NLS #1/2022: ...und es kam – wie’s kommen musste!

„Tage an denen man plant Bananen zu essen, nennt man Bananenplantage.“ - Diesen flotten Spruch hatte ich vor Augen, als ich einen Bericht über das erste Motorsport-Rennwochenende am Nürburgring der Saison 2022 plante. Es sollte ein 4-h-Rennen am 26. März durchgeführt werden. Vieles sollte von der Organisation her, nach einem langen „Corona-Tief“ – wieder so sein wie früher. Nun – es wurde ein wenig anders. Schon weil so ein Rennbesuch für die Fans in 2022 auch ein wenig teurer wird. - Auch für die Teams. - Obwohl der Veranstalter erklärt hatte, dass er keine Energiezuschläge nehmen würde. - Spannend war das Beobachten dieses ersten Rennens der „Neuzeit“ für einen Journalisten auch deshalb, um festzustellen, wie sehr die Planungsunsicherheit – aus den unterschiedlichsten Gründen – die Nennfreudigkeit der Teams, Besitzer und Fahrer beeinflusst hatte. Und wie sich die Fans ob der insgesamt für einen Rennbesuch doch stark gestiegenen Kosten verhalten würden. So habe ich mir dann mal am Freitagnachmittag vor dem Rennen einen ersten Überblick verschaffen wollen. Dann habe ich mir auch Gedanken gemacht, wer denn wohl als Siegerteam in Frage käme. Dabei ist mir aufgefallen, dass es die Nennliste erst sehr spät und dann auch – noch später – in einer zweiten Version gab. Es war einiges modifiziert, aber…

NLS #1/2022: ...und es kam – wie’s kommen musste!

Sieger bei der Nennung der Starterzahlen war dann am Montagmorgen nach dem Rennen – gestern – die „Rhein-Zeitung, die den Hang der Rennorganisatoren hin zu großen Zahlen übernommen zu haben scheint. Da heißt es gleich zu Anfang der Leser-Information:

„Bei der 67. ADAC Westfalenfahrt waren die Zuschauerplätze am Brünnchen und am Pflanzgarten bei strahlendem Sonnenschein wieder der Anziehungspunkt von Tausenden von Fans.“

Später ist zu lesen:

„Unter den 137 gestarteten gestarteten Teilnehmern des vierstündigen Auftaktrennens waren“…

Dass „NLS“ mit „Nürburgring-Langstrecken-Serie“ zu übersetzen ist, wurde den Zeitungsmachern von ihren Informanten auch nicht gesagt, die im Untertitel zur Geschichte von einer „Meisterschaft“ schreiben. - Meisterhaft!

Nachdem der Veranstalter – wie eigentlich gewohnt – bis zum Mittwochabend kein Nennergebnis vermeldet hatte, war Motor-KRITIK kurz nach 21 Uhr in Vorleistung getreten und hatte „um 130 Automobile“ vermeldet. Später hatte dann der Veranstalter doch noch „135 Teilnehmer“ („Status: 23.03.2022 20:09:25“) vermeldet, um dann am Samstagmorgen („Status: 26.03.2022 08:51:36“) auf „128 Teilnehmer“ zu korrigieren.

Davon haben dann wenige Stunden später 122 Fahrzeuge das Rennen aufgenommen. Exakt 105 Fahrzeuge haben das Rennen in Wertung beendet.

Ich hatte am Freitagnachmittag zunächst mal eine kurze Informationsfahrt zum Nürburgring unternommen.

Mich hat der Hinweis auf einen Abiball bei der Anfahrt zu einem Parkplatz nicht aus dem Konzept gebracht, Aber mich hat doch später auf dem Parkplatz „Brünnchen“ die Einrichtung einer Zuschauerzone überrascht, die  – wenn man ihre Abmessungen betrachtet – offensichtlich nicht für „tausende Zuschauer“ gedacht war. Ein Schild machte darauf aufmerksam, was das Betreten dieser Zone kosten würde. - Natürlich plus 10 € Parkgebühr pro Fahrzeug.

Nach meinem Eindruck ist neben diesem Parkplatz die Zone um die Imbissbude keine Fläche, die vom Nürburgringbesitzer bewirtschaftet wird. So zahlt der Besitzer der Imbissbude seine Pacht an die Gemeinde Herschbroich, die den eigentlichen Parkplatz an die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG verpachtet hat. Er darf darum seine Bratwürste auch bei der Metzgerei seines Vertrauens einkaufen und ist nicht – wie andere Imbissbetreiber am Nürburgring – verpflichtet, seine Würstchen – natürlich zu überhöhten Preisen – bei der Nürburgring-Pächterfirma zu kaufen, die eine Firma des Nürburgring-Besitzers ist.

