbaus geht so zügig voran, dass diese Probleme in ca. 10 Jahren längst gelöst sein werden. Heute kann ndie anfallende Wärmeenergie schon für die Beheizung von Häusern, also eine Fernheizung eingesetzt werden. Nur kann ich mit meinem Elektro-Stadtwagen nicht auf diese Entwicklung warten. Es gäbe dann keinen Fortschritt mehr, wenn der Eine immer auf die Entwicklung des Anderen wartem würde, weil seine Entwicklung dadurch erst vollkommen würde.
W. Hahne: Die Energieausnutzung durch Elektromotore ist auch nicht als gut zu bezeichnen. Auf dem Weg über Kessel, Kraftwerkturbinen, Überlandleitungen, Umspannstationen, Batterielader und Batterie bleiben nur 10 – 16 Prozent der ursprünglich vorhandenen Energie für den Antrieb des Elektroautos übrig. Im klassischen Ottomotor aber wird die im Kraftstoff steckende Energie immerhin zu 20 bis knapp 30 Prozent ausgenutzt.
Dr. Zagato: Sie sprechen immer von Elektro-Automobilen. Mein Fahrzeug ist kein Automobil, sondern ein Stadtfahrzeug, ein Fortbewegungsmittel, das nur 40 km/h schnell ist und nur einen Aktionsradius von 80 Kilometern unter günstigen Bedingungen erreicht. Es benötigt nur 5 Kilowatt um wieder aufgeladen zu werden. Damit erledigt sich so mancher Einwand durch die Quantität. Richtige Elektro-Automobile, die auf Autobahnen verkehren, können vielleicht 150 km/h schnell sein und außerdem dann eine größere Käuferschicht ansprechen, würden sicherlich von Ihren Argumenten stark betroffen. Dazu kommt, dass meine Fahrzeuge normalerweise nur in der Nacht aufgeladen werden, in einer Zeit also, wo der allgemeine Bedarf an Elektrizität sehr gering ist. In Italien gibt es sogar kleine Städte, die man – ohne dass dazu eine Notwendigkeit besteht – nachts beleuchtet, weil die Kraftwerke keine Umschaltmöglichkeiten mehr haben und sonst Probleme auftreten würden. Man schafft dort künstlich einen Bedarf.
W. Hahne: Sie nannten eben die Höchstgeschwindigkeit Ihres ZELE 1000 mit 40 km/h. Glauben Sie nicht, dass Ihr Fahrzeug damit in modernen Großstädten zum Verkehrshindernis wird?
Dr. Zagato: Es ist natürlich kein Problem die Geschwindigkeit des Wagens zu erhöhen, aber natürlich wird beim heutigen technischen Stand die Reichweite darunter leiden. Wenn es eines Tages z.B. leistungsfähigere Batterien geben wird, gibt es dann keine Schwierigkeiten mehr. Ich habe die Geschwindigkeit meines Fahrzeugs aber noch aus anderen Gründen auf 40 km/h begrenzt. Es gibt einige europäische Länder, wo man ein solches Fahrzeug führerscheinfrei fahren darf. Theoretisch könnte es von jedem Kind gefahren werden.
W. Hahne: Die von japanischen Herstellern gezeigten Prototypen sind zwar noch nicht serienreif, in der Entwicklung sind sie Ihrem ZELE 1000 aber voraus, weil in den gezeigten Studien durch eine Umkehrung beim Schiebebetrieb wieder neue Energie erzeugt und den Batterien zugeführt wird. Dadurch vergrößert sich die Reichweite der Fahrzeuge oder wie werden praxisgerechter dadurch, dass sie bei ausreichender Reichweite auch ausreichend schnell sind.
Dr. Zagato: Ich studiere natürlich sehr aufmerksam die Entwicklung auf diesem Gebiet. Es ist für uns kein technisches und kein konstruktives Problem; wir könnten es morgen schon präsentieren. Es ist ein ökonomisches Problem, denn es würde meinen Elektro-Stadtwagen um 30 Prozent verteuern. Und weil Sie eben noch einmal von der Geschwindigkeit sprachen: Ich erinnere mich an einen Test, wo wir einige Personen die gleiche Strecke durch ein Stadtzentrum mit einem Autobus, einem Fahrrad, einem englischen MINI und einen ZELE 1000 bewältigen ließen. Der ZELE 1000 benötigte bei einer Fahrzeit von 30 Minuten ganze 2 Minuten mehr als der MINI. Nach unseren Untersuchungen fahren die Leute in den Städten viel langsamer als sie glauben. Das betrifft vielleicht nicht einige deutsche Städte wie München usw., wo aufgrund der besseren Straßenanlage noch größere Maximalgeschwindigkeiten erreicht werden können.
