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Am 1. Dezember 2016 blätterte die Politikerin Eveline Lemke eine neue Seite in ihrem Leben auf: Die der Buchautorin; mit dem Ansatz und Anspruch, schon etwas philosophisch zu sein. Ihr Absturz aus dem Ministersessel als Wirtschaftsministerin des Landes Rheinland-Pfalz – und als stellvertretende Ministerpräsidentin - hat sie nachdenklich gemacht. Sie stellt in ihrem neuen Buch, „Politik hart am Wind“, die scheinbaren Gründe dar, die den „GRÜNEN“ einen Verlust von rd. 10 Prozent bei der letzten Landtagswahl gegenüber der Wahl davor beschert haben. Dabei vergisst sie ihren eigenen Beitrag dazu. Auch den Beitrag des Mannes, der zu ihrem Buch das Vorwort schreiben durfte: Daniel Köbler. - Eveline Lemke möchte in ihrem Buch „GRÜNE Perspektiven für ein gutes Leben“ aufzeigen, und grast dabei – so nebenbei – alle Positionen ab, die in der politischen Landschaft der Bundespolitik Deutschland der Zukunft vielleicht eine Rolle spielen könnten. - Sie scheint auf der Suche nach einer neuen Plattform, von der aus sie erneut erfolgreich starten kann. - An diesem 1. Dezember 2016, einem Abend in einer Buchhandlung in Bad Neuenahr-Ahrweiler*, möchte sie interessierten Gästen ihr neues Buch vorstellen, daraus Stücke aus wichtigen Kapiteln lesen. - Doch aus dieser „Lesung“ wird dann ein interessanter Diskussions-Abend. - Es ist wohl auch kein Zufall, dass Motor-KRITIK das einzige Medium ist, dass sich für diesen Auftritt der Politikerin Eveline Lemke interessiert. - Andere – Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften - scheinen sie abgeschrieben zu haben, deren Akteure halten es wahrscheinlich für wichtiger die „Tagesschau“ um 20 Uhr zu sehen, als sich „vor Ort“ ein Bild von Eveline Lemke und ihrer augenblicklichen Form zu machen. - Dabei verläuft der Abend aussagestark.
Eveline Lemke: Notlandung mit Buch!
Der Abend beginnt für mich mit einer Szene, wie sie eigentlich filmreif ist. Etwas zu früh am Veranstaltungsort, will ich noch einen kleinen Abendspaziergang machen und biege dabei dann rechts in eine Straße ab. Das heißt, ich bin kurz davor, kann also noch nicht um die Ecke sehen, als mir eine Dame in stürmisch schnellen Schritt entgegen kommt, die mich nicht sehen kann, da sie aus der Straße kommt in die ich abbiegen möchte.
So kommt es zu einer „Fast-Kollision“. Die Dame stutzt, bleibt stehen und fragt verblüfft: „Herr Hahne? - Wollen Sie zu mir auf die Lesung?“ - Ich bestätige ihre Vermutung, indem ich erkläre, dass ich etwas zu früh angereist, mich noch auf einem kleinen Abendspaziergang befinde und mich dann anschließend gleich von ihr gerne mit einer „Guten Nacht-Geschichte“ in den Schlaf lesen lassen würde.
Wir lachen Beide. Und Eveline Lemke stürmt weiter, nachdem sie mich noch informiert hat, dass sie gerade vom „General-Anzeiger“ kommt.
Eine halbe Stunde später werde ich Eveline Lemke zum zweiten Mal an diesem Abend begegnen. Ich war schon vor ihr in der Buchhandlung, die Ort ihrer Lesung sein sollte.
Auch hier war ich zu früh. Und die Buchhändlerin fragt mich, ob ich – aus meiner Sicht – mit einer größeren Zahl von Besuchern rechnen würde. Sie hatte nämlich auf einer freien Fläche in ihrem Laden nur 12 Stühle aufgestellt. - Würde das reichen?
Ich hatte da keine Bedenken, erinnerte an die aktuelle Situation einer Eveline Lemke aus politischer Sicht, in der sie als „abgestürzt“, ohne Titel und Macht nun wieder als zum „Fußvolk“ gehörig empfunden wird. - Die Buchhändlerin ist ein wenig erstaunt.
Der 1. Dezember ist als „Erstverkaufstag“ für das neue Buch von Eveline Lemke angegeben und ich frage, ob sie denn genügend Bücher disponiert habe. - Sie hat es versucht – sagt sie – aber ihr Großhändler habe noch keine Bücher erhalten und konnte ihr auch so keine zustellen.
