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„Bringen Sie den Kindern eine große Flasche Selters!“, so hat mein Vater im Jahre 1939 für seine drei kleinen Kinder – dazu zählte ich auch – in einem Restaurant oder Ausflugslokal Mineralwasser bestellt. Für mich war deshalb „Selters“ über viele, viele Jahre das Synomym für Mineralwasser. Das änderte sich in dem Moment, als ich um 25 Jahre später den Namen „Selters“ in Verbindung mit einem Rennfahrer vernahm. Da lernte ich, dass es zwei „Selters“ gibt: Eins im Westerwald, woher der Rennfahrer, eins im Taunus, woher das bekannte Mineralwasser kam. - Mir ist das jetzt erst wieder – nach der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr – eingefallen, weil aus Selters – von eben dem mir bekannten Rennfahrer aus den 60ern, Udo Schütz – eine kostenlose Spende kam. In Gesprächen, bei denen ich zuhören durfte, wurde diese Spende im gleichen Atemzug mit der Hilfeleistung der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG genannt, die rd. 60.000 qm Fläche zur Einrichtung eines „Hilfezentrums“ zur Verfügung gestellt hatte, von dem aus den Geschädigten an der Ahr geholfen werden sollte. - So wie „früher“ so manches Mineralwasser einfach „Selters“ genannt wurde, so wird evtl. auch heute so manche „Hilfeleistung“ unter „kostenlos“ eingeordnet. - Das muss nicht so sein. - Und so habe ich dann auch als Journalist in diesem Fall „zur Sache“ recherchiert. - Über das Ergebnis informiere ich meine Leser in der folgenden Geschichte:
Über Unterschiede zwischen Darstellung & Realität!
Udo Schütz hieß der Rennfahrer aus Selters, Westerwald. Als ich ihm erstmals in einem Fahrerlager begegnete, da habe ich verstanden, warum man ihn als „Stier von Selters“ bezeichnete. Er war groß und schwer, wirkte gar nicht so, wie man sich einen Rennfahrer vorstellt.
Sebastian Vettel z.B., ist nicht nur Rennfahrer, er wird auch in seiner Darstellung – Größe und Gewicht - als solcher empfunden. Beim Beobachten von Udo Schütz ist bei mir die Frage aufgetaucht, ob es beim Rennenfahren für das Automobil einen Unterschied macht, ob ein „Zusatzgewicht“ statisch – fest - eingebaut ist oder ob es sich um „Lebendgewicht“ handelt.
Udo Schütz – obwohl schwer und groß – war richtig schnell und wurde auch gerne bei Langstreckenrennen von Werken eingesetzt. Er hat viele bedeutende Erfolge eingefahren und hat 1969 dem Motorsport den Rücken gekehrt, nachdem er in Le Mans einen schweren Unfall nur leicht verletzt überstanden hatte und außerdem sein Freund und Rennfahrer-Kollege, Gerhard Mitter, kurz darauf tödlich am Nürburgring verunglückte.
Udo Schütz war damals schon ein erfolgreicher Unternehmer. Wenn er zu Motorsportterminen unterwegs war, musste seine Frau den Betrieb führen. Es ist sicherlich auch in der Realität so passiert, wie dann kolportiert wurde: Seine Frau hatte sich seinen Rücktritt dringend gewünscht.
Er hat sich danach in seiner Firma nicht nur geschäftlich mit Containern beschäftigt, sondern hat auch 1993 mit einer Renn-Yacht, die er unter dem Namen „Container“ einsetzte, für Deutschland den „Admiral*s Cup“ gewonnen.
Diese Vorgeschichte muss man kennen, weil direkt nach Eintritt der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr Udo Schütz – heute weitgehend unbekannt - zu den Ersten gehörte, die Hilfe in Form von mehr als 1.000 großen Wasserbehältern anbot, die er kostenlos zur Verfügung stellte und dann an der Ahr z.B. zur Trinkwasserversorgung eingesetzt wurden.