Am Rennsamstag war die Stimmung insgesamt locker, die Organisation gut. Der Zugang erfolgte nicht durch den Tunnel, an der großen Fahrerlagerzufahrt, sondern ging – weil aus Coronagründen – eine Einbahnstraßen-Regelung für Fußgänger vorgeschrieben war, zunächst durch einen Tunnel, der ursprünglich den Zugang vom „Boulevard“ aus möglich machen sollte. Die Besucher traten überraschend selbstsicher, meistens ohne eine FFP2-Maske auf. Beim Betreten des Start- und Zielturms, oder anderer Räumlichkeiten war sie allerdings vorgeschrieben.

Ich hatte mir Gedanken darüber gemacht, wer wohl dieses Rennen gewinnen könnte, wenn man einmal das jeweilige Gesamt-Paket – also nicht nur Fahrzeug, sondern auch Fahrer und Team – betrachtet. Natürlich weiß ich um die Drehmomentschwäche eines Porsche-Sauger-, gegenüber den Turbomotoren der Konkurrenz, glaube auch die Vorteile eines Porsche beim Bremsen in Bergabstücken richtig einschätzen zu können. Aber wichtig ist bei der Gesamtbetrachtung, welche Fahrer mit welcher Erfahrung – auch des Teams - zum Einsatz kommen.

Eigentlich – „so ganz unter uns“ – scheint die Zeit des Porsche 911 für einen Renneinsatz vorbei. Wenn man damit siegen möchte, sollte man in einem Porsche-Cup fahren. - Darum gibt’s die auch! - Eine der Rennstrecken, auf die der Porsche 911 überhaupt noch in seiner ursprünglichen Auslegung eine Siegchance hat, ist die Nürburgring-Nordschleife.

In Verbindung mit so einem Porsche GT 3 hat mir Fahrerpaarung, Vanthoor, Makowieki, Christensen am besten gefallen, weil nach meiner persönlichen Erfahrung sich diese Herren genau im richtigen „Langstreckenalter“ befinden. Zusammen sind sie 103 Jahre alt. Der Älteste unter ihnen ist Frédéric Makowieki, der 41 Jahre alt ist. Es ist genau dieser Typ, den ich in meiner Vorstellung als idealen Langstrecken-Rennfahrer empfinde. - Ideale Größe, ideales Gewicht, Talent, Erfahrung – einfach gut!

So ist es kein Zufall, dass ich „zufällig“ ein Foto gemacht habe, auf dem er gerade die Manthey-Lounge Nr. 27 nach dem Umziehen verlässt, um sich hinunter zum Fahrzeug zu begeben. Allerdings war ich schon ein wenig enttäuscht, als dieser – von mir favorisierte – Porsche dann im Qualifying nur Platz 15 belegte. Dafür gab es aber verständliche Erklärungen.

Ich hatte leider keinen Hubschrauber zur Verfügung, aber mir ist auch so ein eindrucksvolles Foto der zum Schluss um den Gesamtsieg kämpfenden Porsche und Audi gelungen, als sie nur um Zehntelsekunden getrennt in die letzte Runde gingen. Am Steuer des Manthey-Porsche mit der Start-Nummer 911 saß in diesem Moment der von mir hoch eingeschätzte Fédéric Makowieki. Überrascht hat mich die Leistung des sehr jungen Jusuf Owega (19), der den Land-Audi geradezu „abgeklärt“ um den Kurs bewegte und – im Ziel den 2. Platz nach 29 Runden mit einem Rückstand von nur 1,231 sec beendete. - Da kann man auf einen zweiten Platz auch sehr stolz sein!

Ich kann nachfühlen wie das ist, wenn man im Sitz noch mal tief durchatmet, begreift, „dass man es geschafft hat“, um dann auszusteigen, den Kollegen zu gratulieren, selbst Gratulationen entgegen zu nehmen und dabei langsam aus einer scheinbar unwirklichen Welt zurück zu kehren in die Normalität. - Gesamtsieger! - Na und?

Interviews müssen sein. Sie sind live über die Lautsprecher zu hören. Eigentlich sind es immer die gleichen Fragen, die gleichen Antworten. Die Siegerkränze liegen bereit, die Fotografen schießen ihre Fotos und ein kleiner Junge ist zufrieden. Nicht umsonst trägt er eine Kappe, auf der hinten die „# 911“ zu lesen ist. - Alles „Grello“!

