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Im modernen Motorsport versucht man in der GT3 – in welcher Serie man auch immer am Start ist – Leistungsunterschiede zu vermeiden. Dabei lebt der Motorsport eigentlich von Unterschieden. Die fahrerische Qualität betreffend oder/und den technischen Unterschied. - Der Bessere soll gewinnen? - Das ist im „modernen Motorsport“ nicht mehr der Fall! - Da bestimmt die „BoP“ wer auf der jeweiligen Strecke vorne ist! - Aber die GT3 sind auf einer Strecke nicht alleine unterwegs. Gerade bei Langstreckenrennen ist man kaum „unter sich“. Da fühlen sich dann „die Großen“ von den Kleinen gestört. Und „die Kleinen“ sind entsetzt über die rücksichtslose Fahrweise „der Großen“. Das ist aber nicht neu, obwohl sich gerade erst der Fahrer eines GT4 üben die zu langsamen Fahrzeuge nach dem NLS-Lauf Nr. 4 nachdrücklich beschwert hat. Auch darüber, dass „solche Fahrer“ im Besitz eines Nordschleifen-Permit sind und vom DMSB auch mit einer Lizenz ausgestattet wurden, die sie – so meint er – nicht verdienen. Dabei ist die Problematik nicht neu. Der gerade vor uns liegende 11. Juli, bei dem am Norisring vor genau 50 Jahren so ein Spitzenfahrer wie Pedro Rodriguez starb, sollte Anlass sein darüber nachzudenken, ob die „BoP“-reglementierten GT3-Raketen überhaupt zusammen mit normalen Renntourenwagen in einer Breitensport-Langstreckenserie wie die NLS- eine ist, auf die Strecke gelassen werden sollten. Denn…
Die Speed-Differenz kann zum Problemfall werden!
1971 ist Pedro Rodriguez mit einem Ferrari 512 M, den er sich von „Stumpen-Herbie“ aus der Schweiz für dieses Rennen ausgeliehen hatte, beim zweiten Überrunden nach insgesamt 12 gefahrenen Runden (!) eines von einem Amateur bewegten Porsche 910 wohl „übersehen“, abgedrängt worden, auf einen Sandstreifen geraten, eingeschlagen und – der Wagen ist in Brand geraten. Der Fahrer saß noch am Steuer. - Pedro Rodriguez hat diesen Unfall nicht überlebt.
Rainer Braun hat sich damals in „Deutsche Auto Zeitung“ des Falles angenommen und daran erinnert, dass es ähnliche Unfälle immer schon gegeben hat. Er ist zu dem Schluss gekommen:
„Wo 300km/h schnelle Rennwagen starten, haben langsame Lückenfüller nichts zu suchen.“
Im Fall des Pedro Rodriguez im Jahre 1971 hatte er recht! - Aber bei der NLS des Jahres 2021 liegt der Fall anders. Dort dürfen die schnellen – fast – 300 km/h schnellen GT3 und GT4 eigentlich nur starten, weil sie dem Veranstalter das 4,5fache an Nenngeld einbringen, als für ein Fahrzeug der V3- oder V4-Klasse zu zahlen ist.
So fahren dann bei der NLS des Jahres 2021 die GT3 mit mehr als 500 PS scheinbar Kreise um die kleinen V3/V4 mit maximal 190 PS. Es liegt beim Veranstalter, das zu ändern! - Und es war anders, als es die „Kalkulationswunder“ GT3 noch nicht gab!
Die NLS, aus der VLN hervorgegangen, hat sich in der Corona-Phase als „Profisport“ zu profilieren versucht, während sie eigentlich immer eine Breitensportserie war – auch sein sollte! Die Veranstalter haben die GT3 also auch zur Selbstdarstellung gegenüber den Politikern in Mainz genutzt und damit den Niedergang der Serie eingeleitet, wie auch die aktuellen Starterzahlen zeigen.
Am Noris-Ring war 1971 dagegen ein Interserienlauf, ein Profirennen ausgeschrieben, zu dem allein 10 Fahrzeuge mit mehr als 7 Liter Hubraum und weitere mit um 5 Litern Hubraum gemeldet waren. Da konnten hubraumkleine Porsche, von Amateuren eingesetzt nur Klassenfüller sein. Die Letzten in diesem Rennen waren am Ende zwei „alte“ Porsche mit 15 bzw. 19 Runden Rückstand bei einer Gesamtdistanz von 41 Runden mal 3,94 Kilometer! - Heute hat der Noris-Rings übrigens eine Länge von 2,3 Kilometern.
Soviel zum Thema „Klassenfüller“, wie „damals“ von Rainer Braun richtig erkannt wurde!
Rainer Braun hat auch darauf hingewiesen, dass solche Unfälle gerade bei Langstreckenrennen kein Einzelfall sind und daran erinnert:
- 1969, beim 6-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring kollidiert der führende Porsche 911 von Rolf Stommelen mit einem überrundeten Fiat 124.