Aus einer Schütz-Firmen-Information zur Situation an der Ahr und dem Zweck seiner kostenlosen Unterstützung:
„...Überflutete Äcker und Kläranlagen sowie Reinigungsmittel aus privaten Haushalten spülten Dreck, Schlamm, Krankheitserreger und Chemikalien ins Grundwasser. Hier unterstützt Schütz mit seinen Foodcert IBC: Über 1.000 Container hat das Unternehmen bereits dem THW, den Feuerwehren sowie der Bundeswehr kostenlos bereitgestellt. Sie dienen in den Krisengebieten als Speicher für Trinkwasser und werden unter anderem als leistungsfähige, mobile Aufbereitungsanlagen genutzt. Die IBC werden auch vom THW-Krisenzentrum am Nürburgring eingesetzt. Deutschlands älteste Rennstrecke ist seit einigen Tagen nicht mehr Schauplatz von Motorsport, sondern Hilfszentrum für die Opfer der Flutkatastrophe. Dort stehen eine Fläche von insgesamt 60.000 Quadratmetern sowie die gesamte Infrastruktur des Rings für entsprechende Maßnahmen zur Verfügung. …“
Natürlich hat er – als Ex-Rennfahrer - auch den Nürburgring erwähnen lassen, der sich selbst so zu Wort meldete:
„In diesen schweren Stunden, in denen Leid, Verlust und Unsicherheit dominieren, ziehen wir als Region an einem Strang."
Und „Auto Bild“ applaudierte z.B.:
„Die Flutkatastrophe in Deutschland hat viele Menschen hart getroffen und löst eine Welle der Solidarität aus. Auch der Nürburgring packt nun mit an und bietet seine Hilfe an!“
Immerhin stellte der Nürburgring rd. 60.000 qm Fläche und sein Infrastruktur zur Verfügung. - Auch kostenlos? - Ich habe mich das gefragt, weil unter diesen Umständen auch Rennen abgesagt werden mussten. Der Nürburgring hat so Gewinnausfälle hinnehmen müssen.
Am Nürburgring spricht man nicht mit mir. Man selektiert nach „lieben“ und „bösen“ Journalisten. So wäre eine offizielle Anfrage dort sinnlos gewesen. Da habe ich mich zunächst im „Umfeld“ umgehört. Aber niemand wusste etwas Genaues. Der Eine war davon überzeugt, dass das „selbstverständlich“ kostenlos sei, Andere waren dagegen davon überzeugt, dass „die am Nürburgring“ für diese Hilfestellung natürlich „die Hand aufhalten“ würden. - Was denn nun?
Also habe ich mich mit einer offiziellen Anfrage an das Innenministerium in Mainz gewendet. Und zunächst nichts gehört. Dann habe ich doch – überraschend – an einem Sonntag (1. August) gegen 12 Uhr mittags eine wenig aussagekräftige Antwort erhalten. - Man wollte wohl – irgendwie – meine Anfrage beantwortet haben.
So habe ich dann meine Frage noch einmal präzisiert und klar auf die „Hilfestellung am Nürburgring“ ausgerichtet. Nach einer Woche hatte ich noch keine Antwort. Die erhielt ich dann am Montag, den 9. August, einen Tag später, überraschenderweise aus einer anderen Ecke. Exakt von der „ADD, Presse Hochwasser Ahr“:
...“selbstverständlich wird für die Nutzung privater Einrichtungen und Dienstleistungen eine Vergütung gezahlt.
Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass wir Konditionen aus privatrechtlichen Verträgen nicht nennen können.“
Ich habe mich umgehend bedankt, aber als meine Meinung hinzu gefügt:
„Allerdings bin ich bei Ihrer Einschätzung der Verträge, die Sie unter "privatrechtlich" einordnen, etwas anderer Meinung. Ihre Abteilung der ADD arbeitet mit "öffentlichen Geldern", mit Steuer- und Spendengeldern, bei deren Verwendung man als Steuerzahler eigentlich eine Offenlegung erwarten kann.“
Dieser Meinung hat die ADD mit einer e-Mail vom 10. August widersprochen, indem man schriftlich in einer e-Mail erklärte:
...“selbstverständlich kann auch der Staat privatrechtlich tätig werden.
Beim Nürburgring sind vorliegend sowohl „staatliche“ Verträge (Nutzungsentschädigung wegen Benutzung des Nürburgringgeländes für hoheitliche Aufgaben wie Bereitstellungsraum für THW-Rettungsfahrzeuge u.ä.) als auch die angesprochenen Mietverträge privatrechtlicher Natur abgeschlossen worden.
Ihre eigene Meinung dazu bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen.“
Das ist eindeutig und es ergibt sich daraus ganz klar:
- Die „Hilfestellung“ der Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG ist nicht kostenlos!