„Aber es werden mir gleich noch welche mitgebracht, die direkt vom Verlag kommen.“
Minuten später erscheint dann der Ehemann von Eveline Lemke mit einem Rollkoffer und mir ist klar, woher die Bücher kommen. Er hat beim Betreten des Ladens die inzwischen eingetroffenen interessierten Gäste mit einem „Guten Abend“ begrüsst und war mit seinem Koffer in Richtung des Tisches weitergerollt, hinter dem Eveline Lemke zur Lesung Platz nehmen sollte.
Nun kam auch Eveline Lemke und begrüßte die Leute, die sie gut kannte. Zum Beispiel ihren Vater, der aus dem Norden Deutschlands zur Lesung angereist war.
Als wir uns dem Zeitpunkt des Beginns der Lesung näherten, waren wir noch immer weniger Personen, als ein normaler Mensch Finger an zwei Händen hat. - Einschließlich Ehemann, Vater und Buchhändlerin.
Eveline Lemke schien das nicht zu beeindrucken und empfahl, die Situation doch so zu nutzen, dass wir um sie – die ihren Stuhl nun vor den Tisch gezogen hatte – einen Halbkreis bildeten, was dann auch eine Diskussion zwischen ihr und den Gästen, angeregt durch ihren Vortrag möglich machen würde.
Ich saß ihr – zufällig - „Auge um Auge“ gegenüber. Und sie eröffnete dann auch den offiziellen Teil, indem sie mich direkt ansprach um darauf hinzuweisen:
„Ich habe Sie in meinem Buch auch erwähnt. Im Nürburgring-Kapitel.“ - Und lächelnd: „Das gibt es nämlich auch in meinem Buch.“
Das beginnt auf Seite 75 und beinhaltet auch Farbfotos vom Kabinett Kurt Beck (mit Eveline Lemke), vom Kabinett Malu Dreyer I (mit Eveline Lemke) und Kabinet Malu Dreyer II (mit Eveline Lemke). - Als Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin immer in der ersten Reihe..
Auf Seite 80 des Buches ist dann u.a. zu lesen:
„...Die Entwicklung und der Mythos des Nürburgrings bescherten der Region nicht nur mediale Aufmerksamkeit, füllte Zeitungsseiten und Nachrichtensendungen des SWR, sondern wurde sogar in einem Eifelkrimi von Jaques Berndorf aufgearbeitet. Eine Dokumentation von Wilhelm Hahne dient den Behörden u.a. als Ausgangspunkt für die Untersuchungen zur Aufklärung des Skandals. Der Skandal um den Nürburgring brachte die gesamte SPD-Landesregierung von Rheinland-Pfalz vor der Wahl 2011 ins Schleudern. ...“
Eveline Lemke hat mich dann den anwesenden Gästen vorgestellt und erwähnt, dass wir zusammen erfolgreich an der Aufdeckung des Skandals gearbeitet hätten. Sie kommt dann in Ihrem Buch zu der Feststellung (auf Seite 81):
„...Als wir GRÜNE 2011 in der Regierung angekommen waren, erfuhren wir ein Phänomen: Wir wurden in der öffentlichen Debatte quasi für den Skandal der Vergangenheit mitverantwortlich gemacht, dabei waren wir es doch, die sich für Aufklärung der Hintergründe um den Skandal eingesetzt und sich gegen eine steuerliche Finanzierung des Projekts ausgesprochen hatten. ...“
Realität war allerdings in dieser Zeit, dass sich maßgebliche GRÜNE, zu denen z.B. auch Eveline Lemke aber auch Daniel Köbler gehörten, nicht mehr erinnern wollten, dass sie mit Politikern in einer Landesregierung „an der Macht“ waren, die praktisch Volksvermögen veruntreut hatten. Schlimmer noch: Sie leisteten praktisch durch ihr „neues Verhalten“ Schützenhilfe beim Vertuschen der Auswirkungen des verantwortungslosen Handelns.
Manchmal wird das heute damit begründet, dass man durch einen Koalitionsvertrag an den „Partner“ SPD gebunden gewesen wäre.
- Aber wer hat sich durch einen Koalitionsvertrag – der Verhandlungssache zwischen den Partnern war – einbinden, fesseln und stumm stellen lassen?
Wo es wehe tun würde, die Realität zu schildern und anzuerkennen, hilft immer ein wenig Philosophie. So kommt auch Eveline Lemke in ihrem Buch häufig ins Philosophieren, wie sie vorher gerne als Wirtschaftsministerin als Visionärin verstanden werden wollte. - Zum Beispiel im Falle von Windkrafträdern in Wäldern.
Das was Eveline Lemke an diesem Abend bot, war nicht eine „reine Lesung“, sondern sie versuchte auch ihre Gedanken uns wenigen Zuhörern zu übersetzen und mit uns ins Gespräch zu kommen. Und sie hat manchmal – nur indem sie beim Lesen dann auf- und in meine Richtung blickte – ein wenig Kritik an meiner journalistischen Arbeit ausdrücken wollen. - So habe ich es jedenfalls empfunden.