- 1970, beim 12-Stunden-Rennen in Sebring/USA, verlor Vic Elford, mit einem Porsche 917 seinen zweiten Platz, als ihn ein schon mehrfach überrundeter Porsche 911 wohl übersehen hatte.
- 1970, beim 1000-km-Rennen in Spa, brachte ein „langsamer“ Porsche 911 Helmut Kelleners im Porsche 917 in einer schnellen Kurve zum Abflug.
- 1971, beim 1000-km-Rennen in Monza, löste ein Schweizer Pelzhändler mit seinem Porsche 907 durch seine Unaufmerksamkeit beinahe eine Katastrophe aus, als Merzario mit seinem Ferrari 512 M in dessen 907 fuhr. Jacky Ickx fuhr mit seinem Ferrari 312 in die Trümmer. Der Schweizer-Porsche brannte aus, seinem Fahrer musste ein Bein amputiert werden. Merzario und Ickx blieben unverletzt.
- 1971, beim Training zu 24-Stunden-Rennen in Le Mans, setzte Jo Siffert seinen Porsche 917 in die Leitplanken, weil ein Porsche 911-Fahrer offensichtlich nicht in den Rückspiegel geschaut hatte.
- 1971, beim 1000-km-Rennen in Spa verlor Clay Regazzoni mit seinem Ferrari 312 P kurz vor Schluss des Rennens seinen sicheren dritten Platz, weil er von einem langsamen englischen Fahrer von der Bahn gefahren wurde.
Ich will es bei der damals – 1971 – von Rainer Braun vorgenommenen Aufzählung belassen. Die Erinnerung an „alte Vorfälle“, soll nur daran erinnern, dass es die jetzt gerade wieder diskutierte Problematik schon immer gegeben hat. - Die Veranstalter haben den Schlüssel für eine Änderung in der Hand. Mit den unterschiedlichsten Argumentationen versuchen sie die Verantwortung von sich weg zu schieben!
Wenn man die aktuelle Situation am Nürburgring durchdenkt, wird einem klar, dass z.B. ein DMSB-Nordschleifen-Permit eigentlich nur dem Abkassieren dient, die Sicherheit auf der Strecke aber nicht verbessert. Eine deutliche Verbesserung würde nur ein homogenes Starterfeld bringen, in dem zwar leistungsmäßige und fahrerische Unterschiede deutlich werden, aber nicht solche Extreme, wo dann um 100 km/h schnellere GT3, eigentlich in zahlenmäßig kleiner Stückzahl durch ein Feld von „langsamen“ Tourenwagen pflügen müssen. Bei einem 4-Stunden-Rennen immer und immer wieder.
Ich möchte es bei diesem Hinweis belassen, der eigentlich aus Anlass des 50. Jahrestages eines grausamen Unfalls am Norisring in Nürnberg erfolgt. Aus dem weder Veranstalter noch Fahrer gelernt haben. Weil man sich nicht gerne mit negativen Erscheinungen im Motorsport auseinandersetzt.
Rainer Braun machte damals – 1971 – nachdem Pedro Rodriguez tödlich verunfallt war, folgenden Vorschlag:
„Um solche tragischen Unfälle in Zukunft auszuschalten, muss diese Forderung erfüllt werden:
Fahrer und Wagen, die im Training auf Rundstrecken bis fünf Kilometer Länge mehr als 15 Prozent, auf Rundstrecken bis zehn Kilometer mehr als zehn Prozent und auf Rundstrecken über zehn Kilometer mehr als 20 Prozent langsamer sind als der Durchschnittswert der drei Trainingsschnellsten, dürfen nicht mehr starten.“
Wenn man die Trainigsergebnisse von NLS 4 am Nürburgring einmal zum Maßstab nimmt, wo die durchschnittliche Rundenzeit der schnellsten Drei 7:52,791 min betrug, wären dann tatsächlich nur drei Fahrzeuge nicht startberechtigt gewesen. Darunter – weil Letzter – wäre auch das Fahrzeug gewesen, bei dem die Leistung der Amateur-Fahrer von einem der schnellen GT4-Profis als unzureichend empfunden wurde.
So hätte er zwar – ginge es nach Rainer Braun’s Vorschlag – in diesem Fall der laut Kritik übenden GT4-Fahrer „freie Fahrt“ gehabt, aber mir scheint das keine Lösung zu sein, die das Problem beim derzeitigen „NLS-Gemisch“ des Jahres 2021 löst.
„In der Begrenzung zeigt sich erst der Meister.“
Das hat Johann Wolfgang von Goethe im Jahre 1800 geschrieben. 221 Jahre später scheint es bei den VLN-/NLS-Verantwortlichen am Nürburgring an solchen Meistern zu mangeln!
1 Kommentar
In der Begrenzung zeigt sich der Meister
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