Ich habe dazu inzwischen einige „Anmerkungen“ erhalten, die ich nicht unbedingt verstehe. Dazu gehören auch Hinweise mit Feststellungen wie:
- ...dass man eine kostenlose Hilfestellung von einer privaten Firma wie am Nürburgring auch nicht erwarten dürfe.
- Auch Millionäre wären nur an Gewinnen interessiert, gleich welcher Nationalität sie wären.
- Immerhin wäre doch auch eine Hilfestellung für Geld eine Hilfestellung.
- Aber auch: Eine solche Recherche (wie zu diesem Thema) passe zur Art von Motor-KRITIK, wo man eben immer nur auf der Suche nach Negativem wäre.
- Oder: Man solle doch in einem solchen Fall mal „nicht im Dreck wühlen“. - Diese „Empfehlung“ verbunden mit der „Warnung“: „Damit tust du dir keinen Gefallen!“
Nun, ich denke, dass man als Journalist auch schon mal unangenehme Fragen stellen und um eine Antwort bemüht sein sollte. Ich übe meinen Beruf nicht aus, um bei „den Mächtigen“ beliebt zu sein. Ich stelle meinen Lesern Informationen zur Verfügung, die sie zu einer eigenen Meinungsbildung nutzen können.
In diesem Zusammenhang noch eine kurze Anmerkung zu „Millionären“:
- Der immer wieder als Besitzer des Nürburgring erwähnte russische Staatsbürger (obwohl es sich wohl um mehrere Gesellschafter handelt) ist Millionär! - Er hat für 77 Millionen Euro – wenn er die denn gezahlt hat – den Nürburgring eigentlich „geschenkt bekommen“. (Das wird von einem EU-Gericht derzeit noch überprüft!)
- Udo Schütz gehörte lt. „manager magazin“ mit seiner Familie im Jahre 2019 zu den „1000 reichsten Deutschen“, war dort in einer Liste auf Platz 204 zu finden.
- Nur um eine Relation herzustellen: Sebastian Vettel wird als Millionär dort auf Platz 722 geführt. - Der ist zwar Deutscher, lebt aber in der Schweiz.
Ich habe meine Recherchen zum Thema „Hilfestellung“ nur geführt, um Klarheit da zu schaffen, da, wo – unwissend – evtl. falsche Informationen kolportiert werden.
Zur Zeit wird das Fahrerlager am Nürburgring übrigens geräumt und auf umliegende Parkplätze verlagert, weil der Pächter des Nürburgrings, in den nächsten Wochen das Fahrerlager u.a. für die Durchführung der DTM benötigt. - Ga-a-anz wichtig!
- Vieles „normalisiert“ sich derzeit scheinbar. Manchmal ist der Unterschied zwischen Darstellung und Realität aber schon ziemlich deutlich!
An der Ahr wird von den bezahlten „Hilfskräften“ übrigens pünktlich Feierabend gemacht. - Das ist Realität! - In der Darstellung liest sich das – oder hört man das – aber anders!
Darauf möchte ich auch aufmerksam machen! -Hören Sie bitte genau hin, wenn Politiker selbst in einer solchen Situation offenbar zunächst an die bevorstehenden Wahlen im September denken und dabei auch ihren persönlichen Vorteil im Auge haben!
Man denkt auch in der derzeitigen Situation an der Ahr zunächst an sich! - Man teilt auch immer in die richtige Richtung aus. - Oder man sagt nichts! - Weil öffentlich werdende ehrliche Statements evtl. schaden könnten!
Selbst in solchen Situation, wie sie zur Zeit an der Ahr herrschen, versucht man die Situation für sich zu nutzen. Und die freiwilligen – und unbezahlten – Helfer fragen sich sicherlich manchmal:
- Was ist eigentlich wichtiger? - Selbstdarstellung oder die an der Ahr – immer noch! - katastrophale Realität?
MK/Wilhelm Hahne
PS: Motor-KRITIK-Geschichten zur Ahr-Katastrophe – wie die aktuelle - können immer nur Momentaufnahmen, „Blitzlichter“ sein, die die umfassenderen Schilderungen ergänzen. Einen sehr guten Gesamteindruck von der Situation an der Ahr – und wie es dazu kommen konnte - erhalten meine Leser, wenn sie sich einmal rd. 30 Minuten Zeit nehmen und einen Beitrag von „spiegel tv“ anschauen, zu dem sie ganz einfach kommen, indem sie HIER mit der „Maus“ klicken.
1 Kommentar
Die Antwort der ADD beschert
Gespeichert von zwei_t_yahoo_de am