W. Hahne: Welche Produktionzahlen sind von Ihnen für den ZELE 1000 in Aussicht genommen?
Dr. Zagato: Wir produzieren im Moment in unserem Werk insgesamt 15 – 18 Wagen täglich, davon 10 Stück ZELE 1000. Dieser Ausstoß soll im Laufe des Jahres verdoppelt werden.
W. Hahne: In welche Länder wollen Sie das Fahrzeug exportieren?
Dr. Zagato: Deutschland, Schweiz, Benelux. Diese Länder zunächst. Ich habe aber heute schon Anfragen aus Polynesien, Singapur, Jordanien, praktisch aus der ganzen Welt; auch aus den Vereinigten Staaten.
W. Hahne: Entspricht Ihr Fahrzeug den amerikanischen Sicherheitsbestimmungen? Wie verhält es sich bei Frontalzusammenstößen?
Dr. Zagato: Ich bezweifle, dass ich in den USA mit meinem Fahrzeug, so wie Sie es heute auch gefahren haben, Schwierigkeiten bekomme. Wie ich Ihnen bereits schon sagte, ist es kein Automobil, sondern ein Stadtfahrzeug, ein Fortbewegungsmittel. Für Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h wird man auch in den USA keine Crashtest verlangen. Es müsste dann auch für Fahrräder und Motorräder Crash-Tests geben. Der ZELE 1000 ist zwar langsamer als ein Motorrad, aber auch sicherer und darum meiner Meinung nach auch ohne Änderungen in die sicherheitsbewussten USA zu exportieren.
Hier endet das Interview mit dem Hersteller eines Elektro-Stadtwagens aus Dezember 1973. - Wahrscheinlich hat noch keiner meiner Leser in seinem Leben jemals einen Zagato ZELE 1000 gesehen – auch nicht gehört.
Ich habe aktuell nichts mehr von einer GES, der Gesellschaft für elektrischen Straßenverkehr mbH in Düsseldorf gehört. Es war eine „Tochter“ der RWE. - Auch die wird meinen Lesern unbekannt sein. - RWE hat sie aus Kostengründen aufgelöst.
Dafür haben meine Leser aktuell sicherlich die Elektro-Automobil-Strategie eines Herbert Diess (Vorstandsvorsitznder, VW) weder übersehen noch überhören können. - Dabei ist ein E-Automobil auch im Jahre 2020 im Grunde genau so sinnig wie in den Jahren 1973/74.
Schon 1959 habe ich bei der American Motors Corporation (AMC) von ersten Versuchen mit Elektro-Automobilen gehört. Auch GM (General Motors) hat an Elektro-Automobilen gearbeitet, dessen Vorstandsvorsitzender hat „damals“ ähnlich getönt, wie heute ein Herbert Diess. Es muss 1969 gewesen sein, als man dann bei GM dann nicht mehr von der Zukunft des Elektro-Automobils so überzeugt war. Man glaubte die „Umweltfreundlichkeit“ des Elektro-Automobils als Erfindung von gläubigen Umweltfanatikern entlarvt zu haben. - Aber die Politiker hatten mit dem E-Automobil ein neues und zuverlässiges Profilierungs-Werkzeug entdeckt!
Ist das heute alles ganz anders? - Wer wird denn heute bei der Industrie „gegen den Strom schwimmen“? - Man nutzt die rechnerischen Möglichkeiten von Hybrid-Automobilen – von der Politik angeboten – die solche Automobile als gut und klimafreundlich (?) darstellen und darum auch – ihren Preis haben! - Eine andere Art von Diesel-Skandal!
Ich glaube an die Zukunft des E-Fahrrades und des Automobils, das von unnötigem Ausstattungsbalast entschlackt und mit modernen Verbrennungsmotoren – von synthetischen Treibstoffen angetrieben - noch viele, viele Jahrzehnte die Menschen begeistern wird, die auf der Suche nach einer „vernünftigen“ Mobilität sind!
Entsprechend der alten „Brummi“-Werbung: „Fern – schnell – gut!“