Schließlich habe ich ein paar Anmerkungen gemacht, die ich mit dem Verlesen eines Satzes begann:
„Ordentlicher Journalismus darf nicht spekulativ, sondern sollte gut recherchiert und faktenbasiert sein.“
Das ist eine Feststellung von Eveline Lemke. Und ich habe sie gefragt, warum sie dann an diesem Abend immer wieder das Wort „Transparenz“ benutzt hat, wenn sie sich in in ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin ganz anders verhalten und z.B. E-mail-Anfragen von mir entweder gar nicht oder aber „an der Frage vorbei“ beantwortet hat.
Ich habe an diesem Abend konkrete Beispiele genannt und nun eine etwas hilflos wirkende Eveline Lemke erlebt, die aber von allen (!) Anwesenden lautstark in Schutz genommen wurde:
- Solche Fragen stellt man nur unter „vier Augen“!
- Solche Fragen stellt man überhaupt nicht in der Öffentlichkeit! - usw.
Ich war nicht erstaunt, dass sich die meisten der Anwesenden in der anschließenden heftigen und lauter werdenden Diskussion als in der Politik tätige Mitglieder von Parteien entpuppten. Wichtige Fragen, die evtl. die Aussagen eines Politikers in Frage stellen, dürfen offensichtlich nur in Hinterzimmern „unter vier Augen“ gestellt und nicht zitiert werden.
- Wir bei Motor-KRITIK sind aber keine Freunde von „Hinterzimmer-Romantik“!
Am Ende gab‘s dann zwar Entschuldigungen für‘s „Ausrasten“, was aber nichts an meinem Eindruck ändert, dass Politik so etwas „wie einen Vorhang braucht“, um die Realität hinter Phrasen zu verstecken. - Das gilt wohl nicht nur für Politiker, die „an der Macht sind“.
Eveline Lemke darf als „abgestürzt“ gelten. Sie hat mit ihrem Buch eine Notlandung versucht, in dem sie dort „GRÜNE Perspektiven für ein gutes Leben schildert“.
Ich habe das Buch bisher nur in kleinen Ausschnitten gelesen, habe mir aber an diesem Abend bei einer Mischung von Lesung und Diskussion schon ein Bild machen können:
Eveline Lemke spricht in ihrem Buch eine Reihe von wichtigen Themen – nicht alle – an und zitiert eingangs Georg Wilhelm Friedrich Hegel:
„Der Widerspruch ist
das Erheben der Vernunft
über die Beschränkung des Verstandes.“
Und sie bittet darum:
„Widersprecht mir!“
Dazu muss man aber zunächst einmal das Buch ganz lesen, auch um beurteilen zu können, ob ihre philosophischen Anmerkungen dem Geist Hegel‘s entsprechen, der einmal feststellte…
- ...dass man sich in der Philosophie davor hüten sollte, „erbaulich sein zu wollen“.
Das Buch ist im „oekom“-Verlag unter der ISBN-Nr. 978-3-86581-846-1 erschienen und sollte jetzt im Buchhandel für 24,95 Euro überall zu bestellen sein.
Wie man dem Buch entnehmen kann, lebt Eveline Lemke nach dem Motto:
„Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
An diesem Abend musste ich den Eindruck gewinnen: Sie kämpft wirklich. Eveline Lemke hält auch eine „Weiterentwicklung von GRÜNER Politik“ für notwendig.
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Ankündigung nicht dazu führen könnte, irgendwann einmal „das Lager“ zu wechseln. - Oder wechseln zu müssen?
Der Weg „zurück an die Macht“ wird nicht einfach sein. Das darf ich nach Erleben ihres „Startversuchs“ am 1. Dezember 2016 in Bad Neuenahr-Ahrweiler feststellen.
Sie möchte nicht, wie sie am Ende ihres Buches feststellt, dass die „GRÜNE“ zwischen den großen Parteien zerrieben wird und meint:
„Das aber schließe ich aus, dafür bin ich zu sehr Optimist und: wir können etwas dagegen tun!
Sie packt‘s an! - Immerhin hat sie mir an diesem Abend in das von mir gekaufte Buch folgende Widmung geschrieben:
„Lieber Herr Hahne,
ich freue mich, dass wir wieder im Dialog sind!
Auf bald, E. Lemke“
MK/Wilhelm Hahne
*Hinweis für meine Leser aus der Eifel: „Buchhandlung am Ahrtor“, auf der Ahrhutstraße, wo man sicherlich noch Bücher mit Widmung vorrätig hat.