EU-Beschluss: Unkalkulierbar?

Klar ist, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung mit ihren in Brüssel unangemeldeten Millionen-Investitionen für den Nürburgring von der EU-Kommission eine Klatsche erhalten wird. Inzwischen wird es nicht mehr hinter vorgehaltener Hand geflüstert, sondern man kann es z.B. auch in der „Wirtschaftswoche“ Schwarz auf Weiß lesen: „In Rheinland-Pfalz regieren Inkompetenz und Größenwahn.“ So werden denn auch die „Beihilfen“ der Landesregierung zu „Nürburgring 2009“ von der EU zweifelsfrei als „illegal“ eingestuft werden. Wichtig – noch wichtiger! - ist es jedoch, wie die EU-Kommission die Europäische Kommission das Vergabeverfahren an den Bieter „Capricorn“ beurteilt. Hier ist nicht entscheidend, dass sich die Insolvenz-Sachwalter inzwischen gegenseitig auf die Schulter klopfen und ihre Leistung an „Stammtischen“ rühmen, sondern was in dieser Sache wirklich ablief. Auch hinter den Kulissen an Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Auch z.B. durch die Gewerkschaft ver.di. - Der kommende EU-Beschluss für oder gegen Capricorn entscheidet auch über die Glaubwürdigkeit der EU. - Darum ist die Frage eigentlich überflüssig:

EU-Beschluss: Unkalkulierbar?

Am 11. März 2014 heizten die Insolvenz-Sachwalter nach der Entscheidung im Gläubiger-Ausschuss für den Käufer „Capricorn“ noch mal die Stimmung mit positiven Aussagen an: Aus einer Presserklärung zu dem Ereignis:

„Die Ringsanierer sind sich sicher, dass die Europäische Kommission bestätigen wird, dass der Investorenprozess ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Erwerber daher nicht für eine Beihilferückforderung haften muss.“

Da konnten die Rechtsanwälte, die sich als „Ring-Sanierer“ bezeichnen noch hoffen. Schließlich war eine EU-Entscheidung für den 11. Juni 2014 geplant und man hatte alles getan, um die EU-Kommission so zu briefen, dass es für eine Entscheidung im Sinne von „Capricorn“, im Sinne der Landesregierung, reichen sollte.

Doch es wurden wohl einige Fehler – dann auch in Brüssel – deutlich. Zur Klärung gerade einiger Geschehnisse gegen Ende des so genannten „Bieterverfahrens“ verschob man den Termin auf den 25. Juni 2014. Das war gewagt, und es zeugt von dem Willen des EU-Kommissars Joaquin Almunia, dass er zu diesem Termin eine Entscheidung auf die Tagesordnung setzen ließ, obwohl klar war, dass in der Kürze der Zeit nicht die erforderlichen Unterlagen zur Entscheidung neu erstellt sein konnten.

So war es eigentlich keine Überraschung, wenn am 25. Juni die Entscheidung auf den 9. Juli veschoben wurde. Inzwischen wurde aber auch von Seiten der beim „Bieterverfahren“ leer ausgegangenen Interessenten in Brüssel mit Beschwerden richtig Druck gemacht, so dass die Juristen in Brüssel eine Verschiebung der Entscheidung auf den 23. Juli für richtig hielten, um die Entscheidung auf Rechtssicherheit abklopfen zu können.

Das dauert nun noch länger, so dass man inzwischen den Entscheidungstermin ein wenig unpräzise auf „nach der Sommerpause“ verlegt hat. Das könnte dann irgendwann im September sein. Dabei darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass der zuständige Wettbewerbs-Kommissar, Joaquin Almunia, im Oktober in den Ruhestand geht.

Inzwischen ruft Robertino Wild, der Capricorn-Chef, laut in den dunklen Wald hinein:

„Wir haben überhaupt keine Angst und rechnen zu 99 Prozent mit einem für uns positiven Ausgang.“

Und er wird von den Fachleuten der Branche gestützt, die die Arbeit ihrer Kollegen, Herr Herren Prof. Dr. Dr. Thomas B. Schmidt und Jens Lieser so beschreiben:

„Der Weg aus dem Subventionsdschungel ist geebnet: Seit der Erbauung des Nürburgrings 1927 könnte nun erstmalig Wirtschaftlichkeit Einzug halten, dem Finanzdesaster im Größenwahn ein Ende bereitet werden. Zwar muss Rock am Ring alsbald ohne Ring auskommen, doch andererseits stehen die Chancen auf Erfolgskurs. Wie? Ein Insolvenzverfahren - eigenverwaltet - ein hoch kompetitives Bieterverfahren und persönliches Engagement der Referenten und ihrer Teams.“

Damit Sie nicht nachschauen müssen: „Kompetitiv“ heißt: Auf Wettbewerb beruhend, sich gegenseitig verdrängend. So war das Bieterverfahren auch tatsächlich. Nur war es nicht unbedingt so – wie es von Seiten der EU als Voraussetzung angesehen wurde - „offen und transparent“.