Der Sekt wird auf dem Podium bereit gestellt. Und dann stehen Laurens Vanthoor, der seine kleine Tochter mit hoch genommen hat, Fréderic Makowieki und Michael Christensen, ein Däne der in London seinen Wohnsitz hat, „bekränzt“ für die richtigen Fotos in Position, bevor dann das Verspritzen von – in diesem Fall nicht von Champagner – sondern von einem „Haussekt des ADAC“ beginnt. Auch der ist so unglaublich „kleberig“, versaut einem die Rennkleidung, macht eine Grundreinigung notwendig. - Das alles ist eigentlich genau so unsinnig, wie so ein Rennen eigentlich auch. - Zumindest heute, wo die Rennen nicht mehr dem technischen Fortschritt dienen, sondern Teil eines Marketings geworden sind.

Nein, es gab keine Nenngelderhöhung, aber das Superbenzin, das jeder Teilnehmer – sozusagen zwangsweise – tanken musste, kostete 2,97.9 €. Das Beck’sche Baudenkmal erinnert dabei an noch größere Verschwendungen. Positiv kann vermerkt werden, dass der Rettungs-Hubschrauber nicht gebraucht wurde. Da kommt dann ein Frédéric Makowieki aus dem Strahlen nicht mehr heraus.

Und mit einem letzten Blick über das Fahrerlager in Richtung der Nürburg, die der Rennstrecke ihren Namen gab, habe ich den Ort verlassen, der eine ganze Reihe von Menschen für eine relativ kurze Zeit aus dem Alltagstrott entfernt hat. - Mir hat dieser Tag auch eine Menge Spaß gemacht, zumal ich den Sieger sozusagen als „meinen Sieger“ empfinden könnte.

Dabei habe ich auch bei dieser etwas einseitigen Betrachtungsweise – fast nebenbei -  den Beweis dafür erbracht, dass die VLN mit der NLS ihren ursprünglichen Sinn verloren hat. Darum habe ich heute auch (fast) ausschließlich über den Gesamtsieger berichtet.

Lesen Sie, lieber Leser, bitte zum Abschluss, womit die offizielle Ausschreibung der NLS des Jahres 2022 als Beschreibung der offiziell vom DMSB genehmigten Langstreckenserie beginnt:

„Die Nürburgring Langstrecken-Serie (ehemals VLN) ist die größte und populärste Breitensport-Rennserie weltweit, und wird seit 1977 auf der legendären Nürburgring-Nordschleife ausgetragen. Vom seriennahen Kleinwagen bis zum ausgewachsenen Rennfahrzeug treten die unterschiedlichsten Fahrzeuge in verschiedenen Klassen gegeneinander an. 8 Rennen mit einer Distanz von 4, 6 und 12 Stunden werden auf der 24,358 km langen Nordschleife des Nürburgrings in Kombination mit der Sprintstrecke (Kurzanbindung) des Grand Prix-Kurses im Jahr ausgetragen. Mehr als 150 Tourenwagen und GT-Fahrzeuge, die in der Regel mit mehreren sich am Steuer abwechselnden Fahren besetzt sind, gehen regelmäßig bei den einzelnen Rennen an den Start.“

Irgendwer hat doch da „den Schuss nicht gehört“! - Diese Formulierung wurde aber auch vom DMSB genehmigt!

MK/Wilhelm Hahne

Nein, ich habe es nicht vergessen! - Am 28. März 2022 wäre mein Bruder Hubert Hahne 87 Jahre alt geworden. - Wenn er nicht schon vor fast drei Jahren gestorben wäre. Er hat mich bei meinem letzten Besuch als Bruder nicht mehr erkannt. Diagnose: Demenz! - Auch Rennfahrer können „normal“ sterben!

Durchschnitt: 4.8 (bei 73 Bewertungen)

Kategorie: 

+ Hinweis für Leser – nicht nur an einem Abonnement Interessierte! +

 

Lieber Leser,

 

Motor-KRITIK ist vollkommen werbefrei, aber – darum – auch ein wenig abhängig von seinen Lesern. - Oder anders: Von Einnahmen. - Nicht alle Leser mögen sich gleich für ein Abo entscheiden.

Wenn Sie ab und an mal auf diesen Seiten vorbei schauen und Ihnen der hier gebotene investigative Journalismus gefällt, dann machen sie doch einfach ihre Zustimmung durch eine kleine Spende deutlich. - Auch kleine Beträge können – per Saldo – eine große Hilfe und Unterstützung sein!

Meine Kontendaten – auch wenn Sie Abonnent werden wollen - finden Sie HIER.

 

Danke!