Ich hatte die „TMA Deutschland“, den Verband der Restrukturierungsexperten angeschrieben und um ein paar Informationen gebeten. Die habe ich dann in einer wissenschaftlichen Untersuchung gefunden, die sich mit den unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen eines „normalen Managers“ und eines „kurzfristig eingesetzten Managers“, also eines „Restrukturierungsexperten“ beschäftigt. Was mir dabei auffiel: Die Bescheidenheit ist da weniger stark ausgeprägt.

Darum überrascht es auch nicht, wenn der „Stammtischvortrag“ der Herren Schmidt/Lieser, der verantwortlichen Insolvenz-Sachwalter am Nürburgring, den Titel trug:

„Erfahrungen in der grünen Hölle – Die Rettung des Nürburgrings“

Ein Vortrag dieser Art, unter diesem Titel, entspricht sicher deren Selbstverständnis und ihren Ansprüchen an ein Honorar.

Aber auch dieser Vortrag ist natürlich weder „offen noch transparent“, kann hier also leider nicht dargestellt werden. Da bewegen sich Schmidt/Lieser ganz auf dem Nivau eines Kai Richter, der auch mit einem starken Selbstbewusstsein gesegnet war – und ist. Ich denke dabei an seinen Vortrag in München zum Sinn des neuen Kartensystems am Nürburgring, das inzwischen – da unsinnig – nicht mehr genutzt wird. Der hierdurch eingetretene Schaden wird sich sicherlich auf dem Niveau bewegen, das auch mit dem Bau einer Achterbahn erreicht werden konnte.

Die Insolvenz-Sachwalter haben also inzwischen – zumindest in dem „Stammtischvortrag“ in Frankfurt – ihre Arbeit erfolgreich abgeschlossen. Man wird für gemachte Fehler in jedem Fall einen Verantwortlichen finden. Bei der KPMG z.B., oder beim Gläubigerausschuss, bei der Landesregierung oder – der Presse.

Nach den Vorstellungen der Insolvenz-Sachwalter hätten alle Transaktionen „vertraulich“ behandelt werden müssen. Dumm, wenn Motor-KRITIK auf Einnahmen in fast Millionenhöhe hingewiesen hat (Fahrsicherheitszentrum, VLN), die selbst dem Gläubigerausschuss verborgen geblieben sind.

Und wie kann man solch eine dumme Frage stellen, wer denn wohl die Kosten für die sportliche Ausrichtung des letzten Formel 1-Rennens auf dem Grand-Prix-Kurs getragen hat? - Die Frage ist bis heute unbeantwortet. Auch die, warum man das Angebot von Nexovation nicht abgewartet hat, obwohl man selbst die Frist bestimmt hatte? - Und: War Capricorn von seinem „Konzept“ her deswegen im Vorteil, weil man von einer Anwaltskanzlei beraten war (McDermott), die vorher das Land Rheinland-Pfalz beraten hatte und deren Wünsche kannte?

Robertino Wild sollte man seinen Optimismus zugestehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber wer einige wesentlichen Fakten kennt, der ist heute sicherlich schon ohne Hoffnung.

Die „Rhein-Zeitung“ schreibt:

„Wie Brüssel den Verkauf des Rings am Ende bewertet, wird von Tag zu Tag unkalkulierbarer.“

Das ist vorsichtig formuliert. Wenn die kommende Brüsseler Entscheidung zum Bieterverfahren für den Nürburgring rechtssicher sein soll, dann kann es eigentlich nur eine geben.

Alles andere wäre eine Überraschung, die einen Rattenschwanz von Prozessen – auch auf nationaler Ebene - nach sich ziehen würde.

Wird aber das Bieterverfahren z.B. durch die EU neu gestartet, bedeutet das sicherlich eine zeitliche Verzögerung beim Verkauf. - Aber auch deutlich mehr Geld, als jetzt durch Capricorn geboten wurde.

Man kann das Ganze aber auch ganz anders sehen. Zum Beispiel durch die „rote Brille“ von ver.di. Die Gewerkschaft, mit der Landesregierung über eine andere Firma und den Gläubigerausschuss eng verbandelt und in die Insolvenzabwicklung eingebunden, meldet sich heute mit folgender Information zu Wort:

„Geisterfahrer gefährden Arbeitsplätze

Verärgerung bei ver.di Rheinland-Pfalz-Saarland über die Einsprüche gegen den Ring-Verkauf an Capricorn. Landeschef Uwe Klemens:

„Vorsicht Geisterfahrer! Nexovation und Otto Flimm wollen den Crash. Sie sagen beide nicht wirklich „Ja zum Nürburgring“ und gefährden die noch verbliebenen Arbeitsplätze.“

Nach Einschätzung von Klemens geht es den USA-Amerikanern in erster Linie darum, aus dem verlorenen Bieter-Verfahren noch einen Profit zu schlagen. Was Otto Flimm außer Geltungssucht antreiben könne, erschließe sich nicht. Gleichwohl seien beide Einsprüche sehr ärgerlich.

 „Alles was Nexovation und „Ja zum Nürburgring" überhaupt erreichen könnten ist, dass die schon Jahre dauernde Hängepartie für die Beschäftigten und ihre Familien in die Verlängerung geht. Sie stehen aber nicht bereit, die Menschen aufzufangen.

Pfui Teufel!“

Einen passenderes Ende wüsste ich auch nicht.

MK/Wilhelm Hahne
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